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Wenn sich die Tür zum ersten Hof knarrend öffnete und Duro von seinem Besitzer wieder zu den anderen Hunden gelassen wurde, dann ging dem Jagdhund eine Welt verloren. Diesmal war der Übergang von der herrlichen Lebendigkeit der Jagd zu der steinumschlossenen Gefangenschaft besonders kraß.
Es war schon Nacht. Ein kalter Herbstregen fiel, und es ekelte Duro vor dem üblen Gestank, der aus den Fliesenritzen aufstieg. Der Hund schritt durch die halboffene Tür, um im Innenraum des Zwingers seinen Platz auf der langen Pritsche aufzusuchen. Aber da lag wieder der Dobermann.
Trotz aller körperlichen und seelischen Müdigkeit fiel Duro wie ein Ungewitter über den schlafenden Hund her, der seinen Platz eingenommen hatte. Er beutelte den Schlaftrunkenen durch, jagte ihn von der Pritsche und rollte sich knurrend zusammen. Die anderen Hunde hatten je nach Temperament Stellung zu dem Zwischenfall genommen. Einige rührten sich nicht. Etliche bellten, kamen in die Nähe gestürzt, als wollten sie sich in den Tumult mischen, blieben dann aber doch abseits, denn Duro war ja keiner von den Schwachen. Auch konnten ihn die meisten Hunde gut leiden, den Dobermann hingegen nicht. Am liebsten wären sie gemeinsam über den schwarzen Hund mit den rostbraunen Abzeichen hergefallen, doch der Kampf war zu schnell beendet.
Duro lag mit schweren Gefühlen auf seinem Platz. Die Umgebung hier zog ihn nieder. Er war dazu bestimmt, die höchste Entwicklungsform zu verkörpern, die ein Hund erreichen kann. Er brauchte einen Herrn, der mit ihm wie mit einem jüngeren Freund sprach und das Sonderleben im Hunde erkannte.
Selbst solch ein Lichttag wie der heutige, an dem er sein Können, seine Kräfte in der freien Natur entfalten und mit einem guten Jäger und vorzüglichen Schützen jagen durfte, war kein Ersatz für das fehlende Band zwischen Herrn und Hund, das nur die Liebe weben kann. Und wie schon so oft, dachte Duro an seinen verlorenen Herrn, den Oberförster.
Es ist schwer zu sagen, was Duro in seinem Kerker zwischen den zumeist rohen und niederen Mitgefangenen fühlte, wenn er wie heute voll Hoffnungslosigkeit auf seinem schlechten Lager lag und an den Mann dachte, für den er alles eingesetzt hatte. Es ist gleichgültig, wieviel er nicht wußte und verstand von dem, was wir wissen und verstehen. Aber es wäre schön, wenn in uns alle guten Gefühle so lebendig wären, wie sie es in diesem Hunde waren.
Als Duro gestohlen wurde, lebte sein Herr noch, doch sein Leben war eine kleine, schwache Flamme, die ein Hauch zum Erlöschen bringen konnte, das wußte Duro.
Wie er voll quälender Unsicherheit über das Schicksal seines Freundes gewesen war, als er von der Tür des Todkranken geführt wurde, weil er vor Kummer heulte, so bedrückten ihn Zweifel und Unruhe auch heute, denn er konnte ihn nicht vergessen. Er schnaufte schwer und veränderte seine Lage. Dadurch stieß er an einen anderen Hund. Eine Nase berührte ihn leicht, er wandte ihr den Kopf zu und schnupperte gleichfalls. Es war Cilli, die kleine Foxterrierhündin, die ihn jetzt mit zärtlicher Zunge am Fang leckte. Duro wedelte mit der Rute, es klopfte gegen das Holz der Pritsche.
Der große Jagdhund erhob sich und legte sich dicht neben die kleine Hündin. Als er sich nun ausstreckte, alle viere von sich, kuschelte sich die Terrierhündin zwischen seine langen Läufe, und so aneinandergeschmiegt schliefen sie ein.