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Ich bin den Mariendorfer Genossen sehr dankbar dafür, daß sie mir durch ihr Mandat ermöglicht haben, hier zu sprechen. Als ich den Bericht von der vorigen Sitzung der Generalversammlung Die Generalversammlung des Verbandes der sozialdemokratischen Wahlvereine Berlins und Umgegend war am 17. März 1912 begonnen worden. In dieser Sitzung hatte Otto Braun versucht, das Stichwahlabkommen des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei mit der Fortschrittlichen Volkspartei zu rechtfertigen. Die Diskussion über diesen Punkt der Tagesordnung wurde in der Versammlung am 31. März weitergeführt. las, war ich äußerst peinlich berührt durch die Art und Weise, wie der Vertreter des Parteivorstandes die Frage des Stichwahlabkommens hier vor Ihnen behandelt hat. (»Sehr wahr!«) Nicht deshalb, weil ich persönlich bei dieser Verteidigung sehr schlecht weggekommen bin, ich bin persönliche Angriffe gewöhnt und nehme sie sehr kühl. Aber es hat mich peinlich berührt, daß der Vertreter der obersten Parteibehörde in eine so hochwichtige und ernste politische Frage einen Ton der persönlichen Gehässigkeit hineingetragen hat (»Sehr richtig!«), statt mit gebührendem Ernst und mit Sachlichkeit eine so hochwichtige Frage zu behandeln. (»Sehr richtig!« und Widerspruch.) Man kann über das Stichwahlabkommen dieser oder anderer Meinung sein; aber die oberste Behörde einer politischen Partei von unserer Größe und unseren Aufgaben muß sich von vornherein sagen: Auch ich kann einmal fehlen! Einen Anspruch auf Unfehlbarkeit und deshalb auf eine solche Reizbarkeit gegenüber der öffentlichen Kritik darf ein sozialdemokratischer Parteivorstand nicht haben. Wo kommen wir sonst hin? (»Sehr richtig!«) Wer meine Artikel Gemeint sind die Artikel »Unsere Stichwahltaktik« und »Eine Verteidigung oder eine Anklage?«. In: Rosa Luxemburg: Gesammelte Werke, Bd. 3, Berlin 1973, S. 100-123 und 134-145. gelesen hat, wird von ihrer strengen Sachlichkeit überzeugt sein. Genosse Braun behauptet, daß nur kapriziöse Primadonnen sagen könnten: Wenn die Fortschrittler die Klausel der Dämpfung unserer Agitation in 16 Kreisen zu einer unerläßlichen Bedingung des Abkommens gemacht haben, hätte man die Herren Fortschrittler in beschleunigtem Tempo die Treppe hinunterbefördern sollen. Ich glaube, wenn unser Zentralorgan, der ›Vorwärts‹, nicht so sehr seine Pflicht als Informationsorgan vernachlässigen würde, dann würden Sie alle wissen, daß nicht bloß ich diese Ansicht vertreten habe, sondern daß von den verschiedensten Seiten in der Partei genau dieselbe Auffassung vertreten wurde. (»Hört! Hört!«)
Schon am 17. Februar, also lange vor mir, schrieb unser Elberfelder Parteiorgan, die »Freie Presse«, über das Stichwahlabkommen: »Wir bemerkten schon, es nicht billigen zu können, daß sich unsere Parteileitung auf die Dämpferklausel eingelassen hat. Wir kämpfen nicht nur bei Wahlen, sondern fortgesetzt. Und wenn dann die Genossen eines Wahlkreises jahrelang fleißig gearbeitet und besonders den herangekommenen Wahlkampf mit großer Bravour geführt, Erfolge errungen haben und in die Stichwahl gekommen sind, so kann man ihnen auch dort, wo wenig Aussicht auf einen Sieg ist, nicht kurz vor der Stichwahl zumuten:›Jetzt müßt ihr euch bis nach der Stichwahl politisch tot erklären.‹ Das geht nicht, gerade auch wegen der Disziplin. Man darf nicht Unmögliches von den Genossen verlangen, wenn die von den Gegnern so oft bewunderte Disziplin in der Partei hochgehalten werden soll. Nun kann man geltend machen, daß von der Annahme der Dämpferklausel es abhängig war, ob das Stichwahlabkommen zur Tatsache werden sollte oder nicht. Da sind wir nun der Meinung, daß man bei einem so hohen Preis lieber auf das Abkommen verzichtet hätte.«
Auch eine kapriziöse Primadonna in Elberfeld! (Lebhafte Heiterkeit.) Das Organ der Parteimitgliedschaft von Rüstringen, die nicht gerade im Geruch des äußersten Radikalismus steht, das »Norddeutsche Volksblatt«, schrieb: »Die Sozialdemokratie ist keine Partei, in der nach einem siegreichen Wahlkampfe Ruhe als die bekannte erste Bürgerpflicht betrachtet wird. Im Gegenteil, in ihren Reihen ist es von jeher Sitte gewesen, sich ständig selbst zu prüfen, mögen auch Wochen und Monate nach den jeweilig in Frage kommenden ›Fällen‹ vergangen sein. Die Stichwahltaktik des Parteivorstandes haben auch wir nicht gebilligt, und nur aus Disziplingründen haben wir uns gefügt. Auch die kürzlich den Redaktionen übermittelte Begründung durch denselben fand nicht unseren Beifall. Aus diesem Grunde geben wir eine Rede wieder, die Genossin Luxemburg am 1. März vor der Bremer Arbeiterschaft hielt. Die Redaktion.«
Die Genossen in Solingen haben sich in ihrer Kreisgeneralversammlung am 10. März mit dem Abkommen beschäftigt. Der Referent, Genosse Wendemuth, verteidigte das Stichwahlabkommen und den Parteivorstand. Als er aber zur Dämpferklausel kam, hat er gesagt: »Da wurde nämlich ausgemacht, daß wir in 16 Wahlkreisen bis zum Stichwahltag›keine Versammlung abzuhalten, kein Flugblatt zu verbreiten, keine Stimmzettel den Wählern zuzustellen und am Wahltage selbst keine Schlepperdienste zu verrichten‹ hätten,›wogegen es uns freisteht, am Wahltage vor den Wahllokalen Stimmzettel zu verbreiten‹. Das muß verurteilt werden, denn eine solche Abmachung ist unserer Partei unwürdig. Entweder soll man kämpfen oder soll es nicht. Auf keinen Fall aber soll man den Schein erwecken, als ob man kämpft und tut es doch nicht.»
Die »Schwäbische Tagwacht«, ein Organ nicht des äußersten Radikalismus (heitere Zustimmung), schreibt: »Der ›gedämpfte‹ Wahlkampf ist überhaupt eine ganz neue Erfindung. Wir hätten gewünscht, er wäre nicht erfunden worden ... Wenn die Volkspartei als Bedingung für das Zustandekommen eines Stichwahlabkommens eine derartige Forderung stellte, mußte sie trotzdem und unter allen Umständen vom Parteivorstand abgelehnt werden ... Die Kritik, die sich an das Abkommen knüpfte, wird sicherlich auch dazu führen, daß die Partei für die Zukunft von ähnlichen Vereinbarungen verschont bleibt. Welche Situationen die Zukunft bringen wird, läßt sich heute nicht sagen. Aber das muß mit allem Nachdruck ausgesprochen werden: Zumutungen, wie sie in dem diesjährigen Stichwahlabkommen an die Parteigenossen gestellt wurden, dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen; der Vorstand einer demokratischen Partei, wie sie die Sozialdemokratie darstellt, muß sich von solchen Abmachungen fernhalten, die zu verteidigen ihm selber sehr schwerfallen muß.« So geht es auch weiter. Die Parteiblätter in Erfurt, Halle, Göppingen haben das Abkommen, namentlich die Dämpferklausel, auf das schärfste verurteilt. Sie aber sind leider darüber nicht informiert, weil Ihr Organ die Pflicht versäumt hat, Sie auf dem laufenden zu halten über das geistige Leben in der Partei. (»Hört! Hört!«) Deshalb konnte man es Ihnen so darstellen, als ob das Karnickel, das die ganze Sache angefangen, hier oben auf der Tribüne vor Ihnen stände. (Heiterkeit.) Das ist aber gar nicht wahr. In unserem wissenschaftlichen Organ, der »Neuen Zeit«, hat im Leitartikel vom 15. März Genosse Mehring das Abkommen genauso scharf verurteilt wie ich und andere. Er schreibt: »Allein es ging über die erlaubte Grenze hinaus, als dem Ansinnen der Fortschrittler nachgegeben wurde, ihnen 16 Wahlkreise zu überlassen, in denen sie mit unseren Leuten stachen ... Daß der Parteivorstand die 16 Kreise nicht einfach, sondern durch die›Dämpfung‹ der Agitation preisgegeben hat, macht die Sache eher noch schlimmer als besser. Wäre es in weiten Parteikreisen unseres Erachtens nicht verstanden worden, wenn der Parteivorstand das Stichwahlabkommen mit der Fortschrittspartei von der Schwelle abgewiesen hätte, so würde es gerade auch in diesen Parteikreisen freudig begrüßt worden sein, wenn der Parteivorstand auf die Erpresserbedingung hin die Fortschrittler hätte zu ihren Freunden vom Bülow-Block abfahren lassen.«
Der »Vorwärts« hat die offizielle Verteidigung des Parteivorstandes übernommen, wenn auch nicht im Namen des Parteivorstandes. Hören wir: »Wenn aber das Abkommen zu dieser Dämpfung unter anderem auch die Verpflichtung rechnete, den Wählern keine Stimmzettel zuzustellen und am Wahltage keine Schlepperdienste zu verrichten, so überschritt es damit die Grenzen des der Situation Entsprechenden, ja des Erreichbaren. Denn den Parteigenossen in den erregten Zeiten einer Wahl unmittelbar vor der Entscheidung jede Betätigung nicht nur agitatorischer, sondern auch organisatorischer Art versagen wollen heißt Unmögliches von ihnen verlangen.
Und ebensowenig am Platze war die Heimlichkeit, mit der das Abkommen eine Zeitlang behandelt wurde ... Sollten die Fortschrittler Grund gehabt haben, zu wünschen, daß das ganze Abkommen ein Geheimnis bleibe, dann durfte es überhaupt nicht abgeschlossen werden. So nützlich uns das Abkommen auch erscheint, um den Preis der Umwälzung unserer demokratischen Grundsätze durfte es nicht erkauft werden.«
In diesem Sinne haben sich auch die Genossen in Hamburg, Merseburg und anderen Kreisen ausgesprochen gegen das Abkommen, und bis jetzt kenne ich nicht eine Stimme in der Partei, die diesen Punkt des Abkommens des Parteivorstandes verteidigen würde. Vielleicht tut es Genosse Kolb jetzt in seinem Blatt. (Lebhafte Heiterkeit. – Ledebour ruft: »Das ist auch noch nicht mal sicher!«)
Es kommt ja nicht darauf an, ob ein einzelner Fehler in der Taktik, der praktischen Politik vom Parteivorstand gemacht wurde oder nicht. Niemand von uns verlangt vielleicht von ihm Fehlerlosigkeit und die Unmöglichkeit, irgendeinen Fehler zu machen. Aber was das Wichtigste ist, das sind die allgemeinen politischen Gesichtspunkte, welche dieser Politik zugrunde liegen und die in der Verteidigung des Parteivorstandes auch zum Vorschein kommen. Es wird durchaus behauptet, daß sich das Stichwahlabkommen in politischer Hinsicht mit einem glänzenden Erfolg gekrönt habe. Wenn man die Sache ruhig und objektiv betrachtet, die Abstimmungszahlen der Stichwahlkreise, so kommt man zu dem Ergebnis, daß in keinem einzigen das Wahlabkommen von den Fortschrittlern wirklich eingehalten wurde. Sie finden nur vier oder fünf Kreise, in denen die Tugend der Fortschrittler so weit gegangen ist, daß mehr von ihnen für uns als für die Reaktion gestimmt haben. In der überwiegenden Zahl der Wahlkreise haben mehr von ihnen für die Reaktion gestimmt als für uns. (»Sehr richtig!«) So ist das Abkommen eingehalten worden!
Die Hauptsache ist doch, daß man erklärt, man habe den Zweck verfolgt, die schwarzblaue Reaktion zu zerschmettern, und daß man jetzt versucht, uns glauben zu machen, daß wir die Reaktion tatsächlich zerschmettert haben. Das Traurigste bei der Sache ist, daß man solche unerhörten Illusionen den Massen beizubringen sucht. (»Sehr richtig!«) Der »Vorwärts« hat behauptet, wir hätten es fertiggebracht, durch unser Abkommen mit den Fortschrittlern die Reaktion und die Regierung zur Ohnmacht zu verurteilen. (Heiterkeit.) Solche Ansichten dürfen doch nicht ungestraft in unseren Reihen verbreitet werden! Denn es ist eine unverzeihliche Illusion, wenn man heute, bei all dem, was wir an Schlägen der Reaktion erleben, den Massen vorspiegeln will, wir seien in der Lage, Reaktion und Regierung zur Ohnmacht zu verurteilen. Und dabei bringt der »Vorwärts« selbst jeden Tag neue Beweise, daß die Schwarzblauen und die Regierung uns Schritt für Schritt Niederlagen bereiten. Genosse Braun und der »Vorwärts« haben versucht, die Kritik an dem Stichwahlabkommen damit abzutun, daß sie die Kritiker des Antiparlamentarismus verdächtigten. Jetzt genügt es, an solchen Illusionen Kritik zu üben, um beinahe zu den Anarchisten geworfen zu werden. Da hat es mich gefreut, in diesen Tagen gerade in einem Leitartikel des »Vorwärts« sehr gefährliche Seitensprünge in »antiparlamentarichem« Sinne konstatieren zu können. (Heiterkeit.) Und zwar heißt es in dem heutigen Leitartikel: »Für heute sei nur die Notwendigkeit betont, daß wir Sozialdemokraten gerade in diesen Tagen unsere Forderung eines Volksheeres lauter und nachdrücklicher erheben müssen denn je zuvor. Wir müssen den Massen klarmachen, daß beim heutigen stehenden Heere das Wort vom›Volk in Waffen‹ zu einer heuchlerischen und gefährlichen Farce geworden ist. Wir haben darauf hinzuweisen, daß wir bei der Umwandlung des stehenden Heeres in ein Volksheer kaum auf die Hilfe des Parlaments rechnen können.«
Braun hat auf der vorigen Versammlung gegenüber meiner Forderung, man hätte die Forderung der Miliz zum Gegenstand einer großartigen Massenbewegung machen sollen, gesagt: Ja, wenn wir auf die Straße gelaufen wären und losgekreischt hätten: Miliz!, so hätten wir den Rat bekommen, in eine Kaltwasserheilanstalt zu gehen. Ich empfehle also, die Redaktion des »Vorwärts« in diese Kaltwasserheilanstalt zu schicken (Heiterkeit), um so mehr, als sie noch am verflossenen Freitag schrieb: »Wo stehen wir also? Vor dem Feind, der uns rings umgibt! Und wie stehen wir da? In der Hauptsache auf unsere eigene Kraft angewiesen, wie nur je zuvor. Und worin besteht unsere Kraft? Nicht in unserer parlamentarischen Position – sowenig wir auch die parlamentarische Tätigkeit, namentlich deren agitatorische Seite, unterschätzen wollen –, sondern in unserer Verankerung mit dem Volke, in den Wurzeln unserer Kraft, in den Volksmassen selbst, in der Organisation, in dem Klassenbewußtsein und der politischen Regsamkeit und Energie dieser Volksmassen!
Die Massen müssen sich rühren und regen, wenn unseren Aktionen im Parlament Mark und Nachdruck verliehen werden soll. Die Fraktionen können höchstens den Dirigentenstab schwingen, die Musik muß das kraftvoll einfallende Orchester der Volksmassen machen!«
Das hat der »Vorwärts« über die Ergebnisse der herrlichen Illusionen in bezug auf die Zerschmetterung der Reaktion geschrieben. Ich habe mich sehr gefreut, als ich diesen Artikel las, und mich gefragt: Was hat wohl plötzlich diese Wandlung zum »Antiparlamentarismus« im »Vorwärts« hervorgerufen? Vielleicht die vorige Sitzung dieser Versammlung? So oder anders stellt sich heraus, daß der »Vorwärts«, wenn er gezwungen ist, die bestehende politische Lage in ihren wirklichen Konsequenzen zu schildern, genau zu denselben Schlüssen kommt wie wir in unserer Kritik.
Das Gefährlichste an diesem Abkommen sind überhaupt die überschwenglichen Hoffnungen in bezug auf den Parlamentarismus und die Wirkungen der parlamentarischen Schiebungen. Man wollte plötzlich mit Hilfe der Liberalen die deutsche Reaktion zerschmettern, mit denselben Liberalen, die bei jedem Schritt vor der Reaktion zusammenknicken in der elendsten Weise und die jeden Tag von neuem beweisen, daß diese ganze Spekulation nur ein Kartenhaus ist: Die Haltung der Liberalen, namentlich auch der Fortschrittler in der Geschäftsordnungskommission und in den anderen Kommissionen des Reichstags, sogar dort, wo es sich um reine Rechtsfragen des Reichstags gegenüber der Regierung handelt, sogar da knickt der Liberalismus elend zusammen. Und braucht man erst auf die kommende Wehrvorlage hinzuweisen? Niemals ward ein schädlicheres Wort ausgesprochen als das des »Vorwärts«, als hätten wir die Regierung jetzt zur Ohnmacht verurteilt. Im Gegenteil, unser ganzes Interesse und unsere Pflicht besteht darin, den Massen klaren Wein einzuschenken und alle Illusionen beiseite zu schieben, die sich etwa an unseren Wahlsieg unmittelbar knüpfen könnten. Man hat uns Antiparlamentarismus in die Schuhe zu schieben versucht. Nichts ist so gefährlich in dem Sinne, daß es wirklich antiparlamentarische Anwandlungen in den Massen nähren kann, als solche übertriebenen parlamentarischen Illusionen. (»Sehr wahr!«) Wenn wir solch übertriebene Hoffnung in den Massen nähren, so wird sich das in wenigen Jahren bitter rächen. Die Massen werden kommen und fragen: Wo sind denn die Wunderwirkungen eures parlamentarischen Sieges? Solche allgemeinen, falschen theoretischen Perspektiven müssen mit allem Nachdruck bekämpft werden. Mein Vorredner hat ja gezeigt, wohin die Konsequenzen dieser Stellungnahme führen. Er hat ja nichts anderes befürwortet als die famose süddeutsche Großblockpolitik und alle Kompromisse, Unter dem Vorwand, den reaktionärsten Parteien, den Konservativen und dem Zentrum, eine »aktionsfähige Mehrheit« entgegenzustellen, hatten die Opportunisten im badischen Landtag 1910 mit den Liberalen einen Block gebildet. Mit diesem »Großblock«, der anläßlich der Landtagswahlen 1913 erneuert wurde, setzten sich die Opportunisten in Widerspruch zu den Grundsätzen und Beschlüssen der Sozialdemokratischen Partei und unterstützten die Politik der bürgerlichen Regierung. Unter Mißachtung der Grundsätze und Beschlüsse der Sozialdemokratischen Partei hatten die Opportunisten der sozialdemokratischen Fraktion des bayrischen Landtags am 13. August 1908 und die des badischen Landtags am 12. August 1908 wie auch am 14. Juli 1910 dem Landesbudget zugestimmt. die dort seit Jahr und Tag Wirklichkeit geworden sind. Der Artikel des Genossen Puchta in der letzten Nummer der »Neuen Zeit« über das Landtagswahlkompromiß in Bayern zeigt, welcher Katzenjammer jetzt schon dort eingezogen ist nach dem angeblich herrlichen Siege in einem Wahlkampf, in dem wir Sozialdemokraten zu einem Brei mit den Bürgerlichen geworden sind und gemeinsame Kandidaten aufgestellt haben. Fritz Puchta: Die Landtagswahlen in Bayern. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 30. Jg. 1911/12. Erster Band, S. 924-934. – Im Dezember 1911 hatte der Landesvorstand der bayrischen Sozialdemokratie ohne Rücksprache mit den unteren Instanzen und gegen den Willen großer Teile der Mitgliedschaft mit den Liberalen, dem bayrischen und dem deutschen Bauernbund ein Kompromiß für die Landtagswahlen in Bayern abgeschlossen. Trotz dieses Wahlbündnisses konnte das Zentrum bei den Wahlen am 5. Februar 1912 die absolute Mehrheit der Landtagsmandate erobern. Das aber ist die logische Konsequenz beim Fortschreiten auf dem Wege, auf den sich der Parteivorstand begeben hat mit dem Stichwahlabkommen. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, im Interesse der Gesamtpartei und der politischen Entwicklung zu sagen: Diese Praxis mit dem Stichwahlabkommen – bis hierher und nicht weiter! (Lebhafter anhaltender Beifall.)