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Wie die Stadt Neu-Amsterdam aus dem Schlamm emporstieg und gewaltig polirt und policirt wurde – mit einer Schilderung der Sitten unserer Ururväter.
Da der weise Rath wie im vorigen Kapitel bemerkt worden, nicht im Stande war, über einen Plan zum Bau der Stadt zu entscheiden, so nahmen dieß die Kühe auf sich; wenn sie nämlich auf die Weide und zurück gingen, machten sie ihre Pfade durch die Büsche, wo denn die guten Leute zu beiden Seiten ihre Häuser bauten, und dieß ist eine der Ursachen der sonderbaren und auch malerischen Windungen oder Labyrinthe, welche manche Straßen von Neu-York noch heutiges Tages beschreiben.
Der Bau der Häuser ist bekannt. Die vordere Thür wurde nie geöffnet, außer bei Hochzeiten, Leichenbegängnissen, am Neujahrstage, am Nicolausfest oder anderen Feiertagen. Das Haus war in einem Zustand beständiger Ueberschwemmungen, unter der Herrschaft der Wischer, Besen und Schrubber; die guten Hausfrauen waren dazumal eine Art von Amphibien, und ein Geschichtschreiber jener Zeit erzählt ganz ernsthaft, daß sie Schwimmhäute zwischen den Fingern gehabt, ja von einigen sagt er sogar, daß sie in einen Fischleib ausgelaufen seyen, welches ich indessen für eine Einbildung oder für absichtliche Ungebühr halten muß.
Das große Besuchzimmer war das Allerheiligste, wo die Leidenschaft des Reinigens alles Maaß überschreiten durfte. In dieses heilige Gemach durfte Niemand treten, außer einmal in der Woche die Hausfrau und ihre vertraute Magd, um es durchaus zu reinigen und alles wieder zurecht zu rücken – immer beobachteten sie die Vorsicht, die Schuhe an der Thüre auszuziehen und andächtig nur in den Strümpfen hereinzukommen. Nachdem sie den Boden gerieben, ihn mit seinem weißen Sand bestreut und diesen mit einem Besen in schöne Winkel, Schlangenlinien und Rauten ausgeziert, nachdem sie die Fenster geputzt, das Getäfel abgerieben und geglättet und ein neues Büschel Immergrün aufs Kamin gesetzt, wurden die Fenster wieder zugemacht, damit die Fliegen nicht hineinkamen, und das Zimmer sorgfältig verschlossen, bis die wandelnde Zeit in der nächsten Woche wieder den Putztag herbeiführte.
Die Familie ging immer durch das Thor aus und ein und lebte fast ganz in der Küche. Der Herd hatte ein wahrhaft patriarchalisches Ansehen, die ganze Familie, Alt und Jung, Herr und Gesinde, Weiße und Schwarze, Hunde und Katzen, freuten sich der schönen Gemeinschaft und jedes hatte sein eignes Eckchen. Hier saß denn der alte Burger und schmauchte ruhig sein Pfeifchen, sah mit halbgeschlossenen Augen in's Feuer und dachte stundenlang an nichts. Die Goede Vrouw auf der andern Seite war fleißig mit Spinnen oder Stricken beschäftigt. Das junge Volk saß um den Herd gekauert und hörte mit gespannter Aufmerksamkeit einem alten Schaaf von einem Neger zu, der das Orakel der Familie war und gleich einem Raben in einem Winkel am Schornstein hockte und an langen Winterabenden unglaubliche Geschichten von den Hexen in Neu-England, von grausigen Geistern, von Pferden ohne Köpfe, von haarsträubenden Fluchten und blutigen Handgemengen daherkrächzte.
In jenen glücklichen Tagen stand eine Familie immer mit Tagesanbruch auf, aß um eilf Uhr zu Mittag und ging mit der Sonne schlafen. Das Essen war durchaus Privatgeschäft und man ließ sich darin nicht gern vom Nachbar stören. Dagegen war man bei den sogenannten Theeparthieen desto geselliger.
Diese Parthieen fanden unter den höheren Ständen statt, d. h. unter denen, die ihre eigenen Kühe und Wagen hatten. Man versammelte sich um drei Uhr und ging um sechse auseinander; im Winter war es etwas früher, damit die Frauenzimmer noch bei Tage zurück kamen, wo denn die Herrn für die galante Begleitung einen derben Kuß mit nach Hause nehmen durften. – Der Theetisch trug eine große irdene Schüssel, mit Schnitten von fettem braungebratenem Schweinefleisch, das in der Sauce herumschwamm. Die Gesellschaft saß rings um den Tisch, alle waren mit Gabeln bewaffnet und zeigten eine große Geschicklichkeit, die fettsten Stücke zu durchbohren, – so wie die Schiffer die Meerschweine oder unsere Indianer die Salmen in den Seen stießen. Zuweilen war der Tisch mit ungeheuern Aepfeltorten oder Gläsern mit eingemachten Pfirsichen oder Birnen besetzt; aber immer stand eine große Schüssel mit Ballen von süßem Teig, in heißem Fett gebacken und Teignüsse oder Olykoeks genannt, auf dem Tisch – ein köstliches Backwerk, das man in dieser Stadt fast gar nicht mehr kennt, außer bei den echten holländischen Familien.
Der Thee wurde aus einer majestätischen Theekanne aus Delft servirt, die mit Gemälden verziert war, welche kleine fette holländische Schäfer und Schäferinnen neben ihren fressenden Schweinen, und Schiffe in der Luft, Häuser in den Wolken und andere solche holländische Phantasiebilder darstellten. Die Schönen zeichneten sich in der Geschicklichkeit aus, den Theetopf aus einem ungeheuern kupfernen Theekessel zu füllen. Um das Getränk zu süßen, lag ein Klumpen Zucker neben jeder Tasse, und die Gesellschaft sog und leckte mit großem Anstande daran, bis eine gescheute und sparsame alte Dame eine Verbesserung einführte und einen dicken Klumpen mittelst einen Bindfadens von der Decke auf den Theetisch herabhängen ließ, so daß er von Mund zu Mund geschwungen werden konnte, welches bei einigen Familien in Albany und auf allen unsern unbefleckten Dörfern noch jetzt Sitte ist.
Bei diesen ursprünglichen Theeparthieen ging es denn sehr ehrbar zu; kein Gaukeln und Kokettiren, kein Spielchen bei den alten Damen, kein hölzernes Gelächter und kein Geschnatter bei den jungen, kein selbstzufriednes Aufblähen bei den reichen Herrn, die mit dem Kopf immer in der Geldtasche stecken, keine Unterhaltungsspiele und äffische Zeitvertreibe, wie sie unsere modischen jungen Herrn vorschlagen. Da saßen die jungen Damen still auf ihren Binsenstühlen und strickten sich wollne Strümpfe; sie öffneten die Lippen nur, um «yah Mynheer» oder «Yah, yah Vrouw» auf die Fragen zu antworten und sich in allen Dingen wie ehrbare wohlerzogene Jungfrauen zu benehmen. Die Herren rauchten alle in Frieden ihre Pfeifchen und schienen in Betrachtung der blau und weißen, gebrannten Steine verloren, welche die Kamine einfaßten und Darstellungen aus der Bibel enthielten. Wie Tobias und sein Hund, Haman am Galgen, oder Jonas, der lustig aus dem Wallfisch springt, wie der Hanswurst durch ein feuriges Faß.
Die Gesellschaft brach ohne Geräusch und Verwirrung auf. Nach Hause fuhren sie auf Schusters Rappen, außer diejenigen, denen der Reichthum eine Kutsche erlaubte. Die Herren begleiteten die Damen galant nach Hause und nahmen sich an der Thüre den bemeldeten kräftigen Kuß, der damals nichts Arges war, und auch noch, aus Hochachtung für unsere Vorältern, so angesehen werden sollte.
Die Häuslichkeit der Frauen offenbarte sich sogleich an den großen gesteppten und gestickten, buntfarbigen Taschen, an den daneben hängenden Scheeren und Nadelkissen. Sie trugen eine Menge Röcke, sehr kurz, kaum über's Kniee hinab, wahrscheinlich, um ihre schönen blauwollnen Strümpfe mit prächtigen rothen Zwickeln oder einen hübschen Fuß, auf hohem Absatz und mit schönen Silberschnallen, oder wohlgeformte Waden zur Schau zu tragen. So finden wir, daß das schöne Geschlecht zu allen Zeiten denselben Hang offenbart hat, die Gesetze des Decorums etwas zu überschreiten, um verborgene Reize hervorzuziehen oder einer unschuldigen Freude am Putz nachzuhängen.
Je mehr Kleider über einander, desto reicher, desto schöner. Ein recht breites Dämchen mit zwölf Röcken wurde von einem niederländischen Sonettendichter mit einer strahlenden Sonnenblume oder einem strotzenden Kohlkopfe verglichen. Der Reichthum der Damen bestand in den selbstgewirkten Röcken, wie bei den Damen von Kamtschatka und Lappland in den Bärenpelzen oder Rennthierfellen, und die besten Zimmer waren, statt mit Gemälden, mit diesen Röcken und Kleidern behangen.
Die Herren entsprachen diesem Schmuck in vielen und weiten Beinkleidern, einem aus Wollen und Leinen gemachten Rock mit großen Messingknöpfen, alles vielleicht das Werk seiner Hausfrau oder Töchter, die Schuhe mit großen kupfernen Schnallen; ein niedrer breiträndiger Hut überschattete das dicke Gesicht, und das Haar hing in einem merkwürdigen Zopf von einer Aalhaut den Rücken herab.
So ausgestattet, sprang auch der Jüngling muthig daher, um mit der Hirten-Pfeife ein versteinertes Mädchenherz zur Uebergabe zu zwingen – keine Pfeife, wie sie Galatheen zum Preise erklang, sondern ein ächtes Delfter Fabrikat mit duftendem Kraut gestopft. Hiermit setzte er sich entschlossen vor die Festung hin und selten schlug es ihm im Laufe der Zeit fehl, den Feind auf ehrenvolle Bedingungen zur Uebergabe zu rauchen.
Ohne Furcht und Tadel hingen die Liebenden, er mit zehn Beinkleidern, sie mit zwölf Röcken, den unschuldigen Schäckereien untadelhafter Liebe nach. Was konnte auch eine Tugend zu befürchten haben, die von einem Schild guten leinwollnen Zeuches beschirmt war, wie der unbesiegliche Ajax von den sieben Stierhäuten.
O glückliche, nie wiederkehrende Zeit, wo der Buttermilch-Kanal bei niedrem Wasser völlig trocken war, wo es im Hudson von Salmen wimmelte, wo der Mond noch in reinem Silberglanz erschien, statt des melancholischen gelben Lichtes, welches die Folge seines Kränkelns über die Verworfenheiten ist, wovon er jetzt in dieser entarteten Stadt jede Nacht Zeuge seyn muß!