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Drittes Buch.
Ablenkungsmanöver


Achtundzwanzigstes Kapitel

Die Behörden in Kairo versprachen bereitwillig Geld, Gewehre, Maultiere und noch weitere Maschinengewehre und Gebirgsgeschütze, doch die bekamen wir natürlich nie. Die Geschützfrage bedeutete überhaupt ein ewiges Ärgernis. In dem gebirgigen und weglosen Lande waren Feldgeschütze nicht verwendbar; und die britische Armee im Osten besaß keine Gebirgsgeschütze, außer dem indischen Zehnpfünder, der höchstens noch gegen Bogen und Pfeile verwendbar war. Bremond hatte in Suez einige ausgezeichnete fünfundsechziger Schneider-Geschütze mit algerischen Kanonieren, aber er betrachtete sie grundsätzlich als ein Druckmittel, um alliierte Truppen nach Arabien hineinzubekommen. Wenn wir ihn baten, sie uns mit oder ohne Bedienungsmannschaften herunterzusenden, antwortete er regelmäßig, daß erstens die Araber die Mannschaft nicht richtig behandeln und zweitens auch die Geschütze nicht richtig behandeln würden. Sein Preis war eine englische Brigade für Rabegh; aber darauf wollten wir uns nicht einlassen.

Er hatte Besorgnis, das arabische Heer könnte allzu stark werden – ein Einwand, den man verstehen konnte –, aber unbegreiflich war das Verhalten der britischen Regierung. Es war weder böse Absicht, denn man gab uns alles, was wir brauchten, noch Knauserei, denn die gesamte den Arabern an Geld und Material zuteil gewordene Hilfe belief sich auf mehr als zehn Millionen. Ich glaube, es war nichts als Beschränktheit. Aber man konnte toll werden bei dem Gedanken, daß wir bei vielen Unternehmungen unterlegen waren und andere ganz unterlassen mußten, lediglich aus dem technischen Grund, weil die Reichweite der türkischen Geschütze die unsere um drei- bis viertausend Yard übertraf und wir daher gegen ihre Artillerie nicht aufkommen konnten. Am Ende aber war zum Glück Bremond selbst der Geprellte, daß er seine Batterien ein Jahr lang untätig in Suez hatte liegenlassen. Major Cousse, sein Nachfolger, schickte sie uns herunter, und mit ihrer Hilfe konnten wir in Damaskus eindringen. Aber während dieses einen nutzlos vergeudeten Jahres bedeuteten sie für jeden arabischen Offizier, der durch Suez kam, einen stummen, aber unbestreitbaren Beweis für das Übelwollen Frankreichs gegenüber der arabischen Bewegung.

Einen sehr wertvollen Zuwachs für unsere Sache bekamen wir in der Person Dschaafar-Paschas, eines türkischen Offiziers und gebürtigen Bagdaders. Nachdem er sich in der deutschen und türkischen Armee hervorgetan hatte, wurde er von Enver dazu ausersehen, die Aufgebote des Scheiks el Senussi zu organisieren. Er gelangte mittels U-Boot dorthin, schuf eine leidlich gute Truppe aus diesen wilden Leuten und erwies sich von großem taktischen Geschick in zwei Gefechten gegen die Engländer. Dann wurde er gefangengenommen und mit den übrigen kriegsgefangenen Offizieren in der Zitadelle von Kairo untergebracht. Eines Nachts machte er einen Fluchtversuch, indem er sich an einem aus Bettüchern gedrehten Seil in den Festungsgraben hinunterließ; doch die Bettücher rissen unter der Last, und im Fall verletzte er sich den Knöchel, worauf der Hilflose wieder festgenommen wurde. Im Lazarett gab er sein Ehrenwort, nicht mehr zu entweichen, und wurde nach Bezahlung der zerrissenen Bettücher auf freien Fuß gesetzt. Eines Tages las er dann in einer arabischen Zeitung vom Aufstand des Scherifs und von der Hinrichtung bekannter arabischer Nationalisten – seiner Freunde – durch die Türken, was ihm die Augen darüber öffnete, daß er auf der falschen Seite war.

Faisal hatte natürlich von ihm gehört und wünschte ihn als Oberbefehlshaber seiner regulären Truppen, deren Vervollkommnung jetzt unsere Hauptsorge war. Dschaafar war, wie wir wußten, einer der wenigen, die genügend Ansehen und Persönlichkeit besaßen, diese schwer zu behandelnden und einander mißtrauenden Elemente zu einer Armee zusammenzuschweißen. Aber König Hussein wollte ihn nicht haben. Hussein war alt und engherzig, Syrier und Mesopotamier mochte er nicht, und Damaskus sollte durch Mekka befreit werden. Er wies Dschaafars Dienste ab. Faisal mußte ihn auf eigene Verantwortung einstellen.

In Kairo saßen Hogarth und George Lloyd, Storrs und Deedes, sowie noch manche alten Freunde. Indessen hatte sich neuerdings der Kreis der dem arabischen Aufstand Wohlgesinnten erheblich erweitert. Bei der Armee stiegen unsere Aktien, da wir Gewinne vorweisen konnten. Lynden Bell stand fest auf unserer Seite und schwor, daß nun Methode in den arabischen Wahnsinn käme. Sir Archibald Murray erkannte zu seiner größten Überraschung, daß gegen die Araber weit zahlreichere türkische Truppen kämpften als gegen ihn selbst, und erinnerte sich plötzlich daran, daß er eigentlich von jeher den arabischen Aufstand begünstigt habe. Admiral Wemyss war auch weiter stets zur Hilfe bereit, wie er uns schon in den kritischen Tagen bei Rabegh geholfen hatte. Sir Reginald Wingate, Hoher Kommissar von Ägypten, zeigte sich hocherfreut über den erfolgreichen Fortgang eines Werkes, das er seit Jahren befürwortet hatte – eine Genugtuung, die ich ihm nicht recht zu gönnen vermochte, denn McMahon, der aus eigener Verantwortung den Aufstand in Bewegung gebracht hatte, war kurz vor der günstigen Wendung abberufen worden. Doch das war kaum Wingates Schuld.

Während ich noch all die leichteren Verknotungen dieser Fäden entwirrte, kam plötzlich eine Überraschung. Oberst Bremond rief mich an, gratulierte mir zu der Einnahme von Wedsch und erklärte, daß sie seinen Glauben an meine militärischen Fähigkeiten bestärke und ihn ermutige, auf meine Hilfe bei der Auswertung unseres Erfolges zu rechnen. Er wünschte Akaba durch eine englisch-französische Truppenabteilung unter Mitwirkung der Flotte zu besetzen. Er wies auf die Wichtigkeit Akabas hin, des einzigen den Türken noch verbliebenen Hafens im Roten Meer, in nächster Nähe des Suezkanals und der Hedschasbahn, in der linken Flanke der Bersaba-Armee, und er schlug seine Besetzung durch eine gemischte Brigade vor, die im Wadi Ithm vorrücken sollte, um einen vernichtenden Schlag gegen Maan zu führen. Dann begann er, sich über die Beschaffenheit des Geländes auszulassen.

Ich erwiderte, daß ich Akaba aus der Vorkriegszeit kenne und den Plan für technisch undurchführbar halte. Wir könnten zwar den Uferrand der Bucht besetzen, aber unsere Truppen würden dort in ebenso ungünstiger Stellung sein wie am Gallipoliufer und von den Randbergen aus eingesehen und beschossen werden können; diese Granitberge, Tausende von Fuß hoch, waren ungangbar für reguläre Truppen, die hindurchführenden Pässe bildeten gewaltige Defilees, nur unter großen Verlusten zu nehmen oder zu halten. Nach meiner Ansicht würde Akaba, dessen Bedeutung noch größer wäre, als er sie veranschlage, am besten von arabischen Irregulären genommen, und zwar vom Innern des Landes aus, ohne Unterstützung durch die Flotte.

Bremond sagte mir nicht (aber ich wußte es), daß er eine Landung in Akaba wünschte, um die arabische Bewegung aufzuhalten, indem er sie (wie in Rabegh) durch ein alliiertes Truppenkorps abriegelte, so daß sie auf Arabien beschränkt bleiben und genötigt sein würde, ihre Kraft gegen Medina zu vergeuden. Die Araber waren noch immer besorgt, daß das vom Scherif mit uns abgeschlossene Bündnis auf der geheimen Abmachung, sie schließlich zu verkaufen, beruhte, und eine Invasion christlicher Truppen würde diese Besorgnis bestätigt und ihre Mitwirkung unmöglich gemacht haben. Ich meinerseits sagte Bremond nicht (aber er wußte es), daß ich bestrebt war, seine Bemühungen zu vereiteln und die Araber bald nach Damaskus zu führen. Dieser kindische Streit bei einem so großen Ziel belustigte mich, aber er beendete das Gespräch mit der drohenden Ankündigung, daß er auf jeden Fall nach Wedsch gehen und Faisal den Plan vorlegen würde.

Ich hatte Faisal nichts davon gesagt, daß Bremond politische Ziele verfolgte. Newcombe war in Wedsch, eifrig bemüht, die Sache in Fluß zu bringen.

Über das Akaba-Problem hatten wir nicht gesprochen. Faisal kannte weder die Gegend noch die Stämme dort. Unternehmungslust und Unkenntnis mochten ihn vielleicht dem Vorschlag geneigt stimmen. Es schien mir das beste, nach Wedsch zu eilen und Faisal zur Vorsicht zu mahnen; ich fuhr also noch am selben Nachmittag nach Suez und abends von dort zu Schiff weiter. Zwei Tage später setzte ich ihm in Wedsch alles auseinander; als daher Bremond zehn Tage danach bei Faisal erschien und ihm sein Herz (oder wenigstens einen Teil davon) öffnete, wurde ihm für seine Machenschaften in noch verbesserter Weise heimgezahlt.

Der Franzose begann damit, Faisal ein Geschenk von sechs kompletten Hotchkiss-Maschinengewehren mitsamt Instrukteuren zu machen. Das war eine anständige Gabe; aber Faisal ergriff die Gelegenheit, um ihn zu bitten, in seiner Großmut noch weiterzugehen und ihm eine Batterie Gebirgsschnellfeuergeschütze aus Suez zu schicken; er bedaure, erklärte er ihm, das Gebiet von Janbo geräumt zu haben, um nach Wedsch zu gehen, da Wedsch soviel weiter von seinem Ziel – Medina – entfernt liege, aber es sei ihm schlechthin unmöglich gewesen, die Türken (die über französische Artillerie verfügten) mit Gewehren oder den alten Kanonen, die ihm die Engländer geschickt hätten, anzugreifen. Seine Leute besäßen nicht die technische Vollendung, um schlechtes Material dem guten überlegen zu machen. Er müsse seinen einzigen Vorteil – zahlenmäßige Stärke und Beweglichkeit – ausnutzen, und sofern seine Ausrüstung nicht verbessert werden könnte, ließe sich gar nicht absehen, wo die Verlängerung seiner Front noch enden könnte!

Bremond versuchte auszuweichen, indem er Geschütze als völlig unbrauchbar für den Hedschaskrieg hinstellte (was tatsächlich richtig war). Aber der Krieg könne sofort beendet werden, erklärte er, wenn Faisal seine Leute gleich Ziegen über die Berge klettern ließe, um die Bahnlinie zu unterbrechen. Faisal, ärgerlich über diesen Vergleich (der im Arabischen eine Unhöflichkeit ist), musterte Bremonds sechs Fuß hohe Fülle und fragte ihn, ob er jemals versucht habe, selbst »wie eine Ziege« zu klettern. Bremond kam unverdrossen auf die Akaba-Frage zurück, wies auf die Gefahr hin, die den Arabern drohte, wenn die Türken dort blieben, und bestand darauf, daß auf die Engländer, die die Mittel dazu hätten, ein Druck ausgeübt werden müßte, die Expedition dorthin zu unternehmen. Faisal entwarf ihm daraufhin eine geographische Skizze des Hinterlandes von Akaba (über das ich ihn informiert hatte), wies auf die Schwierigkeit mit den Stämmen und das Ernährungsproblem hin – alle die Punkte, die ernste Hindernisse für das Unternehmen bedeuteten. Zum Schluß erklärte er, daß nach all dem Durcheinander von Befehlen, Gegenbefehlen und Mißverständnissen, das die Rabegh-Frage für die alliierten Truppen mit sich gebracht habe, er wirklich nicht die Stirn habe, Sir Archibald Murray so bald schon wieder mit der Bitte um eine Expedition zu behelligen.

Bremond mußte in guter Ordnung den Rückzug antreten und schoß dabei noch einen Parther-Pfeil auf mich ab, der ich höhnisch lächelnd dabeisaß, indem er Faisal bat, darauf zu dringen, daß die englischen Panzerwagen aus Suez nach Wedsch gesandt würden. Aber auch das war ein Bumerang, denn sie waren schon unterwegs! Nachdem er fort war, kehrte ich auf eine angenehme Woche nach Kairo zurück und gab dort meinen Vorgesetzten manche guten Ratschläge. Murray, der widerwillig die Tullibardines-Brigade für Akaba bestimmt hatte, war mir noch wohlwollender gesinnt, als ich mich mit aller Entschiedenheit gegen das ganze Unternehmen aussprach. Dann kehrte ich nach Wedsch zurück.


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