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Vor Suez wartete die »Lama« auf uns, ein kleiner, für Kriegszwecke umgebauter Postdampfer, und wir fuhren sofort ab. Solche kurze Reisen auf Kriegsschiffen waren für uns Passagiere stets eine herrliche Abwechslung. Diesmal aber gab es einige Trübungen. Unsere bunte Gesellschaft störte offenbar die Schiffsbesatzung in ihrem gewohnten Element. Die jüngeren Offiziere hatten uns ihre Kojen für die Nacht zur Verfügung gestellt, und tagsüber füllten wir ihre Aufenthaltsräume mit unvorschriftsmäßigen Gesprächen. Storrs3 unduldsame Art war ohnehin selten geneigt, sich irgendwo einzufügen. Diesmal aber war er ablehnender als je. Er umkreiste zweimal das Deck, sagte, sich umblickend: »Niemand, mit dem man ein anständiges Wort reden kann«, setzte sich in einen der beiden bequemen Lehnstühle und begann mit Asis el Masri (der in dem anderen saß) eine Diskussion über Debussy. Asis, der ehemalige arabisch-tscherkessische Oberst in der türkischen Armee, jetzt General im Heere des Scherifs, war unterwegs, um mit dem Emir von Mekka Ausrüstung und Verwendung der regulären arabischen Truppen zu besprechen, die er in Rabegh zusammenstellte. Nach ein paar Minuten ließen sie Debussy beiseite und begannen Wagner zu zerpflücken, Asis in fließendem Deutsch, Storrs auf deutsch, französisch und arabisch. Die Schiffsoffiziere fanden die ganze Unterhaltung höchst überflüssig.
Wir hatten, wie gewöhnlich, bis Dschidda ruhige Fahrt; das Wetter auf dem Roten Meer war wundervoll und niemals zu heiß, solange das Schiff fuhr. Tagsüber lagen wir im Schatten; während der herrlichen Nächte wanderten wir unter dem Sternenhimmel in der feuchten Brise des Südwinds stundenlang auf dem betauten Deck auf und ab.
Aber als wir dann im Außenhafen von Dschidda vor Anker gingen, angesichts der weißen Stadt, die schwebend hing zwischen dem flammenden Himmel und seiner Spiegelung, die leuchtend über die weite Lagune hinwallte, da kam Arabiens Glut gleich einem gezückten Schwert über uns und machte uns stumm. Es war ein Oktobermittag des Jahres 1916, und die steile Sonne hatte, wie Mondlicht, alle Farben ausgelöscht. Man sah nur Licht und Schatten, weiße Häuser und schwarze Straßenschlünde; davor der fahl schimmernde Dunst über dem Innenhafen; dahinter breitete sich in blendendem Glanz ein meilenweites Meer von Sand und verlor sich gegen den Saum einer niedrigen Hügelkette, die nur eben wie hingehaucht lag in dem fernen Geflimmer der Hitze.
Hart nördlich von Dschidda lag eine zweite Gruppe schwarzweißer Gebäude, die in der Spiegelung wie Kolben auf und ab tanzten, während das Schiff vor Anker rollte und einzelne Windstöße Glutwellen durch die Luft trugen. Bedrückend war es für Anblick und Gefühl. Es überkam uns ein Bedauern darüber, daß die Unzugänglichkeit des Hedschas, die ihn militärisch zu einem gesicherten Schauplatz des Aufstands machte, auf einem schlechten und ungesunden Klima beruhte.
Oberst Wilson, der britische Geschäftsträger beim jungen arabischen Staat, hatte uns seine Barkasse entgegengeschickt; und erst als wir uns der Küste näherten, überzeugten wir uns von der Wirklichkeit dieser schwebenden Fata Morgana. Eine halbe Stunde danach bewillkommte Ruhi, der orientalische Konsularassistent, mit vergnügtem Grinsen seinen einstigen Chef Storrs (Ruhi, der Vielgewandte, der mehr einem Alraun als einem Menschen glich), während die neueingestellten syrischen Polizei- und Hafenoffiziere mitsamt einer ziemlich wackeligen Ehrengarde zur Begrüßung von Asis el Masri am Zollkai aufgereiht standen. Es hieß, daß Scherif Abdulla, der zweite Sohn des Großscherifs von Mekka, soeben in der Stadt eingetroffen sei. Da wir mit ihm zu verhandeln hatten, kamen wir im rechten Augenblick.
Unser Weg zum Konsulat führte uns an dem weißen Mauerwerk der noch unfertigen Hafenmole vorbei und durch die enge, stickige Gasse der Lebensmittelhändler. Allerorten, vom Dattelverkäufer bis zu den Fleischbänken, schwirrten Scharen von Fliegen gleich Stäubchen in den schmalen Sonnenstreifen, die durch die Ritzen und Löcher der hölzernen und sackleinenen Schutzdächer bis in die dunkelsten Winkel der Buden stachen. Die Luft war wie ein heißes Bad. Das rote Leder des Lehnsessels an Bord der »Lama« hatte die Rückseite von Storrs' weißem Anzug durch die feuchte Berührung in den letzten vier Tagen gleichfalls leuchtend rot gefärbt, und der Schweiß, der den Stoff durchnäßte, machte jetzt die Flecken glänzend wie Lack. Ich war so beschäftigt mit diesem Anblick, daß ich gar nicht die tief braune Malerei auf meiner Khakiuniform bemerkte, überall da, wo sie am Körper anklebte. Storrs überlegte, ob der Weg zum Konsulat lang genug sei, um mich einheitlich, anständig und haltbar einzufärben; und ich wiederum dachte darüber nach, ob alles, worauf er sich setzte, ebenso rot werden würde wie sein Anzug.
Aber noch vor Lösung dieser Fragen erreichten wir das Konsulat; und dort, in einem schattigen Raum, ein offenes Gitterfenster im Rücken, saß Wilson, in hoffnungsvoller Erwartung der frischen Brise von See, die in den letzten Tagen ausgeblieben war. Er empfing uns sehr förmlich, da ihm, dem durch und durch untadeligen Engländer, Storrs verdächtig war, sei es auch nur wegen dessen künstlerischen Neigungen. Meine einzige Begegnung mit Wilson in Kairo hatte in einer kurzen Meinungsverschiedenheit darüber bestanden, ob das Tragen von Eingeborenenkleidung für uns angemessen wäre. Ich hatte sie lediglich für unbequem erklärt, er aber sah darin eine Unwürdigkeit. Doch ungeachtet seiner persönlichen Gefühle, war Wilson mit Leib und Seele für unsere Sache. Für die bevorstehende Unterredung mit Abdulla hatte er alle Vorbereitungen getroffen und war zu jeder ihm möglichen Hilfe bereit. Außerdem waren wir seine Gäste, und die großzügige Gastfreundschaft des Orients war ganz nach seinem Sinn.
Abdulla erschien bei uns in feierlichem Aufzug, auf einer Schimmelstute reitend, mit einem Gefolge reichbewaffneter Sklaven zu Fuß und begleitet vom ehrfürchtig schweigsamen Gruß der Bevölkerung. Er war noch ganz erfüllt von seinem jüngsten Erfolg bei Taif und in glücklichster Stimmung. Ich selbst sah ihn zum erstenmal. Storrs hingegen war ein alter Freund von ihm und stand mit ihm auf bestem Fuß. Mein erster Eindruck von ihm, während sie miteinander sprachen, war der einer beständigen Vergnügtheit. Der Schalk saß ihm in den Augenwinkeln, und trotz seiner fünfunddreißig Jahre hatte er auch schon Fett angesetzt, vermutlich von allzu vielem Lachen. Das Leben schien für Abdulla eine sehr heitere Angelegenheit zu sein. Er war klein, untersetzt, von heller Hautfarbe, mit sorgfältig gepflegtem, bräunlichem Bart um das runde weiche Gesicht, der die vollen Lippen verdeckte. Er gab sich offen oder tat wenigstens so und war bezaubernd im Umgang. Jede Feierlichkeit lag ihm fern, und er scherzte mit allen Anwesenden auf die liebenswürdigste Art. Als sich dann die Unterhaltung ernsten Gegenständen zuwandte, schien allerdings die Maske des Frohsinns zu verschwinden, wie er denn auch seine Worte mit Sorgfalt wählte und seine Gründe scharfsinnig darzulegen wußte. Freilich hatte er es auch mit einem Manne wie Storrs zu tun, der in der Diskussion hohe Anforderungen an seinen Gegenpart stellte.
Die Araber hielten Abdulla für einen weitsichtigen Staatsmann und schlauen Politiker. Schlau war er bestimmt, aber doch nicht genug, um uns immer von seiner Aufrichtigkeit zu überzeugen. Sein Ehrgeiz war offensichtlich. Den Gerüchten zufolge war er die rechte Hand seines Vaters und der denkende Kopf des arabischen Aufstands; aber dafür schien er mir doch nicht bedeutend genug. Sein Ziel war natürlich die Gewinnung der arabischen Unabhängigkeit und die Aufrichtung der arabischen Staaten, aber die Leitung dieser Staaten gedachte er seiner Familie vorzubehalten. So belauerte er uns, während er zugleich durch uns auf die öffentliche Meinung Englands einzuwirken suchte.
Ich hielt mich beobachtend im Hintergrund und suchte mir ein Urteil über ihn zu bilden. Der Aufstand des Scherifs hatte in den letzten Monaten nur geringe Fortschritte gemacht (war sogar zum Stillstand gekommen: der Anfang vom Ende bei jedem Kleinkrieg), und meiner Meinung nach lag das an einem Mangel an Führung; denn nicht Verstand, Urteil, politische Klugheit, sondern nur die Flamme der Begeisterung vermochten die Wüste in Brand zu setzen. Mein Besuch galt hauptsächlich dem Zweck, den überragenden Führergeist für die Sache ausfindig zu machen und seine Eignung daraufhin zu prüfen, ob er den Aufstand bis zu dem mir vorschwebenden Ziel vorwärts zu tragen imstande sein würde. Im Laufe des Gesprächs kam ich mehr und mehr zu der Überzeugung, daß der ausgeglichene, kühle und nüchterne Abdulla nicht der Prophet war, den ich suchte: vor allem nicht der Prophet mit dem Schwert, der allein – wenn die Geschichte wahr spricht – Revolutionen zum Erfolg zu führen vermag. Sein Wert mochte vielleicht später nach glücklichem Vollbringen zur Geltung kommen. Aber während des Kampfes selbst, wo es auf so schlichte Eigenschaften, wie klaren Blick, Einwirkungskraft, Hingabe und Opferbereitschaft, ankam, würde Abdulla ein zu kompliziertes Werkzeug für den einfachen Zweck sein, obwohl er nicht übergangen werden konnte, auch jetzt nicht.
Wir sprachen anfangs über die Zustände in Dschidda, um ihn bei dieser ersten Unterredung durch die Erörterung eines nebensächlichen Themas, wie die scherifische Verwaltung, zunächst einmal warm werden zu lassen. Er erklärte, der Krieg nähme sie zu stark in Anspruch, als daß sie sich viel mit der Zivilverwaltung abgeben könnten. In den Städten hatte man das türkische System mit einigen Abmilderungen übernommen. Die türkische Regierung war tüchtigen Leuten nicht abgeneigt gewesen und hatte ihnen beträchtliche Monopole im Hedschas vertraglich zugebilligt. Die Inhaber solcher Monopole sahen daher einem eingeborenen Herrscher nicht gerade mit Freude entgegen. Besonders in Mekka und Dschidda war die öffentliche Meinung gegen einen arabischen Staat. Die Masse der Bürger waren Ausländer – Ägypter, Inder, Javaner, Afrikaner und andere –, die naturgemäß den arabischen Bestrebungen ablehnend gegenüberstanden, besonders wenn der Anstoß dazu von den Beduinen ausging. Denn der Beduine lebte von dem, was er auf seinen Straßen oder in seinen Tälern von den Fremden erpressen konnte; und er und die Städter waren einander ewig feind.
Die Beduinen waren die einzigen Kampffähigen, die dem Scherif zur Verfügung standen; von ihrer Mitwirkung hing der Aufstand ab. Er bewaffnete sie freigebig, besoldete viele für den Dienst in seinem Heer, unterhielt ihre Familien während der Abwesenheit von zu Hause und mietete ihre Lastkamele für die Versorgung seiner Truppen an der Front. Infolgedessen ging es dem Lande gut, während die Städte Not litten.
Ein anderer Grund zur Klage für die Städte war die Rechtsprechung. Das türkische bürgerliche Recht war abgeschafft und das alte religiöse Recht, das unverfälscht auf dem Koran beruhende Verfahren des arabischen Kadis, wiedereingeführt worden. Abdulla setzte uns – mit stillem Schmunzeln – auseinander, daß man zu gegebener Zeit im Koran schon die Meinungen und Festsetzungen ausfindig machen würde, die nötig seien, um ihn den Bedürfnissen des modernen Handelsverkehrs, wie zum Beispiel dem Bank- und Börsenwesen, anzupassen. Inzwischen gewannen natürlich die Beduinen, was die Städter durch die Abschaffung des bürgerlichen Rechts verloren. Scherif Hussein hatte die Wiedereinführung der alten Stammesverfassung stillschweigend gutgeheißen. Beduinen, die einen Streit miteinander hatten, brachten ihre Sache vor den Stammesrichter, ein in der angesehensten Familie erbliches Amt, das durch Zahlung einer Ziege für jeden Haushalt, als jährliche Abgabe, bestätigt wurde. Das Urteil beruhte auf Gewohnheitsrecht, wobei Präzedenzfälle aus einer umfangreichen, im Gedächtnis aufbewahrten Sammlung herangezogen wurden. Das Verfahren war öffentlich und gebührenfrei. In Streitfällen zwischen Angehörigen verschiedener Stämme wurde der Richter nach gegenseitiger Übereinkunft gewählt oder man zog den Richter eines unbeteiligten Stammes heran. Lag ein besonders schwieriger und verwickelter Fall vor, wurde der Richter von vier Beisitzern unterstützt; zwei wurden vom Kläger aus der Familie des Beklagten, zwei von dem Beklagten aus der Familie des Klägers benannt. Die Entscheidung erfolgte stets einstimmig.
Dieses Bild, das Abdulla vor unseren Augen entwarf, betrachteten wir mit trüben Gedanken an den Garten Eden und an all das, was Eva, die nun draußen vor den Mauern der Stadt in ihrem Grabe ruhte, für die Menschheit, wie sie im allgemeinen ist, auf ewig vertan hat.
Dann zog Storrs mich in die Verhandlung, indem er Abdulla nach seiner Ansicht über den gegenwärtigen Stand des Feldzugs fragte. Dieser wurde sofort ernst und sagte, er wünschte die Engländer von der dringenden Notwendigkeit ihrer sofortigen und persönlichen Mitwirkung bei der Sache zu überzeugen, was er folgendermaßen begründete:
Durch unser Versäumnis, die Hedschasbahn Eisenbahn von Damaskus nach Medina. (A. d. Ü.) zu unterbrechen, seien die Türken in der Lage, fortgesetzt Truppen und Material zur Verstärkung nach Medina zu senden.
Faisal sei aus der Stadt vertrieben worden; und der Feind sei bereits dabei, eine fliegende Kolonne aller Waffengattungen aufzustellen, um damit auf Rabegh zu marschieren.
Die Araber in den Bergen längs des Weges nach Rabegh seien infolge unserer Säumnis zu schwach an Artillerie, Maschinengewehren und sonstigem Material, um den Vormarsch ernstlich aufhalten zu können.
Hussein Mabeirig, der Scheik der Maszuk-Harb, habe sich auf Seiten der Türken gestellt. Sobald die Kolonne von Medina vorrücke, würden sich die Harb ihr anschließen.
Danach also bliebe seinem Vater nichts anderes übrig, als sich an die Spitze seines Volkes von Mekka zu stellen und angesichts der Heiligen Stadt im Kampf zu sterben.
In diesem Augenblick läutete das Telephon: Der Großscherif wünschte Abdulla zu sprechen. Er wurde vom Stand unserer Unterredung unterrichtet und bestätigte sogleich, daß er äußerstenfalls so handeln würde. Die Türken würden nur über seine Leiche in Mekka eindringen. Das Telephon klingelte ab; Abdulla wandte sich ein wenig lächelnd zu uns und fragte, ob zur Verhütung solchen Unheils eine englische Brigade, wenn möglich, aus mohammedanischen Truppen bestehend, in Suez transportbereit gehalten werden könne, um, wenn die Türken von Medina vorrückten, nach Rabegh geworfen zu werden. Was wir über diesen Vorschlag dächten?
Ich erwiderte, erstens habe Scherif Hussein von uns nicht verlangt, daß wir die Hedschasbahn unterbrächen, da er sie für seinen siegreichen Vormarsch nach Syrien brauchen würde; zweitens sei das Dynamit für die Sprengungen von ihm zurückgesandt worden mit dem Bescheid, daß der Umgang damit für Araber zu gefährlich sei; drittens habe Faisal keinerlei Materialforderungen an uns gestellt.
Was die Brigade für Rabegh beträfe, so wäre das eine schwierige Frage. Schiffsraum wäre kostbar; und wir könnten nicht ewig in Suez leere Transportschiffe bereithalten. Formationen, die nur aus Moslemin bestünden, gäbe es in unserer Armee nicht. Eine britische Brigade wäre ein ziemlicher Apparat und würde viel Zeit auch zum Ein- und Ausladen brauchen. Die Rabegh-Stellung wäre ziemlich ausgedehnt. Eine Brigade würde sie kaum halten können und gar nicht in der Lage sein, Truppen zu entsenden, um eine türkische Kolonne daran zu hindern, unter Umgehung von Rabegh ins Hinterland einzubrechen. Sie könnte höchstens die Küste unter dem Schutz der Kanonen eines Kriegsschiffes verteidigen, und dazu reichte auch ein Kriegsschiff ohne Truppen aus.
Abdulla erwiderte, daß Kriegsschiffe allein nicht mehr genügend moralische Wirkung erzielen würden, da seit den Dardanellenkämpfen die Legende von der Allmacht der britischen Flotte zerstört wäre. Die Türken könnten nicht an Rabegh vorbei, da dort die einzigen Wasserstellen des ganzen Gebiets lägen und die Türken daher auf diese Brunnen angewiesen wären. Die Bereitstellung einer Brigade mit den nötigen Transportschiffen würde nur eine vorübergehende Maßnahme bedeuten, denn er würde seine siegreichen Taif-Regimenter auf dem östlichen Wege von Mekka nach Medina führen. Sobald er in Stellung sei, würde er Ali und Faisal Weisung zukommen lassen, damit sie von Süden und Westen her den Feind einschlössen; und danach könnte man mit vereinten Kräften einen großen Angriff unternehmen, bei dem, so es Gott gefalle, Medina genommen werden würde. Mittlerweile würde Asis el Masri die Freiwilligen aus Mesopotamien und Syrien in Rabegh zu Bataillonen zusammenstellen. Wenn wir dann noch die arabischen Kriegsgefangenen aus Indien und Ägypten hinzufügten, würden genügend Kräfte vorhanden sein, um die Aufgaben zu übernehmen, die vorübergehend der britischen Brigade zugeteilt waren.
Ich antwortete, daß ich seine Meinung der ägyptischen Regierung unterbreiten würde, daß aber England nur sehr ungern Truppen der lebenswichtigen Verteidigung Ägyptens entziehen würde (obgleich er nicht glauben dürfe, daß der Kanal irgendwie ernstlich durch die Türken bedroht sei), und daß England noch weniger geneigt wäre, etwa Christen zur Verteidigung der Heiligen Stadt zu Hilfe zu schicken, da gewisse mohammedanische Kreise in Indien, die an dem unverjährbaren Recht des Türkischen Reiches auf die Haramein Haramein = die Heiligen Städte. (A. d. Ü.) festhielten, unsere Beweggründe und unser Handeln falsch auslegen würden. Ich glaubte aber, daß ich seine Vorschläge vielleicht wirksamer unterstützen könnte, wenn ich über die Rabegh-Frage auf Grund persönlicher Einsicht in die dortigen Verhältnisse und Stimmungen zu berichten in der Lage wäre. Auch würde ich Faisal gern sehen, um mich mit ihm über alles Notwendige zu besprechen, namentlich über die Möglichkeit einer längeren Verteidigung durch die Stämme seines Berglandes, wenn wir sie mit Material unterstützten. Mein Wunsch sei, von Rabegh die Sultanistraße gegen Medina hinaufzureiten bis zum Lager Faisals.
Storrs legte sich ins Mittel und unterstützte mich nach Kräften, indem er darauf hinwies, wie außerordentlich wichtig es für das britische Oberkommando in Ägypten sei, durch einen geübten Beobachter eingehend und rechtzeitig über die Lage unterrichtet zu werden; daß man mich, den tüchtigsten und unentbehrlichsten Offizier des Stabes, heruntergesandt hätte, beweise, eine wie ernste Bedeutung Sir Archibald Murray der arabischen Angelegenheit beimesse. Abdulla ging ans Telephon und versuchte die Einwilligung seines Vaters für meine Reise ins Innere des Landes zu erhalten. Der Scherif nahm den Vorschlag mit entschiedenem Mißtrauen auf. Abdulla setzte die Gründe auseinander, wies auf die Vorteile hin und übergab dann Storrs den Hörer, der seine ganze diplomatische Kunst vor dem Alten spielen ließ. Storrs in vollem Schwung zuzuhören, war ein Genuß, allein schon der arabischen Sprache wegen, aber auch eine wirksame Lektion für jeden Engländer, wie man mit argwöhnischen und widerspenstigen Orientalen umzugehen hat. Es war schlechthin unmöglich, ihm länger als einige Minuten zu widerstehen, und auch in diesem Falle erreichte er seinen Zweck. Der Scherif verlangte wieder nach Abdulla und ermächtigte ihn, an Ali zu schreiben und ihm anheimzustellen, mir die Erlaubnis zum Besuch Faisals im Dschebel Subh zu geben, falls er es für angemessen hielte und nichts Besonderes dagegen vorläge. Abdulla veränderte unter Storrs' Einfluß diesen bedingten Bescheid in eine klare schriftliche Anweisung an Ali, mich so schnell wie möglich mit guten Reittieren zu versehen und unter voller Sicherheit zum Lager Faisals zu bringen. Da das alles war, was ich, und ein gut Teil von dem, was Storrs begehrte, begaben wir uns zu Tisch.