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Vorläufig war Duro für eine folgerichtige Dressur noch zu jung. Bevor ein Jagdhund ein Jahr alt ist, sollte man ihn nicht arbeiten. Doch war die Versuchung für den Oberförster groß, da dieser Hund ein erstaunliches Auffassungsvermögen hatte. Das, was der Jäger Stubendressur nennt, lernte er zum Teil so nebenher. Die Aufforderung »Setz dich!« zum Beispiel begriff er beim Gefüttertwerden. Wenn die Frau des Oberförsters ihm die Futterschüssel hinstellte, sagte sie, damit er nicht unmanierlich wie ein Wolf über das Futter herfiel: »Setz dich!«, und dabei drückte sie ihn hinten herunter. Nach wenigen Tagen hatte Duro dieses Kommando begriffen und befolgte es nun auch, wenn sein Herr es gab, ohne daß gefüttert wurde.
Vernünftig an der Leine zu gehen, war auch schnell begriffen. Unter beruhigendem Reden zog der Oberförster den sich heftig sträubenden Hund hinter sich her. Da half kein Zurückzerren und Winseln, Duro mußte mit. Das ging so etwa fünf Minuten. Da hatte er erfaßt, worauf es ankam, und lief, wenn auch noch nicht einwandfrei, zur Linken des Oberförsters. In den Zwinger wurde Duro nicht gesperrt. Er war ständig in Begleitung seines Herrn. Das war für diesen nicht immer leicht durchzuführen, aber der Hund wurde dabei so an menschlichen Umgang gewöhnt, daß er später zu den Jagdhunden gehörte, mit denen man wie mit einem Menschen sprechen kann. Die Ausgeglichenheit des Wesens, die ein gut veranlagter Hund auf diese Weise erwirbt, steht in starkem Gegensatz zu der Art eines im Zwinger aufgewachsenen Hundes, der nur zu den Dressurübungen herausgeholt wird.
Auch später, wenn er abgerichtet ist, wird ein Jagdhund aus dem Zwinger oder von der Kette sich wie ein Rasender gebärden, wenn er mit ins Revier genommen wird. Die lange Haft und die schwer empfundene Trennung vom Herrn löst im Augenblick der Befreiung einen solchen Gefühls- und Kräfteüberschuß aus, daß die Überlegung und innere Ausgewogenheit weichen muß. Während des Weges ins Revier verflüchtigt sich allerdings ein großer Teil dieser Unbändigkeit, doch bleibt ein Rest von Heftigkeit und Ungestüm, der der Ausübung der Jagd sehr abträglich ist. Wenn schon ein im Hause gehaltener Hund Freudensprünge macht, sobald er sieht, daß Herrchen die Flinte vom Nagel langt, wieviel mehr tobt einer, für den dieser Augenblick nicht nur den Auszug zur Jagd, sondern das Zusammensein mit dem Herrn und die Freiheit bedeutet. Wenn aber so starke Gefühle die Brust durchtoben, muß die Entfaltung aller subtileren Kräfte leiden. Frühzeitig herausgedrücktes Wild, so daß der Schütze nicht zu Schuß kommen kann, oder ein in fahriger Schnelligkeit überlaufener Hase, der nun ungesehen liegenbleibt, ist die Folge. Kommt man aber doch zu Schuß, dann »knautscht« so ein Hund im Übermaß seiner Leidenschaft das Huhn, die Ente oder den Hasen und macht auf diese Weise das Wild unansehnlich und gefährdet seine Haltbarkeit.
Da greift dann der meistens sehr aufgebrachte Jäger zu drakonischen Mitteln, entweder zum Schlagen oder gar zu einem Strafschuß mit leichtem Schrot. Der an die menschliche Sprache wenig gewöhnte Hund hört eben nicht, wenn er dabei ist, eine seiner groben Unarten zu begehen.
Einem Zwingerhund fehlt in den meisten Fällen die Anhänglichkeit, die den feinentwickelten Hund voll Aufmerksamkeit nach den Augen seines Herrn blicken läßt. Man bekommt aus einem Hund nichts heraus, wenn man vorher nicht viel investiert hat.
Nach der Flegelzeit mit einem gewürgten Haushuhn, zerknabberten Pantoffeln und ähnlichem war das Jahr der unumschränkten Freiheit vorbei. Die Tage der erlaubten Hasenhetzen, um die körperlichen Kräfte zu stählen, waren dahin, und für Duro begann die Zeit der Arbeit.
Zuerst nur eine halbe Stunde täglich, dann mehr. »Down«, das allen Hunden unsympathische Wort, mußte aus einem leeren Klang zum Begriff werden. Das kostete manche Stunde schwerer Arbeit am Stachelhalsband und hin und wieder einen Schlag mit der Peitsche. Endlich wußte Duro, daß er bei dem Kommando »Down« niederzusinken habe, die Hinterläufe unter den Leib gezogen und den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt. So mußte er, eine weitere, noch schwerere Übung, bleiben, bis ihn der Pfiff oder Ruf seines Herrn rief. Später ging es ans Apportieren. Der Holzblock, mit und ohne Fell vom Hasen, mit Eisenscheiben beschwert oder nicht, mußte gebracht werden. Im Schritt oder im Galopp, auf ebenem Wege oder im Sprung über eine Hürde durfte der schwere Apportierblock nicht fallengelassen werden.
Im allgemeinen lernte Duro willig und leicht. Er hatte eine sehr schnelle Auffassungsgabe, aber er konnte, wie mancher charaktervolle Hund, auch starrköpfig sein. Doch sein Herr war ein Meister in der Behandlung etwas schwieriger Hunde. Er hatte herausgefunden, daß gutartige, aber etwas eigenwillige Tiere in der Hand des Kundigen das beste Material für den späteren vielseitigen Beruf des Gebrauchshundes sind.
Als Duro anderthalb Jahre alt war, konnte er das, was man einem jungen Jagdhund durch die eigentliche Dressur und die Vordressur, die ja mehr Erziehung ist, beibringen kann. Das erste Jahr seiner Führung im Revier, sein erstes Feld, wie man sagt, mußte noch mancherlei dazutun, damit er ein brauchbarer, überdurchschnittlicher Jagdhund wurde. Dann aber – Duro war zwei Jahre alt geworden – konnte der Oberförster von ihm sagen; »Es ist der beste Hund, nach dem alten Rino, den ich je hatte. Rino allerdings war ihm über. Doch das war wohl auf die reiche Erfahrung des alten Hundes zurückzuführen.«