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Einige Tage später saß ich auf dem Stein vor meinem Hause. Ich legte die Hand darauf und siehe, sie wurde immer noch weiß: das war das Salz, von all dem Spritzwasser der großen Stürme. Ich saß und sonnte mich und hatte friedliche Gedanken im Herzen. Da kam ein Mädchen über die Heide. Sie sah aus, als suche sie etwas. Sie blieb stehen, dann kam sie geradeswegs auf mich zu. Ist es –? Nein, sie hatte helles Haar.
»Du bist es, Rosseherre!« sagte ich und stand auf. Ich war so kühl im Herzen und auch mein Blick war kühl. Der Sturm ist gekommen und hat mich in eine ferne Gegend geweht, Rosseherre, ich wohne nicht mehr hier. Poupoul dagegen gebärdete sich ganz närrisch vor Freude und sprang mit der Zunge nach Rosseherres Gesicht.
Rosseherre sagte nichts. Sie wehrte Poupoul ab und sah mich an.
»Wo bliebst du so lange, Rosseherre?« fragte ich lächelnd.
Rosseherre sah mich an. »Die Zeit wird dir nicht lang geworden sein –,« stammelte sie. Das Blut stieg ihr ins Gesicht und ihre Augen wurden dunkel und hart. Dann lächelte sie verächtlich und ihr Blick flammte auf. Sie zog etwas aus dem Mieder und warf mir meine zwei Ringe vor die Füße.
»Ich brauche deine Ringe nicht!« stieß sie hervor und wurde bleich. »Gib sie Yvonne! Auch dein Geld will ich dir bringen –«
Ich mußte lachen. Rosseherre war eifersüchtig, seht an. Rosseherre, Rosseherre, was fällt dir ein? Dachtest du, ich würde mich auf ewig vor deinem Herzen vor Anker legen? Weißt du nicht, daß ich unterwegs bin in den großen Jagdgründen des Lebens, heute da und morgen dort, und immer in einem leichten Zelte unter den Sternen schlafe? O, Rosseherre, ich werde mir erst ein festes Haus bauen, wenn ich vor Gichtbeulen nicht mehr stehen kann und die Langeweile mich zwingt meine Memoiren zu diktieren.
Ich sah Rosseherre an und schüttelte lachend den Kopf. »Du wirst doch nicht töricht sein, Rosseherre,« sagte ich, »die Ringe gehören dir, ich hebe sie nicht auf. Sprich auch nicht von den paar Franken, die ich dir geliehen habe. Wie sonderbar du doch bist!«
Rosseherre aber bebte vor Zorn. Sie schrie laut und wütend, aber ich verstand kein Wort, denn sie sprach Bretonisch. Schließlich schüttelte sie mich am Rock, so sehr vergaß sie sich. Poupoul kläffte und knurrte und machte sich zu meiner Verteidigung bereit.
»Höre endlich auf, was schreist du denn, so, Rosseherre!« sagte ich barsch, und da ich sprach, wie man auf der Insel spricht, kam Rosseherre sofort zur Besinnung.
»Ich sage nichts mehr,« fuhr sie auf französisch fort, »du kannst ihr ruhig Ketten schenken und was du willst – ihr – hohoho – mit allen Matrosen hat sie es –«
»Yvonne?«
»Ja, Yvonne!«
Ich lachte. »Yvonne! Haha! O nein, die hat es nicht mit allen Matrosen.«
Rosseherres Augen kochten. Ihre Lippen wurden ganz weiß. »Willst du damit sagen, daß ich es mit allen Matrosen habe?«
»Sagte ich ein Wort –?«
»Und wenn du es auch gesagt hast, ich kann vor der Mutter Gottes beschwören, daß ich nie einem andern gehörte als Yann. Und Yann wird mich heiraten. Aber Yvonne – nein, laufe ihr ruhig nach – jeder Mensch auf der Insel kann dir sagen, daß sie mit sechzehn Jahren ein totgeborenes Kind gehabt hat – sie ist nichts als Schmutz!«
Gott stehe mir bei! Ich lachte. »Rosseherre, was sagst du doch – Yvonne – hahaha?«
»Es ist so, wie ich es sagte – nun, du wirst es noch bald genug erfahren – Hunde seid ihr Männer, Hunde! – warte nur, bis sie dich bestiehlt – und was für Worte hast du mir gegeben – Lügner, Lügner!«
»Höre, Rosseherre,« sagte ich und berührte ihren Arm um sie zu beruhigen, »du hast ja Yann, nicht wahr, es ist besser so!«
Rosseherre wich zurück. »Ja, ich habe Yann,« entgegnete sie, »das ist wahr, und obwohl er nur ein einfacher Seemann ist, ist er mir doch tausendmal lieber als du.«
»Das glaube ich gern.«
»Tausendmal!« wiederholte Rosseherre und sah mich voller Haß an. Ihre Augen waren so gelb im Sonnenlicht wie die einer Katze. »Du kannst ruhig zu Yvonne gehen, du bist so schlecht wie sie – hoho – und du glaubst vielleicht, daß ich eifersüchtig bin – o nein –« Sie schlug die Hände vors Gesicht und ging.
»Rosseherre!« rief ich.
Aber sie fing an zu laufen. Dann blieb sie plötzlich stehen und lachte schallend: »Du bist ja ein Narr – hahaha! – ein Narr!« Und wieder lief sie.
Ich sah ihr nach. Wie rasch sie lief, wie sie flatterte. Ihre Gestalt versank und ich sah nur noch ihre weiße Haube über die Heide gleiten – so rasch.
Nun, zuweilen war es an mir so zu laufen, nun war es an ihr, die Zeiten haben sich geändert.
Wie rasend sie war, welch ein Haß in diesem gelben Irrwisch steckte! Gott erbarme sich meiner, sie hatte mich übel zugerichtet, keinen guten Faden hatte sie an mir gelassen.
Ich ging über die Heide, nach Creach. »Poupoul, sprich!« sagte ich zu Poupoul, der schon wieder alles vergessen hatte. »Sprich die Wahrheit, dir, einem Tier, wird es leichter fallen gerecht zu sein als uns Menschen: haben wir nicht oft gesehen, wie die kleine weiße Haube in der Nacht zum ‚Arbeiter‘ hinüber ruderte, und haben wir jemals ein Wort gesagt? Und sie – he, Poupoul, sprich die Wahrheit!« Und wieder mußte ich lachen: wie schnell sie lief, obschon ihr doch niemand folgte!