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III.
Die Nemesis.

Aber wo war die schöne Arabella? Die bezaubernde Frau, welche so lange der Stern und der Glanzpunkt der Wiener Gesellschaft gewesen, der Alle gehuldigt und geschmeichelt hatten, die von allen Cavalieren angebetet und von allen Damen der aristokratischen Welt, in welcher sie sich mit so viel Geist und Grazie bewegte, geachtet und geliebt ward.

Was war aus der Gräfin Baillou geworden, deren Sirenenstimme den leichtsinnigen Grafen verlockt hatte in den Abgrund?

An dem Abgrund hatte sie ihn verlassen, in den Gefahren hatte sie ihn verleugnet, im Unglück und der Erniedrigung hatte sie ihn verhöhnt.

Und keine Strafe für solch Verbrechen? Keine Strafe für diese Frau ohne Herz, ohne Erbarmen und ohne Reue? Keine Strafe für ein eitles, vergeudetes Dasein?

Wird keine rächende Hand die Maske eines Engels von ihrem Antlitz reißen und den Dämon zeigen, der darunter verborgen ist?

Die rächende Hand schwebt schon über ihr, sie ist schon bereit, sie zu packen. Aber Arabella ahnt es nicht, ihr Auge ist geblendet vom stolzen Sicherheitsgefühl. »Diejenigen, welche die Götter verderben wollen, die strafen sie zuerst mit Blindheit, daß sie den Abgrund nicht sehen, vor welchem sie stehen.«

Arabella sah den Abgrund nicht; die Götter hatten sie gestraft mit Blindheit. Der Kaiser hatte sie ja begnadigt und für unschuldig erklärt, keine Schuld haftete also an ihr, das Leben grüßte sie wieder mit allen seinen Freuden und Genüssen.

Freilich hatte sie ihre Cassette mit ihrem kostbaren Inhalt verloren, freilich war das Geld, das sie der Freigebigkeit des unglücklichen Obristen von Szekuly verdankte, wieder zurückgeflossen in die Kasse, welcher es entwendet worden, und mit ihm auch das andere Gold.

Aber Arabella war doch nicht arm, es blieb ihr noch ein süßer Trost nach so ungeheurem Verlust. Denn besaß sie nicht noch den Schmuckkasten mit ihren Juwelen? Mußte sie ihn nicht wieder finden in dem verborgenen Wandschrank, dessen Existenz Niemand ahnte, selbst nicht Giuseppe, ihr treuer Diener und Freund?

Wenn sie diese Juwelen erst wieder besaß, dann war sie wieder reich, wieder glücklich, dann war sie wieder geehrt, gesucht und gefeiert. Denn Reichthum ist Ehre, Glück und Ansehen, und sie hatte zu dem Allen noch ihre Schönheit und ihren Geist.

Fort also mit ihren Juwelen nach Paris, nach der Stadt der Genüsse, des Glanzes und der Herrlichkeit. Fort! Sie war jetzt frei. Das Leben gehörte ihr wieder. Der Kaiser hatte sie begnadigt. Sie war ja unschuldig.

Ihre Reise nach Paris, welche sie damals hatte antreten wollen, war ja nur verzögert, nicht aufgehoben. Der Reisewagen war noch da, und Giuseppe erwartete sie mit demselben beim einbrechenden Dunkel der Nacht vor einem der Thore.

Sie hatte nur noch übrig, die Juwelen aus dem verborgenen Wandschrank zu nehmen, und dies war eine leichte Sache. Es gehörte nur ein wenig Muth dazu, in der Nacht durch die Hinterpforte in den Garten, und von dort in das Haus zu schleichen, nur ein wenig Muth, durch jene kleine Seitenthür hineinzuschlüpfen in das öde, stille Haus, in welchem Niemand sie erwartete, Niemand sie willkommen hieß. Ihre Diener alle waren entlassen, das Gericht hatte dies Haus verschlossen, denn da Alles, was die Gräfin besaß, ihr von dem Grafen Podstadzky gekommen, so gehörte dies Alles jetzt seinen Gläubigern und sollte verkauft werden zu ihrem Vortheil.

Arabella hatte Muth, Alles zu wagen, und sie besaß die Schlüssel zu der Gartenpforte, wie zu der Seitenthür des Hauses.

Es war eine finstere Nacht, die Laternen, welche hier und da die verödeten Straßen erleuchteten, warfen nur noch einen spärlichen Schein, denn da Wien schlafen gegangen, war auch die Zeit ihres Erlöschens bald gekommen. Selten nur ließ sich noch irgend eines verspäteten Wanderers hallender Schritt vernehmen, und nur von Zeit zu Zeit hörte man den gleichmäßigen taktirenden Schritt der Patrouillen, die alle Stunden den Umgang durch die Straßen hielten.

Eine dieser Patrouillen hatte eben die schmale kleine Gasse passirt, an deren einer Seite sich die Mauer des Gartens befand, welcher zum Hôtel der Gräfin Baillou gehörte. In der Ferne verhallten die Schritte der Soldaten, dann ward Alles still. Die einzige Laterne, welche in dieser kleinen Gasse brannte, warf ihren letzten verlöschenden Schein über dieselbe hin.

In diesem Augenblick schlüpfte eine schwarze dicht verhüllte Gestalt hinter einem Pfeiler der Gartenmauer hervor, und glitt leise an der Mauer hin bis zu dieser kleinen Thür da am Ende derselben.

Jetzt rasselte der Schlüssel im Schloß, jetzt knarrte die Thür und drehte sich in ihren Angeln, die schwarze Gestalt schlüpfte hinein und zog die Thür hinter sich zu.

Alles ward wieder still in der kleinen Gasse. Die schwarze Gestalt legte horchend ihr Ohr an die Pforte, kein Laut ließ sich vernehmen.

Ich bin also ganz sicher, flüsterte sie, Niemand ist mir gefolgt. Ich werde ganz ungehindert eintreten können in mein Hôtel, werde mir meine Brillanten holen und werde wieder fortschlüpfen, ungehindert, wie ich kam.

»Wen die Götter verderben wollen, den strafen sie zuerst mit Blindheit.« Arabella sah nicht diese beiden großen Männergestalten, welche, als sie die Allee des Gartens hinauf schlüpfte, aus dem kleinen Hause, welches dem Garten gegenüber lag, heraustraten und sich neben der Pforte des Gartens aufstellten.

Jetzt ist sie drin, flüsterte der Eine.

Ja, sagte der Andere mit einem leisen Lachen, der schöne Vogel hat sich selber eingefangen. Warten wir hier auf weitere Ordre.

Arabella, wie gesagt, sah sie nicht. Mit unhörbarem Schritt eilte sie die Allee hinauf, kein Zittern war in ihrem Herzen, nicht die kleinste Furcht und Unruhe empfand sie.

Mit einem dankbaren lächelnden Blick schaute sie zum Himmel empor, der so schwer von Wolken behangen war, daß der Mond sie nicht zu durchdringen vermochte, und den Bäumen und Gesträuchen des Gartens nicht einmal etwas verrieth von der Gestalt, die an ihnen vorüberschlüpfte.

Ich danke Dir, Mond, flüsterte sie leise lachend, machst Deine Sachen gut, und hilfst mir mit Deiner Dunkelheit heut besser wie mit Deinem Licht. Warte nur bis morgen. Morgen Nacht will ich Dir fest in's Antlitz schauen, morgen habe ich nichts mehr zu fürchten, morgen bin ich wieder reich, wieder glücklich.

Jetzt stand sie vor der kleinen Seitenpforte des Hôtels. Leise schob sie den Schlüssel in's Schloß. Wie das knarrte und pfiff, wie die Thür ächzte, als sie auf den Angeln sich drehte.

Aber Niemand war ja da, der es hörte. Wie thöricht also, daß ihr Herz klopfte., Nun war sie im Hause, schloß die Thür hinter sich und schob den Riegel von innen vor.

Tiefe Dunkelheit umgab sie und grauenhaftes Schweigen. Und wider ihren Willen überkam sie ein Gefühl des Schreckens, der unheimlichen Furcht. Wenn nun aus dieser Dunkelheit hervor eine Hand sich ihr entgegenstreckte, wenn diese Hand sie packte und festhielt und – Oh wie schauerlich ist doch die Finsterniß, murmelte sie leise, und wie schrecklich ist diese dunkle, öde Nacht. Ich könnte hier sterben, und Niemand wäre da, der mir zu Hülfe käme. Ich wäre allein, wie damals in jener Schreckensnacht.

Sie schwieg, in sich erschauernd, und von einer seltsamen Angst gelähmt, kauerte sie sich nieder auf der untersten Stufe der Treppe, zu welcher sie sich hingetappt hatte. Bilder der Vergangenheit zogen in wechselnden Gestalten, eine wilde Jagd ihrer Erinnerungen, an ihrer Seele vorüber. Sie sah wieder jene dunkle Schreckensnacht, wo sie, ein in ihrer Liebe, ihrem Glauben, ihrer Ehre verachtetes Mädchen, auch, wie heute, leise durch die Straßen einer Stadt geschlüpft war, aber damals nicht, um sich Schätze zu holen, sondern um den Tod zu suchen. Den Tod der Verzweiflung in den schwarzen Fluthen der Tiber. Oh, es war ihr, als sähe sie es wieder vor sich, dieses fürchterliche dunkle, nasse Grab, als fühle sie wieder, wie die Wogen mit ihrem letzten Todesschrei über ihr zusammenschlugen. Da hatte eine Hand sie erfaßt, hatte sie hervorgezogen aus den Wellen, und das war die Hand des Grafen Podstadzky gewesen. Er hatte sie gerettet, um sie zu verderben. Bis dahin war sie nur ein leichtsinniges, üppiges, genußsüchtiges Weib gewesen, in der Tiber hatte sie die Taufe des Verbrechens empfangen. Ohne Liebe war sie jetzt die Geliebte des Grafen Podstadzky geworden, hatte sich zur Genossin seines Lebens, zur Theilhaberin seiner Verbrechen gemacht. Einen kühnen, großartigen Plan des Betruges hatten sie Beide ersonnen, und wie kühn und glücklich hatten sie ihn ausgeführt bis zu dem Tage ihres Falles. Mit dem Sprung in die Tiber hatte das unheilvolle Drama ihres schuldigen Daseins begonnen, mit der Prangerstrafe des Grafen von Podstadzky hatte es geendet.

Jetzt wollte sie ein neues Dasein beginnen, ein unschuldiges, schönes, behagliches Dasein. Keine Betrügereien mehr; Betrügereien sind so gefährlich, sie endigen so leicht mit der Schande.

Nein, nein, flüsterte sie leise, ich will mich begnügen mit dem, was ich habe. Es ist ja genug zu einem bequemen, genußreichen Leben. Ich will wieder eine tugendhafte, ehrliche Frau werden. Ich kann es ja jetzt haben, denn ich bin reich genug dazu.

Sie lachte leise über ihre eigenen Worte, und dann erschrak sie über ihr eigenes Lachen, und warf ihre Augen scheu umher, als könnten sie die Dunkelheit durchdringen und die Kobolde erspähen, die bei Nachtzeit mit unheimlichem Lachen durch die Häuser schlüpften, Segen zu bringen oder Verderben.

Wie dunkel es hier ist, murmelte sie leise. Es ist besser Licht anzuzünden, und Giuseppe hat mir ja vorsorglich Alles dazu mitgegeben.

Sie zog aus ihrer Tasche ein kleines Paket hervor, in welchem sich eine kleine Blendlaterne, ein Fläschchen mit Phosphor und Schwefelhölzer befanden.

Ich lobe mir diese neue Erfindung, welche den Feuerstein überflüssig macht, sagte sie leise. Ein Tupfen in die Flasche und das Licht ist da.

Jetzt flackerte es hell auf mit bläulichem Schwefelschein. Arabella zündete das Licht in ihrer kleinen Laterne an, und dieses Licht beleuchtete jetzt ihr eigenes Antlitz und ihre von einem schwarzen Mantel dicht umhüllte Gestalt.

Wie bleich dieses Antlitz war, wie unheimlich glühend ihre Augen umherflackerten nach jedem Winkel, nach jeder Vertiefung, wohin das Licht ihrer Laterne nicht zu dringen vermochte.

Muth jetzt und vorwärts, flüsterte sie leise, und mit hastigen Schritten ging sie die Stufen hinauf. Die Laterne, welche sie in der Hand hielt, beleuchtete nur sie und ihre Gestalt, und so schien diese schöne leuchtende Nachtgestalt aus der Dunkelheit empor zu schweben, lichtumflossen sich höher und höher zu heben.

Aber wie? Raschelte da nicht etwas hinter ihr, hielt es sie nicht fest an ihrem Gewande und zog sie rückwärts?

Arabella blieb stehen, und die Laterne höher emporhebend, schaute sie rückwärts mit finster glühenden Augen, mit todesbleichem Angesicht. Nein, es war nichts. Ihre eigene Furcht hatte sie getäuscht, in der fürchterlichen Stille, die sie umgab, hatte das Rauschen ihres eigenen Gewandes auf den Stufen der Treppe sie erschreckt. Nein, es war nichts. Sie war ganz allein in diesem todten Hause. Die beiden steinernen Göttergestalten, welche da oben an den letzten Stufen der Treppe auf den Pfeilern des Geländers standen, sie allein sahen die schöne bleiche Gräfin kommen, und sie schauten sie an mit ihren großen, leeren Augenhöhlen, so feierlich ernst und kalt, daß Arabella vor ihnen zurückbebte, und sich noch einmal scheu nach ihnen umsah, als sie eben durch die Thür in den ersten Vorsaal eintreten wollte. Aber sie standen ruhig und groß auf ihren Postamenten.

Die schweigenden Götter verrathen die Menschen nicht, und ihre Augen von Stein hat man nicht zu fürchten.

Mit flüchtigem Fuß eilte Arabella jetzt vorwärts durch die prunkenden Säle, deren Herrin sie einst gewesen, wo sie einst unter hell funkelnden Kronleuchtern, umgeben von Cavalieren und den vornehmsten Damen gestanden, wie eine diamantenstrahlende Königin in der Mitte ihrer Vasallen.

Jetzt beleuchtete nur die kleine Laterne in ihrer Hand diese öden, schweigenden Säle und machte hier und dort irgend ein Bild, ein vergoldetes Meuble hell erglänzen, und warf, wie Arabella weiter wanderte, zuweilen einen hellen blitzartigen, schnell erlöschenden Schein aus den hohen Spiegeln zurück, an denen sie vorüber schritt.

Aber seltsam. Die schweigenden Säle schienen lebendig geworden zu sein von ihrem Schritt. Vielleicht waren es die Geister des Hauses, welche Arabella geweckt hatte durch ihr Kommen zu nächtlicher Stunde, und diese Geister waren es, welche leise flüsterten und zischelten in den Gemächern, die Arabella schon durchwandert hatte, diese Geister waren es, die mit leisen Schritten über den Fußboden dahinglitten, und mit glühenden Augen von ferne, ganz von ferne der schlanken dunkeln Gestalt der Gräfin folgten, und, gleichsam von ihr nachgezogen, immer weiter vorwärts schlüpften, so wie die Gräfin weiter schritt.

Endlich jetzt hatte Arabella das Ziel ihrer Wanderung erreicht, endlich war sie angelangt in dem Zimmer, welches ihren Schatz, ihre Zukunft, ihr Alles enthielt.

Ihr erster Blick, als sie eintrat, war nach dem Bilde hin gerichtet, dessen Nagel der Schlüssel war zu ihrem Paradies der Zukunft.

Es hing ruhig und unberührt an seiner Stelle. Ihr Geheimniß war also nicht entdeckt, ihr Schatz war da, da hinter jener Wand.

Von einem seltsamen Gefühl überrascht sank Arabella auf einen Sessel nieder und ruhte einen Moment aus nach so vielen Aufregungen und Stürmen. Ein unaussprechliches Gefühl von Rührung und Wehmuth überkam sie, eine selige Empfindung des Friedens und der Sicherheit. Es war ihr, als stände sie jetzt am Ende eines gefährlichen schwindelnden Pfades, als thue eine neue Zukunft sich vor ihr auf, als sähe sie am Horizont eines düstern und unheilvollen Lebens eine neue schöne glückverheißende Morgenröthe aufdämmern. Und sie grüßte diesen Strahl eines neuen Tages mit einer seltsamen, nie empfundenen Rührung, und ihre Lippen murmelten leise ungewohnte Worte, die fast klangen wie ein Gebet.

Aber sie erschrak vor ihren eigenen Worten, und sprang empor und eilte zu dem Bilde hin. Fort mit ihm von der Wand, denn dahinter liegt ihr Glück.

Jetzt einen raschen Druck an dem Nagel, und der kleine Wandschrank fliegt auf. Da steht sie, die geliebte Cassette, steht ruhig und unversehrt da. Arabella streckt ihre beiden Arme nach ihr aus und hebt sie an ihre Brust, zärtlich und lächelnd, wie eine Mutter, die ihr einzig Kind an ihre Brust drückt.

Nun setzt sie sie auf den Tisch und hebt den Deckel, und nimmt mit hastiger Hand die verschiedenen Etuis aus dem Kasten hervor. Sie sind alle noch da, alle. Sie drückt an der Feder und die Etuis öffnen sich.

Oh, wie himmlisch sie funkeln und blitzen, diese köstlichen Brillanten. Selbst das kleine bescheidene Licht der Laterne genügt ihnen, um aufzuleuchten in allen Farben und mit ihrem Glanz Arabella's Herz zu entzücken.

»Wen die Götter verderben wollen, den strafen sie zuerst mit Blindheit.«

Arabella ist so vertieft in das Anschauen ihrer Brillanten, daß sie die hohe Männergestalt nicht sieht, welche eben in der Thür erscheint, nicht dieses höhnische, schadenfrohe Lachen sieht, mit welchem dieser Mann sie einen Moment lang anstarrt.

Aber nur einen Moment. Dann springt er vorwärts wie eine wilde Tigerkatze, und packt Arabella mit seinen beiden muskelkräftigen Händen und hält sie fest trotz ihres Sträubens, ihres Zitterns.

Hierher, Ihr Alle, hierher! ruft er mit lauter Stentorstimme, und man hört es lebendig werden im nächsten Gemach, rasche Schritte stürmen heran und vier andere Männer noch treten ein.

Seht Ihr, ruft der Erste ihnen zu, mit seinem Kopf hindeutend auf Arabella, die er mit seinen beiden Händen gepackt hat. Seht Ihr, da haben wir den schönen reizenden Vogel eingefangen. Es war ganz klug, ihn ein wenig flügge werden zu lassen, und ihm blos nachzuspüren, um zu sehen, wo er sich sein Nestchen versteckt, und wo er niederflattern würde.

Es war sehr klug von Euch, Herr Polizeirath, sagten die Männer, mit einem grinsenden Lachen auf Arabella hinschauend, die ihre wuthblitzenden Augen von Einem zum Andern gleiten ließ, und ihre Lippen fest aufeinander preßte, um den Schrei der Angst oder der Wuth zurückzuhalten.

Jetzt wird der Kaiser nicht mehr sagen dürfen, daß die schöne Gräfin Baillou unschuldig ist, fuhr der Polizeirath lachend fort. Wir haben sie Gott sei Dank mitten bei der That ertappt, als sie die Brillanten stahl, welche den Gläubigern des Grafen Podstadzky gehören, wie Alles in diesem Hause. Und wer weiß, was wir noch sonst Alles mit diesen Brillanten entdecken. Denn Ihr wißt ja, wie viel Brillanten während der Festlichkeiten des vorigen Winters verloren gegangen, und die Gräfin Baillou war bei allen Festlichkeiten, wo Brillanten verloren gingen. Ich hab's mir wohl gemerkt und Sie schon lange beobachtet, mein wunderschöner Engel, und ich war's, der Se. Majestät beschwor, Sie frei zu lassen, ich war's, der ihm sagte: begnadigt sie, Majestät, damit sie sich frei und sicher glaubt. Ich schwöre darauf, daß sie all die verlorenen und gestohlenen Brillanten besitzt, und daß sie sie irgendwo in ihrem Hause versteckt hat. Lassen wir ihr also Zeit, dahin zu gehen und die Brillanten aus ihrem Versteck zu holen. Der Kaiser erfüllte meine Bitte, schönste Gräfin, und so ist es gekommen, daß wir heute den ganzen Tag schon in Ihrem Hôtel wohnen und des schönen Momentes harren, wo Sie kommen würden. Denn daß Sie kommen würden, dessen war ich gewiß. Und jetzt also haben wir den Vogel mit all den Federn, die Sie den andern schönen Vögeln ausgerupft, und die Prämie, welche mir der Kaiser versprochen, ist mein.

Wie viel hat Ihnen der Kaiser versprochen, wenn Sie mich gefangen nehmen können? fragte Arabella mit vollkommen ruhiger Stimme, denn es war ihrem starken Willen schon wieder gelungen, ihren Zorn, ihre Wuth und auch ihre Angst zu bemeistern und wieder sie selbst zu sein.

Fünfhundert Dukaten, meine Schöne, ist die Prämie, die der Kaiser ausgesetzt hat, wenn wir Sie auf der That ertappen können.

Fünfhundert Dukaten, rief sie spöttisch. Ein Bettellohn für eine Dame, wie ich es bin. Nehmt alle diese Brillanten, theilt sie unter Euch, und Jeder wird das Doppelte haben von dem, was der Kaiser Euch zusammen giebt. Nehmt Alles und laßt mich frei, und Niemand wird erfahren, was hier unter uns abgemacht ist.

Ein lautes, wieherndes Gelächter war die Antwort. Seht da, sie will uns bestechen, rief der Polizeirath, sie glaubt, daß sie uns auch verführen kann, wie die Cavaliere, die sonst zu ihren Füßen seufzten. Ihre Rolle ist ausgespielt, Madame, und wenn Sie noch einmal auf der Bühne erscheinen, so wird es auf der Schandbühne sein. Kommen Sie! Ich habe die Ehre, Sie zum Wagen zu geleiten. Ihr packt die Juwelen ein und tragt sie uns nach.

Sie sträubte sich nicht mehr. Ruhig und stolz nahm sie den dargebotenen Arm des Polizeiraths und ging mit festem Schritt an seiner Seite dahin.

Leise nur flüsterten ihre Lippen: Er hat Recht! Meine Rolle ist ausgespielt. Die schöne Gräfin Baillou, »die Zierde der vornehmen Wiener Zirkel,« wie alle historischen Berichterstatter jener Zeit sie nannten, ward ihrer vielfachen Betrügereien wegen verurtheilt am Pranger zu stehen, drei Tage hintereinander, wie der Obristlieutenant von Szekuly, das beklagenswerthe Opfer ihrer Bosheit und Coquetterie. Dann ward sie als Ausländerin mittelst Zwangspasses bis zur Grenze der österreichischen Staaten befördert. Siehe Hübner II. S. 392. Groß-Hoffinger III.


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