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Lieder von Armen.

I.

Wald, du mein grünes Zelt,
Einziges Prunkgemach,
Winter hat jäh gefällt,
Lieber, dein schatt'ges Dach.

Der sich so drohend hebt,
Nackt und entblößt, der Ast,
Knarrend im Winde bebt;
Scheucht er den müden Gast?

Siehe, er winkte mir,
Zeigt was der Wald beschert,
Einst seiner Bäume Zier,
Glut meinem kalten Herd.

Horch, wie es seufzt und kracht
Mir in der Hand, das Holz;
Sonne hat ihm gelacht,
Kräftiger Stämme Stolz.

Vor meinem Haus im Schnee,
Glaub' ich wohl, daß ihm graut,
Wo es mein kahles Weh
Glühenden Auges schaut.

*

II.

Büblein mit den bleichen Wangen,
Laß dich brav in Schlummer wiegen;
Lieblich war dich zu empfangen,
Aber traurig dich zu kriegen.

Möchten doch statt kleiner Kinder
Blumen unserm Schoß entspringen;
Fürchtet' ich die Liebe minder,
Sollte sie mich gern bezwingen.

Aber ach, aus unsern Küssen
Quillt ein bittersüßer Segen,
Unheil, das wir lieben müssen,
Plage, die wir selber pflegen.

Fängt bald an von unserm Teller,
Anfangs wenig nur, zu nippen;
Doch es wächst dann schnell und schneller,
Nimmt das Brot uns von den Lippen.

Büblein, wärst du eine Blume,
Wäre dir und uns auch besser;
Darbtest nicht an karger Krume,
Fändest schon ein mild Gewässer.

Fändest Licht und Lust daneben,
Könntest freundlich blühn und sterben,
Müßtest nicht, davon zu leben,
Eitel Not und Trübsal erben.

*

III.

Großmutter, Großmutter, hast du immer
In der Hütte gewohnt?
Großmutter, sahst du den Reichtum nimmer,
Der in Prachträumen thront?

»Kind, in der Hütte war ich
All meiner Tage,
Schleppte von Jahr zu Jahr mich.
Draußen im Hage
Siehst du von frommen Lämmern
Wimmeln die Herde –
Maulwurf muß einsam dämmern
Unter der Erde.«

Großmutter, Großmutter, bleibst du stets
Gar so bitterlich arm?
Großmutter, wirst du – mein Mund erfleht's –
Einmal satt, einmal warm?

»Kind, für dich selber bete,
Hast es vonnöten.
Frostkälte kann verschneete
Keime nicht töten.
Einst wird man warm mich decken;
Hungersbeschwerde
Kann mich dann nicht mehr wecken
Unter der Erde.«

*


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