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27. Kapitel

Pfeffer und Flocki waren sehr gute Freunde. Sie hielten zusammen, was ihnen auch begegnete. Es waren ja immer nur einige Tage, die die beiden Hunde beieinander sein konnten, aber diese kurze Zeit nützten sie aus.

Es war ein gewohnter Anblick für die Christophswalder, den grauen, rauhhaarigen Schnauzer und den kleinen, glatten, schwarzen Pinscher mit rotbraun abgesetzten Läufen, Bauch und Fang auf den Bummel gehen zu sehen. Doch bei allem unsoliden Lebenswandel wilderten die beiden nicht. Das ist bei Hunden, die auf dem Lande leben und Streuner sind, ziemlich selten.

Pfeffers und Flockis Interessen liefen in anderen Bahnen. Vor allem waren da die Besuche. Sie hatten fünf oder sechs Höfe, auf denen man sie freundlich empfing und ihnen, wenn sie mit ihrer ruhigen Selbstverständlichkeit erschienen, diesen oder jenen Happen gab. Aber auch die Hunde dieser Leute waren es, denen der Besuch der beiden vierfüßigen Freunde galt. Es versteht sich, daß die vierbeinigen Wächter der regelmäßig besuchten Höfe in guten Beziehungen zu Pfeffer und Flocki standen. Sie begrüßten sich zuerst mehr oder weniger steif, dann löste sich die gespannte Haltung, und man begann ein Gespräch. Die Bewegungen der Hunde, das Wedeln der Ruten, der Ausdruck von Augen, Ohren und Lefzen und das winselnde Miefen, all das waren Worte der Hundesprache, die beredt genug zeigten, wieviel sie sich mitzuteilen hatten. Außer diesen Freundschaftsbesuchen mußte aber auch das weitverzweigte Netz der verschiedenen Schnupperstationen überprüft werden, an denen die Hunde ihre Visitenkarte ablegen.

Mit ernsten, etwas nachdenklichen Gesichtern untersuchten die beiden diese Hausecken, Steine, Telegraphenpfähle und Bäume. Es war ihnen anzumerken, was für Gefühle sie für die Artgenossen hegten, die vor ihnen dagewesen waren. Hier nahmen sie die Geruchsnachricht mit ruhigem Ernst und würdevoller Haltung auf, dort sträubten sich die Rückenhaare bei dem Großen ein wenig, während der Kleine mit einem abwesenden, etwas blöden Ausdruck in die Ferne sah, als stände er einem leibhaftigen Hunde gegenüber, dem er seine Nichtachtung ausdrücken wollte. Doch es kam auch vor, daß beide mit den Hinterläufen wütend kratzend alle Rückenhaare bis zum Nacken hinauf sträubten und sich aus der Kehle, besonders Pfeffers, ein drohendes Knurren hören ließ. Dann war einer ihrer besonderen Feinde hier an dieser Stelle gewesen.

Feinde hatte das ungleiche Paar genug. Flocki rechnete ja als Kämpfer kaum, er beunruhigte und irritierte mehr durch seine kläffende, mitunter auch zwickende Schnelligkeit, womit er dann allerdings Pfeffer wertvolle Hilfe leistete. Doch im allgemeinen brauchte der Schnauzer diese Hilfe nicht, denn er war nicht nur Raufer aus Leidenschaft, sondern auch ein vorzüglicher Techniker im Kampfe. Er wurde mit Hunden fertig, die als Beißer bekannt waren und ihn an Größe weit übertrafen. Schon beim Beginn solchen Kampfes zeigte Pfeffer seine Begabung. Wenn sich nämlich die beiden Raufbolde knurrend und bedrohlich gegenüberstanden, war es immer Pfeffer, der angriff. Eigentlich, nach den ungeschriebenen Regeln der Hunde, begann Pfeffer den Kampf zu früh. Es waren gewissermaßen einzelne stumme Beschimpfungen noch nicht ausgesprochen, die zu wechseln bei den Hunden Sitte ist, bevor sie sich gegenseitig die Zähne ins Fleisch schlagen.

So hatte der Schnauzer immer den Vorteil überraschenden Angriffs auf seiner Seite. Doch nicht jedesmal führte das gleich zum Erfolg. Es kam vor, daß der Gegner stärker und ebenfalls mutig war. Dann geschah es, daß Pfeffer schneller unterlag, als ihm lieb war, obwohl dies keineswegs das Ende der Beißerei bedeutete. Jetzt zeigte er, was er in unzähligen Schlachten gelernt hatte, wenn er in Begleitung seines Herrn durch fremde Dörfer zog, in denen jeder einzelne Köter sein Feind war.

Fortwährend beißend und wieder loslassend, kämpfte Pfeffer wie der Teufel. Seine ganze Überlegenheit bestand darin, daß er ständig tretend und sich bäumend dem anderen Hund keinen feststehenden Punkt zum Zupacken ließ, während sein Gebiß unaufhörlich zuschnappte. Dabei bekam er dann endlich eine Stelle zu fassen, an der es sich lohnte, festzuhalten. Entweder die Unterseite des Halses, was am besten war, oder sonst einen empfindlichen Teil. Wenn es erst so weit war, dann war auch die Rauferei bald zugunsten des Schnauzers entschieden, dem übrigens sein hartes, rauhes Haar bei solchen Gelegenheiten sehr zustatten kam. Wenn man sich nun noch vergegenwärtigt, daß während der ganzen Beißerei der kleine Flocki bald hier, bald da an dem fremden Hunde hing, so hat man ein ungefähres Bild von der Szene.

Tödlich gingen diese Beißereien niemals aus, denn Pfeffer war kein Mörder wie das Boxerbrüderpaar. Sowie er merkte, daß der Widerstand des anderen Hundes gebrochen war, ließ er los und ging, nachdem der Unterlegene sich eiligst getrollt hatte, in Begleitung seines kleinen Kumpanen ebenfalls seiner Wege.

Als er jedoch einmal an einen Schäferhundbastard, geriet, der ihm in jeder Hinsicht überlegen war, da biß er sich in verzweifelter Anstrengung frei und sauste in Begleitung Flockis wie ein Komet davon, denn er faßte das Beißen nicht als Siegen oder Untergehen auf, sondern als eine Art rauhen Sportes.

Der wesentlichste Grund, dessentwegen die beiden Hunde gemeinschaftlich auf Tour gingen, waren aber nicht die Beißereien oder die Besuche, sondern die Hundehochzeiten. Auch auf diesem Gebiet war Pfeffer Matador.

Zeichnung: Hans Hyan

Wenn der Wind im Frühjahr oder im Herbst von irgendwoher den feinen Hundenasen die Nachricht zutrug, daß diese oder jene Hündin wieder der Liebe zugänglich sei, gab es kein Hindernis für Pfeffer. Doch auch der Pinscher stellte sich am Orte der Verheißung ein.

Dann ging die Reise los. Die Hündin voran, bewegte sich eine Reihe von sechs bis fünfzehn Hunden durch die Landschaft. Gleich hinter der Hündin lief der stärkste Rüde, und so in der Reihenfolge bis zum Schwächsten. Das war meistens Flocki. Er mußte sich sehr im Hintergrund halten, wenn er nicht zuschanden gebissen werden wollte. Doch gab es auch für ihn Gelegenheiten, wenn nämlich die Hündin so klein war, daß die großen Hunde an dem Höhenunterschied scheitern mußten. Wenn dann die heiße Hündin durch irgendein Loch im Zaun sich endlich der ungeschlachten Bewerber entledigte, konnte ihr nur einer folgen – Flocki. Pfeffer war immer dicht hinter der Braut, und wenn ihm auch mitunter ein Riesenköter voraus war, den er respektieren mußte, so wußte er doch, daß auch er noch zum Ziele gelangen würde, denn jede Hündin hat mehr Gunst zu vergeben, als ein Hund verlangt.

Nach solch einer Hochzeitsreise kamen einmal beide Hunde furchtbar zugerichtet zu Hause an. Die Schöne war in einem anderen Dorfe beheimatet, und als die beiden ungleichen Galane auftauchten, war schon ein Dutzend Hunde hinter der Hündin her.

Flocki hielt sich ganz außen, aber Pfeffer ging ohne Umschweife direkt auf die Dame los. Sie war noch nicht ganz soweit, die Hitze hatte noch nicht den Grad erreicht, bei dem die Hündin steht. Also lief sie, die von unbestimmbarer Rasse war, querfeldein, getrieben von dem stärker und stärker werdenden Fieber, das sie befallen hatte.

Als nun Pfeffer wie ein Husar auf sie einsprengte, ohne der Rivalen zu achten, geriet er in die größte Beißerei seines Lebens. Sie fiel derart aus, daß sie leicht seine letzte hätte werden können. Hier kannte ihn keiner der Freier, also respektierte ihn auch keiner.

Der Hund, der am dichtesten hinter der Hündin lief, war ein Rottweiler, einer jener schwarz und rostbraun abgesetzten, schwergebauten Hunde mit klobigem Kopf, die man hin und wieder bei Schlächtern oder Gastwirten sieht.

Dieser, als der bei weitem stärkste aus der Hundegesellschaft, war seit Jahr und Tag Favorit bei allen Hundehochzeiten und hatte sich auch hier schon siegreich durchgesetzt. Ein Schäferhund und ein rasseloser, aber gleichfalls großer Hund zeigten deutlich Spuren davon. Pfeffer, kleiner als diese beiden, wurde beim ersten Ansturm von dem Rottweiler überrannt. Doch ohne sich im mindesten durch die überlegene Kraft des Metzgerhundes einschüchtern zu lassen, kämpfte der Schnauzer wie ein Ritter. Auf dem Rücken liegend, trat er ununterbrochen mit den Hinterläufen. Er riß mit den Krallen dem Rottweiler den Bauch wund, und sein wild schnappendes Gebiß hatte dem Angreifer schon ein Ohr zerrissen. Und jetzt, als die plumpe Schnauze des Rottweilers zupacken wollte, schnappte Pfeffer nach der Kehle des Feindes, verfehlte sie und bekam statt dessen das Backenfleisch zu fassen. Da hielt er fest.

Der Rottweiler fuhr im Schmerz zurück, dadurch riß er den viel leichteren Schnauzer hoch, der so den Griff am Kopf des Fleischerhundes verlor, dafür aber auch wieder auf die Füße kam. Hätte er jetzt kurz kehrtgemacht und wäre geflohen, dann hätte altes gut werden können. Er war aber in blinde Wut geraten.

Mit einem einzigen Sprung flog er erneut dem anderen an den Hals, und obwohl seine Kiefer wiederum nur an der Seite des muskulösen Halses zupackten, hielt er fest und ließ sich von dem wild hin und her fahrenden Rottweiler mitschleifen.

Ein Teil der Hunde war der weitertrabenden Hündin gefolgt, aber die übrigen sechs oder sieben bewegten sich knurrend und bellend um die beiden Kämpfenden herum. Einige fingen bereits an, sich zaghaft zu beteiligen, als Flocki den Auftakt zu der allgemeinen Beißerei gab. Der Pinscher, der anfänglich weitab von dem Kampf gewesen war, fuhr, kaum daß er den Schauplatz erreicht hatte, auf den Rottweiler los. So klein er war, besann er sich doch keine Sekunde, seinem Freunde beizustehen. Er schlug dem Großen seine spitzen Zähne in den Hinterlauf, so daß dieser wie von Nadeln gestochen herumfuhr. Dadurch gelang es Pfeffer endlich, die richtige Stelle zu fassen, er schloß sein Gebiß um die Gurgel des Rottweilers.

Ein schwächerer Hund wäre nun in wenigen Augenblicken tot gewesen, aber dieser muskelbepackte war selbst an der empfindlichsten Stelle nicht so schnell zu erledigen, und so fanden die übrigen Hunde Zeit, dem Beispiel Flockis zu folgen und sich ins Getümmel zu stürzen. Doch kein einziger kämpfte auf der Seite des Freundespaares, alle standen sie dem bei, den sie noch eben gehaßt und gefürchtet hatten, nur weil er ihnen kein Fremder war.

Zeichnung: Hans Hyan

Unter einer Woge von knurrenden und heulenden Bestien verschwanden Pfeffer und Flocki. Schon nach wenigen Augenblicken war der Kleine so übel zugerichtet, daß er mit glasigen Augen auf der Seite lag. Er blutete aus einer schweren Wunde an der Seite, und sein Atem ging pfeifend. Mit Pfeffer hatten es die Dorfköter nicht so leicht. Er kämpfte den aussichtslosen Kampf mit aller Bravour. Immer wieder tauchte seine zottige, graue Nackenmähne und sein unablässig schnappender Kopf aus der Menge seiner Feinde auf, wie ein Schiff, das mit entfesselten Wogen kämpft, immer wieder auf schäumender Welle erscheint. Seine ungewöhnliche Geschmeidigkeit und Schnelligkeit und sein nicht zu brechender Mut ließen ihn stets von neuem nach oben kommen.

Der Schnauzer hatte erkannt, daß hier kein Festbeißen mehr nützen konnte, und so biß und riß er nach allen Seiten.

Doch dann faßte ihn der Rottweiler im Genick und schüttelte ihn. Zugleich schlugen die anderen Bestien von allen Seiten die Zähne in ihn ein, und so wäre es mit Heinrich Windholz' prächtigem Hund bald zu Ende gewesen, wenn nicht ein Fuhrmann, der gerade vorbeikam, vom Wagen gesprungen wäre und unbarmherzig mit der Peitsche zugeschlagen hätte.

Um noch nachdrücklicher auf den Hundeknäuel einzuwirken, trat er brav mit seinen Langschäftern zu. So gelang es ihm denn, die Hunde, die zu reißenden Wölfen geworden waren, auseinanderzutreiben. Nur der Rottweiler sah nichts und fühlte nichts, er schüttelte nur. Der Köter hatte sich fest im Genick Pfeffers verbissen. Der Schnauzer war nur deshalb noch nicht abgewürgt, weil alle Hunde dieser Rasse eine mehr oder minder starke Nackenmähne haben, und diese Mähne war gerade bei Pfeffer besonders dicht und voll harten Haares.

Als der Fuhrmann einsah, daß dieser massive Teufel vernünftigem Zuspruch – so nannte der Biedere seine wüste Drescherei – nicht zugänglich war, da nahm er die Peitsche verkehrt und schlug dem Rottweiler den Peitschenstiel so hart über den Kopf, daß man glauben konnte, der Schädel müsse platzen.

Der Hund löste den grausamen Griff seiner Zähne und fiel mit einem Winseln auf die Seite, wo er vorerst liegenblieb.

Pfeffer blieb trotz allem auf den Läufen. Er taumelte, als wäre er betrunken, aber als er ein paarmal hin und her gerannt war, ließ auch das nach. Der struppige Geselle war wieder einmal glücklich davongekommen, doch diesmal hatte er es nur zum kleinen Teil sich selbst zu verdanken, ohne die Hilfe des Fuhrmannes wäre es aus gewesen.

Der Helfer in der Not stand indessen bei Flocki. Er beugte sich zu dem immer noch schwer atmenden Pinscher herab, und ihm schien, als wäre hier nicht mehr zu helfen. Er kannte die beiden Hunde als Windholz gehörig, und da er sowieso nach Christophswalde wollte, legte er den kleinen auf den Wagen und fuhr los.

Pfeffer lief voraus. Es machte ihm Mühe, alles tat ihm weh, aber er wußte, daß sein kleiner Freund dort auf dem Wagen lag, und sein Instinkt, der sicherer urteilte als die Augen des Fuhrmannes, sagte ihm, daß es mit Flocki noch nicht zu Ende gehe.

Durch Umschläge und sorgsamste Pflege, die ihm Regine angedeihen ließ, wurde der Pinscher wieder gesund. Windholz mußte den Aufbruch zu seiner neuen Fahrt um eine Woche verschieben, dann erst war auch Pfeffer wieder so weit, daß er ihn begleiten konnte.


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