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So kam der kleine Jagdhund in die Hände eines Mannes, der weder von Jagd noch von Hunden etwas wußte. Er war in der Stehbierhalle mit dem Förster ins Gespräch gekommen. Der Grünrock hatte sich den Welpen als Decktaxe von Leuten abgeholt, deren Hündin von seinem Hund belegt worden war.
Die beiden Männer gaben immer abwechselnd eine Lage aus, und der Städter hörte voll Interesse den Jagd- und Wilddiebsgeschichten des Jägers zu.
Er selbst hätte auch so mancherlei zu berichten gehabt, doch schwieg er trotz des Alkohols über gewisse Dinge. Er bezeichnete sich dem Förster gegenüber als »Gelegenheitsarbeiter«. Das war er auch. Er arbeitete aber nur nachts.
Am Morgen nach einer Nacht dumpfen Schlafes weckte den neuen Hundebesitzer das Winseln des Hündchens. Er fuhr verwundert aus dem Bett auf und sah den Buntgefleckten an der Tür sitzen und klagen.
Lange Zeit war es dem Mann nicht möglich zu ergründen, woher er diesen Zuwachs erhalten hatte. Nur ganz allmählich dämmerten ihm die Zusammenhänge auf. Er zog sich rasch an und brachte den Kleinen erst mal auf die Straße. Schmutzig gemacht hatte er natürlich schon, aber na – –.
»Wäschepaul«, so nannten ihn seine Freunde bezeichnenderweise, ging dann mit seinem neuen Hund frühstücken. Mutter Büchner, die Wirtin, fragte ihn, wie denn der Hund heiße. Nach einigem Überlegen sagte Wäschepaul: »Duro heißt er, weil wir nämlich, der Förster und ich, Duroportwein getrunken haben, und das ist das einzige, woran ich mich erinnern kann.«
»Ganz schön gepichelt müßt ihr haben«, meinte die Wirtin.
»Doch, aber der Förster war noch viel blauer als ich – soll mich wundern, ob der sich erinnern kann, wo sein Deckwelpe geblieben ist.«
Tatsächlich gelang es dem Förster nie herauszukriegen, wo der kleine Brauntiger geblieben war, denn er hatte etwa acht Lokale an diesem Tage besucht und kam erst am hellen Morgen des nächsten Tages bei seiner an Kummer gewöhnten Frau an.
Das Hündchen hieß, dem Stammbaum nach, »– von der Aue«, das wußte Wäschepaul. Er kaufte also ein auf Zuwachs berechnetes Halsband und ließ auf das Metallschild den vollen Namen »Duro von der Aue« eingravieren. Duro hätte ja auch genügt, »aber«, so meinte Wäschepaul, »man hat doch auch gern mal 'nen gediegenen Namen in der Familie.« Paul war ein gutmütiger Mensch, wenn er auch nicht dieselbe Vorstellung von mein und dein hatte wie seine Mitmenschen. Er gewann den Hund lieb und behandelte ihn gut.
Gefüttert wurden sie beide bei Mutter Büchner, und da Paul am Tage nicht arbeitete und weder Weib noch Kind hatte, so konnte er sich ganz der Erziehung des kleinen Jagdhundes widmen.
Er machte ihn also erst einmal sauber, das heißt stubenrein. Das begriff Klein-Duro schnell, denn er hörte, wie man so sagt, das Gras wachsen. Auch Appell Appell = Folgsamkeit. brachte der Lehrmeister seinem Schüler bei, ohne ihm mehr als einen gelegentlichen Klaps zu geben.
Bald streckten sich die Läufe des Kerlchens, und um die kleine Schnauze sproßte der Bart, denn Duro gehörte zur rauhhaarigen Varietät des Deutschen Vorstehhundes. Oft fuhren Wäschepaul und Duro hinaus ins Grüne. Dort vervollständigte der Mann die Erziehung des Hundes insofern, als er ihn lehrte, auch unter freiem Himmel dem Ruf und Pfiff seines Herrn zu folgen. Wäschepaul ging schon mit dem Gedanken um, in irgendeiner Weise Jagdanschluß zu suchen, nur um die Ausbildung des Hundes, an der er große Freude hatte und zu der er auch Geschick bewies, vervollständigen zu können, als das immer gefürchtete Ereignis eintrat.
Wäschepaul wurde gefaßt. Er war, einen schweren Handkoffer voll eben gestohlener Wäsche tragend, überrascht worden, als er schon glaubte, die Gefahr hinter sich zu haben, da er ruhig und sicher auf der Straßenbahn stand. Doch wollte es sein Verhängnis, daß ausgerechnet der Kriminalkommissar Malchert zu ihm auf die Plattform stieg.
Der Kommissar sah den Koffer neben dem ihm gut bekannten Wäschepaul, und er bedachte die frühe Tageszeit; es war sechs Uhr morgens.
»Na, Paulchen, schon so früh munter? Das ist recht, Morgenstunde hat Gold im Munde. Was machst du denn jetzt so?«
»Ich fahre Elektrische, Herr Kommissar.«
»Nicht doch, mein Guter, ich meine so im allgemeinen!«
»Ich weiß schon, woran Sie denken, Herr Kommissar, aber nee, das is nich mehr, schiefe Sachen und so. Ich beschäftige mich jetzt hauptsächlich mit Vermittlung von Rassehunden und Dressur.«
»Ach nee! Na, hast du denn Talent zur Dressur? Das wußte ich doch gar nicht.«
»Ich ja auch nicht. Aber mein Duro, ein kleiner rauhhaariger Jagdhund, der hat mich drauf gebracht.«
»Na, dann will ich dir mal was sagen, Paul. Wenn das wahr ist mit den Hunden und der Dressur, dann kannst du ja später bei uns, bei der Polizei meine ich, als Polizeihundführer arbeiten. Natürlich erst auf Probe.«
»Herr Kommissar, das würde mir riesigen Spaß machen, denn ich habe dafür wirklich Interesse und 'ne gewisse Eignung, bloß – warum denn erst später – ich würde heute anfangen.«
»Glaub ich dir, mein Junge, aber sieh mal, dein Koffer ist unten schon ganz naß, wir müssen doch erst die Wäsche nach'm Alexanderplatz bringen!«
So kam es, daß Duro vergeblich auf seinen Herrn wartete. Erst am Nachmittag kam ein Polizist, der den sich Sträubenden abholte. Einer der höheren Polizeibeamten nahm ihn später in Empfang und schickte ihn, mit dem Einverständnis Wäschepauls, an einen Verwandten, der in der Neumark Oberförster war. Dieser Grünrock schrieb bald darauf viel Gutes über den jungen Hund und rühmte besonders den bei einem kaum halbjährigen Hunde erstaunlichen Appell. Duro müsse einen sehr verständnisvollen Herrn gehabt haben, denn er pariere auf Wort und Pfiff, wie man es sich nur wünschen könne, und zwar freudig und ohne im mindesten zu ducken und zu kriechen.
Da der Kriminaldirektor wußte, wer den Hund erzogen hatte, ließ er sich den Kommissar Malchert kommen und sprach mit ihm darüber.
Malchert meinte, ob man nicht den Versuch machen könnte, den Wäschepaul als Polizeihundführer zu verwenden, denn er wisse, daß der Inspektor Weickert, der Leiter der Polizeihundabteilung, immer auf der Suche nach talentierten Hundeführern sei.
Der Kriminaldirektor war sehr skeptisch, er wollte nicht so recht. Aber der Kommissar gab zu bedenken, daß man den guten Paul auf diese Weise ja immer unter Augen habe, und er glaube, daß ein Mensch, der sein Interessengebiet gefunden habe, weit leichter wieder ordentlich werden müsse als ein anderer. Der Kriminaldirektor wollte es sich überlegen.
Tatsächlich wurde Wäschepaul nach anderthalb Jahren das letzte halbe Jahr seiner Strafe erlassen, und man machte den Versuch, ihn bei den Polizeihunden zu verwenden. Er schlug so ein, daß Inspektor Weickert ihm im Laufe der Zeit immer häufiger die hochveranlagten seiner Hunde zur Arbeit übergab und auch sonst mit der Anerkennung nicht zurückhielt.