Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Siebentes Kapitel.

Mit schrecklichen Nachrichten von Gränzkriegen und himmelschreienden Verletzungen der Wegelagerer von Connecticut – dann dem Entstehen des großen Amphictyonen-Gerichts im Osten und dem Ende Wilhelms des Eigensinnigen.

Weise Männer des Alterthums, die mit solchen Dingen vertraut waren, versicherten, an dem Thor des Palastes Jupiters ständen zwei große Tonnen, die eine mit Segnungen, die andere mit Unheil gefüllt – es scheint, die letztere wurde über die unglückliche Provinz der neuen Niederlande ausgeleert, um sie ganz damit zu überschwemmen. Was bei den Erregungen von Außen und Innen dem hitzigen Temperament Wilhelms des Eigensinnigen immer neuen Brennstoff zuführte, waren die ewigen Einfälle der Yankees an den Gränzen. Viele Berichte darüber sind in den Archiven jener Zeit niedergelegt worden und die Offiziere an den Gränzen sandten unzählige und dickleibige Beschwerden nach Hause, wie treue Dienstboten nicht aufhören können, die kleinen Unfälle und Klatschereien der Küche brühwarm in's Zimmer zu tragen.

Die Beschwerden waren aber allerdings triftig genug, und so geschah es, daß am 24. Juni 1641 Einige von Hartford ein Schwein aus der Gemeinde-Mastung hinwegführten und es, aus Bosheit oder sonstigem übelwollenden Vorurtheil, in einem Stall Hungers sterben ließen! Vom 26. Juni hieß es: die vorerwähnten Engländer trieben abermals die Schweine der Compagnie aus der Mastung von Sicojoke nach Hartford; indem sie das Volk tagtäglich mit Vorwürfen, Rippenstößen, und allem erdenklichen Ungemach und Drangsalen heimsuchten; ähnliches wird von weidenden Pferden berichtet; wobei die Hirten immer lederweich geprügelt wurden!

O ihr himmlischen Mächte, welchen Zorn regte jede dieser Beleidigungen bei dem philosophischen Kieft auf! Brief auf Brief, Protestation auf Protestation, Proclamation auf Proclamation! umsonst wurde schlechtes Latein, miserables Englisch, und abscheuliches Holländisch an die unerbittlichen Yankees verschwendt; die stehende Armee, aus den vierundzwanzig Buchstaben des Alphabets bestehend, war während seiner Verwaltung immer auf den Beinen, und Anton Van Corlear, der wackere Trompeter, mußte alle Schreckensnachrichten, die hin und her gingen, von den Wällen herabposaunen, welches ihn in ein Ansehn und in einen Respekt setzte, wie allemal die Buchhändler, wenn sie in die Posaune stoßen.

Jetzt kann es mir aber ergehen, wie Simson, der aus eines Löwen Haupt (dem Archiv der Geschichte aus welchem ich den Honig der Weisheit ziehe) einen Schwarm von Bienen um seine Ohren lockte; ich meine die unverständigen Nachkommen jener Yankees, die warlich Unthaten an meinen Vorfahren verübten, wofür sie der Historiker – den die ewige Nemesis bestellt hat – züchtigen muß, und wovon keine Maus einen Faden abbeißt.

Im Osten begannen Ereignisse zu tagen, welche den unglücklichen Gouverneur der neuen Niederlande auf die Hefen seines Witzes setzten. Bisher hatten nur die Räuber von Connecticut sich aus ihres Landes Veste herübergewagt; aber nun, es mochte um's Jahr 1643 seyn, versammelten sich die Völker im Osten, von den Colonieen Massachusets, Connecticut, New-Plymonth und New-Haven, zu einer fürchterlichen Rathsversammlung, wie ein ungeheurer Bienenschwarm, wenn sie den Stock verlassen; sie beschlossen einen schrecklichen Bund unter dem Namen der Vereinigten Colonieen von Neu-England. Sie verpflichteten sich gegenseitig zu Schutz und Trutz wider die Wilden, worunter sie ohne Zweifel auch unsre ehrenwerthen Vorfahren auf Manhattan verstanden, und um dem Bund mehr Kraft und Nachdruck zu geben, beschlossen sie eine jährliche große Zusammenkunft von Vertretern aller Provinzen.

Beim Empfang dieser Nachricht ward Wilhelmus Kieft äusserst bestürzt; zum Erstenmal in seinem ganzen Leben vergaß er aufzubrausen. Er erwog in seiner geängsteten Seele alles, was er im Haag über solche Bündnisse gelesen, und fand endlich, daß dieses eine complette Nachahmung des Rathes der Amphictyonen sey, wodurch im Alterthume die Staaten Griechenlands sich zu unvergleichlicher Macht und Herrschaft emporgeschwungen hatten, und diese Vorstellung machte ihn für das Heil des Manhatten-Reichs zittern.

Er ließ es sich nicht ausreden, daß es bloß darauf abgesehen sey, die Niederländer aus ihren schönen Besitzungen zu vertreiben und gerieth in große Wuth, wenn Jemand daran zu zweifeln wagte. Seine Ahnung blieb nicht ohne Bestätigung; denn bei der ersten Versammlung, die der Bund in Boston (welches Kieft nur das Delphos dieses wahrhaft classischen Bundes nannte) hielt, wurden Vorstellungen gegen die Niederländer beschlossen, «sintemal sie in ihrem Tauschhandel mit den Wilden sich Gewehre, Pulver und Blei abhandeln lassen, eine Entäußerung, die höchlich zu mißbilligen sey und den Colonisten sehr gefährlich werden könne.» Wenn die Handelsleute von Connecticut sich dasselbe zu Schulden kommen ließen, so war dieß doch ein Anderes, denn sie verkauften den Indianern immer nur solche Flinten, die ihnen sogleich platzten und daher Niemanden als diesen heidnischen Bestien gefährlich werden konnten.

Das Entstehen des mächtigen Bundes war der Todesstoß für den Ruhm Wilhelms des Eigensinnigen, denn von diesem Tage an hielt er, wie viele bemerkten, nicht mehr das Haupt empor, sondern schien ganz wie abgeschlagen zu seyn. Die übrigen Tage seiner Regierung geben daher der Feder des Geschichtschreibers wenig zu thun. Versammlungen der Amphictyonen von der einen, donnernde Proclamationen und Protestationen von der andern Seite, worin Kieft wie ein erfahrner Seeheld sein ganzes Geschütz losließ, um eine Wasserhose platzen zu machen; leider aber waren es lauter blinde Schüsse.

Der letzte Act, den die Geschichte von dem berühmten und gelehrten kleinen Regenten mittheilt, ist ein langes Schreiben an den Rath der Amphictyonen, wo er sich bitter über die Bewohner von Neu-Haven oder Red-Hill's beklagt, daß sie den Aufforderungen, das Land Ihrer Hochmögenden zu verlassen, mit Impertinenz und Verachtung begegneten. Von diesem Briefe, der ein Muster eleganter Schreibart, und classischer Apophthegmen und Bilder ist, kann ich wegen Enge des Raums nur folgendes mittheilen: «Wahrlich, wenn wir die Einwohner von Neu-Hartford sich über uns beklagen hören, so ist es uns, als hörten wir den Wolf des Aesopus, der das Lamm beschuldigt, oder jenen jungen Menschen, welcher seiner Mutter, die sich mit der Nachbarin zankte, zurief: «O Mutter, schimpfe Sie nur gleich tüchtig, damit die Nachbarin ihr nicht zuvorkommt.» Uns sind aber durch frühere Vorfälle wohl die Augen geöffnet worden, als zum Beispiel jene Antwort war, die wir von den Einwohnern von New-Haven erhielten: «der Adler verachte das Käfer-Geschmeiß,» aber wir verfolgen demungeachtet unser Recht, mit gerechten Waffen und Mitteln, und verhoffen ohne allen Zweifel die ausdrücklichen Befehle unserer Oberen zu vollziehen.» Um dieß zu bekräftigen, schloß er mit einem Bannfluch, der jene Bewohner Squatters nannte und ihnen das Wohnen in den Neuen Niederlanden kräftig untersagte.

So endet die authentische Chronik von der Regierung Wilhelms des Eigensinnigen. Die Frage, warum einige Geschichtschreiber der Zeit ihn ganz übergangen haben, möchte durch jenen Spruch des Califen zu beantworten seyn, der zu seinem Sohne sagte: «Beleidige den Derwisch nicht, damit du nicht deinem Geschichtschreiber an's Ohr schlägst.» Hätte mancher Mann des goldenen Alters diese weise Lehre beachtet, wie glücklich wäre er den unbarmherzigen Kreuz- und Querstrichen entgangen, welche die Feder des Historikers über seine Physiognomie zog.

So war es denn die ernste Aufgabe für mich, einen Mann aus dem Dunkel der Geschichte hervorzuziehen, dessen schöpferisches Genie dauernden Nachruhm verdient, da er es war, der die Tactik der Proclamationen und die Vertheidigung des Landes durch Trompeter und durch Windmühlen einzuführen verstand – Erfindungen, welche der Menschheit mehr Ehre machen als die des Schießpulvers und ähnlicher Höllenerfindungen.

Einige Dichter, deren es in den Neuen-Niederlanden eine Menge gibt, benutzten das Verschwinden Wilhelms des Eigensinnigen in der Geschichte zu der Fiction, daß er gleich Romulus an den Himmel versetzt worden und in jenem kleinen feurigen Stern an der linken Scheere des Krebses glänze, während Andre, eben so phantasiereich, ihm das Schicksal Arthurs von der Tafelrunde geben, den die alten wälischen Barden nach dem lieblichen Feenland entführen lassen, wo er in alter Kraft und Herrlichkeit lebt, bis er einst zurückkehrt, um das Ritterthum, die Ehre und die unbefleckte Treue seiner Zeit wiederherzustellen, und ganz Britannien wieder zu regieren, wie auch Merlin der Zauberer weissagtDiese Sagen treffen mit denen von Friedrich Barbarossa zusammen, der im Kyffhäuserberg wieder erwachen und sein Reich auf's Neue antreten soll. – Anm. d. Uebers. .

Das alles aber sind Spinnengewebe der Phantasie, von jenen träumerischen Schelmen, den Poeten erfunden, denen meine ernsthaften Leser keinen Glauben beimessen werden. Zweien andern Ueberlieferungen kann ich eben so wenig Glauben schenken; die eine rührt von einem alten oder vielmehr apocryphischen Geschichtschreiber her und besagt, er habe durch den unversehenen Schlag eines Windmühlenflügels seinen Tod gefunden – ein späterer Schriftsteller aber meinte, er habe das Unglück gehabt den Hals abzustürzen und als Opfer eines philosophischen Experimentes zu enden, dem er schon mehrere Jahre nachgesonnen, daß er nämlich versucht habe, von dem Gaubloch des Stadtthurms aus Schwalben zu fangen, indem er ihnen Salz auf den Schwanz streuen wollte.

Die wahrscheinlichste Auskunft über sein Ende liegt in einer alten dunklen Ueberlieferung, daß die beständigen Sorgen, Reizungen und Aergernisse sein Hirn in so fortwährende Ofenhitze versetzt hätten, bis er, wie eine holländische Familienpfeife, die ihre drei Generationen von wackeren Rauchern durchlebt, völlig ausgebrannt sey. Auf solche Weise erfuhr Wilhelm der Eigensinnige eine Art von animalischer Verbrennung, die wie ein Binsenlicht verging, so daß der Tod, als er das Flämmchen vollends ausblies, kaum noch so viel übrig ließ, daß man es begraben konnte.


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