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Drei Reiche, die einzigen der Erde, die ihre Kultur völlig selbständig geschaffen haben, wetteifern mit einander, welches von ihnen das älteste auf der Erde ist, – das am Hoang-ho und Yang-tse-kjang, das am Eufrat und Tigris und das am Nil. Nur eines von ihnen besteht noch, und zwar das mit unserer europäischen Kultur am wenigsten zusammenhängende, nämlich
Das »Reich der Mitte« Tschung-kue, deshalb so genannt, weil es einst aus mehreren kleineren Staaten bestand, unter denen ein ungefähr in der Mitte liegender eine Art von Oberhoheit besaß, dessen Name dann, als letzterer sich zur wirklichen Herrschaft aufschwang und die Kleinstaaten verschwanden, zum Namen des Ganzen wurde. China das »Himmlische Reich« und die Chinesen »Himmlische« zu nennen ist ein Unsinn, der nicht den mindesten Grund für sich hat. ist das vollkommenste Bild eines patriarchalischen Staates, das jemals existirt hat. Seine Entwickelung umfaßt mehrere Jahrtausende; aber zu allen Zeiten ist dort das Alpha und Omega im Verhältniß der Geschlechter das Prinzip der vollständigen Unterordnung des Weibes gegenüber dem Manne gewesen. Das alte Buch Li-ki, welches etwa zwischen 200 vor und 200 nach Chr. entstand und eines der 5 heiligen Bücher (King) ist, giebt hierüber eine lange Reihe von Vorschriften. Nach ihm soll der Mann in der äußern, die Frau in der innern Abtheilung des Hauses wohnen; zwischen beiden soll eine wohlbewachte Thüre sein. Beide Gatten sollen kein Geräth gemeinsam haben; sie sollen sich nachts nur mit Licht besuchen. Sogar sterben sollen sie in verschiedenen Gemächern. Schon vom siebenten Jahre an sollen die Kinder verschiedenen Geschlechts nicht mehr zusammen spielen. Natürlich haben diese Regeln nur symbolische Bedeutung und sind wohl niemals wörtlich befolgt worden. Wohl aber ist dies der Fall mit der Vorschrift, daß die Frau in ihrer Jugend dem Vater, in der Ehe dem Manne und als Witwe dem ältesten Sohne Gehorsam schulde. Mehr als dies und die Besorgung der Haushaltung wird von ihr nicht verlangt. Sie wird ungeachtet ihrer Unterordnung, wenigstens bei den Reichen, eher verhätschelt als angestrengt, sie ist in diesen Ständen fast wie ein Spielzeug. Im fünfzehnten Jahre erhält das Mädchen die Haarnadel, den Kopfputz der Erwachsenen; mit 20 Jahren heirathet es, der junge Mann mit dreißig; früher ist es auch erlaubt, ja es werden schon Kinder mit einander verlobt, – später aber scheint es nicht üblich zu sein; denn alte Jungfrauen und Hagestolze giebt es in China nicht, wie General Tscheng-ki-tong versichert. Hellwald, die menschliche Familie S. 377 ff. Auf die Neigung der Betheiligten kommt es bei der Ehe gar nicht an; nur der Wille der Eltern entscheidet. In der Regel sind die Vermählten von gleichem Stande; aber sie dürfen nicht denselben Familiennamen haben; im übrigen ist Verwandtschaft kein Hinderniß. Dabei wird sehr auf guten Ruf der Familie, mit der man sich verbindet, gesehen. Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen, aber ohne religiöse Ceremonie und selbst ohne Standesbeamten, lediglich in Beisein der Familienhäupter, immerhin aber unter Beobachtung einer Menge vom Buche Li-ki vorgeschriebener Gebräuche und Formen. Während der Trauerzeit um die Eltern ist keine Hochzeit gestattet.
Das Gesagte bezieht sich auf die rechtmäßige Gattin; denn nur eine ist eine solche, und dies soll das ursprüngliche Verhältniß in China sein. Jedoch sind Nebenfrauen gesetzlich erlaubt, nur nehmen sie einen geringern Rang ein und auf ihren Stand wird nicht streng gesehen; aber ihre Kinder sind gleich denen der Hauptfrau erbberechtigt und gelten als Kinder dieser, wenn sie selbst keine geboren hat. Der großen Mehrzahl der Bevölkerung erlauben indessen ihre Vermögensumstände diesen Luxus nicht. Den Frauen ist eine zweite Ehe auch nach dem Tode des Mannes verboten; in der großen Masse der Armen jedoch wird dies Gebot nicht immer befolgt. Eine Scheidung verlangen kann nur der Mann, und zwar aus einer Menge von Gründen.
Viel weniger Schranken des ehelichen und außerehelichen Lebens als das Buch der Ceremonien kennt das Buch der Lieder, Schi-king; dieses und andere Dichtungen erwähnen oft recht lose Liebeshändel einerseits und gefühlvolle Liebesgeschichten andererseits, wie man sie den trockenen Chinesen nicht zutrauen sollte.
Einen nach unseren Begriffen traurigen Schmuck der chinesischen Frauen bilden ihre verkrüppelten Füße; der ursprüngliche Zweck dieser Ungeheuerlichkeit war wohl, sie an das Haus zu fesseln; denn ohne Schmerzen weit zu gehen ist ihnen unmöglich. Nur die ganz Armen und der Kaiserhof der Mandschu sind frei von dieser Plage, die vom fünften Jahre an die Chinesinnen von Stand zu Sklavinnen der Unnatur herabwürdigt.