Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Viertes Kapitel.

Wie die Neu-Amsterdamer groß in den Waffen wurden, aber eine furchtbare Katastrophe herbeiführten – wie dann Peter Stuyvesant die Stadt befestigte und der erste Gründer der Batterie wurde – wie endlich die Amphictyonen von ihren feindlichen Vorsätzen abstanden.

Gleichwie das englische Cabinet seine geheimen Expeditionen aufs schlaueste einrichtet, daß sie den Franzosen den Augenblick kund werden, so konnte auch Peter Stuyvesant gegen die heimlichen Rüstungen bei Zeiten seine Maßregeln nehmen.

Sein erstes war, daß er die Hauptstadt in Vertheidigungsstand setzte, in der wohlmeinenden Absicht, den Feind mit innerer Kräftigung und Befestigung fern zu halten, ehe noch an Gefahr zu denken war. Seines Vorgängers erstes Augenmerk war der Landsturm oder die Miliz, jene köstliche Erfindung, welche Schneider und Putzhändler zu Anführern und Helden und alle Zunftgenossen, wenn sie sich auch noch so erbärmlich präsentiren, zu wahren Teufeln auf der Parade macht, wenn sie den dreieckigen Hut aufkriegen und das Schwerd an der Seite flunkern sehen. Sie lernten rechts schauen, links schwenken, feuern ohne zu blinzeln, um ein Eck wenden, ohne in Unordnung zu gerathen, und durch Sonnenschein und Regen von einem Ende der Stadt zum andern marschiren, ohne zurückzubleiben – bis sie so muthvoll wurden, daß sie blinde Patronen abfeuerten, ohne das Gesicht abzuwenden, die größten Feldstücke spielen hörten, ohne sich die Ohren zu verstopfen oder in Ohnmacht zu fallen, und alle Fatiguen einer Sommertags-Parade mitmachten, ohne bedeutend durch Deserteurs an den Erfrischungsörtern geschwächt zu werden.

Zwar herrschte bei diesem Volk ein so friedlicher Geist, daß sie in der Zeit zwischen den Feldtagen ihre ganze militärische Schule verschwitzten. Kamen sie dann wieder zur Parade, so wußten sie kaum den Kolben von dem Ende des Laufs zu unterscheiden und verwechselten immer rechte und linke Schulter – ein Fehler, dem man mit einem Kreidestrich am linken Arm ein Ende machte. Aber alle diese Ungeschicklichkeiten wollten nach dem Ausspruch des weisen Kieft nichts bedeuten, und eine Campagne sollte sie schon mehr lehren als hundert Paraden; und wenn auch zwei Drittheile als Kanonenfutter anzuschlagen waren, so konnte doch aus dem übrigbleibenden Drittheil, wenn es nicht davon lief, geprüfte Veteranen werden.

Der große Stuyvesant hatte keine besondere Achtung vor den sinnreichen Maßregeln seines Vorgängers und verachtete eigentlich das Landsturmwesen, das er oft im Scherz Gouverneur Kiefts zerbrochenes Rohr nannte. Da indessen die Noth drängte, so mußte er sich die Miliz gefallen lassen, und hielt eine Musterung über seine Sonntagssoldaten. Aber, o Mars und Bellona, und ihr andern kriegerischen Himmelsmächte, was mußte er sehen! – Hier kamen Soldaten ohne Offiziere, und Befehlshaber ohne Mannschaft – lange Vogelflinten und kurze Stutzen – dort Bajonette, da keine – dort kein Flintenschloß, hier kein Ladstock, und bei einigen weder Schloß, Ladstock, noch Lauf. – Patrontaschen, Schrotbeutel, Pulverhörner, Säbel, Beile, Brodmesser, Brechstangen, Besenstiele, alles durcheinander – wie eine unserer Landarmeen beim Ausbruch der Revolution.

Als der trotzige Peter Stuyvesant diese Armee, mit welcher der edle Sancho Pansa die Vertheidigung seiner Insel Barataria hätte übernehmen können, ansichtig wurde, war es ihm zu Muthe, wie einem, der den Teufel erblickt. Doch er resolvirte sich kurz und machte aus der Noth eine Tugend. Er ließ sie ordentlich exerciren und dann die Querpfeifen im Geschwindmarsch spielen, und setzte die Mannschaft auf den Straßen und umliegenden Feldern so munter in Bewegung, daß ihnen die kurzen Beine knackten und die fetten Seiten dahinschmolzen. Aber das war noch nicht alles; der kriegerische Geist des alten Gouverneurs entflammte bei dem Pfeifengequike und er entschloß sich, seinen Leuten einen Vorgeschmack des eisernen Krieges zu geben. Zu diesem Ende schlug er am Abend auf einem Hügel ein Lager auf, um sie hier bis zum nächsten Morgen ausruhen zu lassen. Aber da geschah es, daß in der Nacht ein starker Regen eintrat, der in Strömen auf das Lager herabgoß und das gewaltige Heer völlig wegschwemmte, denn als Freund Phöbus seine ersten Strahlen über das Gefild hinschoß, war außer Peter Stuyvesant und seinem Trompeter Van Corlear fast kein einziger mehr auf dem Platz zu finden.

Ein Commandant wie Peter Stuyvesant ließ sich davon nicht irre machen; aber er verachtete jetzt nur um so tiefer das ganze Landsturmswesen. In Kurzem hatte er Soldtruppen auf den Beinen, die vor Allem die unerläßliche Eigenschaft hatten, wasserdicht zu seyn.

Die zweite Arbeit war, daß er Neu-Amsterdam befestigte und mit Pallisaden umgab, sowohl gegen die Europäer als auch gegen die Wilden. Sie wurden zwar bei den Letzteren ein Gegenstand der Bewunderung, gereichten indessen den Bewohnern nicht sehr zum Troste, als einst eine Schaar verlaufener Kühe in einer dunkeln Nacht hindurch brach und die Bürger in großen Schrecken versetzte.

Auch auf der Seeseite machte Stuyvesant Befestigungen. Es waren furchtbare Schlamm-Batterieen, die er, nach Art der damaligen niederländischen Oefen, mit Muscheln festmachte.

Mit der Zeit wuchs Gras und Klee über dieses langgestreckte Bollwerk und weit schattende Sycamoren, in deren Zweigen die Vöglein lustig umhersprangen und das Ohr mit schönen Melodieen entzückten, reihten sich an einander. Die alten Bürger rauchten dort Nachmittags ihr Pfeifchen und sahen der goldnen Sonne zu, wie sie allmählig am Horizont hinabsank, ein Bild ihres eignen friedlichen Untergangs, dem sie entgegensahen – die jungen Leutchen aber gingen dort im Mondschein spazieren und sahen die silbernen Strahlen der keuschen Cynthia auf dem stillen Meerbusen spielen oder ein dahingleitendes weißes Segel beleuchten, indem sie sich die Schwüre ewiger Treue wiederholten. Dieses war der Ursprung der berühmten Bastei, die zwar eigentlich für den Krieg errichtet wurde, doch immer nur den süßen Ergötzungen des Friedens diente. Sie ward der Lieblingssitz des wankenden Alters – der Erquickungsort gebrechlicher Invaliden – das Sonntagsplätzchen des bestaubten Kaufmanns – der Schauplatz kindischer Vergnügungen – das heimliche Oertchen zärtlicher Bestellungen – der Augapfel der Bürger – der Trost Neu-Yorks – der Stolz der lieblichen Insel Mannahatta!

Nachdem Peter Stuyvesant so für die zeitliche Sicherheit Neu-Amsterdams gesorgt und seine liebe Stadt gegen Ueberfälle gesichert hatte, nahm er eine Prise Taback und schnippte mit den Fingern, weil er den Amphictyonen vergebliche Arbeit gemacht. Doch können wir nicht wissen, welches Ende die Angelegenheit genommen hätte, wenn nicht der ganze Rath uneins geworden wäre, wie in den Tagen Achills.

Schon waren alle Gränzörter der Union eifrig beschäftigt, ihre verrosteten Vogelflinten zu putzen und laut zur Rache zu rufen, des Sieges über die fetten holländischen Pflanzdörfer mehr als gewiß, als die mächtige Colonie Massachusets sich gegen diese Ungerechtigkeit erhob und zu ihrem ewigen Ruhm sich dem Zuge widersetzte, dadurch aber das Unternehmen scheitern machte.

Es war auch in mehr als einer Hinsicht gerathen, daß das gute Volk des Ostens von feindlichen Plänen abstand, denn gerade um diese Zeit belagerte und schreckte der Erbfeind, der Fürst der Finsterniß, seine harmlosen Gebiete; kaum konnte man sich der Alliirten des Satans mehr erwehren, aber als ächte Spione und gefährliche Feinde wurden sie zum Geständniß gebracht und verbrannt, wie wir im folgenden Kapitel hören werden.


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