Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Drittes Kapitel.

Von Peter Stuyvesants Expedition nach dem Osten, wobei gezeigt wird, daß er, obgleich ein alter Fuchs, sich doch nicht vor Fallen zu hüten verstand.

Wie das Gold im Feuer erprobt wird, so die Nationen im Elende. – Jetzt faßte unser guter Peter Stuyvesant ein Project, das des edlen Ritters von La Mancha würdig gewesen wäre. Er wollte in eigner Person vor den Amphictyonen erscheinen, in der einen Hand das Schwerd, in der andern den Oelzweig. Umsonst stellten ihm seine geheimen Räthe die Gefahr vor Augen: es wirkte gerade so viel, als wenn man einen verrosteten Wetterhahn mit einem zerrissenen Blasbalg umdrehen wollte.

Anton Van Corlear wurde für den nächsten Morgen zur Abreise aufgeboten. Dieser wackere Knappe war zwar mit den Jahren etwas steif geworden und fühlte sich eigentlich glücklicher auf seinem Junggesellen-Sitz Hoek, den er der Freigebigkeit seines Beschützers verdankte, indessen wäre er ihm doch bis ans Ende der Welt gefolgt und es stiegen so manche Erinnerungen an jene Oerter und ihre schönen Weiber in ihm auf, daß er sich mit Lebhaftigkeit in die Tage seiner Blüthe zurück versetzte.

So brach denn dieser Spiegel der Starrköpfigkeit mit seinem Trompeter auf und unternahm einen der gefährlichsten Züge irrender Ritterschaft. Umsonst, edler Stuyvesant, habe ich dich nun aus allen Gefahren gerettet, habe die Tabacksdose, den demantnen Schädel, das Schnapskrüglein vorgehalten, so stürzest du dich muthwillig in den Rachen der Gefahr – o hätte ich jetzt ein Kapitel aus der stillen Zeit Wouters Van Twiller vor mir, um darauf auszuruhen wie auf einem Federbett! – Doch auf, zu dem raschen Ende unserer Geschichte!

Und nun zieht die rothbackige Aurora, wie ein schmuckes Stubenmädchen, die schwärzlichen Vorhänge der Nacht aus einander, und hurtig springt aus seinem Bett der liebliche rothhaarige Phöbus, verwundert, daß er so lange an der Seite seiner Dame Thetis geruht haben soll. Mit manchem kräftigen Fluch treibt er seine messingfüßigen Rosse an und peitscht sie das Firmament hinauf, wie ein verspäteter Kutscher, der die Stunden wieder einholen will. Und nun sah man diesen Götterkerl, den hartnäckigen Peter, wie er einen dürren Zelter mit einem Besenschweif besteigt und in seiner Uniform erglänzt, das messingstrahlende Schwerd an der Seite, das an den Ufern des Delaware so große Thaten gethan.

Siehe dicht hinter ihm seinen herzhaften Trompeter auf einem herzschlächtigen, glasäugigen Apfelschimmel; das steinerne Schnapskrüglein, welches den mächtigen Rising niedergeschmettert, unter den Arm geschlungen, die Trompete stolz in der rechten Hand, mit einem stattlichen Banner geziert, das den großen Biber von Manhattan vorstellt. Siehe, wie sie zusammen aus dem Stadtthor reiten, wie ein alter Ritter mit seinem Knappen dicht an seinen Fersen. Das Volk folgt ihnen mit den Augen und ruft manchen Abschiedsgruß und guten Wunsch nach: Lebe wohl, hardkoppig Piet! Lebe wohl, ehrlicher Anton! – Reis't angenehm – kommt glücklich wieder. Du stolzester Ritter, der je ein Schwerd zog, du wackerster Trompeter, der je auf Schuhleder trat.

So zogen sie durch das Bloemendael, ein reizendes idyllisches Thälchen, mit wilden Blüthen geschmückt, von reinen Bächen erfrischt, und hier und dort belebt durch einen freundlichen holländischen Weiler oder eine Hütte unter dem Schutz einer schroffen Anhöhe oder unter Bäumen versteckt.

Nun kamen sie auf der Gränze von Connecticut an, wo sie viele Beschwernisse und Gefahren zu erdulden hatten. An einer Stelle wurden sie von einem Trupp Landbesitzer und Landsturmobersten angefallen, die trefflich beritten sie eine Strecke verfolgten und mit Fragen und Muthmaßungen quälten, besonders den würdigen Peter, dessen silbernes Bein sie nicht wenig in Verwunderung setzte. An einem andern Ort, unweit der berühmten Stadt Stamford, hielt sie eine mächtige Legion von Kirchendiaconis auf, die ihnen gebieterisch fünf Schillinge abforderten, weil sie am Sonntag reis'ten, und sie als Gefangene in eine benachbarte Kirche, deren Thurm aus den Bäumen hervorguckte, zu schleppen drohten; aber diese Hoffnung machte der ritterliche Peter gleich zu nichte, so daß sie eilends ihre Stöcke bestiegen und in starker Verwirrung davon jagten, wobei sie sogar ihre dreieckigen Hüte im Stich ließen. Nicht so leicht entkam er einem listigen Mann von Pyquag, der ihm mit unerschrockener Hartnäckigkeit seinen schönen Besenschweif abhandelte und ihn dafür eine elende Naraganset-Mähre besteigen ließ.

Dieser Bedrängnisse ungeachtet, setzten sie ihren Weg munter an den Ufern des Connecticut fort, dessen sanfte Wogen durch manches fruchtbare Thal, durch manchen sonnigen Plan dahinrollten, nun die erhabnen Thürme einer lebendigen Stadt, nun wieder die ländliche Schönheit eines Weilers spiegelnd, dort vom emsigen Bienengeschwärm des Handels, hier vom heitern Gesang des Landmanns wiederhallend.

Bei jeder Stadt ließ Peter Stuyvesant, der in den militärischen Gebräuchen sehr pünktlich war, zum Gruß die Trompete blasen, welches indessen die Bürger der guten Städte sehr erschreckte, da seine Thaten am Delaware durch den Osten kund geworden waren und sie seine Rache für so manche Unbill fürchteten. Aber der gute Peter ritt lächelnd durch die Städte und grüßte gar gnädig und herablassend mit der Hand, denn er hielt die Lumpen, die diese erfinderischen Leute in die zerbrochenen Scheiben gesteckt hatten, und die langen Kränze von Schnitzen und Hutzeln vorn an den Häusern für Decorationen ihm zu Ehren, wie in den Ritterzeiten das Auslegen von kostbaren Teppichen und Festguirlanden gebräuchlich war. Das schöne Geschlecht begrüßte sein Kommen an den Thüren; die kleinen Kinder liefen ihnen in Schaaren nach und verwunderten sich über seinen kriegerischen Schmuck, seine schwefelgelben Hosen und sein Silberbein, und manches kräftige Weibsbild schaute schalkhaft nach dem muntern Van Corlear hinüber, den sie seit jener Botschaft an die Amphictyonen, wo er durch ihren Ort kam, nicht vergessen konnte. Der gutmüthige Anton stieg von seinem Apfelschimmel, umarmte eine nach der andern mit großer Herzlichkeit und freute sich, eine Schaar kleiner Trompeter zu sehen, die sich um ihn drängten, um seinen Segen zu erhalten; jedem gab er einen Klaps auf den Kopf, sagte ihm, er solle ein braver Junge werden, und schenkte ihm einen Heller, um sich Kochzucker dafür zu kaufen.

Das Stuyvesant'sche Manuscript meldet weiter nichts über den Ritt, außer daß die Amphictyonen den Ritter mit großer Höflichkeit aufnahmen und ihn mit Komplimenten und Geschwätz fast todt machten; es ging wie immer, man sprach viel und that wenig; eine Rede gab die andre; eine Conferenz brachte Verwicklungen, zu deren Auflösung zehn andre nöthig waren, bis nach der letzten die Partheien gerade so weit waren, wie am Anfang, außer daß sie sich in viele Fragen über die Etikette verwickelt hatten und einander freundschaftlich beargwohnten, welches die folgenden Negociationen sehr fördern mußte.

Mitten in diesen Verwirrungen bekam der herzhafte Peter Wind von den schwarzen Plänen des englischen Cabinets. Hierzu kam eine Nachricht zum Schlagtreffen, daß nämlich bereits ein feindliches Geschwader von England unterwegs sey, um die Provinz der Neuen Niederlande zu unterjochen, und der große Rath der Amphictyonen durch das Vorrücken einer großen Landarmee Mitwirkung leisten wolle.

Unglückseliger Peter! habe ich es nicht vorausgesehen, als du auszogst so edel und unbedacht mit deinem unbiegsamen Kopf, deiner ehrlichen Zunge, deinem unbefleckten Gewissen und rostigen Schwerd, und nur von deinem heiligen Nikolaus beschützt, nur von einem Trompeter begleitet, gegen die ganze gewürfelte Macht Neu-Englands zu Felde zu ziehen wagtest!

O wie ras'te der heftige alte Krieger, als er sich nun in der Falle sah, wie ein Löwe, der ins Netz des Jäger geräth. Wie zog er sein betrautes Schwerd und wollte sich durch alle Länder des Ostens einen Pfad bahnen. Wie schwor er den Amphictyonen Verderben und jeder Mutter Kind den Tod. Endlich, als er sich abgekühlt hatte, zog er doch vor, sich ganz still und klug zu benehmen.

Er verbarg dem Rath seine Mitwissenschaft und sandte eiligst einen zuverlässigen Boten an den Magistrat von Neu-Amsterdam, warnte ihn vor der Gefahr und befahl die schleunigste Instandsetzung der Vertheidigungsmittel, während er den Feind hinhalten und dann zum Beistand hinzueilen wolle. Dieß vom Nacken, fühlte er sich ausnehmend erleichtert, stieg langsam auf, schüttelte sich wie ein Rhinoceros und ging aus seiner Höhle, wie in der ritterlichen Geschichte «der Weg des Pilgers» der Riese Verzweiflung aus dem Schlosse des Zweifels heraustritt.

Und nun muß ich leider unsern ritterlichen Peter in der drohenden Gefahr verlassen und zusehen, wie es in Neu-Amsterdam hergeht, wo alles in großem Tumult seyn wird.


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