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46. Kapitel

Es war zwei Tage später, und Windholz saß im Dorfkrug. Pfeffer lag unter der Bank und schlief. In der niedrigen Wirtsstube saßen ein paar Bauern, der Wirt und der Besitzer des Mordterriers. Seine unangenehme knarrende Stimme war vernehmbar.

Man hatte ihn nach seinem Liebling Fox gefragt, und was der wohl wieder angerichtet hätte.

»Meinen Hund, den laßt man zufrieden, der dut keinen was, der will bloß in Ruhe gelassen werden.« Lachen und leichter Widerspruch antworteten dem Alten, und nur Windholz, als Fremder hier, enthielt sich der Äußerung.

Jetzt kam Pfeffer unter der Bank hervor und legte seinen buschigen Kopf auf seines Herrn Knie.

»Wat hast du denn da für 'ne olle Seegrasmatratze, oder soll det etwa 'n Hund sein?«

So fragte, unter wieherndem Lachen der Dorfbewohner, der Alte.

»Das ist die Seegrasmatratze, an der sich Ihr Köter den Magen verderben könnte!« antwortete Windholz.

»Wollen Sie damit sagen, daß Sie glauben, Ihr Hund würde meinen schaffen?«

»Das denke ich wohl, denn der hat schon ganz andere Hunde geschafft.«

»Hähähä«, krächzte der Alte. »Hähä – da muß ich aber lachen, wissen Sie denn ieberhaupt, wer mein Fox ist? Das is keen so 'n Salonhund, der mal ne kleene Sonntagsbeißerei mitmacht, det is en Kämpfer, sare ick Ihnen, bei dem jeht et uff Dod un Leben, der jeht uffs Janze, mein lieber Freund!«

»Na, darauf könnten wir es ja ankommen lassen, dann sagen wir doch übermorgen vormittag, am Sonntag, da lassen wir unsere beiden Hunde auf'nander los. Ich bin ein großer Sportfreund und mein Pfeffer ebenfalls.«

Zuerst blieb der alte Mann stumm. Wollte der ihn veräppeln? Der struppige Köter da war ja kaum größer als sein Fox, und Fox hatte schon Hunde erledigt, die beträchtlich größer waren als er selber. Er war in seinem Dünkel voll Zorn über die Herausforderung von seiten eines Fremden, und er würde diesen zottligen Köter da gerne verrecken sehen. Sein Fox, der würde es ihm schon besorgen, der hatte noch nie versagt.

Das letzte Zögern beseitigte Heinrich mit dem Vorschlag einer für den Alten sehr günstigen Wette, wenngleich gerade diese Wette den Mann hätte stutzen lassen sollen. Heinrich verpflichtete sich, an den Alten fünfundzwanzig Mark zu zahlen, wenn Pfeffer unterlag, auch dann, wenn der Schnauzer tot auf dem Platze blieb, während der Besitzer des Terriers im umgekehrten Falle nichts zu bezahlen brauchte. Diese Chance ohne Risiko gab den Ausschlag. Der Alte schlug ein, und die ganze Wirtsstube war in Aufregung.

Im Laufe dieses und des nächsten Tages sprach man im Dorfe nur von dem bevorstehenden Kampf der beiden Hunde, und obwohl Pfeffer fremd war, wünschten ihm alle einen entscheidenden Sieg über den verhaßten Terrierbastard.

*

Der Sonntagvormittag kam. Man hatte die Tenne eines großen Bauern, der selbst Schaden durch Fox erlitten hatte, zum Kampfplatz ausersehen. Stühle und Bänke wurden aufgestellt, und das halbe Dorf war da. Hinter denen, die saßen, drängten sich die Stehenden, und oben auf dem Heu und Stroh saß die lärmende Jugend.

Endlich, die Wartenden wurden schon ungeduldig, kam Windholz mit seinem Pfeffer. Heinrich nahm auf einem extra für ihn bereitgestellten Stuhl im Inneren des Kreises Platz, und Pfeffer stand zwischen seinen Knien.

Bald darauf erschien der Alte mit seinem Terrier. Er setzte sich ohne viel Worte auf den gegenüberstehenden Stuhl und nahm seinen schwarzweißen Gladiator, genau wie Windholz den seinen, zwischen die Knie.

Der Oberförster war auch da, er saß neben dem Besitzer des Hofes, in der ersten Reihe. Man hatte ihn gebeten, das Zeichen zum Anfang zu geben.

Über die Art, wie man die Hunde aneinanderbringen sollte, brauchte man sich keine Gedanken zu machen.

Fox tobte vom ersten Augenblick, da er den Schnauzer sich gegenüber sah, wie ein Rasender, er wollte mit aller Gewalt von der Leine, die sein Herr hielt, um sich auf Pfeffer zu stürzen.

Auch der Schnauzer zeigte, daß er keine Sekunde zögern würde, über den Terrier herzufallen, doch war sein Benehmen ganz anders.

Er hatte Augen und Ohr starr auf den Feind gerichtet. Wie gebannt ließ er den Terrier nicht einen Moment aus den Augen, und obwohl er unbeweglich verharrte, zitterte sein Körper vor verhaltener Spannung.

Manche der Zuschauer hatten Wetten abgeschlossen. Es hätten weit mehr unter den Dorfbewohnern gewettet, wenn sich nur mehr gefunden hätten, die auf den Schnauzer hielten. Aber das waren nur vier. Diese hatten den fremden Hund erst eine Weile bedächtig betrachtet und dann auf ihn gesetzt. Als sie den stämmigen Hund ohne jede Angst, innerlich fiebernd, äußerlich ruhig, auf den Kampf brennen sahen, sagte ihnen das Gefühl, daß dort der Sieger stände, und daß der Terrier in seiner wilden Raserei nicht bestehen würde.

Es waren aber von einigen Wohlhabenderen Prämien ausgesetzt worden für den Fall, daß der fremde Hund siegen würde. Zu denen, die dieses Geld gestiftet hatten, sah der Alte mit kaum verborgenem Haß herüber. Jetzt erhob sich der Oberförster, um das Zeichen zu geben. Im selben Augenblick trat völlige Ruhe ein. Der stattliche Jägersmann mit seinem weißen Bart stand mit erhobener Hand, und aller Augen waren auf ihn gerichtet. Jetzt ließ er die Hand fallen und sagte: »Los!«

Die Herren der beiden Hunde ließen die Halsbänder fahren, und bellend mit heiserer Stimme, die sich überschlug, der Terrier, stumm der Schnauzer, gingen die Hunde aufeinander los.

Fox wollte sich, entsprechend seiner hinterhältigen Natur, nicht sofort in den Kampf stürzen. Er bremste auf halbem Wege, um einen günstigen Augenblick zu einer Seitenattacke abzuwarten. Doch er hatte die Natur seines Feindes nicht erfaßt. Pfeffer, dem das teuflische Wesen dieses Artgenossen sofort klar war, wußte aus seiner großen Erfahrung, wie man solchen heimtückischen Mördern begegnen mußte. Der Schnauzer schoß, als Windholz' Hand sein Halsband freigab, wie vom Katapult geschossen auf den Terrier zu. Pfeffer traf ihn mit der vollen Wucht seines Gewichtes und mit einer Schnelligkeit, die auch einen weit größeren Hund überrollt hätte.

Einen einzigen abgleitenden Biß konnte der Terrier anbringen, dann packten ihn grimmige Zähne an der Kehle, ein muskulöser Hals schüttelte, und Kinnbacken, die hielten, was die Zähne einmal gefaßt hatten, schlossen sich eisern.

Zeichnung: Hans Hyan

So wurde der Schrecken des Ortes in weniger als einer Minute abgewürgt. Als er, gräßlich röchelnd, sich vergeblich abmühte, aus dem würgenden Biß des Schnauzers freizukommen, sprang sein Herr schimpfend vom Stuhl auf, um sein ein und alles, seinen Fox, zu retten. Doch zwei ungeschlachte Arme legten sich von hinten um seinen Körper und hielten den um sich schlagenden und laut schreienden Greis fest.

Dann war, viel schneller, als man erwartet hatte, das Drama zu Ende.

Pfeffer hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten, ganze Arbeit geleistet. Ihm war der Unterton in seines Herrn Stimme nicht entgangen, als der, den Arm um ihn gelegt, das Gesicht an seinen buschigen Kopf gepreßt, vor dem Kampf zu ihm gesprochen hatte. Und auch aus der Art all der anderen Menschen ringsum fühlte Pfeffer: hier geht es um Leben oder Sterben.

Jetzt ließ er den Erwürgten los, der traurig anzusehen in der Mitte der Tenne lag, und sprang aufgeregt und seiner Sache doch nicht ganz sicher, wedelnd, aber mit glühenden Augen an seinem Herrn hoch. Der umschloß ihn mit den Armen und preßte ihn an sich, so jeden Zweifel in seinem vierbeinigen Freund erstickend. Doch von drüben kam ein bleicher, alter Mann mit flackernden Augen auf Windholz zugehumpelt.

»Mörder!« kreischte er, »verfluchtichter Mörder Ihr, Ihr habt mir meinen Fox umgebracht, meinen lieben – – «

Da versagte ihm die Stimme. Schluchzend drehte er sich um und bückte sich zu seinem verendeten Hund. Die Augen von Tränen geblendet, nahm er ihn auf und trug ihn, Zusammenhangloses murmelnd, fort.

Doch ehe er die Tenne verließ, stammelte er: »Mit sowas macht man keene Sportveranstaltung, ihr Viecher!«

Er hatte wohl recht, der Alte, aber es war seine Schuld, daß er der Leidtragende war.


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