Helmuth von Moltke
Unter dem Halbmond
Helmuth von Moltke

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8.
Die Frauen und die Sklaven im Orient

Arnaut-Kjöi bei Konstantinopel, den 9. Februar 1836

Wenn von der Sklaverei im Orient die Rede ist, so war dabei fast immer der himmelweite Unterschied übersehen worden, welcher zwischen einem türkischen und einem Negersklaven in Westindien besteht. Schon der Name Sklave in dem Sinne, den wir mit jenem Wort verbinden, ist falsch. Abd heißt nicht Sklave, sondern vielmehr Diener. Abd-allah: der Diener Gottes; Abd-ul-medschid: der Diener der Andacht usw. Ein gekaufter türkischer Diener ist unendlich viel besser dran als ein gemieteter. Eben weil er das Eigentum seines Herrn und dazu ein teures Eigentum ist, schont er ihn; er pflegt ihn, wenn er krank ist, und hütet sich wohl ihn durch übertriebene Anstrengung zu Grunde zu richten. Bestimmt doch der Koran: »dass Sklaven und Sklavinnen mit nicht mehr als sechs Geißelhieben gezüchtigt werden sollen«.

Wenn irgendeine europäische Macht die Freilassung aller Sklaven im Orient bewirkte, so würden diese ihr wenig Dank dafür wissen. Als Kind in das Haus seines Brotherrn aufgenommen, bildet der Sklave ein Glied der Familie. Er teilt die Mahlzeit mit den Söhnen des Hauses, wie er die Arbeit in der Wirtschaft mit ihnen teilt; diese besteht meist darin, ein Pferd zu warten oder seinen Herrn zu begleiten, ihm die Kleider nachzutragen, wenn er ins Bad geht, oder die Pfeife, wenn er ausreitet. Tausende von Sklaven, die Khavedschi und Tütundschi, haben kein anderes Geschäft, als Kaffee zu kochen und die Pfeife in Stand zu halten. Fast immer endet die Sklaverei nicht bloß mit einer Freilassung, sondern auch mit einer Ausstattung fürs Leben. Gewöhnlich heiratet der Sklave die Tochter des Hauses und wenn keine Söhne vorhanden sind, setzt ihn der Herr zu seinem Erben ein. Sind doch die Schwiegersöhne des Großherrn gekaufte Sklaven und lässt sich doch von den meisten Würdenträgern des Reiches der Marktpreis nachweisen.

Viel härter als das Los der Sklaven im Orient scheint mir das Verhältnis der Frauen bei der Ausdehnung, in welcher der Türke die materielle Gewalt über das schwächere Geschlecht übt.

Die Ehe ist im Orient rein sinnlicher Natur und der Türke geht über das ganze »Brimborium« von Verliebtsein, Hofmachen, Schmachten und Überglücklichsein als ebenso viele faux frais hinweg zur Sache. Die Heiratsangelegenheit wird durch die Verwandten geregelt und der Vater der Braut bekommt viel öfter eine Entschädigung für den Verlust eines weiblichen Dienstboten aus seiner Wirtschaft, als dass er der Tochter eine Aussteuer mitgäbe. Der Tag, an dem die Neuvermählte verschleiert in die Wohnung ihres Gemahls tritt, ist der erste, wo dieser sie erblickt, und der letzte, an welchem ihre nächsten männlichen Verwandten, ihre Brüder selbst, sie sehen. Nur der Vater darf ihren Harem noch betreten und übt auch später immer eine gewisse Gewalt über sie. – »Harem« heißt wörtlich Heiligtum und die Vorhöfe der Moscheen tragen denselben Namen.

Diese Art, die Ehen zu schließen, bedingt schon an sich die Leichtigkeit sie wieder zu lösen; ein vorhergesehener Fall, für den die Rückzahlung des etwaigen Heiratsgutes und eine Geldentschädigung gleich bei der Hochzeit festgesetzt wird.

Obschon das Gesetz den Rechtgläubigen vier Frauen erlaubt, so gibt es doch nur sehr wenige Türken, die reich genug wären, um mehr als eine zu heiraten. So viele Frauen, so viele besondere Haushaltungen und Wirtschaften muss er haben, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass zwei Frauen in einem Konak (Wohnhaus) sich durchaus nicht vertragen. Dagegen gestatten Gesetz und Sitte dem Moslem, so viele Sklavinnen zu haben, wie er will. Nicht der mindeste Makel haftet an der Geburt des Sohnes einer Sklavin; diese stehen unter dem Befehl der eigentlichen Kadyn oder Hanum, der Frau vom Hause. Welche reiche Quelle aber von Zwist und Hader, von Eifersucht und Ränken ein solches Verhältnis ergibt, ist leicht einzusehen.

Die Weiber sind streng bewacht und von allem Umgang, außer mit Frauen, geschieden. In diesem Punkt sind alle Muselmänner einverstanden und die Reformen werden gewiss zu allerletzt in die Harems dringen. Die Fenster sind mit Holzgittern und dahinter von oben bis unten mit dichtem Rohrgeflechte geschlossen, sodass niemand von außen das Mindeste vom Innern erblickt. Gewöhnlich gestattet ein kleines rundes Loch diesen Gefangenen einen Blick hinaus in die schöne freie Welt, oft aber siehst du auch 20 bis 30 Fuß hohe Bretterverschläge, welche den reizenden Anblick des Bosporus verstecken, damit die vorüberfahrenden Kaiks mit Männern nicht von den Frauen bemerkt werden. Es ist freilich bequemer, der einzige Mann zu sein, den die Frau sieht, als unter vielen der liebenswürdigste. Auf Promenaden, in den Kähnen oder im Wagen sitzen Frauen stets nur mit Frauen beisammen. Wenn der Mann seiner Gattin auf der Straße begegnet, so wäre es die größte Unschicklichkeit sie zu grüßen oder nur Miene zu machen, dass er sie erkenne; deshalb ist auch der Anzug der Frauen in ihrem Hause ebenso übertrieben frei, wie er außerhalb übertrieben verhüllt ist. Ein weißer Schleier bedeckt das Haar und die Stirn bis zu den Augenbrauen, ein anderer Kinn, Mund und Nase.

Die größte Reform in dem Schicksal der türkischen Frauen besteht darin, dass bei Begünstigten wie denen des Großherrn, die Nasenspitze und ein paar Locken an den Seiten sichtbar geworden sind. Den Rest des Körpers bedeckt ein weites Gewand aus einem leichten schwarzen, hellblauen oder braunen Stoff. Ebenso unschön ist die Fußbekleidung, aus ledernen Strümpfen und Pantoffeln bestehend, die bei den Türkinnen gelb, bei den Armenierinnen rot, bei den Griechinnen schwarz und bei den Jüdinnen blau sind. So schleichen sie langsam und schwankend wie Gespenster unerfreulichen Anblicks einher.

Gewiss sind die Gesichter der Türkinnen im Allgemeinen sehr schön. Fast alle Frauen im Orient haben den köstlichsten Teint, wundervolle Augen und breite gewölbte Augenbrauen. Wenn diese über der Nase zusammenstoßen, so ist das eine Schönheit, und türkische Frauen ersetzen den Mangel jenes Reizes, indem sie mit schwarzer Farbe einen Stern oder einen Halbmond zwischen die Brauen malen; auch wird der Schwärze der Wimpern nachgeholfen, indem sie einen gefärbten Zwirnsfaden zwischen den Augenlidern durchziehen, und die Nägel, selbst das Innere der Hand und oft auch die Fußsohlen werden mit Henna rot gemalt.

Die beständig sitzende Lebensweise hat aber den türkischen Frauen alle Anmut der Bewegung, die Einkerkerung jede Lebhaftigkeit des Geistes geraubt und sie stehen in Hinsicht auf Bildung noch eine Stufe unter den Männern.

Wer sich durch »Tausendundeine Nacht« verleiten lässt, das Land der Liebesabenteuer in der Türkei zu suchen, kennt die Verhältnisse wenig. Bei den Arabern mag es anders gewesen sein, aber bei den Türken herrscht in dieser Beziehung die trockenste Prosa. Ich glaube, dass aus dem, was ich oben beschrieben habe, hervorgeht, dass es zu Liebesintrigen den Frauen an Temperament, wenigstens an Geist, den Männern aber an Möglichkeit fehlt. Wird eine türkische Frau je des Treubruchs mit einem Moslem überführt, so verstößt sie ihr Gemahl mit Schimpf; hatte sie aber Verkehr mit einem Rajah, d. h. mit einem christlichen Untertanen der Pforte, so wird sie noch heute ohne Gnade ersäuft und der Rajah gehenkt. Ich bin selbst Zeuge dieser letzten Barbarei gewesen.

Auf einem Spaziergang auf der asiatischen Küste begegnete ich unlängst einer Schar schwarzer Sklavinnen, die, ich glaube, aus Oberägypten kamen, wo die Weiber ebenso garstig wie die in Nubien schön sind. Der ganze Anzug dieser Damen bestand aus einem Stück Sackleinwand, dennoch fehlte der Putz nicht, denn blaue Glasringe umgaben die Knöchel und Handgelenke und das Gesicht war durch tiefe Einschnitte in die Haut verschönert. Sie drängten sich um mich und riefen aus rauer Kehle mit großer Lebhaftigkeit unverständliche Worte. Ein alter Türke, ihr Führer, sagte mir, dass sie fragten, ob ich eine von ihnen kaufen wollte. Eine solche Sklavin kostet durchschnittlich 150 Gulden, etwas weniger als ein Maultier. Auf dem Sklavenmarkt in Konstantinopel habe ich die weißen Sklavinnen nicht sehen dürfen, von schwarzen saß eine große Zahl im Hof. Sie warfen sich mit Gier über das Backwerk, das wir unter sie verteilten, und alle wollten gekauft sein.


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