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Vom Krieg und von Kriegsverhandlungen – von dem großen Uebel, welches ein Friedenstractat ist – und wie Peter Stuyvesant von dem Raubgesindel hintergangen wurde und sich aus der Affaire zog.
Der poetische Philosoph Lucretius und nach ihm Hobbes, beschreiben den Krieg als den ursprünglichen Zustand der Menschen, die nicht besser als wilde Thiere gewesen seyen.
Mit Horaz möchte ich jedoch glauben, daß wir allmählig erst mit der Verfeinerung so wüthige Thiere geworden und immer grausamere Marterwerkzeuge erfunden. Zuerst kam der Faustkampf und das Genickbrechen, dann schritt man zu Steinen und Keulen. Noch blutiger ward man durch Schwerter, Speere, Wurfspieße, Helme, Schilder und Kürasse. Der Sturmbock, Scorpion, die Balliste und Katapulte brachten im Alterthum die Vernichtungskunst auf die Spitze, und wir haben ihr mit der Friction bösartiger Mineralien, womit wir Gottes Donner nachmachen und überall hinreichen können, die Krone aufgesetzt.
Und dieses ist warlich groß! Der wüthende Ochs kämpft mit den Hörnern wie seine Vorfahren, der Löwe, Leopard und Tiger vertheidigen sich stets noch mit ihren Tatzen und Krallen, und selbst die pfiffige Schlange braucht noch immer Gift und List als Waffen, wie ihr Ahnherr vor der Sündfluth. Nur der Mensch, vor seinen Mitgeschöpfen mit erfinderischem Verstande begabt, schreitet von Erfindung zu Erfindung und erhöht seine Kraft, um zu zerstören. Er bietet die ganze Schöpfung, zuletzt den Donner auf, um ihm zur Ermordung seines Mitwurms beizustehen.
Aber in gleichem Maße hat die Friedenskunst ihre Segnungen ausgebreitet, und wie es keine tödtlichere Geschosse als Proclamationen gibt, so ist die Erfindung ewiger Negociationen ein Gegengewicht von heilsamer Art geworden.
Diese Negociationen sind indessen keinesweges Ausgleichungen der natürlichen Verhältnisse, sondern es ist die Kunst, zu übervortheilen und zu überlisten, gerade so wie ein gewissenhafter Räuber ein ganz ehrlicher Kerl werden kann, wenn er seinen Nachbar, statt mit Gewalt, mit List aus seinem Eigenthum vertrieben hat.
Während dieß durch feine und höfliche Mittel von beiden Seiten versucht wird, kann nichts der harmlosen, zärtlichen, coquetten Glückseligkeit der streitenden Theile gleichkommen, und man kann mit Wahrheit sagen, daß niemals zwei Nationen sich so gut verstehen, als wenn sich ein kleines Mißverständniß zwischen ihnen erhoben hat, und daß, so lange sie gar nicht mit einander stehen, sie auf dem besten Fuß von der Welt mit einander stehen!
Besonders zu loben ist dabei die Gewohnheit, zur Hinausspinnung der Verhandlungen mehrere Bevollmächtigte zu ernennen; diese erhöhen den harmlosen Verkehr ungemein durch ihre eigne Uneinigkeit, denn es sind eher zwei Liebhaber mit einer Dame, zwei Hunde mit einem Knochen und zwei lumpige Bursche mit einem Paar Beinkleidern zufrieden, als mehrere Gesandte zu einerlei Ansichten zu bringen sind. Es wird hierdurch auch nichts verloren, als Zeit, und bei Negociationen ist bekanntlich alle verlorne Zeit im Grunde als gewonnen zu betrachten – man sieht, welche herrliche Paradoxen in dem Gang der neueren Politik verborgen liegen!
So wie unter Nachbarn, welche Jahre lang in Frieden gelebt haben, ein schriftliches Abkommen über Gränzen oder Wände gewöhnlich die bittersten Streitigkeiten nach sich zieht, so geschieht es auch bei Nationen durch die Kunst der Tractate, welche die sich vertragenden Staaten gleichsam à conteau tiré gegen einander setzen.
Tractate sind nur so lange bindend, als es der Vortheil erheischt, daher eigentlich mehr für den Schwächeren geschrieben, oder ganz aufrichtig gesagt, sie sind überhaupt gar nicht bindend. Keine Nation wird eine andre bekriegen, wenn sie nicht dabei zu gewinnen hofft, wovon sie kein Tractat abhält; nicht allein ist ein solcher mit dem Schwert leicht durchzuhauen, sondern er selbst muß oft den besten Vorwand zu dem Ausbruch der Feindseligkeiten herleihen.
Negociationen gleichen dem Brautstande; sie sind voll Süßigkeit, verliebter Blicke und Liebkosungen – aber die Vermählung (der Tractat nämlich) ist das Signal zu ewigen Feindseligkeiten.
So erging es denn auch unserem Helden mit seinem Friedensschluß; er ward Gegenstand unaufhörlicher Häckeleien mit den Gränzräubern, und ein wahrer Zankapfel zwischen ihm und den Amphictyonen. Aber wie dieß die guten Bürger von Mannahata nicht anfechten konnte, so lassen auch wir sie unberührt. Gleich jenem Spiegel der Ritterlichkeit, dem weisen und kühnen Don Quixote, überlasse ich solche Kleinigkeiten einem künftigen historischen Sancho Pansa, während ich meine Feder für wichtigere Ereignisse spitze.
Der große Peter glaubte nicht anders, als daß seine Anstrengung im Osten hinlänglich gewirkt habe, und ihm jetzt nichts mehr übrig bleibe, als der innerlichen Wohlfahrt seiner geliebten Manhatten zu leben. Obgleich er ein Mann von großer Bescheidenheit war, konnte er doch nicht umhin, von sich zu sagen, daß er endlich den Tempel des Janus geschlossen habe, und wenn alle Herrscher wie eine gewisse Person wären, die der Anstand zu nennen verbiete, derselbe nie mehr geöffnet werden solle. Aber – leider war dieß zu früh gejubelt, denn kaum war die Tinte auf dem Friedenstractat trocken geworden, als auch der listige und unhöfliche Rath des Bundes einen neuen Vorwand suchte, um das Feuer der Zwietracht aufs Neue anzuschüren.
Republikettchen und ähnliche Staatsvereine sind wie zarte Dämchen von delicater, kränkelnder Tugend, die in ewiger Furcht schweben, daß man ihrer jungfräulichen Reinheit zu nahe trete, und gleich, wenn sie nur ein Mann bei der Hand faßt, oder ihnen ins Gesicht sieht, Noth und Verführung schreien. Jede kräftige Maßregel ist solchen Regierungen eine Verletzung der Constitution, jede monarchische oder andre männliche Verfassung legt ihrer Unschuld Fallstricke, und beständig entdeckt man höllische Umtriebe, welche sie verrathen, entehren und an den Pranger stellen.
Nicht anders geht es heute einer gewissen großen Republik; sie hat so manche Anläufe gegen ihre Tugend bestanden und schreit noch immer Mord und Verrath gegen Alt-England, obgleich ich sicher bin, daß der ehrliche alte Herr keine Gewaltthätigkeit gegen sie im Schilde führt. Dagegen habe ich dieselbe Dame mehr denn einmal bei zärtlichem Händedruck und Liebäugeln mit einem Erzverführer – Bonaparte – ertappt, der so manche edle Jungfrau, Respublica genannt, um Ehre und Namen gebracht und andere ähnliche Sünden begangen hat; – aber so ist der Lauf der Welt, solche Libertins machen immer Glück bei den Damen!
Um auf unsere Geschichte zurückzukommen, so klagte die große Union im Osten den unbefleckten Peter an, er habe durch Geschenke und Versprechungen heimlich die Narraganset-, Mohawk- und Pekot-Indianer aufgemuntert, die Niederlassungen der Yankees zu überrumpeln und in ihnen ein Blutbad anzurichten. Sie bedienten sich dabei der kühnen Worte. «die Indianer rings auf mehrere hundert Meilen im Umkreise schienen tief in einen Taumelbecher, bei oder von den Manhatten, gekukt zu haben, der sie zur Wuth entflammt habe gegen die Engländer, die doch in leiblicher wie in geistlicher Hinsicht nur ihr Bestes gewollt hätten.»
Die Geschichte erwähnt nicht, wie man zur Kenntniß dieser Verschwörung kam. Indessen ist es gewiß, daß man mehrere Indianer deßhalb examinirte und betrunken machte, um die Wahrheit zu erfahren.
Ich stamme zwar schon von einer Familie ab, die sich von den hundsföttischen Yankees jener Zeit viel mußte gefallen lassen, aber obgleich sie meinem Urgroßvater ein Gespann Ochsen und seinen besten Renner stahlen, und er aus einem der Gränzkriege ein Paar schwarze Augen und eine blutige Nase heimbrachte, und obgleich mein Großvater, wie er noch als ein kleiner Junge die Schweine hütete, selbst gestohlen und gebackpfeift wurde von einem langbeinigen Schulmeister von Connecticut – so begrabe ich doch gern alle diese Schmach in Vergessenheit, und ich wollte selbst mit Stillschweigen übergangen haben, daß sie den wackern Jacobus Van Curlet und seine Garnison mit Tritten in den H— von dannen gejagt, ja ich wollte schweigen, wenn sie alle Schweine in die Gefangenschaft geführt und alle Hühnersteige auf dem Erdboden ungestraft geplündert hätten, allein dieser muthwillige Angriff auf den ritterlichsten Helden unserer letzten Jahrhunderte, ist zu stark, um verdaut zu werden – er überschreitet die Geduld des Historikers und die Selbstbeherrschung des Holländers.
O Leser, es war falsch, was man ihm schuld gab, es war himmelschreiend falsch. Ich verpfände meine Ehre und meinen unsterblichen Ruhm dafür, daß der ritterliche Peter Stuyvesant seinen Arm, ja selbst sein hölzernes Bein in's Feuer gelegt, ehe er seinen Feind anders als in's Gesicht angegriffen hätte; vermaledeyt seyen die Schurken, die seinen edlen Namen mit solcher Schändlichkeit zu beflecken wagten!
Peter Stuyvesant hatte zwar nie etwas von irrenden Rittern gehört, allein sein Herz war so ritterlich, als irgend eins an König Arthurs Tafelrunde schlug. Die Natur hatte zwar an ihr Meisterstück nicht die letzte Feile gelegt, aber dabei stand Stuyvesant dennoch als ein Wunder aus ihren Händen da. Die Ritterlichkeit, durch keine Bücher eingetrichtert, war ihm von der großen Werkmeisterin selbst eingehaucht und wucherte da unter kühnen Eigenschaften, wie wilde Blüthen zwischen Felsenstücken.
Kaum erreichte die schurkische Beschuldigung die Ohren Peter Stuyvesants, als er auf der Stelle seinen ritterlichen Trompeter und dienenden Cavalier Anton Van Corlear absandte, mit dem Befehl, Tag und Nacht zu reiten und den Amphictyonen als Herold ihre schmählige Anklage gegen einen Christen, einen Ehrenmann und Soldaten, ins Gesicht zu werfen, und zu erklären, daß wer diese Schmach behaupte, in seinen Hals gelogen habe. Er ließ dabei alle, die es gelüste, oder wenigstens ihren mächtigen Kämpfer Alicxsander Rebhuhn zum Zweikampf herausfordern.
Nach gehöriger Ausrichtung der Botschaft, schmetterte Van Corlear mit seiner Trompete den Amphictyonen höhnisch ins Gesicht, besonders dem Hauptmann Rebhuhn, der im Uebermaß des Erstaunens fast aus der Haut gefahren wäre, so fürchterlich war der Nasenklang des wackern Antonius. Dann schwang er sich wieder auf sein hohes mageres flandrisches Roß und trabte lustig nach Manhattan zurück, durch Hartford, Pyguay, Middletown und alle andere Gränzstädte hindurch, stieß in die Trompete wie ein wahrer Satan, daß die Thäler des Connecticut widerhallten, hielt gelegentlich an, um Kürbispasteten zu essen, auf den Kirmessen zu tanzen und mit den scharmanten Mädchen anzubinden, die er mit seinem herzerschütternden Instrument unvergleichlich entzückte.
Dem großen Rathe, der aus bedeutenden Männern bestand, fiel es nicht ein, sich mit einem so hitzigen Helden zu messen – im Gegentheil, sie schickten ihm eine Antwort in den sanftesten und ehrenrührigsten Ausdrücken, worin sie bemerkten, sein Vergehen sey aufs Beste bewiesen durch das Zeugniß verschiedner nüchterner und ehrenwerther Indianer, und sie schlossen mit der Folgerung – «so daß sie sich stets die gehörige Satisfaction und Zicherheit (sic!) ausbitten und suchen würden, worin sie beharrten als ihre aufrichtigsten Freunde und Diener &c.
Die obigen Verhandlungen sind von partheiischen Geschichtschreibern anders erzählt worden; sie sagen, Stuyvesant habe sich eine Commission ausgebeten, um die Thatsache zu untersuchen, als diese aber ernannt worden, gesagt, er könne sich ihrer Untersuchung nicht unterwerfen. In dieser künstlichen Darstellung liegt nur ein Schein der Wahrheit. Allerdings verlangte er eine schiedsrichterliche Entscheidung, aber von einem Ehrengericht, von Pairs – und ich will verdammt seyn, wenn sie ihm etwas anders als zwei hagere hungrige Rabulisten auf eben solchen Pferden schickten, mit Felleisen hintenauf und mit grünledernen Mappen unterm Arm, als ob sie die Gerechtigkeit über Land verfolgen wollten.
Der ritterliche Peter nahm gar keine Notiz von diesen schäbigen Kerls, die sich luxäugig umthaten und einige simple Indianer und alte Weiber mit sonderlichen Kreuz- und Querfragen verblüfften, bis diese sich in Widersprüche verwickelt und ein Paar falsche Eide geschworen hatten. Dann kehrten sie zu dem hohen Rath zurück und schütteten ihre Mappen und Mantelsäcke, gespickt mit albernen Geschichten, vor ihnen aus. Der große Peter achtete diese Thorheiten keinen Tabacksdrücker werth; bei Wilhelm dem Eigensinnigen wären sie warlich dem Flattergalgen nicht entronnen!
Die Amphictyonen waren schon auf dem Punkt, die ganze schwierige Entscheidung aufzuheben, als sich ein blasser schwarzgalliger, ränkespinnender Redner erhob. Durch Verläumdung hatte er sich den Weg zu seinem Ehrensitz gebahnt, als einer von jenen uninteressirten Zeloten, die gern ein Haus anzünden, um ihren Topf dabei sieden zu lassen. Seine Popularität war gesichert, wenn er als ein zweiter Peter Einsiedler unter seinen Landsleuten, den famosesten Wilddieben und Freibeutern des Christenthums (die schottischen Gränz-Edelleute ausgenommen) einen Kreuzzug gegen Peter Stuyvesant und seine fromme Stadt predigte.
Sechs Stunden sprach er, stellte die Niederländer als infame Ketzer dar, die weder an Hexerei, noch an die Wunderkraft des Huflattigs glaubten, ihr Land um Gewinns halber verlassen hätten, nicht wie sie wegen der Gewissensfreiheit, kurz die eine Art Kannibalen und Menschenfresser seyen, da sie Sonnabends nie Kabeljau äßen, das Schweinefleisch ohne Zuckersyrup verschlängen, und endlich die Kürbisse verachteten.
Die Rede machte den gehofften Eindruck; die Mitglieder rieben sich die Augen und erklärten es für geziemend und billig, daß diesen unchristlichen Kürbishassern der Krieg erklärt werde. Nun handelte es sich darum, das Volk vorzubereiten, und es wurde demnach der christliche Text mehrere Sonntage nach einander von der Kanzel geworfen und allen guten mildgesinnten Seelen als unerläßlich empfohlen. Dieses war das erstemal, daß die im Politischen so beliebt gewordene «geistliche Lärmglocke» angeschlagen wurde. Im kirchlichen Rock stecken oft bewunderungswürdige Eigenschaften und Talente. Weltliche und geistliche Dinge sind da so wunderlich gemischt, wie die Gerüche in einer Apotheke, so Gifte als Gegengifte, und statt eine demüthigstimmende Predigt zu hören, muß der Kirchengänger oft ein politisches Pamphlet hinunterschlucken, das einen Zettel mit einem frommen Bibelspruch am Halse trägt.