Helmuth von Moltke
Unter dem Halbmond
Helmuth von Moltke

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27.
Über Quarantänen in der Türkei

Konstantinopel, den 27. Februar 1837

Die furchtbare Pest, welche in diesem Augenblick Konstantinopel verheert, hat den Wunsch der Regierung erzeugt einem so großen Unglück abzuhelfen.

Man hat vorgeschlagen die Stadt mit Quarantänelinien zu umgeben, wie die, die Europa gegen jene Seuche schützen. Je mehr man indes über den Gegenstand nachdenkt, je weniger kann man sich der Überzeugung entschlagen, dass bloße Quarantänen durchaus unanwendbar und dass das Heilmittel schlimmer als das Übel selbst sein würde.

Das Mittel der Quarantäne ist nicht ausreichend, es ist nachteilig und zugleich unausführbar. Man kann das Interesse des Landes nicht dem Interesse der Stadt opfern, ohne das lebhafteste Missvergnügen zu wecken, und in keinem Staat kann man weniger als in diesem, die Hauptstadt von der Provinz trennen. Die Quarantäne ist nirgends ein Heilmittel, sondern nur eine Vorkehr gegen die Pest und diese Vorkehr ist auf die Türkei nicht anwendbar. Hier muss man bis zu dem Ursprung des Übels hinaufsteigen, um seine Quelle zu verstopfen.

Nach meiner Überzeugung kann das Ziel nur durch eine wohl eingerichtete und streng gehandhabte Gesundheitspolizei erreicht werden. Indem ich diese Maßregel vorschlage, verkenne ich keineswegs die großen Schwierigkeiten, die ihrer Ausführung da entgegenstehen, wo Religion und Sitte jeder Neuerung und jeder Einmischung in häusliche Angelegenheiten so sehr widerstreben. Auch kann man da nur mit großer Vorsicht und allmählich zu Werke gehen. Ein erster Versuch müsste in Konstantinopel selbst, unter den Augen der Regierung, zu einer Zeit gemacht werden, wo man von der Pest sagt, dass sie aufgehört habe, obwohl sie eigentlich nur im Verborgenen fortbesteht.

Man müsste damit anfangen, Spitäler für die Kranken und Wohnungen für die Familien einzurichten, deren einzelne Glieder angesteckt und wo deshalb weitere Erkrankungen wahrscheinlich geworden sind.

Es ist höchst wichtig der Bevölkerung die Wohltaten der neuen Institutionen recht anschaulich zu machen. Zu Anfang kann man es jedem freistellen, ob er den Beistand benutzen will, welchen die Regierung ihm bietet. Aber die Familie, die der Behörde einen Pestfall anzeigt, muss sogleich aufgenommen, verpflegt und ernährt, ihre Wohnung und ihre Kleider gereinigt werden, ohne dass ihr Kosten daraus erwachsen. Die Unbemittelten müssten, nachdem die gesetzlich festzustellende Reinigungszeit beendet ist, mit einer kleinen Unterstützung entlassen werden. Solche Vorteile werden bald, wenigstens einem Teil, der Bevölkerung die Augen öffnen und nun kann man befehlen, dass jeder Hausvater bei Strafe einen Pestfall in seiner Familie oder in seiner Nachbarschaft der Behörde anzeigen muss. Gegen Widerspenstige kann dann mit Gewalt verfahren werden.

Dass die Durchführung dieser Maßregel bedeutende Auslagen der Regierung erfordert, ist unbezweifelt, aber würden die Quarantänen weniger kosten? Und wie reichlich müssen jene Auslagen sich ersetzen! Wenn die Pest im Osmanischen Reich erlischt, werden die Quarantänen in Europa verschwinden.

Die Beherrscher dieses Reiches haben Schlachten gewonnen und Länder erobert, sie haben Wasserleitungen und Moscheen erbaut, Schulen und Spitäler gegründet, welche ihre Namen der Nachwelt überlieferten; aber der, der sein Volk von der Geißel der Pest befreite, würde den Dank der ganzen Menschheit erwerben und sein Andenken würde den Ruhm seiner Vorfahren überstrahlen.


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