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Erster Theil der Regierung Peter Stuyvesants und seine Händel mit den Amphictyonen.
Erster Theil der Regierung Peter Stuyvesants und seine Händel mit den Amphictyonen.
Für einen tiefdenkenden Philosophen, wie ich bin, muß es eine Kleinigkeit seyn, zu wissen, was andre mit ihren Blicken nicht halbwegs durchdringen, daß nichts klarer und ausgemachter seyn kann, als daß der Tod eines großen Mannes etwas ganz Unerhebliches ist. Schon Plinius verglich auf diese Art die Welt mit einer wechselnden Schaubühne. Weise folgen den Weisen auf den Fersen nach; so wie ein Held von seinem Siegskarrn fällt, steigt ein andrer hinauf, und von dem stolzesten Potentaten heißt es immer nur: er ging zu seinen Vätern und sein Nachfolger regierte an seiner Statt.
Ich wette zehn gegen eins, daß wenigstens gar keine Thränen vergossen wurden, wo es von dem Verlust eines großen Mannes heißt, er habe die ganze Nation in Thränen versenkt, und daß höchstens die armselige Feder eines hungrigen Autors ihre schwarzen Thränen geweint hat. Der Geschichtschreiber, der Biograph, der Dichter, diese Leute sind es, welche die Bürde des Jammerns auf sich nehmen – gütige Seelen! – die wie die Leichenbesorger in England das ganze Leid auf sich nehmen – die ein Volk mit Seufzern aufblasen, die es nie gehabt, und mit Thränen überschwemmen, die ihm nie zu vergießen einfielen. Während dieser patriotische Schriftsteller weint und heult, in Prosa, Versen und Reimen, und die Thränen der allgemeinen Trauer in sein Buch einsammelt, wie in ein Thränenglas, ist es mehr als wahrscheinlich, daß seine Mitbürger essen und trinken, fiedeln und tanzen, indem sie gar nichts von dem in ihrem Namen erhobenen Jammer wissen.
Die ruhmwürdigsten Helden, welche je Nationen vernichtet haben, könnten unter dem Schutt ihrer Monumente unbekannt vermodern, wenn nicht der Geschichtschreiber sie unter seine Protection nähme und der Nachwelt ihre Namen überlieferte – und wieviel auch der ritterliche William Kieft trieb, lärmte und tummelte, während das Schicksal einer ganzen Colonie in seinen Händen lag, darf ich doch fragen, ob er nicht dieser authentischen Geschichte seinen ganzen Ruhm verdankt.
Sein Ende verursachte keine Bewegung in der Stadt Neu-Amsterdam oder deren Umgebung; die Erde erzitterte nicht, noch schossen die Sterne aus ihren Kreisen – der Himmel war nicht schwarz verhüllt, wie die Poeten es bei den letzten Momenten eines sterbenden Helden weißmachen wollen – die Felsen (diese hartherzigen Schurken!) zerschmolzen nicht in Thränen, und auch die Bäume ließen nicht die Köpfe in stummer Trauer hängen; und was die Sonne betrifft, so lag diese in der folgenden Nacht eben so lang zu Bett und machte grade dasselbe Gesicht, als sie aufstand, wie sonst. Das gute Völkchen von Neu-Amsterdam erklärte ein für allemal, daß er ein sehr emsiger, thätiger, aufbrausender, kleiner Gouverneur gewesen, «der Vater seines Landes» – «das edelste Werk Gottes» – «ein Mann, wie man, kurz gesagt, keinen mehr finden wird» – diese und andre freundliche Redensarten gab es, wie man sie gewöhnlich bei dem Tode eines großen Mannes hört, und dann rauchten sie ihre Pfeifen, dachten nicht weiter an ihn, und Peter Stuyvesant regierte an seiner Statt.
Peter Stuyvesant war der letzte und wie der berühmte Wouter Van Twiller auch der beste unserer alten holländischen Gouverneure; Wouter übertraf nämlich alle seine Vorgänger und Pieter oder Piet, wie die alten holländischen Bürger ihn vertraulicherweise nannten, alle seine Nachfolger. Er wäre der Trost seiner unglücklichen Provinz geworden, wenn nicht die Schicksalsschwestern, diese mächtigsten und unbarmherzigsten Spinnerinnen des Alterthums, ihn zu unentwirrbarer Confusion bestimmt hätten.
Ihn bloß einen Helden zu nennen, wäre eine große Ungerechtigkeit – er war in der That ein Verein von Helden, denn er hatte derbe lange Knochen wie Ajax Telamonius, runde Schultern, um welche Hercules seine Haut gegeben haben würde (nämlich seine Löwenhaut), als er dem alten Atlas die Himmelslast abnahm. Außerdem war er, wie Plutarch den Coriolan schildert, nicht allein schrecklich durch die Stärke seines Arms, sondern auch durch die Kraft seiner Stimme, welche einen Ton gab, wie aus einem hohlen Faß, und wie derselbe Krieger, nährte er eine souveraine Verachtung gegen das souveraine Volk, und hatte eine eiserne Miene, welche seinen Feinden die Eingeweide im Leibe zittern machte. Die ganze köstliche martialische Erscheinung wurde durch eine zufällige Auszeichnung vollendet, welche, wie mich in der That wundert, weder Homer noch Virgil bei einem ihrer Helden benutzt haben. Es war nichts mehr und nichts weniger als ein hölzernes Bein, welches der einzige Lohn war, den er aus den Schlachten davontrug, worauf er aber so stolz war, daß er oftmals sagte, er schlage es höher an, als alle seine übrigen Glieder zusammen; er ehrte es so hoch, daß er es mit Silber einfaßte, welches zu der Sage Anlaß gab, es sey ganz von Silber gewesen.
Wie der cholerische Krieger Achilles, war er augenblicklichen Ausbrüchen von Leidenschaft unterworfen, welche seinen Dienern und Lieblingen oftmals nicht sehr angenehm waren, indem er ihrem Begriffsvermögen auf die Art seines berühmten Nachahmers, Peters des Großen, zu Hülfe kam, daß er nämlich ihre Schultern mit seinem Spazierstock salbte.
Obgleich ich nicht finden kann, daß er Plato, Aristoteles, Baco, Hobbes, Algernon Sidney und Tom Paine gelesen, so offenbarte er doch zuweilen einen Scharfsinn und feinen Blick, die man kaum von einem Mann erwarten sollte, der kein Griechisch verstand und die Alten nicht studiert hatte. Wahr ist es, und ich muß es mit Bekümmerniß gestehen, daß er einen unvernünftigen Widerwillen gegen Experimente hatte und seine Provinz gern auf die einfachste Art regierte – dann aber sorgte er, daß sie in besserer Ordnung gehalten wurde als durch den gelehrten Kieft, den alle Philosophen alter und neuer Zeit unterstützten und verwirrten. Er machte wenig Gesetze, sorgte aber dafür, daß diese wenigen streng und unpartheiisch gehandhabt wurden, und die Gerechtigkeit ging eben so gut ihren Gang, als ob ganze Stöße weiser Verordnungen und Statute jährlich erschienen und täglich überschritten oder vergessen worden wären.
Ganz das Gegentheil seiner Vorgänger, war er weder still und träge wie Walter der Zweifler, noch unruhig und ängstlich wie Wilhelm der Eigensinnige; er besaß eine so ungewöhnliche Thätigkeit und Entschlossenheit des Geistes, daß er nie den Rath Anderer suchte oder annahm, sich wie ein Held der alten Zeiten auf seinen Arm, sich auf seinen Kopf verlassend, um durch alle Schwierigkeiten und Gefahren zu dringen. Die Wahrheit offen zu gestehen, so ging ihm zu einem vollkommenen Staatsmann nichts ab, als daß er immer richtig dachte, denn Niemand kann läugnen, daß er stets handelte, wie er dachte, und wenn es auch an der Richtigkeit des Gedankens mangelte, so ersetzte er diese mit Beharrlichkeit – eine herrliche Eigenschaft, die den Herrschern im Irren weit besser ansteht, als Schwanken und Inconsequenz, indem man das Richtige sucht. So genügte er wenigstens sich selber, anstatt daß er es vielleicht Niemandem hätte recht machen können. Die Uhr, welche stillsteht und mit den Zeigern unverrückt auf einen Punkt hinweis't, trifft in vierundzwanzig Stunden bestimmt zweimal das Rechte, – während die anderen Uhren beständig irren können.
Diese hochherzige Eigenschaft entging auch nicht der Unterscheidungskraft des guten Volkes der Neuen Niederlande; im Gegentheil gewannen sie eine so hohe Meinung von dem selbstständigen Geiste und kräftigen Verstande ihres neuen Gouverneurs, daß sie ihn allgemein «Hardkoppig Piet» oder Peter den Starrköpfigen nannten – ein großes Compliment für die Fassungskraft dieses Mannes.
Wenn du, würdiger Leser, nach allem dem Gesagten, nicht findest, daß Peter Stuyvesant ein zäher, derber, ritterlicher, verwetterter, kampflustiger, hartnäckiger, lederfester, löwenherziger, edelgesinnter alter Gouverneur war, so habe ich entweder unnützes Zeug geschrieben oder du bist sehr träge, folgerechte Schlüsse zu ziehen.
Dieser höchst vortreffliche Gouverneur, dessen Charakter ich so eben in Umrissen anzugeben versuchte, fing seine Regierung am 29. Mai 1647, an einem merkwürdig stürmischen Tage, an, den alle Kalender damaliger Zeit, die bis zu uns herabgekommen sind, als den «windigen Freitag» bezeichnen. Da er auf seine persönliche und Dienst-Würde sehr eifersüchtig war, so empfing man ihn mit großen Ceremonien. Für solche Gelegenheiten hatte man den stattlichen eichenen Sessel Walters des Zweiflers sorgfältig geschont, so ungefähr wie der Sitz und Stein zu Schone in Schottland für die Krönung der caledonischen Herrscher ehrfurchtsvoll bewahrt wurde.
Ich darf nicht zu erwähnen vergessen, daß die aufrührerische Gestalt der Elemente und der Umstand, daß es an jenem Unheilstage war, den man den «Tag des Aufknüpfens» nennt, tiefes Nachdenken und sehr ernsthafte Besorgnisse unter den älteren und erleuchteteren Bewohnern erweckte. Wer sich auf Astrologie und Wahrsagerei verstand, verkündete ohne Weiteres eine unglückliche Regierung – was sich leider bestätigte, aber aufs Glänzendste jene schon im Alterthum verehrte übernatürliche Weisheit rechtfertigt, die aus Träumen und Gesichten Vögelflug, Steineregen und Gänsegackern Gewißheit entnimmt, wozu noch die in unsern Tagen entdeckten wichtigen Vorboten: Sternfallen, Mondfinsternisse, Hundegeheul, Lichterflackern, hinzukommen. Soviel ist gewiß, daß der Gouverneur Stuyvesant in einer turbulenten Periode den Regentensitz bestieg, wo Feinde von Aussen drohten und drängten, Anarchie und bockbeinige Opposition im Innern ihr Unwesen trieben, und das Ansehen Ihrer Hochmögenden, der Herren Generalstaaten, obwohl auf das breite holländische Fundament friedlicher Ohnmacht begründet, obwohl von Sparsamkeit unterstützt und durch Reden, Protestationen und Proclamationen aufrecht gehalten, doch im Innersten erzitterte: – so glich die große Stadt Neu-Amsterdam, durch Flaggen, Trompeter und Windmühlen vertheidigt, einer schönen Dame von leichten Grundsätzen, die jedem Angriff zugänglich und gefaßt ist, sich dem ersten besten ungestümen Bewerber zu ergeben.