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Die Mitglieder unsers ehrwürdigen Ordens müssen sich im Äußern und Innern, im Tun und Lassen von der Rotte der gefährlichen Vernunftmenschen unterscheiden. Ein echter Pinsel geht still und demütig einher, wenn vornehme oder solche Personen gegenwärtig sind, die von den Weltleuten für klug, witzig oder gelehrt gehalten werden. Er heftet dann entweder die Augen auf die Erde oder wirft seine Blicke ungewiß und flüchtig umher, damit niemand erforsche, ob etwas und was in ihm vorgeht. Doch kann es nicht schaden, wenn er zuweilen bedächtlich aussieht, sollte er auch nichts denken, besonders, sobald von etwas die Rede ist, worüber er gar nichts zu sagen weiß. Nach und nach pflegen sich dann der Stirne gewisse Falten einzudrücken, die ein ehrwürdiges Ansehn geben. Ganz anders aber ist sein Betragen, wenn er keine Feinde wittert; dann blickt Zuversicht und Selbstzufriedenheit aus seinen Augen; dann spricht er viel, laut und entscheidet über alles – doch davon in der Folge mehr! Seine Stimme sei übrigens ein wenig singend, gedehnt; er rede also langsam! Das Tragen des Kopfs richtet sich nach den Leuten, die er vor sich hat, so daß er ihn entweder auf die Seite hänge oder wanken und wackeln lasse oder zurückwerfe oder zwischen die Schultern ziehe oder die Füße beschaue. Er gehe ein wenig schiebend, langsam und mit gebognen Knien, wobei er auch die Arme bewegen mag; wenn nur überhaupt alles, was einer Anspannung im Physischen und Geistigen ähnlich sieht, sorgfältig vermieden wird.
Man kann den Mitgliedern nie genug empfehlen, alles bedächtlich und langsam zu tun. »Was lange dauert, wird gut« – das ist ein goldner Spruch. Fällt etwas auf die Erde, so lasse man es liegen, bis noch etwas dazu fällt, dann ist es, wie man zu sagen pflegt, ein Aufheben und vermeidet man, sich doppelte Mühe zu machen.
Schlaf und Ruhe sind dem Menschen notwendig, doch soll man darin auch nicht zuviel tun. Zwölf Stunden in einer Reihe fort geschlafen, sind einem gesunden Menschen zur Erquickung hinlänglich. Man braucht desfalls aber nicht gleich aufzustehn. Vielmehr ist es sehr wohltätig, sein Frühstück im Bette zu nehmen und dabei die Transpiration fortzusetzen. Mehr als dreimal aber soll man sich nicht wecken lassen; wer dann wiederum einschläft, der versündigt sich an seinen Domestiken, die man nicht unnützerweise quälen muß. Die Nacht hindurch braucht das Ofenfeuer in der Schlafkammer nicht unterhalten zu werden, und wenn nur des Abends ein Vorrat von Holz eingelegt wird, so bleibt es bis zum Morgen warm.
Bei der Wahl seines Anzugs ist es gut, Frauenzimmer zu Rate zu ziehen; diese wissen am besten, was uns gut kleidet und was die neueste Mode fordert.
»Essen und Trinken«, pflegt man zusagen, »hält Leib und Seele zusammen« und »Am Tische wird man nicht älter«. Man geize und spare also nichts bei den Ausgaben für die Tafel und übereile sich nicht, wenn man am Tische sitzt, denn das ist sehr ungesund; auch kann man viel mehr genießen, wenn man langsam speist. Man halte aber seine ordentliche Zeit zu den Mahlzeiten, nämlich: das Frühstück; und nachher gegen Mittag einen Bissen, doch nicht zuviel, zu den Magentropfen; dann die Hauptmahlzeit; nachmittags, beim Kaffee, nach Appetit; hierauf das Vesperbrot und abends die ordentliche Mahlzeit; außerdem aber nichts, es müßte denn ein wenig Obst und ein Glas Wein sein. Auch zu der Verdauung und den nötigen Ausleerungen soll man die gehörige Zeit nehmen und sich dabei durch keine Art von Geschäften stören lassen; denn Gesundheit geht vor alles. Ist man nicht reich, so muß man freilich mit schlechten, wohlfeilen und wenig Schüsseln vorliebnehmen; aber sobald man Fremde bei sich bewirtet, besonders wenn sehr vornehme Gäste uns beehren, darf es an nichts fehlen; man kann sich nachher, wenn man wieder allein ist, dagegen desto einfacher behelfen. Da manche Leute bei Tische blöde sind und nicht zugreifen, so versäume man nicht, seine Gäste zum Essen und Trinken zu nötigen. Endlich, was den Rang am Tische betrifft, so muß derselbe wohl beobachtet werden.
Die besten und größten Zimmer im Hause hält man, wie sich's versteht, verschlossen, und werden dieselben nur dann gebraucht, wenn man Fremde bei sich sieht; die schlechtern werden bewohnt. Kutscher und Informatorn werden gewöhnlich ins Hinterhaus logiert, damit man keinen Lärm und Tabaksgestank in seiner Nachbarschaft habe.
Bei Gartenanlagen ist der holländische und französische Geschmack zu empfehlen.
Wenn Fremde kommen, muß alles rein im Hause sein.
Erwartet man jemand, so pflegt man oft das Fenster zu öffnen, um zu sehn, ob er noch nicht kömmt, oder ihm aus Ungeduld entgegenzugehn. Es ist wohl wahr, daß er dadurch um nichts früher erscheint; allein es kann doch wenigstens nicht schaden.
Bekömmt man einen Brief und erkennt nicht gleich die Hand, welche die Aufschrift geschrieben, so pflegt man denselben wohl mehrmals umzudrehn und hin und her zu raten, von wem der Brief herrühren könnte, statt daß die eiligen Weltleute ihn geschwind erbrechen, um dies zu erfahren. Wir ziehen, als Prüfung der Geduld, die erste Methode vor.
Wenn man mit jemand redet und ihn etwa dabei an einem Rockknopfe oder Ärmel festhält, so hat das den Nutzen, daß er uns nicht entwischen kann, sondern aufmerksam zuhören muß.
Man klagt zuweilen über uns, wenn wir gewisse Dinge zu mechanisch treiben, zum Beispiel: alle Türen, auch die, welche andre Leute mit Vorsatz geöffnet hatten, hinter uns zuziehn oder immer etwas zum Spielen zwischen den Fingern haben, auch alles in die Hand nehmen und zusammendrücken, was wir liegen finden. Allein man überlegt nicht, wie mühsam es sein würde, wenn man bei jeder kleinen Handlung die Ursache, warum man sie unternimmt, vorher überdenken sollte: und warum läßt man denn Sachen, welche man nicht will betastet noch zerdrückt haben, umherliegen?