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Worin der Verfasser mit Hülfe des Mannes im Monde eine große Frage völlig abthut, und damit nicht allein Tausende von Menschen aus großer Verlegenheit reißt, sondern auch dieses einleitende Buch beschließt.
Ein Geschichtschreiber gleicht in gewisser Hinsicht einem abenteuerlichen Ritter, der sich auf seinem ehrenvollen Zuge, wo tausend Gefahren seiner warten, vor keinem Feinde fürchtet, und vor keinem noch so schrecklichen Ereigniß zurückbebt. So gewappnet hebe auch ich mit Entschlossenheit die Feder und gehe mit aller Kraft auf jene herzhaften Fragen und subtilen Paradoxen los, die wie feurige Drachen und blutgierige Riesen das Thor einer Geschichte besetzt halten und mir den Eingang wehren wollen. Und grade jetzt steigt eine riesenhafte Frage auf, die ich sogleich bei'm Bart fassen und darniederwerfen muß, ehe ich auf meinem historischen Grund und Boden einen Schritt weiter thun kann – aber es ist sicher auch der letzte Gegner, der zu bekämpfen ist, und ich werde den Leser dann im nächsten Buche im Triumph mitten in's Werk, medias in res, versetzen.
Die Frage, welche sich so mit einem Male erhoben, ist die: Welches Recht hatten die ersten Entdecker von Amerika, von einem Lande Besitz zu nehmen, ohne die Bewohner um Erlaubniß zu fragen oder sie für den Verlust zu entschädigen? – ein Punkt, der äußerst wichtig, und für viele zarte Gewissen höchst beunruhigend ist.
Die erste Quelle des Rechtes, wodurch Eigenthum in einem Lande erworben wird, ist die Entdeckung. Alle Menschen haben ein gleiches Recht auf Dinge, die zuvor Niemanden angehörten, und so auch die Nationen, wie Grotius, Puffendorf und Vattel lehren.
Dieses zugegeben, folgt klar, daß die Europäer, welche Amerika zuerst besuchten, die wahren Entdecker waren. Um dieses Recht festzustellen, bedarf es nur des einfachen Beweises, daß es von Menschen völlig unbewohnt war. Dieses möchte anfangs etwas schwierig erscheinen, denn es ist sehr bekannt, daß dieser Welttheil von gewissen zweibeinigen, aufrecht einhergehenden Thieren wimmelte, die etwas von den menschlichen Zügen hatten, unverständliche Töne ausstießen, welche sehr einer Sprache glichen, kurz die eine merkwürdige Aehnlichkeit mit den Menschen hatten. Aber die eifrigen erleuchteten Väter, welche die Entdecker begleiteten, um das Reich des Himmels zu erweitern, indem sie Klöster und Bisthümer auf Erden gründeten, klärten die Christen über diesen Punkt, zum großen Wohlgefallen ihrer Oberen und aller christlichen Reisenden, in Kurzem auf.
Sie bewiesen, daß diese zweibeinigen Thiere Menschenfresser, Ungeheuer, ja Riesen seyen; daß sie eine unbesiegliche Unempfindlichkeit gegen die Eindrücke der Cultur besäßen; daß sie keine Bärte hätten; daß sie kupferfarbig, das heißt, grade so wie die Neger seyen, die Neger aber seyen schwarz, und «schwarz», sagten die frommen Väter, indem sie sich andächtig bekreuzten, «schwarz ist die Farbe des Teufels;» – endlich, sagte man, bewohnten sie wie die wilden Thiere die Wälder. – Nach alle diesem müßten die zweibeinigen Thiere unterjocht oder ausgerottet werden.
Ein zweites Recht ist das der Anbauung. Vattel lehrt, daß jede Nation verpflichtet sey, den ihr zugefallenen Grund und Boden zu bebauen. Wer aber, wie die alten Deutschen und die neuern Tartaren, ein fruchtbares Land nicht bauen wolle, und lieber vom Raube lebe, « müsse wie ein wildes und gefährliches Thier ausgerottet werden.»
Da dies die Indianer trifft, da sie unnütze Knechte waren, die nicht arbeiten wollten, sondern umherschweiften, und nahmen, wo sie etwas bekamen, so mußten sie natürlich ausgerottet werden. Daß sie so wenig Bedürfnisse hatten, bewies grade ihre Rohheit, denn erst die Menge und Größe der Bedürfnisse macht den Menschen – sie waren also unvernünftiges Vieh. Aber kaum sahen die wohlwollenden Bewohner von Europa ihre traurige Lage, als sie ihnen hülfreich beisprangen. Sie machten sie mit Rum, Branntwein, Fusel und anderen Tröstungen des Lebens bekannt, und es ist erstaunlich, wie schnell die armen Wilden diese Segnungen schätzen lernten. Sie machten sie auch mit Heilmitteln gegen die hartnäckigsten Krankheiten bekannt, und um ihnen diese Wohlthaten recht angedeihen zu lassen, führten sie erst jene schweren Krankheiten ein. Durch diese und andre Dinge wurde der Zustand der armen Wilden unendlich verbessert, und da derjenige die meisten Quellen des Glückes besitzt, der recht viele Bedürfnisse befriedigen kann, so waren auch sie nun viel glücklichere Wesen. Aber der wichtigste Zweig der Civilisation, ein Recht, welches die ehrwürdigen Väter der Kirche am höchsten zu erheben gewußt haben, war die Bekehrung zum Christenthum. Zwar hatten sie zuvor weder gestohlen, noch veruntreut, sie waren sanft, mäßig, enthaltsam und hielten ihr Wort, aber das war alles nur aus Gewohnheit, nicht nach Vorschrift. Daher bedienten sich die Ankömmlinge aller möglichen Mittel, um ihnen die wahre Religion nach Vorschriften einzuprägen, aller – nur nicht desjenigen, daß sie ihnen selbst ein Beispiel gaben. Sie ließen ganze Schaaren feuriger Mönche und wüthender Bluthunde auf sie los, reinigten sie mit Feuer und Schwerd, mit Pfahl und Holzstoß, und in Folge dieser Bekehrungsmittel nahm die christliche Liebe und Zärtlichkeit so überhand, daß in wenig Jahren kaum der fünfte Theil der Ungläubigen mehr in Südamerika existirte. Mit Recht schrieb ein ehrwürdiger spanischer Pater an seinen Oberen folgende Worte nach Hause: «Kann irgend Jemand anders sagen, als daß diese wilden Heiden ihren Wohlthätern nur geringe Vergeltung gegeben haben, indem sie ihnen ein erbärmliches, kleines Stück dieses schmutzigen Planeten für ein glorreiches Erbe im Königreich des Himmels abtraten!»
Dieses bringt mich denn auf ein viertes Recht, welches alle anderen überwiegt. Denn nachdem die Urbewohner alle getödtet und begraben worden, und niemand mehr vorhanden war, der den Spaniern ihre Ansprüche auf das Land streitig machen konnte, so waren sie in der glücklichen Lage des Henkers, der die Kleider des Delinquenten erhält. Da sie nun Blackstone und alle gelehrte Commentatoren der Gesetze auf ihrer Seite haben, die alle Klagen auf Besitz-Entsetzung zu nichte machen, so mag denn diese letzte Befugniß das Recht der Vertilgung oder das Recht des Schießpulvers genannt werden.
Weil jedoch Gründe keinen rechten Eingang finden, wenn wir egoistische Sterbliche sie nicht in Beispielen an uns selbst klar gemacht erhalten, so will ich einen ganz gleichen Fall erzählen, um meinen Lesern recht einleuchtend zu seyn.
Laßt uns annehmen, die Bewohner des Mondes hätten durch bewundernswerthe Fortschritte in den Wissenschaften und durch tiefe Einsichten in jene Mondphilosophie, wovon die bloßen Flitterchen in letzter Zeit die schwachen Gesichtsnerven unserer Erdbewohner geblendet und ihr mattes Gehirn wirblich gemacht – sie hätten, sage ich, durch diese Mittel eine solche Energie und eine so beneidenswerthe Vervollkommnung erreicht, daß sie über die Elemente Herr geworden und die endlosen Regionen des Himmels zu durchschiffen im Stande wären, welches letztere sich ja grade so verhält, wie unser Fahren in Luftschiffen an den Grenzen unserer Atmosphäre zu der unvollkommnen Uferschifffahrt der Wilden mit Canots. Laßt uns nun annehmen, eine umherschweifende Schaar solcher hochfliegenden Philosophen, mit höherer Weisheit, mit höheren Kenntnissen im Vertilgungskampfe ausgerüstet, sey im Laufe einer Entdeckungsreise unter den Sternen auch auf diesem ausländischen Planeten angekommen. Sie sitzen auf Hippogryphen, sind mit undurchdringlichen Rüstungen angethan und mit verdichteten Sonnenstrahlen bewaffnet, haben überdem ungeheure Geschützstücke bei sich, aus denen sie große Mondsteine schießen, kurz uns eben so überlegen, wie wir damals den Indianern. Alles das ist sehr möglich; es ist nur unsere Selbstgenügsamkeit, die uns anders denken lehrt, und ich bin gewiß, die armen Wilden waren, bevor sie die weißen Männer in glänzendem Stahl und mit dem schrecklichen Donnergeschütz kennen lernten, eben so überzeugt, daß sie die weisesten, mächtigsten und vollkommensten Geschöpfe seyen, wie gegenwärtig die hochgebietenden Bewohner von England, die luftige Bevölkerung von Frankreich und selbst die in sich zufriedenen Bürger dieser erleuchteten Republik.
Laßt uns ferner annehmen, daß diese Luftschiffer von unserm Planeten, in dem sie eine heulende Wildniß finden, die nur von uns wilden und unbändigen Thieren bewohnt ist, im Namen Seiner allergnädigsten und allerweisesten Excellenz, dem Mann im Monde, feierlich Besitz nehmen. Da sie sich jedoch an Zahl zu klein sehen, um diese wilden Barbaren im Zaum zu halten, so nehmen sie unsern würdigen Präsidenten, den König von England, den Kaiser von Hayti, den mächtigen Bonaparte und den großen König von Bantam gefangen und bringen sie mit zurück nach ihrem Planeten, an den Hof ihres Gebieters, wie die indianischen Häuptlinge an den Höfen von Europa paradirten.
Während sie alle Reverenzen und Bücklinge schneiden, welche die Hofetikette fordert, werden sie den mächtigen Mann im Mond ungefähr in folgenden Sätzen anreden:
«Allererleuchtetster und großmächtigster Gebieter, dessen Reiche sich ausdehnen, so weit das Auge schweift, der auf dem großen Bären reitet, sich der Sonne als seines Spiegels bedient und ungefährdet seinen Scepter schwingt über Ebben und Fluthen, über Verrückte und Seekrabben. Wir, deine getreue Unterthanen, sind soeben von einer Entdeckungsreise heimgekehrt, in deren Laufe wir auf jenem kleinen, dunklen, schmutzigen Planeten, den du dort siehst, angekommen sind und von ihm Besitz genommen haben. Die fünf ungeschlachten Ungeheuer, die wir hier vor dein hoheitliches Antlitz stellen, waren einst bedeutende Häuptlinge ihrer wilden Brüder, eines Geschlechtes, dem die Attribute der Menschheit fremd sind, und die in allen Stücken von den Bewohnern des Mondes abweichen, indem sie die Köpfe auf den Schultern tragen statt unter den Armen, zwei Augen statt eines haben, von Schweifen gänzlich entblößt sind, und eine Menge unscheinbarer Gesichter führen, besonders fürchterlich weiße – statt des menschlichen Erbsengrün.»
«Wir haben ferner diese erbärmlichen Wilden in einem Zustand äußerster Unwissenheit und Verdammniß angetroffen, indem jeder ohne sich zu schämen mit seinem eignen Weibe lebt und seine eignen Kinder aufzieht, statt sich der durch die Natur gebotenen Gemeinschaft der Weiber zu erfreuen, wozu uns unsere Mondsphilosophie emporgehoben hat. Kurz, sie haben kaum einen schwachen Schimmer wahrer Weisheit und sind in der That schreckliche Ketzer, Ignoramus und Barbaren. Da wir nun mit der betrübten Lage dieser sublunarischen Jammerwesen Mitleid fühlten, so versuchten wir es bei dem Aufenthalt auf ihrem Planeten, das Licht der Vernunft und die Tröstungen des Mondes unter ihnen einzuführen. Wir haben sie mit Mondschein und mit Schlückchen vom besten Stickgas bewirthet, welches sie mit unglaublicher Gier verschlangen, besonders die Weiber; auch haben wir versucht, ihnen die Vorschriften der Mondsphilosophie einzuflößen. Wir haben sie nöthigen wollen, die verächtlichen Ketten der Religion und des sogenannten gesunden Menschenverstandes abzuschütteln und die tiefe, allmächtige und allgenügende Energie, und die extatische, unwandelbare, unbewegliche Vervollkommnung anzubeten. Aber so unsäglich hartnäckig waren diese verwünschten Wilden, daß sie immer ihren Weibern anhingen, ihre Religion vertheidigten und die erhabenen Lehren des Mondes für gar Nichts achteten; ja, unter andern Ketzereien und Gotteslästerungen gingen die Verruchten so weit, daß sie erklärten, dieser unaussprechliche Planet sey nichts mehr und nichts weniger als ein grüner Käse!»
Bei diesen Worten wird der große Mann im Monde (der ein tiefdenkender Philosoph ist) in heftigen Zorn gerathen und mit seiner erhabenen Autorität über Dinge, die ihn nichts angehen, sogleich eine fürchterliche Bulle erlassen, des Inhalts:
«Nachdem eine Schaar von Mondbürgern kürzlich einen neuentdeckten Planeten besucht und in Besitz genommen, und nachdem sich ergeben, daß dieser Stern von einem Geschlecht zweibeiniger Thiere bewohnt ist, welche die Köpfe auf den Schultern statt unterm Arme tragen, zweiäugig sind, die Mondsprache nicht sprechen, und statt erbsengrün fürchterlich weiß aussehen; so haben Wir selbige Geschöpfe aus diesen und vielen andern Ursachen unfähig erfunden, irgend ein Eigenthum auf dem Planeten, welchen sie plagen, zu besitzen, und bestätigen hiermit die ersten Entdecker in ihren Rechten und Ansprüchen. Von nun an aber sollen diejenigen Colonisten, welche nach dem genannten Planeten abgehen, autorisirt und angewiesen seyn, alle Mittel anzuwenden, um diese ungläubigen Wilden aus der Nacht des Christenthums zu bekehren und sie durchaus und unbedingt mondsüchtig zu machen.»
Zufolge dieser mildgesinnten Bulle gehen nun unsere philosophischen Wohlthäter mit großem Eifer zu Werke. Sie bemächtigen sich unserer fetten Länder, peitschen uns aus unserem rechtmäßigen Eigenthum, erlösen uns von unsern Weibern, und wenn wir unklug genug sind, uns darüber zu beklagen, so wenden sie sich gegen uns mit den Worten: Miserable wilde Schlucker! undankbares Packvolk! Sind wir nicht Tausende von Meilen zu euch gefahren, um eueren unwürdigen Planeten zu beglücken? Haben wir euch nicht mit Mondschein gefüttert und mit Stickstoff berauscht gemacht; spendet euch unser Mond nicht jede Nacht sein Licht, und seyd ihr so niederträchtig, zu murren, wo wir demüthigen Dank für so große Wohlthaten erwarten? Wenn sie aber finden, daß wir nicht allein in der unbedingten Verachtung ihrer Vernunftgründe beharren und an ihre Philosophie nicht glauben wollen, ja selbst so weit gehen, daß wir es wagen, unser Eigenthum zu vertheidigen, so wird ihre Geduld das Maaß überstiegen haben, und sie werden zu stärkeren Argumenten ihre Zuflucht nehmen, uns mit Hippogryphen hetzen, uns verdichtete Sonnenstrahlen durch den Leib jagen, unsere Städte mit Mondsteinen in Grund und Boden schießen, und endlich, wenn wir uns, der Uebermacht uns beugend, zum wahren Glauben bekennen, werden sie uns gnädigst erlauben, in den brennenden Wüsten Arabiens oder in den Eisregionen Lapplands zu wohnen und uns dort der Segnungen der Civilisation und der Mondsphilosophie zu erfreuen, gerade so, wie den veredelten und erleuchteten Wilden unseres Landes gütig verstattet ist, die unwirthlichen Wälder des Nordens und die undurchdringlichen Dickichte des Südens von Amerika zu bewohnen.
So ist, wie ich hoffe, das Recht der Besitznahme Amerika's durch die ersten Ansiedler klar bewiesen und gerechtfertigt; und nachdem ich nun ritterlich alle Hindernisse besiegt und alle Einwürfe entkräftet habe, kann ich meine Leser sogleich in die lang belagerte Stadt einführen. – Doch Halt! ehe ich einen Schritt weiter thue, muß ich erst stillstehen und Athem schöpfen, mich zu verschnaufen von der furchtbaren Anstrengung, diese zuverlässige Geschichte vorbereitet zu haben. Ich folge hierin dem Beispiel eines berühmten holländischen Tummlers des Alterthums, der einen Anlauf von dreiviertel Stunden nahm, um über einen Hügel zu springen. Weil er, als er den Fuß der Anhöhe erreichte, außer Athem war, so setzte er sich ein Paar Augenblicke hin, um sich zu verschnaufen und führte dann mit aller Bequemlichkeit seinen Coup aus.