Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Siebentes Kapitel.

Verfasser und Leser ruhen nach der Schlacht aus und gerathen in eine ernsthafte Betrachtung – wonach erzählt wird, wie Peter Stuyvesant sich auf seinen Sieg benommen.

Dem heiligen Nicolaus sey Dank! wir haben die schreckliche Schlacht glücklich beendigt: laß uns niedersitzen, edler Leser, und uns abkühlen, denn ich bin in einem schrecklichen Schweiß und Aufruhr. – Warlich, es ist keine Kleinigkeit, so eine Schlacht, und wenn die großen Helden wüßten, welche Unruhe sie ihren Geschichtschreibern machen, sie könnten es nicht über's Herz bringen, so fürchterliche Dinge zu vollführen. Aber mich däucht, ich höre meinen Leser klagen, daß in der ganzen gewaltigen Schlacht kein einziger erschlagen, nicht einmal einer verstümmelt wurde, den unglücklichen Schweden ausgenommen, dem das scharfe Schwerd Peter Stuyvesants den Schweif abhieb – welches alles doch gegen alle Wahrscheinlichkeit verstößt.

Ich weiß es selbst nicht, wie es zugeht, allein es muß die große Bescheidenheit unserer Vorfahren gewesen seyn, da in allen Quellen von Blutvergießen nirgends etwas vorkömmt; und es thut mir leid, die Leser ganz umsonst blutdürstig gemacht zu haben, wie es bei einer Hinrichtung geschieht, wo dem Delinquenten das Leben geschenkt wird.

Da ich über kein einziges Menschenleben disponiren konnte, so mußte ich mir eben mit Tritten, Knüffen, Rippenstößen und ähnlichen ignobeln Wunden helfen, so gut ich konnte, und dabei sah ich mich denn ungefähr in derselben Verlegenheit wie Milton, der bei den Schlachten der Unsterblichen den Ausgang vom Anfang nur wenig verschieden machen konnte, da er seinen Geistern nicht einmal eine leibliche Wunde beibringen konnte.

Es hat mich allemal nicht wenig Ueberwindung gekostet, meine Helden in der besten Arbeit abzuhalten, ihre Gegner niederzuschmettern, aufzuschlitzen oder ein halbes Dutzend wie einen Spieß Lerchen auf die Klinge zu nehmen. Wenn Homer so manchen armen Teufel auf dem Gewissen hat, der nur, um den Vers voll und wohltönend zu machen, ins Gras beißen mußte, so recke ich dagegen, bei größrer Versuchung und Enthaltsamkeit, die reinen Hände der Welt und allen Kritikern entgegen!

Ich will, bei ernster Betrachtung der Ereignisse, nur an den Tropfen Tinte erinnern, der in der Feder zitternd, eben so gut als Flecken vergossen werden konnte: – an sich ohne Werth, hat er in meiner Geschichte einem Helden Unsterblichkeit gegeben! Nicht Anmaßung sehe der Leser in diesen Worten. Ach, was ist der unsterbliche Ruhm – ein beschmiertes Blatt Papier – ach, wie demüthigend ist der Gedanke – daß der Ruhm eines so großen Mannes wie Peter Stuyvesant von der Feder eines so kleinen Mannes wie Dietrich Knickerbocker abhängen soll! Laß uns weinen, daß irdische Größe, so räthselhaft, in so eitles Nichts, wie unbesungener Ruhm, zerfließen kann!

Und nun, theurer Leser, nachdem wir die Mühseligkeiten und Gefahren des Schlachtfeldes bestanden, wollen wir auf den Schauplatz zurück eilen und die Folgen des glorreichen Sieges betrachten. Da das Fort Christina der Hauptsitz der Colonie Neu-Schweden und gewissermaßen der Schlüssel derselben war, so folgte schnell die Unterjochung der ganzen Provinz. Nicht wenig trug dazu das großmüthige und milde Benehmen des ritterlichen Peter bei. Schrecklich in der Schlacht, war er nach dem Siege edel, gnädig und menschlich gesinnt. Er prahlte nicht über seine Feinde, noch verbitterte er die Niederlage durch ungroßmüthiges Höhnen, und wie jener Spiegel ächter Rittertugend, der weltberühmte Paladin Orlando, war er immer begieriger, große Thaten zu thun, als, nachdem sie geschehen, davon zu reden. Er ließ Niemanden sterben, sengte und brannte nicht, ließ das Eigenthum der Besiegten nicht verwüsten, und gab sogar einmal einem seiner tapfersten Offiziere einen nachdrücklichen Verweis mit dem Spazierstock, als man ihn bei der Plünderung eines Hühnerhauses ertappte.

Mit gleicher Großmuth erließ er Proclamationen und Aufforderungen, sich der Gewalt Ihrer Hochmögenden zu unterwerfen; mit großer Milde verkündete er: wer sich dem Gehorsam entziehe, solle auf Staatskosten logirt werden, nicht allein in ein sicheres Schloß, sondern auch durch Schildwachen für seine Person gesichert. In Folge dessen leisteten dreißig Schweden den Eid der Treue und durften dafür an den Ufern des Delaware bleiben, wo ihre Nachkommen noch bis auf den heutigen Tag leben.

Die ganze Provinz Neu-Schweden wurde in eine Colonie Namens South-River verwandelt und unter einen Stellvertreter des Gouverneurs gesetzt, welcher der Regierung von Neu-Amsterdam untergeben war. Dieser Großwürdenträger hieß Mynheer Wilhelmus Beekman oder vielmehr Beckman, der wie Ovidius Naso von seiner ungeheuren Nase den Namen hatte, die wie der Schnabel eines Papagaien gestaltet war. Er wurde der große Stammvater des Beckmans, einer der ältesten und ehrenwerthesten Familien der Provinz, die dankbar den Ursprung ihrer Würde in erstaunlich langen Nasen verewigen, die sie mitten im Gesicht tragen.

Die gefährliche Unternehmung ward glücklich beendigt und nur zwei Personen verloren dabei das Leben – Wolfert Van Horne, ein langer dünner Mann, der durch die Segelstange einer Schaluppe bei einem starken Wind über Bord geworfen wurde, und der fette Brom Van Bummel, der plötzlich an einer Indigestion verschied; beide wurden als solche, die im Dienste des Vaterlandes gefallen seyen, den Unsterblichen zugezählt. Zwar verlor Peter Stuyvesant eines seiner Glieder, indem ihm bei dem Sturme des Forts das Bein zerschmettert wurde, allein es war zum Glück sein hölzernes und dem Schaden schnell abzuhelfen.

Und nun bleibt mir für diesen Zweig meiner Geschichte nur noch zu bemerken, daß der unbefleckte Held und sein siegreiches Heer fröhlich nach Manhattan zurückkehrten, daß sie einen feierlichen Triumphzug hielten, mit dem gefangenen Rising und den Ueberresten seines geschlagenen Heeres, welches bockbeinig den Gehorsam verweigert hatte; es scheint, der gigantische Schwede war nur in eine Ohnmacht gefallen, von welcher er sich durch einen herzhaften Nasenstüber schnell wieder erholte.

Diese gefangenen Herren wurden dem Versprechen gemäß auf öffentliche Kosten einquartiert, in ein schönes geräumiges Schloß; es war das Staatsgefängniß, von welchem Stoffel Brinkerhoff, der unsterbliche Eroberer der Austernbai, erblicher Gouverneur wurde, und welches noch steht.

Es war ein glückseliger Anblick, die Wiedervereinigung der Neu-Amsterdamer wahrzunehmen. Wie drängten sich die alten Weiber um Anton Van Corlear, der die ganze Campagne haarklein erzählte, und nur darin von der Wahrheit abwich, daß er sich alle Siege zuschrieb, besonders den über den stolzen Rising, da ihn sein Fläschchen getroffen hatte.

Die Schulmeister in der ganzen Stadt gaben ihren Kindern Feiertag – sie folgten schaarenweise den Trommeln, mit papiernen Mützen gekrönt, und mit Stöcken durch die Hosen gezogen. Der tolle Pöbel folgte dem Peter Stuyvesant auf den Fersen, wohin er ging, warf die schmierigen Hüte in die Höhe und rief unaufhörlich sein «Vivat hardkoppig Piet!»

Es war in der That ein Tag der Lust und Wonne. Auf dem Stadthaus wurde den Siegern zu Ehren eine fürchterliche Mahlzeit gegeben, wo sich die großen und kleinen Sterne von Neu-Amsterdam zu einem seltnen Strahlenkranze vereinigten. Schout mit seiner gehorsamen Deputation, die Burgermeister mit ihren Schöffen, diese mit ihren Subalternen, und so herab bis zum Bettelvogt; jeder hatte seinen dienstbaren Geist an der Seite, um ihm die Pfeife auszurauchen, das Glas auszutrinken und über seine kühnen Witze zu lachen, kurz es zeigte sich, daß nichts in der Welt über ein Stadtfest gehe. Die Tische bogen sich unter der Last von Fischen, Fleischsorten und Geflügel aller Art, ganze Seen von edlen Flüssigkeiten wurden vergossen, tausend Pfeifen geraucht und eine Menge platter Witze mit schallendem speckfettem Gelächter aufgenommen.

Ich darf nicht vergessen, zu bemerken, daß Peter Stuyvesant diesem glorreichen Siege noch einen neuen Titel verdankte – alles war so hoch entzückt, daß man ihn von nun an Peter den Großen, Pieter de Groodt nannte, oder wie es die Neu-Amsterdamer in ihre Mundart übersetzten: Piet de pig; so nannten sie ihn bis zu seinem Tode.


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