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Natürlich erregte die Kunde von solchen Gästen in Omars Hause Emins Verdacht in hohem Grade. Es war ihm freilich unerklärlich, warum die Flüchtlinge so lange hier verweilen sollten, kaum fünfzig Kilometer von Omderman entfernt. Aber er forschte nun alle Nachbarn aus und spionierte selber um das Haus herum, namentlich bei Nacht.
Die Insassen waren jedoch so vorsichtig, daß er außer Omar und dessen Sklaven nie jemand zu Gesichte bekam. Allein das schien eben nur um so verdächtiger.
Als der Einäugige schließlich so viel in Erfahrung gebracht hatte, daß es sich um drei Männer, einen Knaben und ein Mädchen handle, war er seiner Sache so gewiß, daß er unverzüglich nach Omderman ritt und dem Kalifa meldete, daß er die Entwichenen entdeckt habe, und daß sie sich in Omars Hause in Gedid befänden.
Der Tyrann war hocherfreut und sandte sofort einen Trupp Derwische aus, um die Gefundenen gefangen zu nehmen.
Sieger fühlte sich nun kräftig genug, um die Weiterreise zu unternehmen. Er entschädigte seinen Wirt reichlich für seine Mühe und Auslagen und bestimmte die folgende Nacht zum Ausbruch.
Gedid lag in tiefem Schlafe, als unsere Freunde nach wärmstem Dank und herzlichen Abschiedsworten ihre gesattelten und beladenen Kamele bestiegen und in die Nacht hinausritten. Da erhob sich plötzlich ein wildes Geschrei, im Augenblick waren sie von den Tieren gerissen und gefesselt: die Häscher des Kalifa waren eben noch zur rechten Zeit eingetroffen, um ihre weitere Flucht zu verhindern.
Das war ein schwerer Schlag, nachdem sie so lange unangefochten hier geweilt hatten, daß sie glaubten, vor jeder Verfolgung sicher zu sein.
Zwei Tage darauf waren sie in Omderman und wurden vor den Tyrannen geschleppt.
Eine teuflische Freude spiegelte sich in Abdullahis Zügen, als er die Ergriffenen wehrlos in seiner Gewalt sah. Wie abschreckend erschien dieser »Herodes« mit seinem dunkeln, blatternnarbigen Antlitz und seinen boshaft funkelnden Augen!
»Abd el Ziger!« schrie er: »Du hast geglaubt, den Kalifa er Rasul, den Stellvertreter des Propheten täuschen zu können und seiner Macht zu entfliehen. Aber Allah hat deine Hoffnungen vereitelt und dich der gerechten Strafe ausgeliefert. Du wirst sterben, doch zuvor sollst du deine Kinder gemartert und den Tod erleiden sehen: das wird meine Rache sein! Ismain el Heliki und Jussuf sollen ihr Schicksal teilen!«
»Kalifa!« erwiderte Sieger, jeden ehrerbietigen Beisatz verschmähend: »Ist es Gottes Wille, so magst du mich martern und töten; doch verschone die Unschuldigen und bedenke, daß auch du sterblich bist und einst vor Allahs Richterstuhl treten mußt.«
»Deiner Warnungen bedarf ich nicht!« sagte der Herrscher höhnisch: »Also du bekennst dich schuldig und weißt, daß du den Tod verdient hast?«
»Ich weiß nichts von Schuld: ich hörte, daß du unseren Tod beschlossen hattest, und als Gott uns Gelegenheit gab, zu entkommen, benutzte ich sie, um mein und der Meinigen Leben zu retten.«
»Es ist wahr, ich wollte dich töten, weil du mich betrügst und nicht daran denkst, mir Kanonen zu liefern.«
»Herr, das hat dir ein Verleumder ein geflüstert. Ich habe dir gesagt, daß ich die Kunst nicht verstehe, Kanonen zu machen. Doch gebe ich mir alle Mühe, sie zu lernen. Das ist aber nicht leicht, wenn man keinen Lehrmeister hat. Und doch bin ich überzeugt, daß mir Allah das Gelingen bescheren wird, denn ich bin in meinen Versuchen schon so weit fortgeschritten, daß ich hoffen darf, in wenigen Wochen die ersten Geschütze fertig zu stellen.«
Dem Kalifa war so sehr am Besitz einer starken Artillerie gelegen, daß ihn die Aussicht, seinen Wunsch dennoch erfüllt zu sehen, wesentlich milder stimmte.
Er verhielt sich eine Weile schweigend und nachdenklich, dann sah er den Ingenieur mit durchbohrenden Blicken an und sagte:
»Abd el Ziger, wenn ich dir dein Leben und das der Deinigen schenke und noch einmal Geduld mit dir trage, wirst du dann wirklich Kanonen für mich bauen!«
»Ja, ich verspreche, Geschütze herzustellen, wenn Gott es mir gelingen läßt. Ich werde mir alle Mühe geben und all' meine Kunst und Kenntnisse darauf verwenden.«
»Und versprichst du mir, keinen Fluchtversuch mehr zu unternehmen?«
Sieger besann sich einen Augenblick: es handelte sich um sein Leben, und noch mehr um dasjenige seiner Lieben. Aber durfte er auf jeden Versuch zu entkommen verzichten?
Der Kalifa wurde ungeduldig, zugleich aber flößte ihm Siegers Zögern Vertrauen ein. Denn, wollte ihn der Ingenieur betrügen und ihm ein Versprechen geben, das er nicht zu halten beabsichtigte, so hätte er keinen Grund gehabt, mit der Antwort zu zaudern.
»Sprich!« befahl Abdullahi: »Ich weiß, daß du nicht lügen und das halten wirst, was du gelobst.«
»Nun denn, ich verspreche dir, nicht zu fliehen, so lange du unser Leben, unseren Leib und unsere Freiheit nicht bedrohst.«
»Gut! Die Freiheit, wie ihr sie bisher durch meine Gnade genossen habt. Und deine Wächter wirst du nicht wieder durch den Geist des Schlafes betäuben oder durch andere deiner Künste?«
»Das habe nicht ich getan, sondern es war ihre eigene Neugier und Unvorsichtigkeit. Sie haben eine Flasche geöffnet und zerbrochen, als ich nicht dabei war, und in der ein Mittel sich befand, um die Kranken, denen der Arzt Schmerz zufügen muß, einzuschläfern, daß sie nichts empfinden.«
Abdullahi ließ die Wächter rufen, die er schon vor längerer Zeit wieder aus dem Gefängnis entlassen hatte, und angesichts Siegers wagten sie nicht zu leugnen, daß es sich in der Tat so verhalte, wie dieser gesagt hatte.
Da ließ der Kalifa den Ingenieur mit den Seinigen in die Fabrik bringen, um die so lange unterbrochenen Arbeiten wieder aufzunehmen.
Er bestellte ihnen aber neue Wächter, denen er ihre Pflicht unter ernsten Drohungen einschärfte.