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53.
Ein erfüllter Traum

Höchstes Erstaunen erfüllte unsere Freunde, als ihr edelmütiger Retter sich ihnen nicht ohne Stolz vorstellte als Jack I., Kaiser der Sahara.

Er gab ihnen bereitwillig die nötigen Auskünfte über seine Person, sein Werk, seine Pläne und bisherigen Erfolge.

Dann mußten sie ihm ihre Schicksale ausführlich berichten, denn der Rasttag gewährte hiezu Zeit genug.

Mit großem Interesse und sichtlicher Teilnahme lauschte der Kaiser der Schilderung ihrer Leiden in Omderman, ihrer mehrfach mißglückten Fluchtversuche und ihres schließlichen Entkommens auf den von Sieger erfundenen Lufträdern. Zuletzt kam noch die Erzählung der Qualen ihrer Fußwanderung durch eine endlose Wüste, in der sie den Tod gefunden hätten, wenn ihnen Gott nicht in wahrhaft wunderbarer Weise den hochherzigen Retter gesandt hätte, dem sie nicht genug zu danken wußten.

»Solche Männer, wie ihr seid, könnte ich gerade brauchen,« sagte Jack I., nachdem er alles vernommen: »Gedenkt ihr nach Europa zurückzukehren oder wäret ihr bereit, in meine Dienste zu treten? Ich würde euch fürstlich besolden.«

Sieger antwortete offen: »Mich zieht eigentlich nichts nach Europa zurück. Ich lebe schon lange in Afrika, wo ich freilich in den letzten Jahren auch viel erlitten habe. Verwandte und Freunde habe ich in Deutschland keine, die mich vermissen würden und nach denen ich mich zurücksehnte. Ich würde daher das Anerbieten annehmen, wenn ich wüßte, was von mir verlangt wird, und daß ich eine Tätigkeit angewiesen bekäme, die mich befriedigen könnte. Meine Kinder sind in Afrika geboren, es ist ihre Heimat, sie werden auch nichts dagegen haben, hier zu bleiben, vorausgesetzt, daß sie nicht von mir getrennt würden, was auch meine erste Bedingung ist.«

»Wir bleiben natürlich bei unserm Vater!« versicherten Osman und Fatme gleichzeitig.

»Und ich fühle mich nur wohl bei meinem gnädigen Herrn!« erklärte Jussuf.

»Das ist das beste Zeugnis für den Herrn, wie für den Diener!« sagte der Kaiser wohlgefällig: »Wenn ihr in meine Dienste tretet, so sollt ihr alle beieinander bleiben. Wie steht es aber mit Ihnen, Herr Leutnant?«

»Was mich betrifft,« erwiderte dieser, »so denke ich an keine Rückkehr in mein Vaterland, und bin entschlossen, in Afrika zu bleiben, nur nicht im Sudan! Auch für meinen Entschluß bezüglich Ihres Anerbietens kommt alles darauf an, was Sie von mir verlangen.«

Der Kaiser der Sahara aber gab folgende Auskunft: »Ich bin im Begriffe, einen der Negerkönige aufzusuchen, der sich unter meine Oberhoheit gestellt hat. Sein Reich ist nicht ferne von hier, und ich bin der erste Weiße, der es betreten hat. Der Fürst zeigt einen ungewöhnlichen Verstand, dazu eine milde, hochherzige Gesinnung. Sein Volk ist gutmütig und fügsam, also leicht zu lenken, zu bilden und zu erziehen. Es ist aber auch kriegerisch. Doch müssen Sie das nicht mißverstehen: im Grunde ist es friedfertig und durchaus nicht angriffslustig; wird es jedoch angegriffen, so zeigt es einen wahren Heldenmut in der Verteidigung seiner Heimatstätte.

»Das Land ist leider von streitsüchtigen Völkern, grausamen Wilden und Menschenfressern umgeben, gegen deren Einfälle es sich beständig wehren muß. Die Tapferkeit der Eingeborenen verstand es bisher, jeden Angriff siegreich zurückzuschlagen. Es bestehen aber Anzeichen, die befürchten lassen, daß sich die feindlichen Nachbarn zu einem gemeinsamen Überfall verbünden, und dann möchte ihnen mein Freund, König Asawa, doch nicht gewachsen sein. Ich bringe ihm daher soeben vier Kanonen, eine Menge Gewehre, Munition, aber auch verschiedene Maschinen, Instrumente und Werkzeuge. Doch besorge ich, das alles wird ihm nicht viel helfen, wenn es an sachverständiger Anleitung, Einübung und Aufsicht fehlt.

»Ich möchte daher Sie, Herr Leutnant von Helling, zum General der gesamten Heeresmacht des Landes ernennen. Sie hätten die äußerst anstelligen Leute zu schulen, sich geeignete Offiziere und Unteroffiziere heranzubilden, ebenso Schützen und Artilleristen, alles nach dem Muster des vorzüglichsten Heeres der Welt, nämlich des deutschen.

»Sie hätten eine durchaus selbstherrliche Stellung, und der König, einsichtig wie er ist, überdies meinen Befehlen treulich Folge leistend, würde sich in Allem Ihren Anordnungen fügen. Kommt es zum Krieg, der wohl unvermeidlich ist, so wären Sie der Oberbefehlshaber, der Feldherr und oberste Kriegsherr und würden es zweifellos verstehen, Ihr tapferes, wohleingeübtes Heer zum Siege zu führen.«

»Das ist eine Aufgabe, wie ich sie mir nur wünschen kann!« rief Helling begeistert: »Ein edles Volk so kriegstüchtig zu machen, daß kein Feind ihm mehr etwas anhaben kann, und daß den endlosen Kämpfen eine Zelt ungetrübten Friedens folgen müßte, nachdem die Feinde niedergeworfen und ihre Reiche vielleicht zum Teil erobert worden sind, so daß auch sie zu gesitteten, friedfertigen Menschen erzogen werden können!«

»So meine ich es!« sagte Jack I. erfreut: »Sie sind mein Mann: ich ernenne Sie zu meinem General und Statthalter in König Asawas Reich. Schlagen Sie ein!«

Der Leutnant zögerte nicht, die dargebotene Rechte zu drücken.

»Und nun, Herr Ingenieur,« fuhr der Kaiser fort: »Sie sollten der erste Minister des Königs werden, sein Großwesir, wenn Sie wollen, dem er auch völlig freie Hand ließe. Ihnen fiele zunächst die Aufgabe zu, Fabriken und Werkstätten einzurichten, für die ich die nötigen Maschinen und Werkzeuge teils schon bei mir habe, teils nach Ihren Wünschen von Europa beschaffen würde. Sie müssen die Arbeiter anlernen und sich einen Stab von Gehilfen heranziehen: Ihr trefflicher Sohn wird Ihnen dabei zur Seite stehen.

»Sie können auch eine Gewehr- und Kanonenfabrik errichten und Lufträder herstellen, darin haben Sie ja schon Übung. Auch eine Munitionsfabrik wäre im Hinblick aus den kommenden Krieg wünschenswert. Dann aber wenden Sie sich Friedens- und Kulturaufgaben zu: heben Sie die Landwirtschaft, das Handwerk, Gewerbe und Handel, und suchen Sie vor allem sittlich aus die Bevölkerung einzuwirken: es wird Ihnen dies bei einem so sanften und lenksamen Volke nicht schwer fallen.

»Alle Hilfsmittel, deren Sie noch bedürfen, werde ich aus Europa herbeischaffen, auch einige tüchtige Hilfskräfte aus Deutschland, da Sie ja beide Deutsche sind und daher mit Landsleuten am besten Zusammenarbeiten werden. Vor allem werde ich einige Missionare mitnehmen, und zwar evangelische, denn ich neige zu diesem Bekenntnis, und das große Werk, das Sie beide zu leiten haben, muß in durchaus einheitlichem Geiste vollbracht werden.«

»Ich schlage ein von ganzem Herzen!« rief Sieger, des Kaisers Hand ergreifend: »Und ich gelobe, alle meine Kräfte mit Gottes Hilfe in den Dienst dieser edlen Lebensaufgabe zu stellen. Das ist die Erfüllung meines Traums, ein Reich der Liebe und des Friedens gründen zu können. Senden Sie mir tüchtige Gehilfen, Herr Kaiser, fromme, selbstlose Menschen, die sich freudig aus meine Grundbedingung verpflichten: Allen alles zu Liebe und nichts zu Leide zu tun, und in diesem Geiste zu wirken und das Volk zu erziehen, an dem Sie zu einer so schönen Arbeit berufen sind.«

»Alles zu Liebe und nichts zu Leide!« sagte Jack I. nachdenklich: »Ich wünsche Ihnen Glück zu diesem Grundsatz und Vorsatz, mein Herr Minister; ich glaube, darin könnte das ganze Geheimnis menschlichen Glückes verborgen liegen. Wirken Sie in diesem Sinne, so bin ich überzeugt, Sie werden meine liebste Provinz bald in den Zustand der Blüte und des Wohlergehens versetzen, in dem ich mein ganzes Reich sehen möchte.«

Andern Tags wurde aufgebrochen und gegen Abend die Karawane eingeholt.

Noch zwei Tage ging es durch die Wüste, südwestwärts. Dann kamen grüne Gefilde, üppige Pflanzungen, ausgedehnte Urwälder, die sich namentlich gegen Norden unabsehbar ausdehnten. Im Süden und Westen war der wildreiche Forst, in dem manches Jagdabenteuer bestanden wurde, auf Schritt und Tritt durch weite Strecken fleißig angebauten Landes unterbrochen, das reich an Städten und Dörfern war.

Die Bevölkerung übertraf an Schönheit des Wuchses und der Gesichtszüge, an Ebenmaß der Glieder, glänzender Schwärze der Haut und blendender Weiße der Zähne selbst den Stamm der Somali. Es waren fast durchweg hochgewachsene, prächtige Gestalten.

Ihre Reize wurden erhöht durch den Ausdruck der Sanftmut und harmlosen Heiterkeit, der das Antlitz verklärte.

Bald war die Hauptstadt erreicht.

König Asawa schien alle Vorzüge des Leibes, des Geistes und des Gemütes dieses bevorzugten Stammes in besonderer Vollkommenheit in sich zu vereinigen.

Man sah es vor Augen, wie er seinen Kaiser verehrte und liebte. Diese Verehrung und Liebe übertrug er auf Sieger und Helling und freute sich über ihre Zusage, bei ihm bleiben und sein Heer und Volk belehren und erziehen zu wollen, weit mehr, als über alle wertvollen Gaben und Hilfsmittel, die Jack I. ihm brachte.

Sein Verstand und seine Einsicht zeigten sich gleich in der Bemerkung, die er machte: »Das alles sind kostbare Schätze, für die ich nicht genug danken kann. Allein sie bekommen ihren rechten Wert erst dadurch, daß du mir diese tüchtigen und guten Männer gebracht hast, die verstehen, damit umzugehen und uns ihren Gebrauch zu lehren.«

Nach einigen Tagen verabschiedete sich der Kaiser der Sahara von Asawa und unfern Freunden, und wandte sich mit seiner Karawane der Küste von Algerien zu, um in Europa Einkäufe zu machen und Hilfskräfte anzuwerben.

Sieger und Helling blieben bei Asawa zurück und begannen ihre hochbefriedigende und segensreiche Tätigkeit. Sie nahmen beide so einflußreiche Stellungen ein, daß sie die eigentlichen Könige des Landes waren, denn der verständige und gutherzige Herrscher richtete sich ganz nach ihrer Meinung und ihren Ratschlägen, und das hatten er und sein Volk nicht zu bereuen.

Auch Jussuf und vor allem Osman und Fatme fühlten sich hier so wohl wie nie zuvor?

Osman half seinem Vater, und konnte auch selbständig die ihm von Sieger übertragenen Aufgaben erfüllen.

Fatme richtete eine Schule ein, in der sie Knaben und Mädchen in Allem unterrichtete, was sie selber gelernt hatte, und das war nicht wenig. Auch mancher Jüngling und manche Jungfrau saßen ihr freiwillig, von Lernbegierde getrieben, zu Füßen.

Fast alle Einwohner verstanden das Arabische, was der jungen Lehrerin ihre Aufgabe sehr erleichterte. Doch lernte sie mit ihrer raschen Auffassungsgabe auch bald die Landessprache beherrschen.

So hatten Alle der Arbeit genug, aber auch ebenso viel Freude, da sie täglich lohnende Früchte ihrer Tätigkeit sehen durften.

Die allgemeine Anhänglichkeit und Liebe, die ihnen zuteil wurde, tat ihnen von Herzen wohl und sie gewannen unter den Schwarzen einige besonders werte Freunde, deren Umgang ihnen zu einem wahren Genuß wurde. König Asawa nahm aber unter diesen dauernd die erste Stelle ein.

Und dazu dieses landschaftlich so reizvolle, fruchtbare Land, die gelegentlichen Jagdausflüge in den Urwald, bei denen sie so manches Abenteuer erlebten, öfters ein recht gefährliches, das aber immer glücklich ablief!

Auch an fröhlichen Festen fehlte es nicht, die Erholung und Erfrischung boten.

Als dann die versprochenen Gehilfen aus Deutschland kamen, vornehmlich die Missionare, konnte die Arbeit über das ganze Königreich ausgedehnt werden.

Von den köstlichen Früchten, die ihre Liebesarbeit an diesen liebenswürdigen »Wilden« trug, werden wir wohl später noch etwas berichten können, zugleich mit einem besonders freudigen Erlebnis, das Leutnant von Helling ganz von der Last befreite, die immer noch sein Gewissen beschwerte und ihn oft hinderte, sich so recht an all dem Schönen und Guten zu erfreuen, das hier ihm wie seinen Freunden das Herz mit Sonnenschein erfüllte.


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