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Man kann sich in der heutigen Welt nicht ernstlich auf ein einzelnes Fach legen, sondern muß, wenn man irgend fortkommen will, von allem etwas wissen. Man nennt das Polyhistorei, zu teutsch: die Pinselgelehrsamkeit – ein herrliches Ding! Journale und Enzyklopädien sind die Quellen, aus denen wir diese Essenz schöpfen, und schon von früher Jugend an wird es heutzutage darauf angelegt, daß unsre Leute von allem – ein wenig lernen. Allein nicht jedes Mitglied des Ordens hat die nötigen Anlagen, um es zu dieser Allgemeinheit von Kenntnis zu bringen; manche wählen sich daher besondre einzelne Fächer, denen sie sich widmen. Es pflegen sich aber unsre Brüder unter allen Wissenschaften, hauptsächlich in folgenden hervorzutun: in der dogmatische Theologie, römischen Jurisprudenz, Heraldik, Genealogie, dem Jagdwesen, der Nelken- und Tulpenkenntnis, dem Frakturschreiben, Silhouettenschnitzeln u. dgl., und unter den Handwerken (denn wir haben Mitglieder aus allen Ständen): in dem Fenstermachen und allen solchen, in welchen, wie in diesem, die Anzahl der erforderlichen Lehrjahre in einem so weisen Verhältnisse mit den Schwierigkeiten, das Handwerk gründlich zu erlernen, steht.
Was die schönen Künste betrifft, so dienen sie nur zur Belustigung; wer daher sein Brot nicht damit verdienen muß, der hat nicht nötig, einer großen Vollkommenheit darin nachzustreben, sondern kann sich mit der Mittelmäßigkeit begnügen. Wir haben auch unter Schauspielern, Musikern und Malern vom Handwerke eine Menge würdiger Mitglieder. Wer indessen dergleichen nur als Liebhaberei nebenher treibt, der begnüge sich, was Musik betrifft, ein wenig Klavier spielen zu lernen - ein hübsches Adagio, auf einem Flügel geschlagen, ist überaus angenehm zu hören. Hat man es einmal so weit gebracht, daß man auch allenfalls in einem Konzerte sich auf diese Weise vernehmen lassen darf, so braucht man weiter keine große Fortschritte zu machen, wenn man nur nichts verlernt.
Bei der Zeichenkunst halte man sich an das Kopieren! In der Malerei ist das Porträtmalen den übrigen Gattungen vorzuziehn. Das Lackieren, Illuminieren und die englische Glasmalerei sind auch recht hübsche Zeitvertreibe und lassen sich in wenig Stunden lernen. Es kann nicht schaden, wenn man sich übt, einen guten, fließenden Vers zu machen. Unsre Musenalmanachs liefern die besten Muster, wonach man sich bilden kann. Wer ungereimte Verse liebt, die recht poltern, der versuche es, zwei wienerischen Dichtern nachzuahmen, deren Namen schon so klingen wie ihre Verse.
Lectur bildet den Geschmack; man lese nicht nur die Schriftsteller unsrer Nation, sondern auch die Ausländer! Von Voltaires Werken sind seine ernsthaften philosophischen und historischen allen andern vorzuziehn; denn er ist ein ebenso zuverlässiger Geschichtsschreiber als tiefer Denker. Mercier und Linguet kann man sich zu Mustern wählen, wenn man sich einen gedrungenen, körnichten Stil eigen machen will. Von italienischen Prosaisten ist der Conte Roberti der vorzüglichste. In Straßburg wird am besten übersetzt.
In Werken des Geschmacks, besonders was die Würde des Ausdrucks und die Gabe, neue überraschende Dinge in einer nicht gedehnten, gefälligen Schreibart vorzutragen, betrifft, werden wir den Holländern noch lange nachstehn; doch fehlt es auch uns nicht an Schriftstellern, welche die reinste, edelste Philosophie in das gefällige Gewand selbst eines Schauspiels, eines Romans oder andern Kunstwerks dieser Art zu hüllen verstehen, und wir sind stolz darauf, die mehrsten dieser vorzüglichen Genies als Mitglieder unsers erhabenen Ordens verehren zu dürfen. Unvergeßlich werden uns immer bleiben die Namen: Vulpius, Masius, Gesellius, Seifried, Y von B..., von B....ck (der sich seit einiger Zeit den Freihern von B....ck nennt), L...ätz in A., unser lieber Kotzebue, der von dem Freiherrn Knigge so unbilligerweise öffentlich für einen Schurken erklärte Verfasser des Schauspiels: »Barth mit der eisernen Stirne« und der »Gefährlichen Wette«, von R.... in Z.; ein gewisser Prediger, der viel Romane schreibt und auch der französischen Sprache überaus mächtig ist, eine Dame, die wir längst, zur Dankbarkeit für die Menge ihrer geistreichen Schriften, als Mitglied des Ordens aufgenommen haben würden, wenn unsre Gesetze nicht das weibliche Geschlecht von der Verbindung ausschlössen - und viele andre.
Das beste Werk über die teutsche Sprache, welches selbst das vorteilhafteste Zeugnis von des Verfassers Stärke in derselben gibt, ist das eines Mitglieds der berühmtesten Akademie; es führt den Titel: »Über das Studium der Sprache, besonders der Muttersprache«.
Von den theatralischen Werken sind die Übersetzungen der italienischen Opere buffe, dem Inhalte und der Einkleidung nach, das sinnreichste und geschmackvollste.
Unter den kritischen Schriften zeichnet sich die »Frankfurter Gelehrte Zeitung« vorteilhaft aus.
Man kann alle politische Blätter entbehren, wenn man das mit ebensoviel Bescheidenheit als Unparteilichkeit geschriebene »Politische Journal« fleißig liest, und man muß erstaunen, wenn man sieht, wie alles so pünktlich eintrifft, was der Prophet Schirach voraus verkündigt.
Unter den übrigen Zeitschriften hat keine so wohltätige Einflüsse auf die Moralität und die häusliche Glückseligkeit wie das »Mode-Journal«.
Echter philosophischer Geist, gründliche Gelehrsamkeit, wahre Toleranz und der bescheidenste Ton herrschen in den mehrsten neuern Erziehungsschriften.
Wer in Erkenntnis der Natur und ihrer Kräfte Licht sucht, für den sind des seligen Superintendenten am Blocksberge Prophezeiungen von den bevorstehenden großen Revolutionen und des halbgeistlichen Herrn in Hildesheim Anweisung zu Erzeugung der Knaben und Mädchen höchst wichtige Werke.
Die neuerlich erschienene Beschreibung eines gewissen Feldzugs lehrt uns, wie man kleine Dinge mit großen Worten sagen oder, besser, wie man unwichtigen Begebenheiten durch wichtige Darstellung Wichtigkeit geben kann.
Eine herrliche Erfindung der neuern Zeiten ist die abgekürzte Orthographie, welche einige gute Leute haben einführen wollen. Man wirft nämlich einige unnütze Buchstaben weg, als da sind: y, h, c und andre. Dies hat folgende vortreffliche Würkungen: erstlich fährt man damit den klügelnden Weltmenschen durch den Sinn, die zuweilen behauptet haben, man sollte uns viel mehr noch aufmerksamer auf den feinen Unterschied in der Aussprache eines y und i, einer durch das h gedehnten und ohne dasselbe trocknen Silbe machen, weil dadurch Wohllaut und Kraft der poetischen Diktion gewönnen. Zweitens erspart man damit viel goldene Zeit – es ließe sich ungefähr berechnen, wieviel Minuten in einem Menschenleben darauf hingehen, so oft die Figur eines h zu zeichnen. Drittens werden die Wörter, die aus fremden Sprachen in die unsrige übergegangen sind, dadurch ganz unkenntlich und einheimisch, wenn man, zum Beispiel, statt Capitel Kapitel schreibt. Endlich erschweren wir damit dem vorwitzigen Ausländer die Mühe, unsre Sprache zu lernen. Wenn er sieht, daß Wörter, auf einerlei Art geschrieben, auf verschiedne Weise ausgesprochen werden müssen, daß Meer und mehr und die letzte Silbe von immer, ferner: Rat, Rad und hat und ehr, Ehre und er, alles mit denselben Zeichen er und at, geschrieben werden, so kann er doch nicht so geschwind den Abstammungen der Wörter nachspüren, weiß nicht, wohin er den Akzent legen soll, und sieht also, daß es keine solche Kleinigkeit ist, unsre Sprache zu studieren.
Wissenschaften und Künste, die in unser Fach schlagen, werden von dem Orden kräftig unterstützt. Unser würdiger Bruder Blanchard würde, wenn nicht in allen Städten von Teutschland eine so große Menge unsrer Mitglieder wohnte, nicht soviel nützliche Luftreisen haben machen können. Die Höhe, welche er, seinen gedruckten Berichten nach, jedesmal erreicht hat, ist auch nur von uns gemessen worden, und unser Einfluß verschaffte diesem großen Manne die Ehre, in öffentlichen Schauspielen gekrönt zu werden, obgleich so mancher Vernunftmensch darüber die Achseln zuckt und sich zu sagen erlaubt, »ein solcher elender, unwissender und unnützer Windbeutel müßte von Polizei wegen zum Tore hinausgejagt und die Schauspieldirektoren, welche ihn krönen, verurteilt werden, drei Stücke von Vulpius aufzuführen«.
Das Pränumerationen-Sammlen ist ein angenehmes Geschäft und zugleich ein gutes Werk, durch welches man sich um Autorn, die außer dem schwerlich einen Verleger oder kein Honorarium bekommen würden, ein großes Verdienst macht. Nebenbei trägt es noch den Gewinst ein, daß uns die Leute für Beförderer der Wissenschaften halten, und, wie wir schon erwähnt haben, das ist der Punkt, worauf alles ankömmt, daß uns die Leute für etwas halten, das ihnen achtungswert scheint.
Mitglieder unsrer Verbindung, die von vornehmern Stande sind, haben noch kräftigre Mittel in Händen, für Mäzenaten zu gelten. Nur merke man folgendes: nie lasse man einen Menschen, der mit uns gleiches Standes ist, sich aber durch seine wissenschaftliche Kenntnisse auszuzeichnen sucht, emporkommen! Man rede mit Mitleiden von einem Edelmanne, der sich mit Bücherschreiben abgibt, und unterhalte bei dem Volke die Idee, daß ein solcher zu keinen bürgerlichen Geschäften tauge! Wir haben ferner zwar gesagt, daß man auch Leute ohne Stand und Rang, die nichts als Talente haben, an Demut gewöhnen und nicht emporkommen lassen müsse; allein das gilt doch nur von solchen, die sich gar zu sehr über das Mittelmäßige erheben wollen und sich einfallen lassen könnten, diese sogenannten Geistesvorzüge gegen unsre ererbten oder teuer erkauften Verdienste in Anschlag zu bringen. Demütige Poeten hingegen und solche Autorn, die auf nichts Anspruch machen, als ihr beschriebnes Papier gegen Brot umzusetzen, soll man seiner Protektion würdigen. Das gibt uns ein Ansehn von Kennerschaft und eigner Gelehrsamkeit, die man in manchen Gegenden selbst einem Edelmanne nicht schimpflich hält. Es pflegen dann solche nach Schutz und Mahlzeiten strebende Schriftsteller uns dafür in Gedichten und Zueignungsschriften zu lobpreisen, wodurch wir auch auswärts einen Namen erhalten. Man kann sogar in den Fall kommen, sich selbst herablassen zu müssen, als Autor aufzutreten; da ist es dann gut, so einen Büchermacher von Profession an der Hand zu haben, der das Ding ausarbeitet, wenn man ihm sagt, wovon es handeln soll. Wir kennen einen General, der auf diese Weise in ganz Teutschland sich als Verfasser eines Buchs berühmt gemacht, zu welchem er nichts als das reine Papier hergegeben hat.
Es können also würklich Umstände eintreten, die es nützlich machen, daß ein Mann von Stande auch für einen Beförderer der Gelehrsamkeit gelte; und weil es nun zuviel Zeit wegnehmen würde, sich mit den Pedantereien der Wissenschaften ernstlich abzugeben, so ist in diesen Fällen die Journal-Lectur und dabei eine große Vorsicht in Gesprächen über literarische Gegenstände zu empfehlen. Der vorhin erwähnte General besitzt diese seltne Gabe, die hauptsächlich darin besteht, daß man einen Brocken, der aus der kräftigsten Fleischbrühe der Gelehrsamkeit geholt zu sein scheint, zu rechter Zeit hinwerfe und dann wieder mit bedeutender, wichtiger oder bescheidner Miene schweige, wenn uns ein Gegenstand zu weit führen könnte – damit kann man die sogenannten größten Männer irremachen. Akademien und gelehrte Gesellschaften, wovon die mehrsten Mitglieder vornehme Herrn sind, werden häufig von unsern durchlauchtigen Beschützern gestiftet und die Verzeichnisse derselben den Staats- und Adreßkalendern einverleibt.
Steinerne Denkmäler verstorbnen Gelehrten zu setzen, das ist unsern Grundsätzen gar nicht entgegen. Die Hoffnung auf diese Art von Unsterblichkeit kann nur Mitglieder unsrer Brüderschaft reizen, und die hochfahrenden Vernunftmenschen pflegen dafür keinen Sinn zu haben, sondern zu wähnen, »es sei dergleichen eine Satire auf wahrhaftig große Männer, wie es eine Beleidigung für unsern Wohltäter sein würde, wenn wir seinen Namen, um ihn nicht zu vergessen, in unsre Schreibtafel notierten. Zudem würden solche Denkmäler gewöhnlich mehr deswegen gesetzt, um den Namen der Stifter zu verewigen oder einen Platz zu zieren, der grade keinen Springbrunnen hätte, als um einen großen Mann zu ehren.« – Allein das alles ist nur Gewäsche.
Bei Preisen, die man auf die Beantwortung gewisser gelehrter Fragen setzt, ist nur zu bemerken, daß zu Gegenständen derselben theoretische und spekulative Sätze den praktischen vorzuziehn sind.
Kann und will man durchaus etwas aus eignem Kopfe schreiben, so folge man wenigstens der Manier irgendeines bekannten und beliebten Schriftstellers und enthalte sich der Torheit, durch besondre Eigenheit sich auszeichnen zu wollen!
Übrigens sorgt unser ehrwürdiger Orden dafür, daß nicht allerlei kühnes Zeug in die Welt hinein geschrieben werden darf, und da, wo die schädliche Preßfreiheit herrscht, wo man laut über öffentliche Anstalten, Verordnungen, Weltbegebenheiten oder gar über solche Gegenstände reden darf, die in das Gebiet des Glaubens und nicht der Vernunft gehören – da ist unser Orden noch nicht am Ziele seiner Unternehmungen.