Adolph Freiherr Knigge
Der Traum des Herrn Brick
Adolph Freiherr Knigge

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Vierzehntes Kapitel

Geschichte der letzten Vorfälle in Abyssinien, bis zu der Ankunft des Verfassers

Als sich dieser letzte Vorfall zutrug, starb grade der damals regierende Negus, der sich den Titel des allerrechtgläubigsten Monarchen hatte erteilen lassen. Sein Nachfolger, obgleich auch unter Pfaffenhänden aufgewachsen, war, durch ein Ungefähr, dergleichen in dieser Welt oft das Schicksal von Ländern und Völkern entscheidet, ein wenig aufgeklärter und verständiger, als wohl den geistlichen Herren lieb sein mochte. Er sahe bald den Fehler ein, den man begangen hatte, die besten Untertanen aus dem Reiche zu jagen, und suchte ihn wieder zu verbessern, indem er den sogenannten Ketzern Frieden und die Erlaubnis zu freier Religionsübung versprach; allein sie traueten seinem Worte nicht, hatten sich auch schon in Nubien festgesetzt; und so bestand denn alles, was der Negus tun konnte, darin, daß er in der Folge mehr Duldung in seinen Ländern einführte und den Priestern ein wenig den Daumen aufs Auge hielt, die jetzt nicht mehr so furchtbar waren und sich sehr verhaßt gemacht hatten. Nun setzten sich in der Handelsstadt Gauza Mahometaner und in Adova Juden fest; doch blieb der Schaden, den der Fanatismus angestiftet hatte, unersetzlich.

Ich habe oben zuweilen eines Jesuiten Erwähnung getan, dem die Abyssinier die Verbesserung ihres Kriegswesens und die Errichtung eines stehenden Heers zu danken hatten. Nach seinem Tode war kein Mitglied dieses Ordens wieder nach Abyssinien gekommen; und in den nachherigen Zeiten, von denen ich im vorigen Kapitel geredet habe, wurden ja auch keine Fremde im Reiche geduldet. Kaum aber war es in Kairo bekannt geworden, daß der jetzige Negus tolerantere Grundsätze ausübte, so machte die Gesellschaft Jesu, die leicht zu wittern pflegt, wo für sie etwas zu tun ist, Plan auf ein dauerhaftes Etablissement in diesem Lande, das so schönes Gold und Silber und Herrlichkeiten aller Art hervorbringt. Sie schickte daher eine Mission nach Gondar; ein paar verschmitzte Jesuiten, die alle Gestalten anzunehmen wußten, schmeichelten sich bei dem Monarchen ein, dessen Steckenpferd nun einmal Toleranz war, und erlangten von ihm die Erlaubnis, den christkatholischen Glauben predigen und in Freniona ein Jesuitenkollegium stiften zu dürfen. Hierdurch nisteten sich denn diese schlauen Herren bald so gut ein, daß nach und nach, besonders in der Provinz Tigre, eine Menge katholischer Kirchen und Klöster gebauet wurde.

Dies ging eine Zeitlang ganz gut vonstatten, und die verschiednen Sekten lebten miteinander in Frieden. Allein das System der Römischen Kirche und Hierarchie verträgt, wie jedermann weiß, keine Unterwürfigkeit unter den weltlichen Arm; und so tolerant auch der Negus war, so schien er doch gar nicht geneigt, seine Pfaffen zu unterdrücken, um sich unter das Joch von andern, noch herrschsüchtigern Pfaffen zu begeben. Als daher die Herren Jesuiten anfingen, das Bekehrungswesen ein wenig grob zu treiben, gab man ihnen den Wink, sie möchten es damit leise angehen lassen. Zwei von ihnen drängten sich ohne Unterlaß dem Monarchen auf und sprachen von Träumen, worin ihnen Gott offenbart hätte, es würden S. Majestät mit ihrem ganzen Hofe sich in den Schoß der Römischen Kirche werfen. - Am Hofe herrschten damals freigeisterische Grundsätze; man spottete der Träumer. Sie versicherten den König, er könne nach den Grundsätzen ihrer Religion unendlich mehr Sünden begehen als nach koptischen Grundsätzen. – Er antwortete, diese Freiheit nähme er sich, ohne ihre Erlaubnis. Sie bestachen ein paar Lieblinge und sogar die Iteghe oder Königin unter den Weibern des Negus, – Diese waren sämtlich so ehrlich, das Geld zu nehmen, es aber dem Monarchen anzuzeigen und mit ihm über die feinen Herren zu lachen.

Indessen gestattete man den Jesuiten, daß sie ihren Glauben predigen, Gemeinen stiften, viel Kirchen und Klöster bauen und endlich gar einen Bischof weihen durften; der Hof sahe dieser Feierlichkeit zu und fand sie recht artig; übrigens erlaubte man den Katholiken, den Bischof aus ihrem Beutel zu bezahlen. Allein nun kamen sie auf einmal mit einem Heere von päpstlichen Rechten, Exemtionen von weltlicher Gerichtsbarkeit, Gebühren und Abgaben für Dispensationen und dergleichen, die man nach Rom schicken sollte, angezogen; das gefiel denn dem Negus nicht; er ließ also den Bischof zu sich rufen und fragte ihn ganz trocken: »Wer ist der Kerl in Rom, der in meinem Lande Befehle geben und Geld heben will?« Der Bischof suchte die Sache in das beste Licht zu setzen; aber seine Beredsamkeit fruchtete nichts. »Ihr Schlingel sämtlich«, sprach der König, »sollt unter der weltlichen Obrigkeit stehen; den alten Glaubensgerichtshof, der monatlich einige gute Leute braten ließ, habe ich abgeschafft; meinet ihr, ich wollte nun gar von solchem Gesindel, als ihr seid, meine Untertanen hudeln lassen? – Das sollt ihr, meiner Seele! wohl bleiben lassen, und der erste von euch, der mir wieder den alten Pfaffen in Rom nennt, den lasse ich bei den Beinen aufknüpfen.«

Die Jesuiten und ihre Anhänger gehorchten nicht; sie fuhren fort in ihrem hierarchischen Eifer, predigten laut das Papsttum, die Rechte der alleinseligmachenden Kirche, Verdammung der Ungläubigen, Intoleranz und erweckten den Geist des Zwiespalts. Der große Negus ließ einen von diesen unverschämten Predigern fangen und ihm vorerst nur den Staupbesen, zur Warnung der übrigen, geben. Nun kannte die Wut der Jesuiten, die nicht die Kunst verstehen, sich im Zorne zu mäßigen, keine Grenzen mehr. Sie erregten insgeheim Aufruhr und Empörung und wurden endlich über einem Komplott gegen das Leben des Monarchen ertappt. Da verging dem guten Herrn die Geduld; die Rädelsführer wurden gespießt, alle römischen Priester auf ewig des Landes verwiesen, das Jesuitenkollegium in Freniona wurde zerstört und den Katholiken kein öffentlicher Gottesdienst mehr verstattet. Einige Jesuiten kamen, als ägyptische Kaufleute verkleidet, wieder nach Abyssinien, richteten aber nicht viel aus.

Kurz nach diesen Vorfällen starb der Negus, und an seine Stelle kam der Prinz zur Regierung, dessen Baalomaal und Oberster der Leibgarde zu sein ich die unverdiente Ehre gehabt habe. Er war nicht im Kloster erzogen worden, sondern am Hofe seines Vaters, wo er sehr viel von Aufklärung hatte reden gehört und wo ein bißchen schöne Künste, Wissenschaften und Deismus getrieben wurde. Seine theoretische und praktische Moral war nicht die strengste; ein großer Geist war er übrigens auch nicht, wenigstens nicht halb sosehr, als er glaubte und die Schmeichler ihm sagten, daß er es sei; sich aber einen Namen unter den Monarchen zu machen, das steckte ihm sehr im Kopfe, und diese Stimmung nützte mein Herr Vetter, Joseph Wurmbrand, um ihn zu bewegen, das Aufklärungswesen in Abyssinien mit großem Eifer nach europäischer Weise zu treiben.

»Die Pfaffen, sowohl die unsrigen als die katholischen, haben meine Untertanen in der Dummheit erhalten«, sagte der große Negus zu meinem Herrn Vetter. »Freilich sehe ich wohl ein«, fuhr er fort, »daß es zuviel verlangt wäre, wenn ich fordern wollte, daß jemand in meinem Reiche so weise sein sollte als ich; allein es macht doch einen Staat blühend und eine Regierung berühmt, wenn Wissenschaften und Künste im Lande getrieben werden. Die Abyssinier aber, die wenigen ausgenommen, die sich an meinem Hofe gebildet haben, sind noch sehr weit zurück. Es ist mir daher sehr lieb, daß du gekommen bist; du scheinst ein Mann zu sein, den ich brauchen kann. Du sollst mir helfen hier alles auf europäischen Fuß setzen. Schaffe mir Leute, die dich in diesem Geschäfte unterstützen können, Bücher, Maschinen und dergleichen aus deinem Vaterlande. Zugleich wollen wir neue Verbindungen mit andern Nationen knüpfen und die alten erneuern. Ich erwarte über dies ganze Werk deinen Plan, den ich prüfen und berichtigen will.«

Diesen Plan nun arbeitete Herr Wurmbrand aus; mein Ruf, nach Abyssinien zu kommen, und was ich mit dahin bringen mußte, und meine Gesandtschaft in Nubien, das alles war mit in diesem gnädigst approbierten Plan enthalten; indes aber war auch mein Herr Vetter nicht untätig gewesen, und als ich nach Gondar kam, fand ich, wie schon gesagt, sehr vieles nach europäischer Manier eingerichtet.


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