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43.
Eine folgenreiche Entdeckung

Während so an der Herstellung von Kanonen gearbeitet wurde, sann der Ingenieur zugleich auf neue Mittel zu einer Flucht. Das kostete diesmal viel Kopfzerbrechen. Der Eingang zum Margayatale war scharf bewacht, ebenso der verschüttete Ausgang des Stollens, den Sieger in jahrelanger mühsamer Arbeit hergestellt hatte, eine Herkulesarbeit, die jetzt völlig umsonst erschien. Der Kalifa hatte am nördlichen Ausgang einen Wachtposten aufgestellt und glaubte damit die zweckmäßigste Maßregel getroffen zu haben.

Sieger war froh, daß er wenigstens innerhalb seiner vier Wände und in der Margayaschlucht unbewacht blieb, da Abdullahi überzeugt war, ihm jetzt jeden möglichen Fluchtweg abgeschnitten zu haben.

Das war in der Tat der Fall. Da aber der Ingenieur überlegte, daß ihm keine Aussicht mehr blühte, zu Fuß oder auf Reittieren auf dem Erdboden zu entkommen, blitzte ihm der kühne Gedanke auf, seinen Weg durch die Lüfte zu suchen. Dabei schwebte ihm das starre Schwarz'sche Aluminiumluftschiff vor, und er stellte allerlei Versuche an, was er unauffällig tun konnte; denn er baute stets die verschiedenartigsten Modelle, über deren Zweck und Bedeutung sich seine Arbeiter nicht klar waren, die sie aber für notwendig zur Herstellung von Gewehren, Kanonen und Lafetten hielten.

Mit der Zeit ließ die Wachsamkeit des Kalifa etwas nach, als jedoch Ende Februar 1895 Slatin Bey zu entfliehen vermochte, ordnete er wieder eine strengere Überwachung der Europäer an.

Fanny war jetzt vierzehn Jahre alt, Johannes sechzehn. Meist wurden sie auch von Helling und Josef, zuweilen selbst von ihrem Vater »Fatme« und »Osman« genannt, weil die Araber und Arbeiter sie so hießen und diesen gegenüber diese Namen gebraucht werden mußten, wenn von den Kindern die Rede war. Es waren ja auch schöne und klangvolle Namen.

Osman war äußerst geschickt und anstellig, dazu von scharfem Verstande und erfinderischem Geiste, weshalb ihm sein Vater gerne Arbeiten anvertraute, zu denen es ihm selber an Zeit fehlte.

So trug er ihm auch auf, eine neue Metallverbindung, eine Aluminiumlegierung, zu suchen, deren spezifisches Gewicht, das heißt ihre verhältnismäßige Leichtigkeit, sie besonders geeignet zum Bau eines starren Luftschiffes mache.

Zur Gewinnung des Aluminiums benutzte Sieger das elektrolytische Verfahren. In einem mit Kohlenstoffstein ausgekleideten Metalltiegel hielt er elektrisch verflüssigtes Kupfer, in welches Tonerde gebracht wurde. Aus dieser wurde das Metall durch den elektrischen Strom ausgeschieden und verband sich mit dem Kupfer zu Aluminiumbronze.

Osman schmelzte das reine Aluminium aus und machte Versuche von Legierungen mit verschiedenen Metallen in wechselnden Prozentualverhältnissen.

Eines Tages erhielt er auf diese Weise einen Barren, der ihm so leicht erschien, als könne er von selber in die Luft entschweben. Ein Versuch ergab, daß der Barren auf dem Wasser schwamm, fast ohne einzutauchen, also ein äußerst geringes spezifisches Gewicht besitzen mußte.

Erfreut machte Osman seinem Vater Mitteilung von seiner Entdeckung.

Sieger besah sich das Wunder und rief aus: »Das kann für uns von der größten Wichtigkeit werden! Laß einmal sehen, wie der Bruch aussieht.« Zugleich fischte er den schwimmenden Stab aus dem Wasser und wollte ihn rasch zerbrechen. »Zum Kuckuck! Das ist einmal eine Festigkeit! Da muß man scheint's alle Kraft aufwenden,« und er versuchte den Barren über das Knie abzubrechen. Allein die Aufwendung aller Kraft war vergeblich gegenüber der Stärke des neuen Metalls; selbst mit dem Hammer gelang es nicht, das Stück zu zertrümmern.

»Das ist in der Tat eine hervorragende Entdeckung, die du da gemacht hast!« sagte der Ingenieur voller Freude und klopfte Osman auf die Schulter: »Gib acht, das gibt eine ausgezeichnete Flugmaschine und für uns zugleich eine Fluchtmaschine. Gieße einmal eine ganz dünne Platte aus diesem Metall.«

Osman stellte nun unter Siegers Augen genau die gleiche Legierung her, nur goß er diesmal einen breiten Stab, der, beinahe so dünn wie Blech, höchstens ein Fünftel Millimeter dick war. Auch diese dünne Probe ließ sich von Hand nicht brechen und mit Hammerschlägen wurde nur ein Verbiegen, nicht aber ein Bruch erzielt. Diese außerordentliche Zähigkeit des leichten Metalls berechtigte zu den kühnsten Hoffnungen. Sieger stellte sofort einen dünnen Zylinder aus der neuen Legierung her und entpumpte demselben die Luft. Alsbald stieg das luftleere zugelötete Gefäß mit rasender Geschwindigkeit empor, bis es an der Decke festsaß.

»Ausgezeichnet!« rief der Ingenieur: »Paß auf! in kurzer Zeit ist alles so weit, daß wir flüchten können.«

Sieger arbeitete nun mit fieberhafter Eile an einem Mechanismus, den er sich ausgedacht hatte: ein zigarrenförmiger Behälter aus dünnem Nealuminium – so hatte Sieger die neue Legierung benannt – war zu beiden Seiten mit Rädern versehen; die Pedale befanden sich an der Innenseite der Räder zu beiden Seiten des mittleren Körpers an der Achse, um welche die Räder sich drehten. Die Speichen der Räder setzten sich, die Radreifen durchbohrend, etwa einen Meter über dieselben hinaus fort, und waren an diesem äußeren Teil mit dünnen, breiten Nealuminiumblechstreifen versehen, die zu beiden Seiten der Speiche wagrecht standen und jalousienartig übereinander lagen, dem Gefieder eines Vogels ähnlich.

Ruhte der Apparat auf dem Erdboden, so reichten die Metallfedern nicht ganz auf den Grund, da der Zylinderkörper von der Radachse nach unten zu über zwei Meter hoch war; oben aber ragten sie weit über den Behälter empor, so daß ein aus dem Behälter rittlings sitzender Mann die Pedale mit den Füßen treten und die Räder derart in rasche Drehung versetzen konnte. Die Lust mit ihren Federschaufeln peitschend mußten diese Räder eine starke motorische Kraft in der Richtung der Vorwärtsbewegung ausüben. Als Steuer diente ein am Hinterteile des Zylinders beweglicher Metallflügel, dem Schwanze eines Vogels nachgeahmt.

Sieger stellte drei solcher Luftschiffe her, jedes zweisitzig mit vier Rädern. Da es ihm schwierig schien, die großen Behälter luftleer zu pumpen und er auch fürchtete, sie möchten alsdann dem ungeheuren Luftdrucke nicht widerstehen, beschloß er, sie mit Wasserstoffgas zu füllen. Er machte sich daher zunächst an die Herstellung größerer Mengen von Schwefelsäure und fertigte die nötigen Behälter zur Entwickelung des Gases an.


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