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XIII

Am andern Tag machte ich Jean Louis den versprochenen Besuch.

»Guten Tag, Meerkönig, da bin ich wegen des Segels.«

»Hü–hü – Segel?«

Er hatte alles schon wieder vergessen.

»Hühü – da ist er jetzt – tritt ein!« heulte Jean Louis.

Rosseherre war nicht da. Aber in der Ecke hing ein schwarzglänzender Rock. »Feinste Seide!« sagte ich und der Meerkönig lachte geschmeichelt.

Das kleine, schmale Wohnzimmer besaß nur ein einziges viereckiges Fensterchen in einer Nische. Die Bettschränke befanden sich an den Längsseiten hinter kleinen, sauberen Vorhängen, wie Kasperltheater sahen sie aus. Ein Tisch und Bänke rings an den Wänden, das war die ganze Ausstattung. Unter eine Nische mit einer bunten Madonna aus Gips war jener Spruch geheftet, mit dem vor Augen die Fischer ihr Leben verbringen:

Ar Maro

a zo eur moment terrubl

evit ar bec’herien,

galvet int ractal dirag.

Ar Barner Souveren.

(Der Tod ist ein schrecklicher Augenblick für die Fischer, denn sie werden ganz plötzlich abgerufen vor den himmlischen Richter.)

Jean Louis goß Wein ein. Der Wein war dunkelgolden, was für ein Wein war es doch?

»Dieses kleine Weinchen stammt aus einem Schiffbruch, mein Freund!«

Der Meerkönig verschwand und brachte von irgendwoher ein kleines japanisches Lackschränkchen, das, hol mich der Teufel! tausend reizende Schubfächer hatte.

»Schiffbruch!«

Ja, früher, da waren die Schiffe gekommen, hühü! Als die Feuer und Nebelsirenen noch nicht so vollendet waren. Manchmal kamen zwei, drei in einer Nacht. Man brauchte nur aufzulesen. Aber jetzt –? Das Leben wurde immer schwerer.

Und plötzlich sah ich, daß der Tisch, an dem ich saß, ringsum mit einem Rand versehen war und seine Füße hatten unten Beschläge zum Festschrauben, was sagst du dazu!

Der Meerkönig lächelte pfiffig, gewiß hatte er noch ganz andere Reichtümer irgendwo versteckt.

Dann gingen wir zu Noel.

»Willst du also das Tuch bezahlen?« fragte Jean Louis auf halbem Wege und pflanzte sich mit gespreizten Beinen vor mir auf.

»Ja!«

»Wirklich bezahlen?«

»Wirklich!«

» Eh bien, mon vieux, en route!«

Jean Louis trat herausfordernd an den Kaufmann heran und heulte ihm ins Gesicht: »Ich möchte Leinwand zu einem Segel kaufen, Noel!«

Der siegellackrote Noel aber hatte keine Eile. Er zuckte die Achsel und sagte leise singend, indem er mit einem spöttischen Lächeln zum Fenster hinaussah: »O, mein alter Freund, es ist mein Prinzip euch Fischern keinen Sou zu kreditieren.«

Aber Jean Louis, der kaum über die Bar sehen konnte, deutete auf mich und schrie wütend: »Mein Freund bezahlt!« Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Der kleine Meerkönig zitterte vor Erregung an allen Gliedern.

Sofort floß Noel von Freundlichkeit und Eifer über. »Ah, das ändert die Sache!« Er schleppte Ballen Tuch herbei, er brachte Gläser und Flaschen. Nun begann die Arbeit des Meerkönigs. Er musterte die Ballen. Er nahm die schmierige Kappe ab und setzte sie wieder auf. Dann stürzte er ein Glas Schnaps in die Kehle. Er prüfte das Gewebe zwischen den Fingern, riß, scheuerte, hielt gegen das Licht. Er nahm einzelne Fäden und zerriß sie. Nicht zu leicht, nicht zu schwer, nicht zu dünn, nicht zu dick. – Dann trank er wieder einen Schnaps und noch einen, er stotterte, taumelte gegen einen Mehlsack, er trocknete sich die Stirn und sagte, er käme morgen wieder.

Erst am dritten Tag konnte er sich entschließen, und dann dämpfte er seine Erregung mit so vielen gouttes, daß er mit dem Tuch unter dem Arm mitten in der Heide auf einen Felsen rannte, kenterte und liegen blieb.


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