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Das Völkermaterial der Kulturwelt des Islam hat sich im Südwesten Asiens und im Norden Afrikas zusammengefunden, also in den subtropischen Theilen der Alten Welt. Der Islam hat es verstanden, seine eigene Gedankenarmuth mit den Grundgedanken des Judenthums und einigen Entlehnungen aus dem Zoroastrismus und dem ältern Christenthum zu verdecken und diesen Mischmasch nicht nur jenen Völkern mundgerecht zu machen, sondern sie sogar mit einem Fanatismus für diesen Glauben zu entflammen, wie er bei keiner andern Religion der Welt vorkommt. Dazu trägt wohl besonders seine ungeheure Einfachheit bei, welche das Denken und Grübeln über Dogmen erspart, und zwei weitere Hebel der Propaganda sind die unbedingte Ergebung in die Unvermeidlichkeit des vorherbestimmten Schicksals und die sinnlich-üppige Ausschmückung des Paradieses.
Die Araber sind die Schöpfer und ersten Verbreiter des Islam; wie überhaupt ihre größtentheils wüste und dürre Halbinsel Afrika ähnlicher ist als Asien, so hat auch ihr Volksthum mit Vorliebe dem »Zuge nach Westen« gehuldigt, und durch ihr Vordringen in dieser Richtung ist Nordafrika zu einem Groß-Arabien geworden. Doch hat das arabische Volksthum die Urbewohner dieser Erdgegend, die Berbern, nicht aufzusaugen vermocht, sondern sie neben sich, nicht ohne blutige Reibungen, fortleben lassen müssen. Im Osten aber hat das Araberthum zwar die Wüsten bis zum Euphrat und Tigris zu besetzen vermocht, aber an den westlichen Randgebirgen Irans eine Schranke, wenn auch nicht für seine Schrift und Religion, doch für seine nationalen Eigenthümlichkeiten gefunden. Wie die sunnitischen Araber dem Judenthum, so sind die schiitischen Perser dem Parsismus näher, während die noch weiter im Osten, in Indien und auf dessen Inseln hausenden Moslimen Anknüpfungspunkte mit den Glaubensformen Brahmas und Buddhas besitzen.
Im allgemeinen steht freilich bei den Mohammedanern das Weib weit tiefer als bei den Christen; aber es bestehen in dieser Hinsicht sehr verschiedene Abstufungen. In den Harems der Vornehmen und Reichen ist die Frau in ihrer Bewegung gehemmter als in den Zelten der Beduinen und in den ärmlichen Hütten anderer Völkerstämme; dessenungeachtet aber sind jene Harems oft genug der Schauplatz nicht nur folgenreicher weiblicher Ränke, sondern sogar weitgreifenden weiblichen Einflusses und nicht selten fühlbarer Herrschaft des schönen Geschlechtes. Zu solch harten Arbeiten, wie die Weiber der Naturvölker, werden die Frauen der Mohammedsjünger beinahe nirgends angehalten, und wo etwas der Art dennoch der Fall ist, kommt es eher bei den freier lebenden Landbewohnern als bei den gefangen gehaltenen Haremsdamen vor, deren Leben der Regel nach im Nichtsthun besteht. Der Kauf der Frau herrscht im Reiche des Islam allgemein und ist oft sogar ein Tauschhandel. Ebenso allgemein ist die Gestattung der Vielweiberei, welche der Islam bei den meisten Völkern, die ihn annahmen, bereits vorfand, aber nicht beförderte, sondern vielmehr beschränkte. Doch steht diese Beschränkung im Grunde blos auf dem Papiere, und die Hochstehenden lassen sich eine solche gar nicht auferlegen, während die Armen durch die Umstände von selbst auf die einfache Ehe angewiesen sind. Das Haremsleben kann ohne Sklaven und Sklavinnen nicht bestehen, und dieser Umstand nährt zwei Scheußlichkeiten: die Sklaven werden zu Eunuchen gemacht und die Sklavinnen stehen zur freien Verfügung des Herrn, ob sie wollen oder nicht. Dagegen ist die Behandlung dieser Menschenklasse im ganzen eine außerordentlich milde, namentlich im Vergleiche zur Behandlung derjenigen Sklaven, welche die »Christen« bis vor kurzer Zeit in ihren überseeischen Kolonien hielten. Es giebt indessen außerhalb der eigentlichen Harems auch unverstümmelte Sklaven, welche häufig bei ihren Herren Vertrauensstellungen einnehmen und nicht selten freigelassen werden.
Die ursprünglichste Form des Araberthums hat sich bei den Beduinen der Wüste erhalten. In der Zeit vor Einführung, ja vor Befestigung des Islam, waren die Frauen weder in Harems eingeschlossen, noch durch den Gesichtsschleier entstellt, noch den Männern unbedingt unterthänig, sondern setzten sehr oft ihren Willen durch. Die Polygamie, wo sie vorkam, war nicht, was die heutige; nur eine Frau, die vornehmste, war die rechtmäßige und Haupt der Familie. Die arabische Liebe hatte alle Rechte, sie blühte noch, wenn schon unterdrückt, unter der Herrschaft der Chalifen, deren in die Harems verkaufte Sklavinnen ihre früheren Geliebten, wie diese sie, nicht vergessen konnten, und sie kommt bei den Beduinen noch heute vor, während für sie bei den gekauften Puppen der Harems kein Raum ist. Bei dem Vorherrschen dieses Gefühles und seiner Unbezwinglichkeit ist dagegen nicht zu sagen, daß die eheliche Treue sehr in der Blüthe stehe, obschon ihre Verletzung als ein nur mit dem Tode zu sühnendes Verbrechen gilt, einige Stämme ausgenommen, deren betrogene Ehemänner sich durch Gaben an Geld und Kamelen beschwichtigen lassen. Die Hassanieh-Araber in Nubien gehen so weit, die Frau vertragsmäßig für einige Tage der Woche von der ehelichen Treue zu entbinden! Ja es giebt noch arabische Stämme, deren Männer ihre Frauen dem Gaste anbieten, wie überhaupt die Gastfreundschaft (gegen Gläubige) keine Grenzen kennt. –
Eingeleitet wird bei den Beduinen die Ehe durch die Werbung des Freiers in Begleitung von Freunden, welche mit dem Vater der Braut bei einer Tasse Kaffee einen eigentlichen Schacherhandel betreiben. Ist man handelseinig geworden, so beginnen Festlichkeiten mit Spielen, Kunststücken und Schießen, und der Khatib (Notar) des Stammes giebt das Paar zusammen, wobei statt der Braut, die weder gefragt wird, noch bis dahin überhaupt etwas von der Sache hat wissen sollen, der Vater antwortet, dagegen dem Bräutigam anempfohlen wird, seine Frau gut zu behandeln. Nach weiteren Ceremonien, wobei die Braut sich sträuben oder fliehen muß (Rest des Weiberraubes), und Waschungen wird sie in die Hütte ihres Mannes geführt. Wird einem Mädchen ein Bräutigam bestimmt, den sie nicht will, so flieht sie in das Zelt eines Nachbars und bleibt dort, bis der unwillkommene Freier auf sie verzichtet hat.
Bei reicheren Leuten, d. h. im Haremsleben, sind die Festlichkeiten länger und pompöser. Es werden einige Wochen auf die Hochzeit verwendet, und während dieser ganzen Zeit muß die Braut »Verschönerungen«, bestehend in Schminken, Goldplättchen, Frisuren, schönen Kleidern und kostbarem Schmuck, über sich ergehen lassen. Sie wird von Besuchen überhäuft, muß Sängerinnen anhören, Tänzerinnen ihre Kunst üben sehen u. s. w.
Von den Männern unter sich werden die Frauen geringschätzig betrachtet. Es gehört die Erkundigung nach dem Befinden einer Frau so wenig zum guten Ton, als wenn es sich um eine Sklavin handelte. Die Geburt eines Mädchens wird daher beklagt, während die eines Knaben bejubelt und festlich gefeiert wird. Das patriarchalische Verhältniß ist nirgends auf der Erde in dem Grade ausgebildet wie bei den Arabern, und die Erklärung der Frauen als untergeordneter Geschöpfe, die der Koran aufgestellt hat, wird unverbrüchlich aufrecht erhalten. Dagegen ist es eine schöne Seite des Islam, die aber wohl schon aus der Urzeit Arabiens herrührt, daß die Frauen als unverletzlich gelten, und sie auch nur zu schlagen, geschweige denn zu mißhandeln oder gar zu tödten, als die ehrloseste That betrachtet wird.
In Arabien giebt es indessen noch ungezwungene Frauengesellschaften, an welchen die Scheichas (ursprünglich »Aeltesten«, jetzt Vornehmen, doch in sehr weitherziger Ausdehnung) theilnehmen. Die Etikette in diesen Gesellschaften erfordert (wie bei den Chinesen), daß die Sprechende sich selbst maßlos erniedrigt und die Angeredete ebenso maßlos erhebt. Alles überfließt von Freundlichkeit, und der Neid, besonders wegen schönerer Kleidung, wird auf die Abwesenheit der Beneideten verspart ( partout comme chez nous.)
Die Berber, deren Feindschaft mit den Arabern einst der Haupthebel war, Spanien in den Besitz der Christen zurückzubringen, behandeln die Frauen viel besser, gestehen ihnen weitmehr Rechte zu als die Araber. Noch gilt bei ihnen statt des Erbrechts der Söhne das der Schwestersöhne. Werden auch bei ihnen die Töchter nicht gefragt, ob sie in eine Ehe willigen, lasten auch dort viele Arbeiten auf den Frauen, so sind sie dafür erbfolgeberechtigt, sie haben in öffentlichen und häuslichen Angelegenheiten mitzusprechen und auf ihren Rath wird gehört; fromme Frauen können religiöse Würden bekleiden, wie die ungenannte Priesterin und Prophetin, welche am Ende des 7. Jahrhunderts im Gebirge Auras ihr Land gegen die Araber vertheidigte und dabei den Tod fand. Ja sie können zu Heiligen werden. Auch wird mehr auf die Schönheit der Frauen gesehen, als auf ihre Ueppigkeit, bezw. Wohlbeleibtheit, wie bei den Arabern. Die Berberinnen gehen unverschleiert und speisen mit den Männern, während die Araberinnen ihr Gesicht niemals vor Männern (außer ihrem »Herrn«) sehen lassen dürfen und mit dem Essen warten müssen, bis der Herr des Zeltes gesättigt ist. Ja die Berberinnen theilen die Gefahren ihrer Männer, kämpfen neben ihnen gegen Feinde, besorgen die Kranken und verwundeten Krieger. Bei dieser Annäherung zwischen Mann und Frau ist es nicht zu verwundern, daß die einfache Ehe unter den Berbern beinahe ausnahmlose Regel ist. Eine geschiedene oder entlassene Frau ist nicht verachtet wie bei den Arabern, sondern kann frei über ihre Person weiter verfügen. Verachtet sind nur die Weiber, welche sich mit Kuppelei befassen, auch wenn dies auf die Ehe hinzielt.
Im schiitischen Persien bestehen zwischen den Reichen und Armen dieselben Unterschiede wie zwischen den Haremsbesitzern und den Beduinen Arabiens und Afrikas. Der reiche Perser verbringt seine Zeit tags im Birun (Männerhaus) und nachts im Enderun (Frauenhaus); der Mittelstand und die Armen leben meist in Monogamie, wenn nicht besondere Gründe, z. B. Verbindungen, die den Ehrgeiz fördern, oder Arbeitscheu und Gewinnsucht (sofern die Frauen statt des Mannes Geld verdienen) Ausnahmen herbeirufen. Die Perser heirathen entweder auf die Dauer oder auf eine bestimmte Zeit, die zwischen einer Stunde (!) und 99 Jahren (also doch lebenslänglich) schwankt. Im ersteren Falle heißt die Frau Aekoi, im letzteren Sighi. Dieselbe Frau kann von einer dieser beiden Klassen in die andere versetzt werden, wenn es dem Manne beliebt. Ja es können Frauen beider Klassen zwischen verschiedenen Männern ausgetauscht werden! Da die Frauen stets am Wohnorte bleiben, nehmen Männer, welche reisen, bei Aufenthalten in der Fremde eine Frau auf Zeit, wozu es an Kandidatinnen nirgends fehlt, ja wozu die Priester gegen gute Bezahlung gern behilflich sind. Die Brautwerbung geschieht durch eine Unterhändlerin (Delaleh), welche die Vorzüge der Auserkorenen auskundschaftet und dem Freier (natürlich nicht immer wahrheitsgemäß) berichtet. Die Perser behandeln ihre Frauen ziemlich gut und verwenden viel auf solche, die ihnen imponiren. Letztere bewegen sich freier als Araberinnen der Städte und Türkinnen; sie gehen aus und besuchen den Bazar, freilich stark verschleiert, nicht nur das Gesicht, sondern auch die Gestalt.
Unter den Sunniten des Ostens besteht die sonderbare Einrichtung, daß Frauen, welche nach Mekka wallfahren wollen, deren Männer aber die Pilgerschaft nicht mitmachen können, einen Mann auf Zeit (Muhalil) nehmen, der sie begleitet und nach der Rückkehr die Scheidung verlangen muß. Wird sie nicht ausgesprochen, so behält er die Frau, darf aber nicht wieder in solcher Art pilgern.
Im gesammten Gebiete des Islam erhebt sich die Liebesdichtung nicht über die körperliche Seite; so glühend die weiblichen Reize verehrt werden, so beinahe unbekannt ist eine Werthschätzung der sittlichen oder geistigen Vorzüge des Weibes. Es wäre auch nicht einzusehen, wie es anders sein sollte, weiß ja der Islam nichts von einer geistigen, nicht einmal von einer religiösen Bildung der Frauen. Dieselben haben in der Moschee keinen Platz, und von Mädchenschulen weiß man erst seit sehr neuer Zeit in Konstantinopel und anderen großen Städten etwas. Ausführlichere Darstellungen der Familien- und Eheverhältnisse im Islam, welche in unser Buch nicht gehören, finden sich in Hellwalds Werk, »die menschliche Familie«, S. 391-443; Ploß, »das Weib« II. Bd., S. 452 ff., 478 ff.
Mohammed, Der Ton liegt auf dem a. der Sohn des Abdallah und der Amina, verlor den Vater schon vor seiner Geburt und die Mutter mit sechs Jahren; er wuchs daher ohne weibliche Leitung bei seinen Verwandten auf. Die erste Frau, – die auf den für die Weiblichkeit stets sehr empfänglichen Mann Einfluß ausübte, war Chadidscha, bereits zweimal Witwe geworden und Inhaberin eines Handelsgeschäftes, für das der 15 Jahre jüngere Mohammed reiste. Er gefiel ihr so sehr, daß sie ihn zum dritten Manne erhob, zum großen Mißvergnügen ihrer Familie, die bei diesem Anlasse übertölpelt wurde, schließlich aber sich in das Unvermeidliche fügte. Das ungleiche Paar lebte glücklich zusammen und hatte zwei Söhne, die sehr früh starben, und vier Töchter: Seinab, Rokaija, Omm Kolthum und Fatima. So lange Chadidscha lebte, nahm der Prophet keine zweite Frau neben ihr. Sie war seine Beratherin und Trösterin zur Zeit seiner ersten sog. Offenbarungen. Ihr Geschäft wurde das Opfer seines neuen Berufes; es ging gewaltig zurück, als die heidnische Bevölkerung von Mekka den Verkehr mit dem lästigen Neuerer und seiner Familie abbrach (es war ein Boycott in schönster Form). Die Maßregel brachte aber den Heiden mehr Nachtheile als Vortheile, und der Bann, gegen den sich immer mehr Abneigung zeigte, wurde aufgehoben, wahrscheinlich gegen einen vorläufigen Verzicht des Propheten auf weitere Propaganda. Bald darauf starb Chadidscha zu seinem großen Schmerze nach 25 jähriger Ehe; aber der nun Fünfzigjährige tröstete sich schon nach zwei Monaten mit einer zweiten Frau Ssauda und verlobte sich zugleich mit der erst 6 oder 7 Jahre alten Aïscha, der Tochter seines besten Freundes und ersten Anhängers Abu Bekr, die er dann bald nach seiner Flucht in Medina heirathete (sie war höchstens 10 Jahre alt!) und der er noch mehrere weitere Frauen beigesellte.
Von seinen Töchtern hatte Seinab einen Ungläubigen geheirathet und blieb in Mekka; Rokaija und ihr Gatte Othman machten die Flucht (622) mit und letzterer erhielt nach ihrem frühen Tode ihre Schwester Omm Kolthum; die berühmteste Tochter, Fatima, wurde die Frau des Ali und damit Ahnmutter der Fatimiden. Die blutige Feindschaft zwischen den Nachfolgern des Propheten und den Aliden dürfte vielleicht in dem Hasse zwischen ihr und ihrer Stiefmutter Aïscha die erste Wurzel haben. Fatima fehlte am Sterbebette des Propheten, ihres Vaters, starb aber wenige Monate nach ihm. Aïscha erhielt in der Folge den Titel »Mutter der Gläubigen« und die größten Antheile an der Beute der arabischen Glaubens- und Raubzüge. Nach dem Tode ihres Beschützers Omar aber sank ihr Glück; Othman verhielt sich gleichgültig, Ali aber geradezu feindlich gegen sie, was sie redlich erwiderte. Sie begünstigte durch ihre Entfernung nach Mekka den Sturz und Mord Othmans und nahm von dort aus an dem Zuge Talchas und Sobeirs gegen Ali theil. Als aber die beiden Anführer fielen und die Flucht sie in ihrer von einem Kamele getragenen Sänfte fortriß, hielt sie dieselbe durch ihr Geschrei auf und bewirkte Erneuerung des Kampfes, bis die Sänfte von Pfeilen gespickt war »wie ein Igel mit Stacheln«. Aber einer der Soldaten Alis lähmte das Kamel und Aïscha fiel in die Gewalt ihrer Feinde, die sie aber großmüthig nach Medina entließen, wo sie 679 starb.
Der Prophet erlaubte sich jede Ausschweifung und Mordthat Wir verweisen bezüglich des Näheren auf A. Müller, »der Islam im Morgen- und Abendland«, 2 Bde., Berlin 1885 und 1887. und rechtfertigte sie jeweilen durch »Offenbarungen«. Seinen Adoptivsohn Seid Ibn Haritha nöthigte er, ihm seine schöne Frau Seinab abzutreten, und hielt sich in seinem Alter weit mehr Frauen, als er den Gläubigen (nämlich höchstens vier) gestattete. Auch bestimmte er, daß die Kinder von Nebenfrauen (Sklavinnen) den Kindern der Ehefrauen ebenbürtig sein sollten, und schrieb den Töchtern die Hälfte des Erbtheils der Söhne zu. Die Sklavinnen, die dem Herrn Kinder schenkten, sollten frei werden.
Sklavinnen haben auch in der Folge großen Einfluß bei den »Nachfolgern des Propheten« ausgeübt. Eine solche, Cheisuran, welche der abbasidische Chalif Machdi nach seiner Thronbesteigung (775) freiließ und heirathete, war die Mutter der beiden nächsten Chalifen, Mußa El-Hadi und Harun Er-Raschid. Sie gab dem Jüngern den Vorzug und suchte den Aeltern von der Thronfolge auszuschließen. Harun trat nach dem Tode des Vaters zu Gunsten des Bruders zurück; Hadi aber entzog seiner Mutter jeden Einfluß am Hofe zu Bagdad und grenzte sie in das Harem ein. Ja er soll beabsichtigt haben, sie zu vergiften und Harun hinrichten zu lassen. Sicherer ist, daß das erbitterte Weib ihn durch ihre Sklavinnen im Bette ersticken ließ und so den Liebling Harun auf den Thron brachte. Dieser von »Tausend und Eine Nacht« gefeierte blutige und wollüstige Tyrann kannte überhaupt nichts von einem Gewissen; seine größte Schandthat ist aber wohl sein Verfahren gegen seinen treuen Wesir, den Barmekiden Dschaafar. Der Chalif liebte seine Schwester Abbáßa so sehr, daß er ihre Gesellschaft nicht missen mochte. Da er aber auch an den Umgang Dschaafars gewöhnt war, verfiel er auf den barocken Gedanken, die beiden, damit sie ohne Verletzung der Sitte um ihn sein durften, miteinander zu verheirathen, aber nur zum Schein! Die Liebenden kehrten sich an diese Klausel nicht, und es entsprossen ihrer Ehe zwei Söhne; als dies aber der Despot entdeckte, fiel Dschaafars Haupt sofort.
Haruns Hauptleidenschaft war die zum schönen Geschlechte, welcher er leichtfertig die größten Summen aus dem Staatsschatze opferte, der ja nach orientalischen Begriffen zur freien Verfügung des Herrschers steht. Kam das Ergebniß irgend einer Erpressung in den Palast, und der Chalif befand sich in guter Laune, so vertheilte er den Schweiß seiner Unterthanen an seine Haremsdamen. Einst veranstaltete er einer neu erworbenen schönen Sklavin zu Ehren ein Fest, wobei nicht weniger als zweitausend reizende und geschmückte Sklavinnen, zum Theil als Sängerinnen und Musikerinnen, mitwirken sollten. Als dies seine eifersüchtige erste Gattin Zobaida, die übrigens auch seine Base war, vernahm, bat sie sofort seine Halbschwester Olaija, eine gefeierte Dichterin ihrer Zeit, ein neues Lied zu dichten, und ließ es dann in aller Eile, um jenem Feste zuvorzukommen, von ihren tausend Sklavinnen dem Chalifen vortragen, der darüber so entzückt war, daß er den Inhalt der gesammten Schatzkammern, sechs Millionen Dirham (etwa fünf Millionen Mark) unter die Anwesenden ausstreuen ließ. Eine schöne Sängerin brachte durch einen Vortrag vor dem Chalifen ihrem Herrn das Militärkommando und die Steuererhebung in Persien für sieben Jahre ein. Einer anderen Sängerin schenkte er ein Halsband im Werthe von 30 000 (nach Anderen 120 000) Dinar. Zobaida überhäufte den kaiserlichen Verschwender oft genug mit Vorwürfen, und es gab häusliche Auftritte in Menge. War sie auch ebenfalls verschwenderisch, so hob sie diesen Fehler durch Wohlthätigkeit auf. So ließ sie zum Besten der Mekka-Pilger Herbergen mit freier Verpflegung und eine Wasserleitung nach der Stadt des Propheten bauen, welche 1 700 000 Dinar (etwa 13 600 000 Mark) kostete. Von ihrer Verschwendung zeugen z. B. ihre Sänften, welche aus Silber und Ebenholz verfertigt, mit goldenen Nägeln und Klammern befestigt und mit Brokat, Hermelin oder Seidendamast überzogen waren; sie trug mit Edelsteinen besetzte Schuhe, brannte Kerzen aus Ambra und aß nur aus goldenen und silbernen Geschirren.
Die oben genannte Dichterin Olaija, die Tochter einer Sklavin, welche der Chalis Machdi für 17 000 Dinar gekauft hatte, Schöne Sklavinnen wurden damals mit 80-100 000 Dirham bezahlt und die Häuser der Sklavenhändler waren Sammelplätze der »goldenen Jugend«, wobei es sehr ungezwungen herging. setzte ihre Gedichte selbst in Töne und trug sie selbst vor. Längere Zeit besaß sie großen Einfluß am Hofe. Wegen eines Muttermales an der Stirne trug sie eine Art Diadem, das man so reizend fand, daß alle Damen Stirnbänder nach diesem Muster haben wollten. Sie liebte einen Pagen des Chalifen, Tall mit Namen, und soll, um zum Stelldichein mit ihm zu gelangen, den gefährlichen Weg einer Dachtraufe gewählt haben. Ihr Halbbruder wollte diese Liebe gewaltsam unterdrücken; es gelang ihm aber nicht. Näheres s. bei Kremer, A. v., Kulturgeschichte des Orients unter den Chalifen, Wien 1875 und 1877.
Das glänzende Chalifenreich hatte schon vor Harun Spanien an die Vorgänger der Abbasiden, die Omaijaden, verloren; nach Harun zerbröckelte es rasch in zahllose Dynastengebiete. Dem Chalifen blieb nur der geistliche Nimbus; die weltliche Macht fiel den Sultanen der Einzelreiche zu. Unter den das mohammedanische Weltreich zerreißenden Herrscherhäusern war das türkische der Seldschuken das mächtigste. Eines der ersten Häupter dieser das Chalifat und den ganzen Osten des ehemaligen Reiches beherrschenden Familie, Melikschah, heirathete um 1086 eine Prinzeß von Samarkand, Turkan-Chatun (Chatun = Frau, ein Ehrentitel). Sie verfolgte ehr- und herrschsüchtige Plane; ihren Sohn Machmud, obschon er drei ältere Stiefbrüder hatte, auf den Thron zu bringen, war ihr Bestreben. Ihr entgegen wirkte der greise Wesir Nisam-el-mulk für den ältesten Sohn seines Herrn, Barkijárok. Da Melikschah Miene machte, auf seinen erprobten Rathgeber zu horchen, verleumdete sie den letztern, klagte ihn arger Mißbräuche an und bewirkte seine Ungnade. Als aber der Greis darauf mit einer wenig respektvollen Rede antwortete, wurde er erst durch Stillschweigen in Sicherheit gewiegt und dann auf einer Reise nach Bagdad im Feldlager ermordet; den undankbaren Sultan aber raffte noch in demselben Jahre eine Krankheit hin. Turkan verbarg seinen Tod mit Hilfe des durch sie zum Wesir emporgestiegenen Tadsch-el-mulk (ihres früheren Geheimschreibers), bis sie durch Bestechung der Emire die Huldigung für ihren Sohn erlangt hatte. Die Folge war ein Bürgerkrieg zwischen den Anhängern der Sultanin und denen des Barkijarok und seines Wesirs Is-el-mulk (eines Sohnes des Nisam). Wild tobte der Kampf um die Hauptstadt Ispahan. Ein Friedensschluß, der die letztere der Sultanin überließ, den größten Theil des Reiches aber dem Gegner zusprach, war nicht ernstlich gemeint. Turkan bot einem Oheim des letztern, Ismail, für seine Beihilfe ihre Hand an, und als dieser von eifersüchtigen Emiren ermordet wurde, dem Sultan Tutusch von Damask; aber sie starb bald darauf (1094), und die Folge dieser Ereignisse war die vollständige Zerrüttung der Seldschukenherrschaft, zu deren inneren Fehden wenige Jahre später noch die Kreuzzüge kamen, die ihnen einen Theil ihrer Lande wegnahmen.
Interessant ist, daß noch eine zweite Turkan-Chatun im Osten des ehemaligen Chalifenreiches eine Rolle spielte. Es war zur Zeit, als der gigantisch-blutige Dschingischan seine gräßlichen Horden nach Westen führte (1217). Zunächst von ihnen bedroht war damals Mohammed, Schah von Chwarism (der Gegend von Chiwa, als Mittelpunkt eines auch Westpersien umfassenden, vom Seldschukenreiche losgerissenen Staates), den er durch Gesandte als seinen Sohn (in der Mongolensprache: Vasallen) begrüßen ließ. Der tief verletzte Schah beschloß den Krieg gegen die von ihm unterschätzten Mongolen und reizte sie sogar dazu durch den Mord von Angehörigen. Aber seine Turkmenenstämme waren zu sehr zersplittert, und was noch schlimmer, seine Mutter Turkan-Chatun, die einem derselben angehörte, begünstigte die Unabhängigkeitsliebe und die decentralisirenden Tendenzen desselben. Mohammed war daher bereits entmuthigt, als die Mongolen in sein Reich einfielen. Er floh nach Persien; aber auch hier drangen die Mongolen ihm nach; auch seine Mutter hatte fliehen müssen, und er selbst endete auf einer Insel im Kaspisee, wo er sich verborgen hatte (1221).
Es war zur Zeit des Niederganges der Kreuzzüge, als im Nillande, während Ludwig der Heilige, König von Frankreich, seinen unglücklichen Kreuzzug dorthin ausführte, der Sultan Eijub von Aegypten (1249) starb und seine Witwe Schedscheret-ed-durr (d. h. Perlenbaum) seinen Tod verheimlichte, bis der abwesende Thronerbe Turanschah angekommen wäre. Dieser war aber ein unfähiger Mensch, und kaum war er während des Kampfes gegen die Franzosen angekommen, kaum waren diese geschlagen und der König gefangen worden, so hatte der Sultan seine Stiefmutter und alle ägyptischen Großen durch sein verletzendes Benehmen dermaßen aufgebracht, daß die Mamluken unter Anführung ihres späteren Sultans Beibars ihn überfielen und im Angesichte der gefangenen Christen im Nil, in den er sich geflüchtet, ermordeten. Die Emire wollten aber von dem Weiberregimente, das Schedscheret zu errichten versuchte, nichts wissen und setzten den Prinzen Musa auf den Thron, den aber der Emir Eibek verdrängte, worauf er die Sultanin-Witwe heirathete, die ihn jedoch, weil er ihr Anlaß zur Eifersucht bot, im Bade ermorden ließ. Bald darauf aber wurde sie von den empörten Offizieren gestürzt und umgebracht, und damit begann die für Aegypten so verhängnißvolle Herrschaft der wilden und immer mehr verwildernden Mamluken.
Im moslimischen Spanien war der ephemere Glanz des Reiches von Cordova bereits am Erbleichen, als der Chalif Hakam II. 976 starb. Er hinterließ nur einen elfjährigen Sohn Hischam II. unter der Obhut von dessen Mutter, einer geborenen, aber zum Islam übergetretenen, schönen Baskin, deren Name Aurora im Arabischen weniger melodisch Ssobch lautete. Das eigentliche Haupt der Regierung aber wurde der den Daseinsabend der spanischen Omaijaden drastisch charakterisirende Emporkömmling Mohammed Ibn Abi Amir, später betitelt El-Manßur (der Sieger), der nach einer Sage schon als Student seine einstige Höhe vorausgesehen haben soll. Schon zu Lebzeiten des alten Chalifen gefiel er der empfänglichen Aurora, und er wurde durch sie Haushofmeister. Als der Chalif gestorben war, ließen er und der beschränkte alte Wesir Moßhafi den von der slawischen Leibwache zum Thronfolger bestimmten Mogira, einen Halbbruder Hakams, ermorden, und der Günstling rettete so dem Sohne seiner Gönnerin (und wie jedermann sagte, Geliebten) den Thron. Bald gelang es ihm auch, den alten Moßhafi zu stürzen und sich an seine Stelle zu schwingen; später ließ er ihn auch noch tödten. Es war aber weder Auroras noch Mohammeds Wunsch, durch das Heranwachsen des jungen Chalifen einst ihre Herrschaft zu verlieren, und so machten sie den unglücklichen Sprößling eines edeln Hauses durch Vernachlässigung seiner Erziehung und Einpflanzung von Bigotterie zum Idioten. Aber es fehlte ihnen nicht an Feinden. Die Slawen, Moßhafis Freunde und die Frommen, die den freigeistigen Minister haßten, spannen eine Verschwörung zur Ermordung des jungen Fürsten, die aber vereitelt wurde und die Anstifter dem Henkerbeil überlieferte. Um die Frommen zu gewinnen, gab ihnen der Minister die philosophischen Werke der Chalifenbibliothek preis, und so war ihm jedes Mittel zum Zwecke recht. Er wurde Alleinherrscher, Reichsverweser und nahm endlich den Königstitel ( El melik el kerim) an. Der alternden Aurora glaubte er jetzt nicht mehr zu bedürfen; aber er rechnete nicht mit ihrer Rache. Tief empört suchte sie den eingeschläferten Willen des Sohnes zu wecken und hetzte ihn, wie durch Sendlinge die Bevölkerung gegen den Mächtigen auf. Aber er durchschaute dieses Beginnen, gewann den Chalifen wieder für sich, und Aurora mußte sich in die Einsamkeit zurückziehen, wo sie in frommen Uebungen den Rest des Lebens hinbrachte. Nach neuen, ja den größten Triumphen über die aufständischen Berber in Afrika und die feindlichen Christen im Norden, im Vollbesitze seiner Würden, aber nicht ohne Vorausahnung des baldigen Sturzes seiner Schöpfungen und seines Reiches, starb El-Manßur im Jahre 1002 an längst schon ihn verzehrender Krankheit.
Auch unter den berberischen Almoraviden, welche später, nach längerer Zersplitterung des islamitischen Spanien, die Erben der Omaijaden wurden, that sich eine Frau hervor, Seinab, die Gattin des Abu Bekr. Sie übte seit 1058 den meisten Einfluß auf die fanatischen Heere ihrer Sekte, und sie war es, welche zuerst ihr Augenmerk, statt auf die wilden Stämme der Sahara, auf das schönere und kultivirte Magrib (Marokko) richtete. Als sich ihr Gemahl nach dem Süden wandte, trennte sie sich mit seinem Willen von ihm und nahm seinen Neffen Jußus Ibn Taschsin zum Manne. Sie begleitete ihn, als er Marokko gründete und das Land bis zur Meerenge eroberte, und feuerte ihn an, sich von Abu Bekr unabhängig zu erklären, bis er Herr des nordwestlichen Afrika von Algier bis zum Senegal und endlich auch des südlichen Spanien wurde, dessen Wegnahme durch die Christen er um Jahrhunderte aufschob und dessen glänzende Kultur seine Sekte durch religiöse Bornirtheit und Bildungslosigkeit ersetzte. Noch ehe diese rückschrittliche Aufgabe völlig gelöst war, starb Jussuf (1106) beinahe hundertjährig, nachdem ihm Seinab gewiß längst vorangegangen war.
Auch eine Dichterin hat der Spätherbst muslimischer Kultur in Spanien hervorgebracht: die schöne Walláda, Tochter des 1025 ermordeten elenden omajadischen Chalifen Mustafik.
Wir stehen im Spätherbste muslimischer Herrschaft in Spanien, die seit einem Vierteljahrtausend auf das kleine Reich von Granada beschränkt und überdies durch beständige Parteikämpfe zerrüttet war. Die Abencerragen und die Zegris machten sich den Thron streitig und bahnten dadurch selbst dem »katholischen« Paare Fernando und Isabella den Weg zur völligen Wegfegung des Halbmondes aus Westeuropa. Die Despotie des Emirs Abul Hassan verschlimmerte die Lage des letzteren noch mehr. Seiner ersten Gattin Aïscha hatte er die abtrünnige Christin Isabel beigesellt, die arabisch Thoraija (Morgenstern) genannt wurde und die er der ältern vorzog. Dies beschleunigte die Katastrophe. Die Söhne Aïschas, Abu Abdallah Mohammed (bei den Christen Boabdil) und Jussuf flohen (1482) nach Guadix und erhielten Anhang. Nun floh der Vater nach Malaga, und es brach ein innerer Krieg aus, in welchem Jussuf durch die Hand des Vaters gefallen sein soll. Boabdil setzte den Kampf fort, während die Christen seinem Lande bereits die Stadt Alhamma wegnahmen. Rasch nach einander folgten der Tod Abul Hassans und die Niederlage Boabdils, der nach der endlichen Einnahme von Granada (1492), die Stadt verlassend, in Thränen ausbrach, worauf seine ihn begleitende Mutter Aïscha ausrief: »Weine nun wie ein Weib, da du nicht den Muth hattest, dich wie ein Mann zu vertheidigen«. Er endete in Afrika.
Wie sehr dürften wir den Sieg unserer Rasse und unserer Kultur über die fremden Eindringlinge begrüßen, wenn die Sieger dem neu geeinigten Lande etwas Besseres zu schenken gewußt hätten, als die Inquisition und ihre flammenden Scheiterhaufen!