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15.
Die Freundinnen

Hassan und Amina besuchten ihre weißen Freunde oft, seit sie von ihnen getrennt waren.

Sie waren es, die hauptsächlich die Nachrichten aus Omderman mitbrachten, und die meist wenig erfreulich lauteten. Sie berichteten auch die Ereignisse, die aus der übrigen Welt bekannt geworden waren.

Hassan hielt sich besonders gerne bei seinem Freunde Osman auf und interessierte sich sehr für seine Tätigkeit in der Fabrik.

Amina saß dann mit Fatme auf einer Holzbank am Bach, die Johannes zu größerer Bequemlichkeit gezimmert hatte. Zu plaudern hatten sie immer genug.

Heute war das Somalimädchen in großer Aufregung, denn es hatte ein wichtiges Geheimnis mitzuteilen.

»O Fatme!« sagte die Schwarze, als sie mit Fanny auf der Bank saß: »Allah hat mich ersehen, dir einen mörderischen Anschlag zu verraten: deinem Vater Abd el Ziger droht Verderben!«

»Wieso? Woher?« fragte Fanny, aufs höchste erschrocken, mit bebender Stimme.

»Von Iblis selber!«

Fanny atmete wieder auf. Sie kannte den Aberglauben der Neger, von dem sie auch ihre Freundin nie ganz hatte heilen können, so redlich sie, als eine trotz ihrer Jugend schon weitgeförderte Christin, sich schon darum bemüht hatte. Wenn Iblis, der leibhaftige Teufel, ihrem geliebten Vater nach dem Leben trachten sollte, so hatte jedenfalls irgend ein arabischer Astrologe dies Amina vorgeschwatzt, behauptend, er habe es in den Sternen gelesen. Sie erwiderte daher lächelnd:

»Von Iblis? Vor dem kann nur Gott ihn schützen, und er wird es auch tun!«

»Fatme versteht Amina falsch. Du weißt, Zoraide, Abu Kargas Tochter, ist meine beste Freundin nach dir, über die mir nichts geht. Da ist ein Mann, Emin Gegr. Der Seier war seine Wohnung viele Jahre, jetzt aber lacht ihm des Herrschers Huld. Dieser Mann hat ein Antlitz, davor deiner Freundin schaudert. Er hat nur ein Auge, das finster und tückisch blitzt. Wenn ich ihn schaue, denke ich stets: so muß Iblis aussehen, der Verfluchte. Und das sind auch Zoraides Gedanken. Das ist der Grund, warum wir beide ihn nur ›Iblis‹ nennen.«

»Und der steht meinem Vater nach dem Leben? Ein Mensch, den wir gar nicht kennen?«

»Zoraide sagt es, und ihre Rede ist wahr, denn keine Lüge wagt sich über die Rosen ihrer Lippen. Höre, was sie erlauscht, da sie verborgen ruhte in der Laube ihres Gartens in mondloser Nacht. Emin stand an der Hecke mit Ali bin Said, dem besten Schützen von Omderman. Er hat ihm viel Geld versprochen, wenn er Abd el Ziger mit seiner Büchse erschieße. Er hat ihm auch kundgetan, wie er es tun könne ohne Gefahr.

»Jeden dritten Tag pflegt Abd el Ziger zur gleichen Stunde zur Glashütte zu gehen, gefolgt von den Wächtern des Kalifa. Auf halbem Wege steht ein Fels im Sand, hinter dessen Gipfel sich ein Schütze wohl verbergen kann. Dahinter ragt ein altes Grabmal, in das sich niemand mehr wagt, weil Ghuls darinnen hausen, die Hexen, die sich an Leichenfleisch laben. Zwischen dem Felsen und dem Marabut wird Ali sein Kamel verstecken, auf dem er gleich nach dem Schuß in die Wüste flieht, als sei er ein Wüstenbeduine, um dann auf Umwegen die Stadt wieder zu gewinnen.«

Fanny wußte, daß ein Marabut eigentlich ein mohammedanischer Heiliger ist, daß man aber mit diesem Namen auch sein Grabmal, die Kubba, zu bezeichnen pflegt.

»Das ist freilich eine furchtbare Gefahr, die meinem teuren Vater droht!« rief sie entsetzt: »Das muß ich ihm gleich sagen! Wenn er alles weiß, wird er sich schon davor zu schützen wissen. Es ist nur gut, das Zoraide alles erlauscht und dir gleich mitgeteilt hat, und darin sehe ich allerdings eine Fügung der Güte Gottes. Denn ich weiß, daß man von Ali bin Said sagt, daß seine Kugel nie fehle, und so wäre wohl mein armer Vater ums Leben gekommen, wenn du uns nicht hättest warnen können.«

Sie eilte nun, ihrem Vater zu berichten, was sie gehört hatte. Er nahm die Botschaft sehr kaltblütig auf und sagte: »Kind, sei nur ganz ruhig, und sage niemand ein Wort von der Sache. Ich werde schon meine Maßregeln treffen.«

Fanny ging nun zurück zu ihrer braunen Freundin und dankte ihr erst recht für ihre Warnung. Amina wollte jedoch von Dank nichts wissen: »Dein Vater ist mir wie mein Vater,« sagte sie »und wenn Abd el Ziger ein Leid widerführe, so wäre es Amina, als sei es ihrem Vater zugestoßen.«

Noch eine Weile sprachen sie über den Mordanschlag und über die rätselhafte Person Emin Gegrs und seinen ebenso rätselhaften Haß. Dann seufzte Amina: »Es ist ein schreckliches Land! Ich war ganz klein als wir unsere Heimat verließen und weiß nichts mehr von ihr. Nur das große Wasser und sein gewaltiges Rauschen sehe und höre ich noch im Geist, denn ich habe mich immer vor den brausenden Wassern gefürchtet. Aber mein Vater und mein Bruder sagen immer, Somaliland sei ein viel schöneres und besseres Land und da werden die Leute nicht geköpft und in den Seier geworfen und die Kinder nicht getötet; darum möchte ich wieder nach Somaliland. Und höre nur – du wirst es ja niemand verraten ...?«

»Gewiß nicht!«

»Mein Vater will, wenn die Zeit dazu gut ist, mit uns nach Abessinien fliehen, und von dort kommen wir leicht nach Somaliland. Dann sind wir froh. Aber ich werde doch weinen, wenn ich dich nicht mehr sehe. Am liebsten möchte ich immer die Dienerin einer schönen weißen Dame sein, wie du eine bist, am allerliebsten natürlich die deinige. O wenn das sein könnte! Allah ist groß und kann meine Wünsche erfüllen!«


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