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Vier Jahre angestrengter Arbeit, rastlosen Eifers waren vergangen, seit Joseph die Alleinherrschaft seines Reiches angetreten. Vier Jahre hatte er nur dem Wohle seines Volkes gelebt, nur das Beste seiner Unterthanen gewollt und erstrebt, und ohne Menschenfurcht und Eigennutz nur das eine Ziel verfolgt, sein Volk frei, einig, stark und groß zu machen, es zu befreien von den Banden der geistigen Knechtschaft, welche die Kirche ihm aufgelegt, es zu erlösen von dem Joch der Sclaverei, welches die Leibeigenschaft über seine Schultern gelegt, es zu erheben zu der Würde des freien Menschenthums, welche die Gleichstellung vor dem Gesetz ihm gewähren sollte, es mächtig und reich zu machen durch Oeffnung neuer Handelswege, durch Errichtung von Fabriken und durch Begünstigung des Handels und der Industrie.
Und was war sein Lohn für alle Anstrengungen, alle Mühen, für sein Kämpfen und Ringen mit all diesen widerstrebenden Elementen, welche ihn haßten, weil jede Neuerung ihnen lästig und unbequem war? Was war sein Lohn für schlaflose Nächte, für rastloses Arbeiten, für ein Leben, welches nur den Mühen und Lasten seiner Krone gewidmet war, und ganz resignirte auf eigene Freude und eigenen Genuß?
Unzufriedenheit und Widersetzlichkeit, wohin er auch schaute, Undankbarkeit und Uebelwollen, wohin sein Auge sich wandte!
Der Adel grollte ihm, weil er sich erniedrigt fühlte durch diese Gesetze, welche ihn mit seinen Rechten dem geringsten Bürger gleichstellten, er trat dem Kaiser bei jeder Gelegenheit mit offenem Widerstand entgegen, seit Mitglieder der angesehensten und größten Familien für begangene Verbrechen zu schmachvollen Strafen verurtheilt worden waren, und suchte heimlich und offen auch das Volk zur Unzufriedenheit und zum Widerspruch aufzureizen. Und in diesem Bestreben fand er einen mächtigen und einflußreichen Mitkämpfer an der Geistlichkeit und der Kirche; diese hatte Joseph am meisten gekränkt, diese lohnten es ihm mit dem unversöhnlichsten Haß. Diesen beiden mächtigen Gewalten aber schloß sich eine dritte an: die Bureaukratie. Joseph hatte dem Schlendrian früherer Jahre ein Ende gemacht, er verlangte von dem höchsten, wie von dem niedrigsten Beamten, daß er arbeiten, daß er Kenntnisse besitzen solle, er befahl, daß diejenigen, denen es an den letztern mangelte, noch einmal auf die Universität gingen, und ernste Studien machten, er entfernte mit schonungsloser Strenge diejenigen von ihren Aemtern, welche das Erstere nicht wollten. Er war ein Schrecken der Beamten, und darum fürchteten sie ihn, und darum haßten sie ihn, und setzten seinem Willen und seinen Befehlen überall den Widerstand des Schweigens und der Trägheit entgegen, und hemmten seine Schritte und verdarben seine Pläne durch absichtliches Mißverstehen seiner Absichten.
Aber noch hatte diese allgemeine Aufregung nur im Stillen geglüht, noch hatte sie es nicht gewagt, an das Licht zu treten und dem Kaiser die Stirn zu bieten, und Joseph arbeitete weiter, voll des freudigen Muthes, es werde ihm doch noch gelingen, den Widerstand der Uebelwollenden zu beseitigen, den Beistand der Wohlwollenden zu gewinnen, und sein Volk zu überzeugen, daß alle diese Neuerungen, welche es so sehr haßte und scheute, nur sein Wohl und seine Größe allein bezweckten.
Da auf einmal ward er aus tiefer Hoffnung aufgeschreckt durch die furchtbaren Nachrichten, welche aus Ungarn zu ihm herübertönten. Er hatte den ungarischen Bauer frei gemacht von der Leibeigenschaft, er hatte ihn erlöst von der furchtbaren Steuerlast, und durch die neue gleichmäßige Steuerregulirung auch dem Adel die Pflicht der Steuerzahlung auferlegt, er hatte die allgemeine Conscription eingeführt, und jeder Ungar, ohne Ansehen der Person und des Standes sollte kämpfen und dienen unter den Fahnen Oesterreichs; er hatte angeordnet, daß die Häuser numerirt und gezählt würden, und endlich hatte er befohlen, daß man auch in Ungarn die deutsche Sprache als die allein gültige erlernen und sprechen sollte.
Ein einziger Schrei der Entrüstung hallte durch alle Schlösser der ungarischen Magnaten. In ihren heiligsten Rechten waren sie gekränkt und angegriffen; die Conscription wollte den Sohn des Edelmanns dem Sohn des Bauern gleichstellen, die Besteuerung ihres Grundbesitzes, die Numerirung der Häuser, um darnach die Steuern normiren zu können, wollte sie des Vorrechtes berauben, das ihre von allen österreichischen Kaisern noch gewährleistete Verfassung ihnen zuerkannte, des Vorrechts: keine Steuern zu zahlen! Und der Befehl endlich, die deutsche Sprache zu erlernen, sie anzuwenden bei allen öffentlichen und gerichtlichen Acten, bedrohte sie mit dem Unglück, ihre Nationalität zu verlieren, und ihr Vaterland, das Königreich Ungarn, zu einer österreichischen Provinz herabgewürdigt zu sehen.
Aber nicht blos die Magnaten und Edelleute fühlten sich bedroht von diesen kaiserlichen Verordnungen, sondern auch das Volk. Es fühlte sich zum Tode erschrocken über die anbefohlene Conscription, und vor den kaiserlichen Beamten, welche kamen, diese Conscription vorzunehmen, flohen sie zu Tausenden, Alt und Jung, Greise und Knaben, von panischem Schrecken ergriffen in die Gebirge, in deren Höhlen und Schlupfwinkeln und Thäler die kaiserlichen Beamten ihnen nicht zu folgen vermochten.
Aber Einem von den Ihren gelang es, sie aus ihren Verstecken hervorzurufen; der laute Ruf des Bauern Horja hallte wieder durch alle Bergklüfte und alle Thäler, und dieser Ruf hieß: Freiheit und Gleichheit. Der Adel, betheuerte Horja, der Adel solle aufgehoben werden im ganzen Königreich Ungarn, keine Schlösser solle es mehr geben, keine Magnaten und Zwingherrn. Der Kaiser selber habe ihm das versprochen in der Kaiserburg zu Wien, der Kaiser habe ihm gelobt mit einem heiligen Eide, er wolle den ungarischen und siebenbürgischen Bauer frei machen, er wolle den Adligen ihm gleich stellen, und ihm keine Vorrechte mehr gestatten über den freien Bauer. Und jetzt sei die Stunde der Erfüllung gekommen, jetzt habe der Kaiser sein Wort eingelöst, und habe den ungarischen Edelmann dem Bauer gleichgestellt durch die Conscription und die Besteuerung. Nur gegen die Edelleute, die stolzen Magnaten, seien die Befehle des Kaisers gerichtet, nicht gegen das Ungarvolk, von dem Joseph selber zu Horja gesagt, sie seien seine liebsten und schönsten Kinder, und er wolle, daß sie Alle frei, glücklich und reich würden. Und dazu habe der Kaiser alle diese Verordnungen ergehen lassen; aber er könne nicht alles allein thun, er rechne auf die Hülfe seiner ungarischen Bauern; sie müßten vollenden, was er angefangen, sie müßten selber Hand an's Werk legen, und sich betätigen als Männer. Der Kaiser habe ihnen die Wege gezeigt und geebnet, auf denen sie wandeln sollten, der Kaiser wolle, daß sie frei würden, frei, reich und glücklich.
Und wenn Horja mit begeisterter Stimme, mit blitzenden Augen, mit der flammenden ursprünglichen Beredtsamkeit des Natursohnes so sprach, so hörten ihm die ungarischen und siebenbürgischen Bauern zu mit staunendem Entzücken, und seine Worte dünkten ihnen wie himmlische Musik, welche sie zuweilen in den Träumen einer entzückenden Nacht vernommen, die sie aber niemals noch mit wachenden Ohren gehört hatten.
Der Bauer soll frei sein, glücklich und reich! Das war das Zauberlied, das überall jetzt erklang durch Hütten und Thäler, das die Ziegenhirten vernahmen auf den höchsten Spitzen des Tatragebirges, und die Bergleute in den untersten Schachten der Bergwerke, und dieses Zauberlied wirkte auf sie Alle, wie das Lied des Arion, sie konnten nichts anders mehr denken, wollen und hören, als nur dies.
Horja war der Arion, der dem Bauer in Ungarn und Siebenbürgen dieses Zauberlied sang, und um Horja sammelten sich die jauchzenden, begeisterten Schaaren, welche von allen Seiten herbeiströmten, um das zu vollenden, was der Kaiser angefangen, und ihm zu helfen, sein Werk zu Stande zu bringen.
Horja sagte ihnen: der Kaiser hat gesagt, wir sollen frei, glücklich und reich werden. Frei und darum glücklich hat uns der Kaiser gemacht, das Dritte aber sollen wir uns selber schaffen. Reich sollen wir uns machen durch unsere eigene Macht. Unser Reichthum liegt in den Schlössern der Edelleute. Sie müssen mit uns theilen, der Kaiser will es so. Der Kaiser ist ein Feind der stolzen Edelleute, aber ein Freund des armen Volks; er will den Edelleuten daher vergelten, was sie seit Jahrhunderten Böses an uns gethan, er will dem armen Volk vergelten, was es seit Jahrhunderten Böses zu leiden gehabt. Auf den Schlössern der Edelleute liegt unser Reichthum.
Und wenn das arme, so lange an Knechtschaft, Armuth und Elend gewöhnte Volk noch zweifelte und zauderte, so zeigte ihnen Horja eine »Gnadenkette« vor, eine schwere goldene Kette mit dem Bildniß des Kaisers, die er von Joseph selber wollte empfangen haben, er sagte ihnen, der Kaiser habe ihn zu seinem Bevollmächtigten ernannt, und zum Zeichen deß zeigte er ihnen ein mit großen Siegeln versehenes Pergamentblatt, das mit großen goldenen Buchstaben beschrieben war. Das, sagte er, sei das Patent, mit welchem Joseph ihn zum General-Capitain und Bevollmächtigten ernenne, und zum Zeichen deß habe er ihm auch die Gnadenkette gesandt. Es stände Alles geschrieben in dieser Schrift, sie möchten alle nur kommen und es selber lesen.
Da die armen Bauern nicht zu lesen verstanden, erbot sich der Pope Krischan, der Freund Horja's, die kaiserliche Schrift vorzulesen, und es ergab sich, daß Horja die Wahrheit gesagt, es stand genau Alles so auf dem Pergament, wie Horja es ihnen gesagt, der Pope Krischan hatte es gelesen, und einen Popen der Lüge zu zeihen, kam keinem von diesen gläubigen Kindern der Natur in den Sinn.
In Siebenbürgen hatte Horja zuerst sein Patent und seine Gnadenkette gezeigt, von dort aus sollte das Werk der Befreiung und der Rache beginnen. Dort schaarten sich zuerst die Bauern um ihn zu einer kleinen Armee. Aber immer weiter und weiter hallte der Ruf, Hunderte strömten täglich heran zu seinen Schaaren; in allen Dörfern erhoben sich die Bauern und kündigten ihrem Herrn den Gehorsam auf und eilten Horja entgegen, Horja, dem General-Capitain des Kaisers, der dem Kaiser helfen sollte, sein Volk glücklich, frei und reich zu machen.
Der Reichthum lag in den Schlössern der Edelleute, und sie hatten nur nöthig, ihn von dort zu holen, und sie konnten es, denn eine Armee von sechsunddreißigtausend Bauern aus Siebenbürgen und Ungarn schaarte sich jetzt um Horja und seinen Freund Krischan, und das Werk der Freiheit, des Glücks und des Reichthums konnte jetzt begonnen werden.
Und es begann mit allen Greueln und Schrecknissen des Bürgerkrieges und der Empörung, es begann mit Brandstiftungen, mit der Verwüstung der Schlösser und Burgen, mit der Ermordung der gefangenen Edelleute und der Vernichtung ihres Hab und Gut.
Die Edelleute der entfernter gelegenen Comitate und Gespanne, wohin die Empörung noch nicht gedrungen war, schaarten sich zusammen, bewaffneten sich und zogen wider die Empörer aus. Es gelang ihnen, einzelne von ihnen gefangen zu nehmen, und diese ließen sie, als freie, unumschränkte Herren, die nur Gott Rechenschaft schuldig sind, auf grausame und martervolle Weise hinrichten.
Diese Hinrichtungen, ohne Befehl und Billigung des Kaisers, fachten die Wuth noch höher an und reizten die Empörer zu festerm Verharren in ihrem Kampf gegen diesen übermüthigen Adel, der sich dünkte, als Souverain schalten und walten zu können. Jetzt verlangten sie überall mit stürmischem Wuthgeheul, der Adel sollte aufhören zu existiren, die adligen Besitzungen sollten unter das Bauernvolk vertheilt werden. Die Edelleute sollten ihren Adel abschwören und bis zur Krönung des rechtmäßigen Königs, des Kaisers Joseph, der sich deshalb nur bis jetzt nicht habe in Ungarn krönen lassen, weil er wolle, daß erst das ganze Volk frei und gleich, und vom Adel befreit sei, bis zur Krönung Josephs sollten sie Alle Horja, als dem General-Capitain von Ungarn, gehorsam sein.
In einer eigenen Schrift ließ Horja diese Bedingungen des Friedens auf der Comitatstafel der Edelleute niederlegen, und da sie dieselbe keiner Antwort würdigten, begann das Rauben und Sengen, das Plündern und Morden mit erneuerter Wuth.
Aber nur das Eigenthum der Edelleute griffen sie an, geheiligt war ihnen, was dem Kaiser gehörte, denn der Kaiser war ihr geliebter Herr. Aber ihm allein wollten sie unterthan sein, er sollte der einzige Herr und Edelmann bleiben in Ungarn und Siebenbürgen, jeder andere Adel, jedes andere Eigenthum sollte aufhören.
Der Kaiser durfte nicht länger schweigen zu diesen Worten und Thaten der Empörer, die sich verrühmten, in seinem Sinn und seinem Namen zu handeln; er hatte anfangs gehofft, es mit der Milde versuchen zu dürfen; er hatte allen Empörern einen General-Pardon zuerkannt, und nur auf das Haupt ihres Anführers Horja einen Preis von dreihundert Ducaten gesetzt.
Aber die armen, bethörten Bauern, welche den Worten geglaubt, die ihnen Horja als die Worte des Kaisers mitgetheilt, sie glaubten nicht an den General-Pardon des Kaisers und hielten ihn nur für eine List, mit welcher ihre Gegner sie bethören wollten.
Jetzt durfte Joseph keine Schonung mehr üben, jetzt mußte das kaiserliche Militair einrücken in die Gegenden, wo der Aufruhr seine brennenden Fackeln schwang, und mit blutiger Waffe und mit Kanonendonner und Kartätschengeprassel mußte zu Ende geführt werden, was das Wort der Güte und der Gnade nicht vermocht hatte.
Jetzt, in dieser höchsten Noth, da Horja einsah, daß er nichts mehr zu hoffen habe von der Gnade des Kaisers, ließ er den mißvergnügten Edelleuten antragen, sich mit ihm und seinen Schaaren wider den Kaiser zu verbinden. Aber sie wiesen diesen Antrag zurück, und halfen nur noch eifriger den Soldaten des Kaisers in Verfolgung und Aufsuchung der Empörer.
Tausende von ihnen ergaben sich und baten um Gnade, die ihnen der Kaiser gewähren ließ. Tausende flohen in die Gebirge, und Tausende und aber Tausende wurden gefangen. Unter ihnen Horja und der Pope Krischan. Beide wurden zum Tode verurtheilt. Da in seiner höchsten Noth flehte Horja um die letzte Gnade, nach Wien gebracht zu werden, weil er dem Kaiser Dinge von der größten Wichtigkeit mitzutheilen habe.
Aber es lag nicht im Interesse der Edelleute, daß der Kaiser diese Dinge erfahre. Horja's Bittgesuch ward »aus wichtigen Gründen« abgeschlagen.
Vielleicht ahnte der Kaiser, welcher Art die wichtigen Dinge seien, welche Horja ihm mittheilen konnte, vielleicht fürchtete er, diese Enthüllungen könnten ihm klar beweisen, was er ahnte, daß nämlich die Magnaten und Edelleute selber den ganzen Aufstand angestiftet, um Joseph ein schreckensvolles Beispiel von den Folgen und Consequenzen seiner Verordnungen zu geben.
Horja ward nicht nach Wien gebracht, sondern er ward auf dem großen Marktplatz zu Carlsburg gerädert, und zweitausend gefangene Empörer mußten diesem grausenvollen Schauspiel zusehen. Den 3. Januar 1785.
Das war das Ende dieses fürchterlichen Drama's, bei welchem viertausend Menschen ermordet, zweiundsechzig Dörfer und einhundert und zweiunddreißig Edelhöfe verwüstet worden, und das den armen irregeleiteten Bauern statt der Freiheit, des Reichthums und des Glückes nur den gesteigerten Haß und das bittere Rachegelüste ihrer mächtigen, durch das Gesetz geschützten Herren eingetragen hatte. Hübner I. S. 273 ff. – Groß-Hoffinger III. S. 135. – Ramshorn Seite 138.
Die Magnaten und Edelleute aber riefen, auf den Trümmern ihrer verwüsteten Schlösser, ihrer brennenden Dörfer stehend: das ist Josephs Werk! Das ist die blutige Saat, welche der Kaiser gesäet hat mit seinen Reformen und Neuerungen.