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III

Gleich am nächsten Tag zog ich auf Kundschaft aus, um Rosseherre aufzustöbern. Aber ich fand sie nicht. Nun, mochte sie in Gottesnamen bleiben, wo sie wollte, ich war nicht auf sie angewiesen. Und am übernächsten Tag hatte ich sie vergessen.

Die Möwen schrien und die Meerschwalben zogen läutend und glucksend dahin. Es wehte, die Brandung donnerte. Wir fuhren hinaus zum Fischfang. Wir fuhren hinaus um den Hummer und die Languste zu fangen, unser Boot war angefüllt mit Reusen. Kedril, der Pilot Nummer Eins, erhielt eine Depesche und wir jagten zwischen den schwarzen raschen Wogen dahin wie ein Geisterschiff. Wir brüllten wie Teufel, um das Meer zu überschreien. Kommando und Wiederholungen der Kommando. Ich bediente das Focksegel und trachtete mit dem Wind fertig zu werden. Ich stemmte die Füße gegen die Bootsrippen und oft hing ich wagrecht im Boot um das Segel zu spannen. Meine Hände waren zerschunden, meine Augen entzündet vom Salzwasser und vom Wind, die Haare klebten mir im Gesicht. Wir kreuzten acht Stunden lang zwischen den Wassergräbern, bis das trübe Licht unseres Dampfers aus der Dunkelheit blinzelte, und acht Stunden lang trillerte uns der Wind wie eine schrille Pikkoloflöte in die Ohren. Der Pilot kletterte an der schwarzen Eisenwand in die Höhe und verschwand, und nur oben tauchte sein schnapsrotes Gesicht mit der geschwollenen Backe – er verwahrte den Tabak darin – wieder im Lichtschein der Lampen auf. Lebe wohl, Pilot! Wir, der Knecht und ich, legten mit aller Kraft die Stangen gegen den Dampfer um nicht zu zerschellen, und das eiserne Ungeheuer strich davon. Dann jagten wir durch die Nacht die vielen Meilen zurück. Die Sturzseen prasselten auf unseren geölten Anzügen. Unsere Augen lagen auf der schwarzen Straße vor uns und spähten nach Gischt aus. Denn wo Gischt war, waren Klippen. Im Nebel aber legten wir uns über den Bootsrand und schnupperten ganze Tonnen von Luft durch unsere geringelten Nasen – um die Klippen zu riechen.

Wir tranken. O, wie mörderisch tranken wir! Mit der Flasche in der Hand taumelten wir an den Wänden entlang und tranken, weil wir durstig waren. All das Salz, hinab damit. Die Fischer brüllten zum Fenster hinaus. Das Meer hatte ihre Herzen wild gemacht und was sollten sie damit tun? »Brülle auch!« schrie Yann, und ich brüllte ebenfalls zum Fenster hinaus. Es machte uns Vergnügen. –

Tagelang aber hausten wir einsam da draußen mit dem Wind und den Möwen, Poupoul und ich.

Vor meinem Hause lag ein Stein, groß und flach wie ein Tisch. Er war grau in der Sonne, bei trübem Wetter aber färbte er sich dunkel. Auf diesem Stein saß ich und sah dem Meere zu.

Die Wolken zogen am Himmel und ihre Schatten trieben übers Meer wie dunkle Inseln. Der Wind blies scharf hinein ins milchig grüne Wasser, ohne nachzulassen, und das Meer war eine Armee spitzer Wellen, der Horizont rauchte. Der Wind heulte und schrie und das Meer war getigert mit breiten zornigen Gischtstreifen, die dahinfuhren, Donner und Blitz.

Die Stunde kam und das Meer war anders.

Die Weite blendete mich. Ich stand auf, als ob ich etwas sagen wollte, ungeheure Worte schwebten mir auf den Lippen, Felsen von Worten, aber ihr Sinn war mir fremd und ich sagte nichts. Ich setzte mich wieder. Der Wind blies und fachte mein Herz an, daß es glühte, bis dahin, wo es ganz alt war. Und ich saß inmitten der Weite und Leere und der unbekannten Dinge, die in der Luft sind. So saß ich vom Morgen bis zum Abend und nun verstand ich, was mein Herz mir sagen wollte. Ja! Ich blickte in die Höhe. Gott war verreist, er hatte die Erde vorläufig allein gelassen, da sie aus den Kinderschuhen heraus war, aber die alten Götter lebten noch, denen ich räucherte, da ich übers Gebirge kam, die Steinaxt auf der Schulter. Hörst du es? Wie es sauste da droben! Die alten Götter waren da droben unterwegs.

Tausend Quadratmeilen Wasser, tausend Kubikmeilen Luft, alles gehörte mir. Nein, die da droben sollten nicht auf den Gedanken verfallen, es mit einem undankbaren, schäbigen Burschen zu tun zu haben. Ich ging und stahl einen halben Gartenzaun und machte ein Feuer an zwischen den Klippen. Ich warf Fische hinein, die ich eigenhändig gefangen hatte, mit Augen und Eingeweiden warf ich sie ins Feuer, und der Rauch schwärzte mein Gesicht. Sie sollten es sehen, wenn sie dort oben durch den Äther fuhren!

Und Tag um Tag saß ich auf dem Stein vor meinem Hause.

Draußen zogen die Dampfer vorüber.

Ich unterschied die kleinste Rauchwolke unter dem hängenden Gewölk, ja sogar ein Mast, der am Horizont wanderte, fein wie eine Nadel, konnte meinen Augen nicht entgehen. Die Rauchwolke wuchs, ein grauer qualmender Turm stand auf der Linie des Horizonts. Der Turm wölbte sich, bekam Maste, Kamine, Verdecke. Die Möwen schwangen sich von den Klippen und schossen schrillend hinaus. Und der Dampfer kämpfte sich näher. Sein Bug, sank ein und verschwand, lange, als ginge es hinab. Dann stieg der Bug in die Höhe und der Stern versank. Und wieder neigte sich der Bug. So zog er dahin. Die Gischtsäulen fuhren senkrecht am Schnabel in die Höhe, die Sturzseen strichen übers Deck. Wenn es dunstig war, so kam es vor, daß ich die Dampfer aus den Augen verlor und minutenlang suchen mußte, bis ich sie wiederfand. Bei Sturm erschienen sie wie verzweifelte Gespenster, die sich mit dem Meere schlugen. Sie sahen kahl aus, wie rasiert vom Wetter. Sie stampften auf und ab, qualmten, rollten hin und her, versanken, und oft dauerte es eine Stunde, bis sie den großen Strom passiert hatten.

Sie zogen nach Süden und Südwest. Von meinem Stein aus sah ich bis nach den heißen wimmelnden Städten Asiens, nach Südafrika, Mexiko und Südamerika, und zuweilen bis dahin, wo die Palmeninseln in einem Meer so blau wie Samt schlummern, und die Affen kletterten in unseren Tauen, sobald wir anlegten.

Ich spähte hinaus. Der Wind zerrte in meinen Haaren, die Funken stoben aus meiner Pfeife und fuhren wagrecht über die Heide. Auf einem Felsen saß ein Möwe mit gesträubten Federn und spähte hinaus wie ich.

Poupoul hockte neben mir und seine Nase ringelte sich bei all den Düften, die das Meer sandte. Er war ein pensionierter Schiffshund, ein zottiger schwarzer Pudel, groß und ein wahrer Teufel, und hatte alle Meere befahren. Ich hatte ihn drüben an der Küste gegen eine Flasche eau de vie eingehandelt. Zuweilen machte er eine kleine Exkursion, die Schnauze am Boden, ob nicht etwa Schweinsohren versteckt wären. Er trollte hin und her und lief hinab zum Meer. Das tat er auf drei Beinen, denn gewiß war es so ein erhöhtes Vergnügen. Er sprang vor und zurück, hielt den Rachen schräg und schnappte nach der Welle. Dann kam er zurück und setzte sich, wieder still neben mich.

Ein Dreimaster stand auf dem Meer. Poupouls gelbe Augen blendeten durch seine ergrauenden Haarbüschel hindurch zu mir empor.

»Ja, Poupoul, ich sehe ihn schon.«

Poupoul aber wollte wissen, ob das sein Schiff sei.

»Ja, es ist deines!«

Da heulte Poupoul kurz und heiß. Ich klopfte ihm den Pelz. »Komm!« Wir gingen. Wir suchten eine Möwenfeder für meine Pfeife und strichen durch die Klippen. »Gott gebe, Poupoul, daß wir eine passende Feder finden!« Die Welle klopfte. Ich sah sie an und sagte: »Und was willst du?« Zuweilen redete ich mit den Sandkörnern, die über die Heide rollten; denn ich konnte nicht immer nur mit Poupoul reden. Auch mit den schwarzen Hammeln sprach ich, die da und dort angepflöckt waren und darauf warteten, daß ein Grashalm wuchs. Ich begrüßte sie und machte ihnen meinen Standpunkt klar.

»Daß Ihre Herren Väter Hammel waren, mit Ihrer Erlaubnis,« sagte ich, »ist keine Schande! Nein, deswegen vertragen wir uns recht gut. Aber, daß Ihre Abkömmlinge noch in Millionen von Jahren nichts als Hammel sein werden, das macht Sie verächtlich. Sie haben sich in eine Sackgasse verrannt, Ihr Zustand flößt mir Mitleid ein. Ich bitte um Verzeihung, meine Herren!« Ich grüßte und ging. Die Hammel sahen mir frierend und zitternd nach.

Wir hatten die Feder gefunden und gingen wieder nach Hause. Horch! Ringsum mahlte es wie tausend Wasserfälle – die große Lunge atmete. Die Möwe war unterwegs, die Meerschwalbe läutete.

Trii! – Trii! –

Döi! Döi! Gullugullugullu – döi!

Der Wind fegte und ich mußte mich an den Steinen in der Heide festhalten.

Wenn aber die Sonne schien und ich bei guter Laune war, so setzte ich mich in die Klippen und zog meine kleine Flöte aus der Tasche. Ich hatte sie bei Noel gekauft, um mir die Zeit damit zu vertreiben, sie kostete zehn Sou, besaß aber einen wundervollen Ton. Nun, ich spielte nicht für euch, keine Angst, ich spielte für die kleine Welle zu meinen Füßen, für die Fische im Meer, für den Dampfer in der Ferne, für Poupoul und mich.

Ja, herrlich klang es! Wunderbar klar hallte die Flöte in den Klippen wider. Poupoul zuckte mit den Ohren und sah mich voller Bewunderung an.


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