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Die Naturvölker des »dunkelsten Erdtheils« folgen einander, was die Stufen ihrer Kultur betrifft, in der Richtung von Süden nach Norden. Die tiefsten und rohesten Zustände finden sich bei der Völkergruppe der Hottentotten und der Buschmenschen. Letztere, in ihrer eigenen Sprache Saan, sind die rohere Abtheilung; ja sie stehen vielleicht unter allen Menschen dem thatsächlich sonst nicht mehr verwirklichten Begriffe der »Wilden« am nächsten; denn, abgesehen von der fast gar nicht vorhandenen Kleidung, leben sie in Felsenritzen, in Gruben des Ameisenbären, unter überhängenden Felsen, in Höhlen, unter Windschirmen aus Strauchwerk, selten in Hütten. Eine Ehe besteht nicht und das Weib ist lediglich Sklavin, ja die Forscher sagen »Lastthier« des Mannes. Ihr liegt alle Arbeit ob und werden noch dazu Mißhandlungen von Seite des Mannes zu theil, der außer der Jagd sich lediglich dem Müßiggang ergiebt und bei knapper Nahrung die »Gefährtin« darben, wenn sie aber schwach oder alt wird, ruhig verschmachten läßt oder den wilden Thieren preis giebt. Desto rührender ist die Liebe der Mütter zu den Kindern, die sie sogar dem Rachen des Löwen zu entreißen suchen. Bei solcher Rohheit der Buschmänner staunen wir, von ihnen die Sterne benennen und Sagen erzählen zu hören.
In jeder Beziehung höher stehen die sich selbst Koikoin nennenden, von uns aber ihrer scheinbar stotternden Zunge wegen Hottentotten genannten hellfarbigen Südafrikaner. Die Braut wird gekauft; es ist also bereits eine auf Vertrag gegründete Ehe vorhanden, – ja es kommt sogar eine religiöse Ceremonie, freilich eine höchst unappetitliche, bei der Eheschließung vor, und die Neuvermählten feiern bei Tage öffentlich ihr Beilager in der neu errichteten Hütte. Nur die Reichsten leben polygamisch. Die Frauen werden nicht schlecht behandelt, außer wenn sie sich schlecht aufführen; den Mädchen dagegen ist jede Zügellosigkeit gestattet. Freilich macht man mit ihnen, wenn arme Eltern Zwillinge erhalten, wenig Umstände; eines davon, und zwar bei gemischten das Mädchen, wird ausgesetzt oder lebendig begraben. Im übrigen lieben die Hottentotten ihre Kinder zärtlich.
Unter den Bantu-Völkern, welche zunächst nördlich und östlich an die Hottentotten und Buschmenschen grenzen, ragt das Volk der Kaffern und unter diesen der Stamm der Sulu (Zulu) durch merkwürdige Eigenschaften, letzterer insbesondere durch seine kriegerische Tüchtigkeit und ritterliche Erscheinung hervor. Die Stellung der Frauen ist seit der Eroberungspolitik, welche König Tschaka in der Mitte unseres Jahrhunderts begann, eine veränderte geworden, indem jener Erste einer Despotenreihe, wie sie Asien, Rom, Byzanz und Rußland nicht charakteristischer geliefert haben, seinen Soldaten die Familiengründung verbot und nur die »freie Liebe« gestattete, deren Früchte er aber erbarmungslos umbringen ließ. Unter diesen Umständen sind die Frauen in eine noch gedrücktere Lage gekommen als früher. Der Mann lebt nur dem Krieg und der Jagd und hat außerdem das Vorrecht, die Kühe zu melken. Alles Uebrige, selbst das Tragen schwerer Lasten und der Feldbau, ist Aufgabe der Weiber. Die Polygamie ist sehr allgemein und ist es durch die für nicht mehr dienstpflichtige Männer verfügbare Großzahl der Frauen noch mehr geworden als früher. Jeder Mann nimmt soviel Frauen, als er ernähren kann; aber eine jede hat ihre eigene Hütte und ihr eigenes Feld. Die älteste Frau nimmt den Vorrang ein und die übrigen sind tatsächlich ihre Dienerinnen. Erworben wird die Frau ausschließlich durch Kauf, und zwar um Kühe, deren Anzahl der Vater bestimmt, und es ist den Töchtern desto lieber, je mehr Kühe sie »werth sind«, ja sie fühlen sich durch eine geringere Anzahl beleidigt. Erfüllt die Frau die Erwartungen des Mannes (Arbeitskraft und Fruchtbarkeit) nicht, so sucht er sie ihrer Familie zurückzusenden und den Kaufpreis zurückzuerhalten, was ihm aber von Seite ihrer Angehörigen möglichst erschwert wird. Es kommen indessen sowohl Beispiele glücklicher einfacher Ehen, als solche treuer Liebe vor. Ein wegen angeblicher Hexerei verfolgter junger Kaffernhäuptling verbarg seine Geliebte in einer Höhle, die er mit einem schweren Steine verschloß, und während er mit seinen Verfolgern kämpfte und nach tapferer Gegenwehr fiel, erlag seine Braut, die er nicht mehr hatte befreien können, in ihrem Verließe dem Hunger.
Die schwarzen oder eigentlichen Negervölker in Mittelafrika haben im ganzen völlig ähnliche Verhältnisse der Ehe und der Familie wie die Kaffern und Hottentotten, also gleich ihnen gesittetere als die Buschmenschen. Ja man kann sagen, daß die Frauen bei ihnen noch besser behandelt werden, als bei den zwei genannten Volksstämmen, wenn sie auch an mangelnden Rechten und ausgedehnteren Pflichten tief unter den Männern stehen. Ueberall werden sie gekauft, jedoch nicht stets um Vieh wie bei den Kaffern, sondern auch um Eisenplatten, Lanzenspitzen, Elephantenzähne, Perlen, Baumwollstoffe, Goldstaub, ja bei jenen Stämmen, die mit europäischer Kultur näher bekannt sind, um baares Geld Hellwald, die menschliche Familie S. 308 ff.. Beinahe überall gilt auch die weibliche Erbfolge. Die Kinder erhalten den Stand nicht des Vaters, sondern der Mutter. Ist diese von fürstlichem Geblüte, vom Adel, vom Volke oder Sklavin, so sind es auch ihre Kinder, der Vater mag sein, wer er will. Die väterliche Gewalt gehört dem mütterlichen Oheim, und letzterer wird durch den Neffen beerbt, nicht der Vater durch den Sohn. Dem König folgt der Bruder, dann der Schwestersohn u. s. w. A. a. O. S. 208 ff. Wie Gustav Nachtigal berichtet, giebt es in Centralafrika ein Ländchen, dessen Häuptling stets eine Frau ist, daher es die Araber Beled-el-Mrâ, d. h. Land der Frau nennen. Auch Livingstone fand im obern Schire-Thale einen von einem Weibe, Nyango, regierten Stamm.
Mit diesen und ähnlichen Erscheinungen stimmt es überein, daß unter den Negervölkern allgemein der Mutter eine hohe Verehrung von Seite der Kinder gezollt wird, die eher eine größere persönliche Beleidigung, als eine geringere der Mutter dulden. Gerland, Ethnographie (Text zum Bilderatlas) S. 74.
Sogar in dem despotisch, und zwar blutig-despotisch regierten Reiche von Dahomé wird trotz der Rohheit und Grausamkeit des Volkes den Frauen hohe Achtung bewiesen. Ebensogut wie Männer, können Frauen jedes Staatsamt bekleiden, obwohl die patriarchalische Ordnung so weit ausgedehnt ist, daß der König das Monopol des Frauenkaufes besitzt, so daß jeder Kaufpreis um eine Frau in seinen Schatz fließt. Seine besten Truppen bestehen aus Weibern, welche vollkommen militärisch organisirt und uniformirt sind und von denen schon europäische Soldaten zurückgeschlagen wurden. Freilich sind die Negerweiber in ihrem Körperbau den Männern sehr ähnlich und es fehlt ihnen jede Anmuth. Man sehe das Nähere nach in Hellwald, Naturgeschichte des Menschen, II S. 149 und Hugo Zöllner, Forschungsreisen in Kamerun.
Je weiter wir von den eigentlichen Negern durch zahllose Uebergangsvölker, die vom obern Niger her sich nach dem oberen Nil hinziehen, nordwärts zu den sog. Semiten Afrikas vorrücken, desto mehr tritt uns in diesen hellfarbigeren und edler gebildeten Völkern ein Abstand gegen die Stellung der Frauen bei den Negern entgegen. Das weibliche Geschlecht scheint dort in weit größerer Anzahl vertreten zu sein, als das männliche, und die Vielweiberei ist daher so enorm ausgebildet, daß der König Mtesa von Uganda 7000 Frauen gehabt haben soll, die Ehe zur bloßen Geschäftssache herabgesunken ist, Weiber sogar zur Buße für Vergehen gefordert werden, dieselben vom Manne in die Sklaverei verkauft werden können, der Sohn die Weiber des Vaters, mit Ausnahme seiner Mutter, erbt, für viele Arme aber keine Frauen übrig bleiben und daher arge Sittenlosigkeit herrscht. Ratzel, Völkerkunde I S. 476.
Nicht besser als in den heidnischen und mohammedanischen Gegenden jenes Länderstriches steht es in dem dem Namen nach christlichen Abessinien. Die geschlechtlichen Sitten dieses Landes sind derart, daß man dasselbe als in allgemeine Prostitution versunken bezeichnen darf. Hellwald, menschliche Familie S. 359.
Und woher kommt dies? Die Frauen spielen eine große Rolle in diesem Lande, und zwar nicht nur die ehrbaren, sondern namentlich die Buhlerinnen, die am Hofe nicht nur Zutritt haben, sondern Huldigung empfangen, und so überall. Pantoffelherrschaft ist derart üblich, daß ein Mann, der seiner Frau irgend etwas zu thun vorschreiben wollte, verhöhnt würde. Und doch ist die Frau rechtsunfähig, sowohl subjektiv als objektiv; sie kann nicht nur nicht erben, Zeugniß ablegen u. s. w., sondern auch wegen keines Vergehens bestraft werden; in allem steht der Mann für sie ein. Diese Widersprüche in der Stellung der Geschlechter und der völlige Mangel an Schulunterricht, für den auch die Geistlichkeit nichts thut, erklären die angedeuteten unsittlichen Zustände. Wo die Pflicht und die Verantwortlichkeit fehlen, ist auch keine ethische Handlungsweise denkbar.