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Der Rückschlag in Mesopotamien war eine große Enttäuschung für uns. Aber McMahon setzte die Verhandlungen in Mekka fort und brachte sie zuletzt zu glücklichem Abschluß, trotz der Räumung Gallipolis und der Übergabe von Kut und der zur Zeit sehr wenig günstigen allgemeinen Kriegslage. Kaum einer von uns, auch wer in die Verhandlungen eingeweiht war, hatte wirklich geglaubt, daß sich der Scherif zu einem offenen Bruch mit der Türkei entschließen würde; und so kam es für uns alle überraschend, als er schließlich zum Aufstand schritt und seine Küsten für unsere Schiffe und unsere Hilfe öffnete.
Aber damit begannen erst die eigentlichen Schwierigkeiten. Alles Verdienst an dem Aufstand fiel McMahon und Clayton zu, und sofort erhoben sich berufliche Eifersüchteleien. Sir Archibald Murray, der militärische Befehlshaber in Ägypten, wollte natürlich keine Wettbewerber und Sonderfeldzüge in seinem Bereich dulden. Er verachtete die Zivilgewalt, die so lange den Frieden zwischen ihm und General Maxwell aufrechterhalten hatte. Er selbst konnte nicht mit der arabischen Angelegenheit betraut werden, da weder er noch sein Stab genügend Kenntnis von Land und Leuten hatten, um mit einem so ausgefallenen Problem fertig zu werden. Andererseits war er imstande, das Schauspiel eines von dem Hohen Kommissariat geführten Feldzuges genügend lächerlich zu machen. Er war ein nervöser, phantastisch veranlagter Mensch und außerordentlich empfindlich in bezug auf die Wahrung seiner Stellung.
Er fand Unterstützung bei seinem Stabschef, General Lynden Bell, einem fanatischen Soldaten, der vor Politikern ein Grauen hatte, aber nach außen hin immer sehr herzlich tat.
Zwei Offiziere des Stabes folgten ihren Führern mit Pauken und Trompeten. Und so kam es, daß der unglückliche McMahon der Mithilfe der Armee beraubt wurde und sich zur Führung seines Krieges in Arabien auf den Beistand seiner Attachés aus dem Auswärtigen Amt angewiesen sah.
Einigen von ihnen schien ein Krieg wenig Freude zu machen, der Außenseitern gestattete, sich in ihre Geschäfte zu mischen. Auch war ihre Übung im Abschwächen, wodurch allein sie den täglichen Nichtigkeiten der Diplomatie den Anschein von Männerarbeit gaben, ihnen so zur Gewohnheit geworden, daß sie auch wichtige Dinge zu Kleinigkeiten machten. Ihre Leisetreterei und ihre gezierten Unredlichkeiten untereinander ekelten die Militärs an, und das war auch für uns von Nachteil, da dadurch offensichtlich der Hohe Kommissar herabgesetzt wurde, dem auch nur die Stiefel zu putzen die G… nicht wert waren.
Wingate, der zu seiner eigenen Auffassung der Lage im Mittleren Osten volles Vertrauen hatte, sah voraus, daß die arabische Erhebung von großem Nutzen für die Zukunft des Landes sein würde. Aber als die Kritik sich immer lauter gegen McMahon erhob, trennte er sich von ihm, und London gab zu verstehen, daß es wohl einer erfahreneren Hand bedürfte, um ein so schwieriges und verwickeltes Knäuel zu lösen.
Wie dem nun auch sei, die Dinge im Hedschas nahmen eine immer ungünstigere Wendung. Man hatte keine direkte Verbindung mit den arabischen Truppen an der Front hergestellt, den Scherifs ließ man keinerlei militärische Nachrichten zugehen; keine taktischen oder strategischen Ratschläge wurden erteilt und kein Versuch von seiten der Alliierten gemacht, die örtlichen Bedingungen zu ermitteln und die ihnen zur Verfügung stehenden materiellen Hilfsquellen dem Bedarf anzupassen. Man ließ zu, daß die französische Militärmission (die auf Anregung des umsichtigen Clayton nach Hedschas gesandt worden war, um unsere äußerst mißtrauischen Verbündeten dadurch zu beschwichtigen, daß man ihnen hinter der Szene ein Betätigungsfeld gab) eine richtige Intrige gegen Scherif Hussein in seinen Städten Dschidda und Mekka anzettelte und ihm und den englischen Behörden Maßnahmen vorschlug, die seine Sache in den Augen aller Moslemin gründlich verdorben hätte. Wingate, der jetzt die militärischen Angelegenheiten bei der Zusammenarbeit mit dem Scherif leitete, war genötigt, in Rabegh, halbwegs zwischen Medina und Mekka, auswärtige Truppen zu landen, um Mekka zu schützen und das weitere Vorrücken der inzwischen wieder erstarkten Türken gegen Medina aufzuhalten. McMahon wurde dank der vielen Ratgeber um sich her unsicher und lieferte General Murray eine Handhabe, über sein Hin- und Hertappen Geschrei zu erheben. Der arabische Aufstand geriet in Mißkredit; und die Generalstabsoffiziere in Ägypten prophezeiten uns frohlockend sein baldiges Scheitern und daß Scherif Hussein demnächst an einem türkischen Galgen baumeln würde.
Meine eigene Stellung war nicht leicht. Als Stabshauptmann unter Clayton in Sir Archibald Murrays Nachrichtenabteilung war ich mit der »Verteilung« der türkischen Streitkräfte und der Bearbeitung von Karten beauftragt. Dazu hatte ich noch aus eigenem Antrieb das »Arabische Bulletin« eingeführt, einen geheimen Wochenbericht über die politischen Vorgänge im Mittelosten; und Clayton sah sich genötigt, mich mehr und mehr in der militärischen Abteilung des Arabischen Büros zu beschäftigen, dem kleinen Nachrichten- und Kriegsstab der Residentschaft, den er jetzt für McMahon einrichtete. Schließlich wurde Clayton aus dem Generalstab entfernt; und Oberst Holdich, Claytons Nachrichtenoffizier in Ismailia, wurde sein Nachfolger. Er bestätigte mich sofort in meiner Stellung, aber da er mich offensichtlich nicht brauchte, legte ich das, nicht ohne einige freundliche Beweise von seiner Seite, als eine Maßnahme aus, mich von den arabischen Angelegenheiten fernzuhalten. Ich beschloß daher, mich schleunigst aus dem Staube zu machen. Ein direktes Gesuch wurde abgeschlagen; so griff ich zu einer Kriegslist. Am Telephon (das Große Hauptquartier war in Ismailia, ich in Kairo) wurde ich für den Stab am Kanal unerträglich. Ich nahm jede Gelegenheit wahr, um ihnen ihre Ahnungslosigkeit und Unfähigkeit im Nachrichtendienst unter die Nase zu reiben (was keine Schwierigkeit bereitete), und erregte dadurch noch weiter ihr Mißfallen, daß ich ihnen wissenschaftlich kam und ihre sprachlichen Schnitzer in ihren Berichten ankreidete.
Schon nach wenigen Tagen hatten sie übergenug von mir und waren entschlossen, mich nicht länger zu erdulden. Diese günstige taktische Lage benutzte ich, um zehn Tage Urlaub zu erbitten, und erklärte, da Storrs zu Verhandlungen mit dem Großscherif nach Dschidda hinunterführe, so würde ich gern eine kleine Erholungsreise mit ihm zusammen machen. Storrs liebten sie auch nicht gerade und waren froh, mich für den Augenblick loszuwerden. Sie erteilten sofort ihre Genehmigung und begannen gegen meine Rückkehr irgendeine offizielle Barriere vorzubereiten. Unnötig zu sagen, daß ich nicht die Absicht hatte, ihnen diese Gelegenheit zu geben; denn ich war zwar bereit, meinen Körper zu jedem, auch dem geringsten Dienst herzugeben, aber nicht gewillt, meine geistigen Kräfte leichtfertig zu vergeuden. So ging ich zu Clayton und setzte ihm die Sachlage auseinander. Er veranlaßte, daß die ägyptische Residentschaft beim Auswärtigen Amt in London um meine Überweisung an das Arabische Büro einkam. Das Auswärtige Amt wollte direkt mit dem Kriegsministerium verhandeln, und das Ägyptische Kommando wollte von all dem nichts wissen, bis sich alles von selbst löste.
Storrs und ich fuhren sehr zufrieden ab. Im Osten schwört man darauf, daß der rechte Weg quer über einen Platz an drei Seiten entlang geht; und meine List fortzukommen, war in diesem Sinne orientalisch. Aber ich rechtfertigte mich vor mir selbst mit meinem Vertrauen auf den Enderfolg des arabischen Aufstandes, wenn er richtig geleitet wurde. Ich war von Anfang an daran beteiligt, und er lag mir sehr am Herzen. Die bedingungslose Unterordnung des Berufssoldaten (Intrigen sind in der britischen Armee unbekannt) würde einen rechten Offizier haben ruhig dasitzen und zusehen lassen, wie sein Feldzugsplan verschandelt wurde durch solche, die sich nichts darunter vorstellen konnten und deren Geist er nichts bedeutete. Non nobis, Domine.