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Einst im Haag, in der behäb'gen
Niederländ'schen Stadt des Handels,
Die der Freiheit sinnig pflegte,
Schritt am Abend spät Spinoza
Durch die Straßen, langsam wandelnd.
War die Zeit, wo jener Ludwig,
Frankreichs allerfrömmster König,
Seinen Gottesdienst verbreitend –
Zornig über alle Ketzer
Die ihn, störrig, nicht verehrten –
Durch Europas Westen klirrte.
Ganz besonders war das trotz'ge,
Freie Meervolk ihm verleidet,
Und er strebt', es einzufangen,
Es zu zähmen, und ihm fein're
Sitte ärztlich beizubringen.
Darum ging ein Klang von Waffen
Durch die Straßen jenes Abends,
Als Spinoza einsam wandelnd
Und gedankenvoll einherschritt.
Dürftig war ihm Hut und Mantel;
Aber Fülle wohnte stattlich,
Doch voll Maß, auf seiner Stirne.
In dem Spiegel seiner Augen,
Wie in Märchenseen ein reiner.
Wolkenloser Ätherhimmel,
Lag die Welt, sichtbarer Wohlklang,
Einfach, ein gelöstes Rätsel.
Um die liebevollen Lippen
War nie Leidenschaft gewandelt,
Weder Zorn, noch blindes Hassen.
Heiter schienen sie zu staunen
Über die verschlungnen, strupp'gen,
Dornig mühevollen Wege,
Die die Menschheit eigensinnig
Wählt für ihre lange Irrfahrt.
Da, in einer Haustür Schatten,
Traf sein Blick zwei junge Menschen,
Mann und Weib. Zum Krieg gegürtet
Er; es war der Tag des Scheidens.
Halb im Lichte der Laterne
Sah der Weise ihre Züge.
Schmerzlich ruhten beider Augen
Ineinander, dennoch heiter,
Stolz des hochgemuten Opfers.
An den Händen fest sich haltend,
Schienen sie sich stumm zu sagen:
Einig sind wir, ob wir leben,
Ob, für Vaterland und Freiheit,
Für den teu'r erkämpften Glauben
Gern verblutend, wir für immer
Heute von einander scheiden.
Nicht nach Stunden, nicht nach Tagen
Zählt das Leben, die vergehen;
Doch was unsre Tage füllte,
War die ew'ge Lieb' und Treue. –
Halb im Lichte der Laterne
Das bewegte Bild betrachtend,
Stand Spinoza eine Weile;
Danach schritt er zögernd weiter.
Als er heimkam, nach Gewohnheit
Still entzündet' er die Lampe,
Setzte sich zum Lesen nieder.
Schlug das Buch mit läss'ger Hand auf,
Starrte auf die schwarzen Lettern –
Doch sah nicht, was sie bedeuten.
»Auch der Wahn«, sprach er, »muß lieblich,
Süß auch sein, und auch das Leiden.
Ob ein Zufall nur, ein Hemmnis
Für die reine Menschenliebe,
Muß ein Vaterland, ein teures,
Kindisch, blind und streng geliebtes,
Schön sein. Ob auch ein entstelltes
Bild nur, muß die Freiheit schön sein,
Die der Völker eh'rne Ketten
Scheint zu lösen zaubermächtig;
Schön muß sein, für sie zu sterben.
Ob auch aller Menschen Glauben
Nur ein Tasten, nur ein Irren,
Hemmnis nur der Menschenliebe:
Schön muß sein, für seine Götter
Kämpfen, fallen und das Wehen
Ew'ger Palmen um die heiße
Dulderstirn entzückt zu ahnen.
Ob ein flüchtig und betrüglich
Ding die Liebe nur: zu lieben
Muß ein seliges Empfinden,
Muß des Lebens schönster Traum sein.«
*