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Auch Herr Horn liebte Duro nicht. Doch das hatte einen anderen Grund. Der Grund war der, daß dieser Mann nur ein Wesen in der Welt liebte – sich selbst. Als er wieder in Berlin war, ließ er gleich am nächsten Tage die Annonce aufgeben, nur daß er statt fünfhundert Mark als festen Preis siebenhundert Mark setzte. Er hätte tausend Mark verlangt, wenn er nicht gefürchtet hätte, daß sich dann niemand melden würde, der Duro kaufen wollte.
»Der Hund ist über jedes Lob erhaben!« so äußerte er sich seiner Frau gegenüber. Die kannte dies tönende Wort aus dem Munde ihres Mannes und war skeptisch. Doch er erzählte ihr Einzelheiten von der Arbeit Duros, aus denen sie ersehen konnte, daß ihr Gatte diesmal nicht übertrieb.
Duro wäre auch sicherlich in sehr kurzer Zeit verkauft worden, wenn unter der Annonce nicht gerade Georg Horn gestanden hätte. Dieser Name war in Jägerkreisen trotz des guten Teckelmaterials in ungünstiger Weise bekannt. Daher wirkte auch die vollmundige Anpreisung des Hundes nicht überzeugend. In Wahrheit war sie ja auch aufgesetzt worden, bevor Horn die Fähigkeiten Duros kannte.
Schließlich kamen zwei Interessenten, die aber beide beträchtlich vom Preise abhandeln wollten, und damit hatten sie bei Horn kein Glück. Er war ein großer Neinsager.
Früher, als er noch in Tannengrund – daher der Name des Zwingers – Jagd, Züchterei und Hundehandel betrieb, war Horn einmal folgendes passiert: Er hatte damals einen sehr guten Jäger und Dresseur, den alten Randler. Außerdem waren noch zwei junge Förster da.
Trotz der Tatsache, daß Tannengrund sehr abgelegen war, ging das Geschäft recht gut, da die Teckel damals eher noch besser waren als später in Berlin. Durch die Tüchtigkeit Randlers als Dresseur waren auch die Vorstehhunde größtenteils so gut wie in späteren Jahren nur noch in den Annoncen Horns.
Obwohl also alles zur Zufriedenheit hätte laufen können, kam es doch vor, daß kein Pfennig Geld im Hause war, so daß bei den Lebensmittelhändlern geborgt werden mußte und Horn die Gehälter an seine drei Leute nicht auszahlen konnte.
Einstmals war es wieder so weit. Die beiden jungen Leute murrten, Randler, der schon einiges im Leben mitgemacht hatte, ging resigniert seiner Arbeit nach. Da meldete ein Brief einen Amerikaner an, der zwei firme Hunde kaufen wollte.
Nach drei Tagen war der Mann aus USA da. Es war ein ruhiger, unscheinbarer Herr, der freundlich und aufmerksam war. Er betonte, daß er nur wirklich gut arbeitende Hunde haben wolle, und bat darum, ihm doch die beiden in Frage kommenden Tiere gleich im Revier vorzuführen. Damit war Horn einverstanden.
So ging man denn zu dritt los. Vormittags wurde Tell vorgeführt, nachmittags Lump. Beide Hunde führte der alte Randler. Die Jagd auf Hasen war noch nicht aufgegangen, aber Kaninchen, Hühner und Fasane konnten geschossen werden. Tell machte seine Sache gut. Ruhig und sicher leistete er alles, was man von ihm verlangen konnte. Er war ein solider, zuverlässiger Hund. Lump jedoch, der Hund, der am Nachmittag seine Talente entfaltete, war der Gebrauchshund, von dem jeder Jäger träumt. Seine Fähigkeiten gingen insofern über die Tells hinaus, als er zu dessen guten Eigenschaften noch den Elan des wirklich begabten, nicht nur des gewissenhaften, tüchtigen Hundes mitbrachte.
Schon nachdem der Amerikaner Tell hatte arbeiten sehen, war er, sehr zufrieden, bereit, den Hund zu kaufen. Horn bat ihn aber zu warten, bis er den andern gesehen hätte. Natürlich war der Käufer, nachdem der Nachmittag vergangen war, nur zu gern bereit, auch diesen Hund, und gerade diesen, zu kaufen. Auf die Frage nach dem Preis schnarrte Horn: »Elfhundert Mark; fünfhundert für Tell und sechshundert für Lump.«
Der Amerikaner sagte schlicht »No!« und bot für den ersten Hund dreihundert Mark, mehr war er auch nicht wert, und für den zweiten fünfhundert Mark, ein selbst für diesen ausgezeichneten Hund sehr anständiger Preis, wenn man bedenkt, welch gutes Geld wir in früheren Zeiten hatten.
Horn jedoch wies das Angebot höflich, aber entschieden zurück. Der Mann von drüben versuchte es noch einmal – umsonst. Horn wollte den Amerikaner dafür bezahlen lassen, daß er Amerikaner war, und der Amerikaner, der wußte, was Hunde wert sind, wollte nicht geneppt werden. Kurz und gut, man sagte sich sehr förmlich Lebewohl, und der Amerikaner ging.
Doch er war noch nicht an der Tür, als ihn einer der jungen Leute einholte und ihn bat, doch noch einmal umzukehren. Dort vor der Tür des Häuschens standen Horn und Randler. Horn mit allen Zeichen einer unterdrückten Erregung, Randler kalt und entschlossen. Dieser nahm dann auch das Wort: »Also, Mister Hawkins, Herr Horn ist bereit, Ihnen die Hunde für zusammen neunhundert Mark zu überlassen, den ersten für vier und den zweiten für fünf.«
»Well, ich bin einverstanden, obwohl Tell nur dreihundert wert.«
Nun, nachdem noch alles mögliche besprochen worden war, zog Mister Hawkins also doch mit den beiden ausgezeichneten Hunden ab. Lump war ein dürrlaubfarbener Rauhhaar, mit etwas zu weichem Haar, Tell ein kurzhaariger Brauntiger mit Platten. Die Hunde, da nicht einer allein entführt wurde und sie den Amerikaner schon einen ganzen Tag gesehen hatten, gingen willig mit, und der Mann konnte sein Vergnügen trotz seiner Zurückhaltung kaum verbergen. Er hatte zwei Hunde, wie man sie damals in den Staaten für kein Geld bekam. Der eine, bessere, war für ihn selbst, der andere für einen Freund.
So zog denn Mister Hawkins, die beiden prächtigen Kerle an der vorher gekauften Koppel, wohlgemut den Sandweg entlang, an dem Birken standen und der durch die abendliche Kiefernhalde zum Bahnhof führte.
Wie war es zu der Sinnesänderung des in seiner Forderung so unnachgiebigen Herrn Horn gekommen? Die beiden jungen Leute hatten unter Führung Randlers ihrem Chef die Eröffnung gemacht, daß sie noch heute die Arbeit niederlegen würden, wenn das Geschäft nicht zustande käme. Sie hätten lange genug auf ihr Geld gewartet und könnten bei solchem Geschäftsbetrieb nicht damit rechnen, in absehbarer Zeit bezahlt zu werden. Erst unter solchem Druck bequemte sich Horn nachzugeben. Er tat es mit verhaltener Wut, obwohl er den einen Hund für den vollen Wert, den anderen über seinen Wert bezahlt bekam. Noch jahrelang warf er dem jedesmal ruhig lächelnden Randler diesen Streich vor. So wie er es damals gemacht hatte, so tat er es auch heute. Für Hunde, die überdurchschnittlich waren, verlangte er Phantasiepreise. Wenn es ihm auch hin und wieder gelang, diese zu erzielen, so schadete ein derartiges Geschäftsgebaren im Grunde ihm selbst am meisten.