Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Ehren wir in Hellas die hauptsächliche Quelle unserer geistigen Bildung, so dürfen wir in dem uns näher gelegenen, nur durch die Kämme der Alpen von uns getrennten Italien einestheils die Vermittlerin zwischen dem hellenischen Geiste und unserer Kultur, andererseits aber die Mutter unserer Civilisation im allgemeinern Sinne, sowie die Quelle unserer Kenntnisse vom Staatsleben, von der Rechtspflege und vom Kriegswesen achten. Wem wir aber diese Kulturgeschenke zu danken haben, das ist weniger jenes Zauberland, das man das europäische Indien nennen dürfte, als die seinen physischen und geistigen Mittelpunkt bildende Stadt, die seine Geschicke von jeher bestimmte und noch bestimmt, – das ewige Rom. Ohne Rom kein Italien, ohne diese Mutterstadt, keine Tochterstädte im Garten der Hesperiden, dem Ziele der träumerischen Sehnsucht des germanischen Gemüthes.
Dank dem Geiste des römischen Rechtes hat in dem Reiche der italisch-römischen Kultur die Stellung der Frau im Süden der Alpen, den hellenischen und noch weit mehr den asiatischen Verhältnissen gegenüber, einen unverkennbaren Fortschritt gemacht und zweifellos derjenigen Werthschätzung des weiblichen Geschlechtes die Wege geebnet, deren wir uns heute erfreuen.
Die italisch-römische Religion ermangelt durchaus des episch-dramatischen Charakters der hellenischen; sie legt das Schwergewicht auf den Kult und kann daher dem weiblichen Geschlechte so wenig wie dem männlichen jene bunte Reihe von Schicksalen andichten, wie sie die Mythen vom Olymp, von Kolchis, Troia, Argos, Theben und Athen der Phantasie verschwenderisch dargeboten haben. Es fehlt dem langgestreckten schmalen Halbinsellande der Apenninen an Gegensätzen, wie sie nothwendig sind, um tragische Konflikte herbeizuführen; es löst sich dort alles in einem Centrum, in der einzigen Tiberstadt auf. Es fehlte aber auch den italischen Völkern und besonders ihren Ueberwindern, den Bürgern der sieben Hügel, an Einbildungs- und Gestaltungskraft; ihr Gebiet war die Thatkraft, der praktische Sinn, der starke Verfassungen, wohlgefügte Gesetzbücher, stramm disziplinirte Heere schuf, in den Reichen der Kunst und Gelehrsamkeit aber sich damit begnügte, bei den besiegten Hellenen in die Schule zu gehen.
In der ältesten Zeit, in welcher Italien und Rom noch keine vor der Kritik standhaltende Geschichte hatten, war die Religion jenes Gebietes ein reiner Naturdienst, noch nicht vermengt mit den epischen Gestalten der griechischen Götter und Heroen und den durch sie vertretenen ethischen Ideen. Die Götter dieser Phase sind nebelhaft, weit entfernt von hellenischer Plastik und Anthropomorphie. Doch ist unter ihnen das weibliche Element dem männlichen nahezu ebenbürtig vertreten. Die Idee der römischen Familie prägt sich in ihnen durch paarweise Gruppirung aus, bleibt aber dabei stehen. Die Fortführung dieses Familiengedankens durch Zutheilung von Kindern scheiterte an der Phantasielosigkeit der Verehrer jener Götter. Das System der Paarung drückte sich u. a. durch eine Formel aus, die man mit einem Sühnopfer bei Unglücksfällen verband, um keine Gottheit durch ihre Vernachlässigung zu beleidigen. Sie lautete: Si Deo, si Deae, d. h. einem Gotte oder einer Göttin. Preller, römische Mythologie. Berlin 1865.
Der Hauptgott Italiens in ältester Zeit war ein den Griechen unbekannter: Janus, der Gott des Ursprungs der Dinge und daher auch der Thore und Thüren. Seine weibliche Ergänzung war Diana, die Göttin des Mondes, der Quellen, der Geburt und der Heilung. Der nebelhafte Janus wurde jedoch als handelnder und leitender Gott durch den Lichtgott Jupiter vertreten, den die Griechen mit ihrem Zeus verschmolzen. Er ist der Himmelsgott, den alle arischen Völker verehrten, daher auch seine Gattin Juno später mit Hera zusammenfiel. Ihre Bedeutung liegt in der sanftern Seite des Lichtes; sie beschützt das Frauenleben und die Fruchtbarkeit der Frauen, sowie die Städte und Burgen. Ihr war in einer Höhle des Tempelhains zu Lanuvium eine Schlange heilig, welcher jährlich im Frühling eine Jungfrau mit verbundenen Augen einen Opferkuchen darbrachte. Wenn die Schlange davon fraß, so war das Mädchen rein und wurde das Jahr fruchtbar; wo nicht, so war das Gegentheil der Fall. Minerva, auf welche mit der Zeit der Kult der hellenischen Athene einwirkte, wurde in Rom theilweise zur kriegerischen, vorzugsweise aber zur Göttin der Erfindungen, Künste und Wissenschaften. Venus, die Göttin des Frühlings, der Blumen, der Lust und Liebe, erschien in mehreren Gestalten, besonders als Blumengöttin Flora, und wurde erst spät mit Aphrodite vermengt. Tellus, die Göttin der Erde, auch Ceres oder Ops, die Demeter der Griechen, war die Gattin des Saaten- und Ackerbaugottes Saturnus, der nur künstlich mit Kronos verbunden wurde. Neben dem Feuergotte Volcanus steht als Göttin des wohlthätigen Feuers der Herde und Altäre Vesta (griech. Hestia). Obschon bereits einige dieser Göttinnen mit dem Monde in Verbindung standen, ehrte man noch eine besondere Göttin mit dem Namen dieses Weltkörpers: Luna und eine solche des Morgenlichtes: Mater Matuta. Außerdem ehrte man noch eine Menge untergeordneter Göttinnen, wie z. B. Fauna, die Gattin des Faunus, in welchem Paare ein Ansatz zur Mythe liegt, auch Maia genannt und als solche Göttin des Wachsthums, Acca Larentia, Göttin der Stadtflur Roms, Mania, die Göttin des Todes, Salacia, die des Meeres und Gattin des Neptunus, Mefitis, die Herrin der Schwefelquellen. Juturna war die Königin der Nymphen, deren berühmteste aber Egeria, die mythische Beratherin des sagenhaften königlichen Gesetzgebers Numa. Die Camenen (mit den Musen verglichen) waren Göttinnen des Gesangs und die Fortunen des Schicksals, an deren Stelle aber später die Parzen (die griechischen Moiren) traten. Bald männlich, bald weiblich vorgestellt war Pales, im letztern Falle Hirtengöttin, der zur Ehren am 21. April die Palilien gefeiert wurden.
Wie in Athen die Gattin des Basileus (s. oben S. 119), so hatten auch in Rom die Gattinnen der obersten Priester selbst eine priesterliche Bedeutung. In der königlichen Zeit war der König oberster Priester und die Königin nahm an seiner Würde theil. Nach der Abschaffung des Königthums (510 v. Chr.) ging der Titel (wie in Athen) auf den obersten Priester über, der nun rex sacrorum, und auf seine Frau, die nun regina sacrorum hieß und nach deren Tode er sein Amt niederlegen mußte. Der nächstoberste Priester, Flamen Dialis, diente speziell dem Jupiter und seine Gattin, die Flaminica, der Juno. Ihre Ehe war unauflöslich und es durfte ihr keine zweite Verheirathung folgen. Die Flaminica mußte selbst das Amtskleid ihres Gatten, eine wollene toga praetexta, weben. Sie trug einen purpurnen Schleier ( Flammeum), und ihre Sandalen durften nur aus der Haut geopferter Thiere gefertigt sein.
Dem Collegium der obersten Priester, der Pontifices, waren die Vestalinnen zugeordnet. Vorzugsweise zwar Priesterinnen der Göttin Vesta, hatten sie bei verschiedenen Festlichkeiten die Pontifices zu unterstützen. Zum Ersatze der abgeschafften Menschenopfer mußten sie bei dem Sühnungsfeste am 15. Mai 24 Puppen mit gebundenen Händen und Füßen in den Tiber werfen. Sie waren weiß gekleidet und trugen ein diademartiges Band um die Stirne, bei festlichen Anlässen einen Schleier. Sie wohnten, wie der Pontifex maximus, der sie auch auserwählte, in einem Staatsgebäude bei dem Tempel und Hain der Vesta, hatten das heilige Feuer zu unterhalten, Reliquien aufzubewahren und sich während ihres wenigstens 30 Jahre dauernden Dienstes, der mit dem 6. bis 10. Lebensjahre begann und sie von der väterlichen Gewalt befreite, alles Umgangs mit Männern zu enthalten. In drei Graden, deren jeder zehn Jahre in Anspruch nahm, stiegen sie von Schülerinnen zu Priesterinnen und endlich zu Lehrerinnen empor. Nach Abfluß ihrer Zeit durften sie austreten, machten jedoch meist keinen Gebrauch davon und blieben bis zum Tode im Amte. Die höchsten Beamten wichen ihnen aus, und Verbrecher, die ihnen begegneten, durften sie begnadigen. Wer sie beleidigte, büßte mit dem Tode. Kein Mann durfte ihr Haus, keiner nachts den Tempel ihrer Göttin betreten. Bei Spielen und Mahlen hatten sie Ehrenplätze. Ging aber das heilige Feuer aus, – ein sehr böses Omen, – so erhielt die Schuldige auf Befehl des Pontifex Geiselhiebe auf den bloßen Rücken. Wurde gar eine Vestalin der Unkeuschheit auch nur verdächtig, so begann eine peinliche Untersuchung, und die Ueberwiesene wurde lebendig eingemauert, der Verführer aber öffentlich nackt in den Bock gespannt und zu Tode gepeitscht, was indessen nur acht- bis zehnmal vorkam. Zum Tempel der Vesta pilgerten am Feste der Vestalien (9. Juni) die Matronen barfuß und brachten hier am Herde des Staates dieselben Speiseopfer dar, welche am Herde des Hauses die Hausgeister, die Laren und Penaten erhielten.
Bei keinem Volke der Geschichte war die Familie in so deutlich ausgesprochener Weise als Grundlage des Staates betrachtet wie bei den Römern. Die Ehe, durch welche sie entstand, hatte den einzigen Zweck, Staatsbürger hervorzubringen. Da letztere Eigenschaft aber den Frauen nicht zukommen konnte, so ergiebt sich hieraus deren Stellung im Gemeinwesen. Dieselbe war rechtlich eine durchaus untergeordnete, sittlich und sozial aber eine um so höher geachtete. Die Jungfrau stand unter der Gewalt ( potestas) des Vaters, die Frau unter derjenigen ( manus) des Mannes, – wenn aber dieser noch unter väterlicher Gewalt stand, unter der Manus des Schwiegervaters; beide kamen nach dem Tode des einen oder andern unter die Vormundschaft des nächstberechtigten Verwandten. Roßbach, Untersuchungen über die römische Ehe. Stuttgart 1853. In allen diesen Fällen konnte die Frau weder über ihr Vermögen verfügen, noch aus diesem Verhältniß scheiden.
Dem Staate gegenüber war die römische Familie unabhängig. Der Hausvater ( pater familias) gebot unumschränkt über Frau, Kinder und Gesinde; ja er war berechtigt, diese seine Untergebenen zu richten, die Frau aber nur in Gemeinschaft mit den Verwandten, und in Fällen schweren Verbrechens mit dem Tode zu bestrafen, ja sie zu verkaufen (dies wieder mit Ausnahme der Frau). Im Hause hatte die letztere überhaupt eine hervorragende Stellung. Sie wachte über das Herdfeuer, nahm am Hauskulte neben dem Gatten theil und stand unter besonderm Schutze der Götter (bezw. Göttinnen). Sie nahm theil an der Leitung der Hausgeschäfte, durfte frei mit Verwandten und Freunden verkehren und war nicht, gleich der Griechin, im Frauenhause abgeschlossen, sondern waltete im Atrium, wo der Hausherd und das Ehebett, die beiden Palladien der Hausehre standen.
Die Manus (d. h. eigentlich Hand, womit man alles bezeichnete, wovon man Besitz ergriff) konnte auf drei Arten erworben werden. Die erste Art, der Usus, bestand darin, daß die ohne förmliche Eheschließung heimgeführte Frau ein Jahr lang ununterbrochen bei dem Manne blieb, wodurch sie Familienglied wurde. Eine Abwesenheit von nur drei Nächten aus dem Hause des Mannes befreite sie aber aus dessen Gewalt. Dies war offenbar ein Rest ältester formloser Familiengründung, gewissermaßen eine Versteinerung des Weiberraubes, von dessen Dasein im ältesten Rom die Sage vom Raube der Sabinerinnen zeugt. Die zweite Form, aus dem Frauenkaufe nicht nur stammend, sondern denselben noch offen zur Schau tragend, war die Coëmptio; sie wurde geschlossen, indem der Bräutigam mit einer Münze ( As) an eine eherne Wage schlug und erstere dem Vater oder dessen Stellvertreter mit der Formel übergab: »Diese Sache (! später: diese Person) erkläre ich als die meinige und sie ist für mich gekauft durch dieses Erz und die eherne Wage.« War bei dieser Form (derjenigen, die sich am längsten erhielt) die rechtliche, so war bei der dritten die religiöse Seite die maßgebende. Diese Form hieß Confarreatio und war vorzugsweise bei den Patriziern gebräuchlich, erhielt sich aber nicht lange mehr, nachdem die Vorrechte dieses Standes untergegangen waren. Sie bestand in dem Opfer eines Schafes und eines Dinkelkuchens ( libum farreum, daher der Name), der ältesten latinischen Speise. Auf das Opfer folgten die Umwandlung des Altars (s. oben S. 83) und feierliche Formeln und Gebete, worauf das Paar mit verhülltem Haupte sich auf zwei mit dem Felle des Schlachtopfers überzogene Stühle setzte. Die Auflösung dieser Eheform hieß diffarreatio.
Mit der Zeit ging die Ehe durch Usus in eine freiere Form, die Ehe ohne Manus über. In derselben blieb die Frau unter der Gewalt des Vaters oder Vormundes und konnte über ihr Vermögen verfügen. Später wurde sie, wenn ihr Vater todt war, vollständig eigenen Rechtes. Lebte jener noch, so konnte er sie dem Manne abfordern, und bei Scheidung oder Tod des Mannes fiel die Mitgift an ihre Familie zurück. Diese Eheform war zu Ende der heidnischen Zeit die alleinherrschende.
Es fanden indessen auch bei anderen Eheformen, als der confarreatio, religiöse Gebräuche statt. Sie begannen damit, daß der Vogelflug gedeutet wurde; fiel er ungünstig aus oder donnerte es, so wurde die Hochzeit verschoben, wie sie auch in gewissen Monaten als unstatthaft, weil unheilvoll galt. Im günstigen Falle aber reichten sich die Brautleute die rechten Hände, brachten ein Opfer (Schwein, Schaf oder Kuh), umwandelten den Altar und nahmen ein Mahl ein. Sobald der Abend anbrach, floh die Braut in den Schoß ihrer Mutter und mußte von hier mit Gewalt weggerissen werden. Auf dem Zuge zum Hause des Mannes wurde sie von zwei Knaben an den Armen gehalten. Bei dem Hause angekommen, mußte der Mann sie mit Gewalt über die Schwelle heben. (Alles Reste des Frauenraubes.) Rocken und Spindel wurden ihr nachgetragen. Widerlicher berühren uns die obscönen Gesänge der Fackeln tragenden Begleitung. Im Hause selbst trat der Mann der Frau entgegen und fragte sie, wer sie sei, worauf sie antwortete: ubi tu Gaius, ibi ego Gaia Der Grund der Wahl dieser Namen ist nicht bekannt. (wo du Hausherr, bin ich Hausfrau), – und nahm sie dann mit Feuer und Wasser in die Hausgemeinschaft auf.
In der ältern Zeit waren Heirathen zwischen Gliedern verschiedener Stände und Gemeinden verpönt; auch hatten die Brautleute keine freie Wahl, sondern wurden von den Vätern für einander bestimmt. Später änderte sich dies; die Plebejer erlangten 445 v. Chr. das Heirathsrecht ( Ius connubii) mit den Patriziern, und die Söhne wenigstens konnten sich die Braut wählen, d. h. mit Einwilligung der Väter; die Töchter wurden nicht gefragt. In allzu nahen Verwandtschaftsgraden wurde die Heirath bestraft, oft sogar mit dem Tode; Geschwisterkinder bildeten, und zwar erst seit der republikanischen Zeit, die äußerste Grenze des Erlaubten. Zwischen Freien und Sklaven wurde die Ehe niemals eine erlaubte, und diejenige mit Personen übeln Rufes, Verurtheilten oder Schauspielerinnen wurde, wenn auch geduldet, als infam betrachtet, die mit Männern dieser Klassen aber nur, wenn es sich um Senatorentöchter handelte. Die Ehescheidung war noch lange Zeit äußerst selten und geradezu verschrieen.
Die weibliche Tracht änderte sich mit der Ehe. Die Jungfrau trug eine toga praetexta; als Frau aber erhielt sie die Tunika und die darüber zu tragende faltenreiche Stola und zum Ausgehen die Palla, eine Art Mantel, – dazu einen Gürtel und einen rothgelben Schleier als Sinnbild des Herdfeuers.
Während in der Zeit der Republik die griechischen Götter und Göttinnen die altrömischen immer mehr verdrängten oder mit ihnen verschmolzen, wurden neue nationalrömische Gottheiten, doch sämmtlich ethischen Charakters, eingeführt. So tauchten auf: Juventus, die Göttin der Jugend, Fides, der Treue, Salus, des Heils, Febris, des Fiebers, Bellona, des Krieges, Victoria, des Sieges, Pax, des Friedens, Honos, der Ehre, Virtus, der Tapferkeit, Libertas, der Freiheit, Spes, der Hoffnung, Felicitas, der Glückseligkeit und solche vieler anderer Tugenden, ja sogar eine Göttin des Kornvorrathes, Annona, und eine des Geldes, Pecunia, vor allem aber eine Göttin der weltbeherrschenden Stadt selbst, die stolze Roma.
Ehe Rom diese Eigenschaft errungen hatte, gefiel sich seine Ueberlieferung in Schöpfung erhabener und edler Frauengestalten. Gleich an der Schwelle, die vom Königthum zur Republik führte, begegnet uns die Gestalt der Lucretia, welche ihre gewaltsame Entehrung durch einen seiner Sippschaft würdigen Wüstling nicht überleben kann und dadurch den Anstoß zur Vertreibung der Tyrannen giebt. Die Jungfrau Clölia, den Feinden als Geisel gegeben, schwimmt mit ihren Genossinnen über den Tiber zu den Ihrigen und wetteifert so an Vaterlandsliebe mit den Helden Horatius Cocles und Mutius Scävola. Veturia, die Mutter, und Volumnia, die Gattin des Coriolanus, bewegen den gegen die Vaterstadt ziehenden Sohn und Gatten zum Verzicht auf sein Vorhaben. Verginia läßt sich vom Vater den Stahl ins Herz stoßen, um nicht die Beute des Gewalthabers zu werden, dessen Sturz dann erfolgt.
Je näher aber Rom seinem Ziele der Weltherrschaft kam, desto mehr wichen seine alten Sitten anderen, die mit dem Zusammenströmen so vieler Völker an einem Punkte und mit der Rückkehr von Kriegern aus fremden Ländern beinahe nothwendig verbunden waren. In diesen schlimmen Zeiten waren Frauen wie Cornelia, die Mutter der Gracchen, bereits seltene Ausnahmen. Durch ihre Briefe die früheste römische Schriftstellerin, erzog die Tochter des afrikanischen Scipio ihre Söhne im Geiste des früh hingeschiedenen Vaters. Mit griechischem Wissen genährt, pflanzte sie in ihnen jenen antiken Sinn, der sie befähigte, in einer verdorbenen Periode für das Wohl ihres Volkes zu wirken und zu sterben. Die unglückliche Mutter überlebte den entsetzlichen Untergang beider Söhne durch feige und brutale Gewaltthat und trug ihr Schicksal auf eine edle und großherzige Art, ohne an ihrer Lebensweise etwas zu ändern. Gegen Gelehrte übte sie freigebig Gastfreundschaft. Könige empfingen Geschenke von ihr und sandten ihr welche. Am liebsten erzählte sie von den Heldenthaten ihres Vaters und gedachte der Unternehmungen ihrer Söhne ohne Thränen, indem sie dieselben in echt altrömischer Seelengröße einfach als Männer betrachtete, welche ihre Pflicht gethan hatten. Plutarch, Gaius Gracchus 19.
Seit dieser Zeit griff in Rom und dessen Herrschaftsgebiet eine zunehmende Verderbniß der Frauen Platz, die sich sogar in religiösen Veranstaltungen äußerte. In der Nacht vom 3. zum 4. Dezember brachten die römischen Frauen in der Wohnung des jeweiligen Konsuls unter Leitung seiner Gattin und strenger Fernhaltung aller Männer der Bona Dea ein Opfer an zarten Schweinen, auf welches eine orgiastisch-mysteriöse Feier folgte. Dieselbe wurde einst berüchtigt durch das Eindringen des verkleideten Clodius und ist überhaupt in späterer Zeit durch Sittenlosigkeit befleckt worden.
Noch weit schlimmer aber war der Skandalprozeß des Jahres 186 v. Chr., zu welchem die aus Griechenland eingeführten, in Rom aber völlig entarteten Bacchanalien Anlaß boten. Es waren geheime Orgien, die im Haine der Stimula (Semele) an der Tibermündung bei Ostia gefeiert wurden und zuerst (wie die griechischen Dionysien, oben S. 122) auf Frauen beschränkt waren, bis eine campanische Priesterin es dahin brachte, auch Männer zuzulassen und die Feier bei öfterer Wiederholung nachts abzuhalten, wobei die entsetzlichsten Laster und Verbrechen verübt wurden. Livius 39, 8-19. Buch der Misterien vom Verf. S. 67 ff. Als nun ein Sohn aus vornehmem Hause auf Antrieb seines verworfenen Stiefvaters eingeweiht werden sollte, damit er sich zu Grunde richte und beerbt werden könne, bekannte ihm die Hetäre Hispala, mit der er ein Verhältniß hatte, daß sie einst in jene Höhlen eingeschleppt worden, worauf beide bei dem Konsul Anzeige machten, eine riesenhafte Untersuchung angestellt und eine große Anzahl von Personen mit schwerer Strafe belegt wurde.
Unter den Völkern, welche während des Bestehens der Republik den Römern und ihrer gewaltthätigen Politik widerstanden, endlich aber erlagen, spielten auch Frauen bisweilen eine Rolle. Wir heben unter ihnen die illyrische Fürstin Teuta hervor, welche, 230 v. Chr., für ihren unmündigen Sohn regierend, den römischen Gesandten, welche Aufgeben des Seeraubes verlangten, erklärte, sie könne ihre Landsleute nicht verhindern, wenn auch als Seeräuber, für die Freiheit des Landes zu kämpfen, und als der eine der Gesandten die Absicht aussprach, die Illyrier bessere Sitten zu lehren, denselben auf der Heimfahrt ermorden ließ. Das war nun freilich sehr uncivilisirt und hatte die Unterwerfung Illyriens zur Folge. Aber jener Erdenwinkel hat dieselbe Weltanschauung und Lebensführung unverändert bis auf die Gegenwart behalten. Auch die jetzigen Illyrier, die Albanesen, gehorchen keinem fremden Herrn unfreiwillig.
Eine ähnliche Erscheinung eines kraftvollen königlichen Weibes finden wir in späterer Zeit auf einem entlegenen Theile des Gebietes römischer Ländersucht. Das räuberische und wollüstige Treiben der Welteroberer erbitterte die Witwe eines ihnen ergebenen britischen Häuptlings, Boudicca oder Boadicea (zur Zeit des Kaisers Nero) dermaßen, daß diese riesige Keltin sich an die Spitze eines Aufstandes gegen die Bedränger stellte, der immer weiter anwuchs, Legionen verschlang und dem Verzweiflungskampfe des Mithridates gleichkam, schließlich aber der überlegenen Kriegskunst erlag, worauf sich die wilde Fürstin vergiftete.
Seit dem Untergange der Gracchen war Rom keine Republik mehr und konnte dies schon infolge der Ausdehnung seines Reiches in der trotzdem fortdauernden Concentration aller politischen Macht auf eine einzelne Stadt nicht mehr sein. Sein Zustand war die auf die Wiederherstellung der Monarchie hinsteuernde Anarchie, die nur zeitweise durch ein festeres Regiment mehr oder weniger blutiger Machthaber unterbrochen wurde. Eine dieser Episoden, das erste Triumvirat, fand seine Grundlegung in der Verheirathung von Cäsars schöner 23 Jahre zählender Tochter Julia Aus seiner ersten Ehe mit Cornelia, Cinnas Tochter. Die zweite schloß er mit Pompeja, der Enkelin Sullas, von der er sich wegen des Skandals mit Clodius (oben S. 140) scheiden ließ, die dritte mit Calpurnia, die ihn fruchtlos vor seinen Mördern warnte und nach seinem Tode, von Antonius eingeschüchtert, diesem die Papiere des großen Todten übergab. mit dem 47 jährigen Pompejus, und ihr 5 Jahre darauf eintretender Tod war auch der Anfang der Entzweiung jener beiden Ehrgeizigen, für welche die römische Welt zu klein war. Die letzte Römerin kann man Porcia nennen, die Gattin des Brutus, Schwester des der Einzelherrschaft durch freiwilligen Tod entgehenden Cato von Utika. Sie erlebte nicht den Untergang ihres Gatten, dieses Schwärmers für unmöglich gewordene Ideale, dessen That auch im Volke keinen Widerhall fand. Ihr Selbstmord durch Verschlingen glühender Kohlen ist Fabel, die den Untergang der Republik versinnbildlicht.
Aehnlich wie Julia zum ersten, verhielt sich die edle Octavia zum zweiten Triumvirate. Ebenso schön wie jene, befestigte die anmuthige und tief gebildete Schwester des Octavianus den neuen Dreibund durch ihre Vermählung mit Marcus Antonius, Seine erste Gattin, Fulvia, ein bitterböses Weib, das dem Kopfe des von den Werkzeugen ihres Mannes ermordeten Cicero wüthend mit Nadeln die Zunge durchstach, von der sie allerdings zu Lebzeiten des Redners nicht geschont worden war, hatte den Octavian unschädlich zu machen gesucht; zum Danke warf sie Antonius, dem ihr Eifer unbequem geworden, bei Seite, als Kleopatra (s. oben S. 129) ihn zum ersten Male berückt hatte. dessen guter Genius sie war, solange der Flatterhafte nicht allzu fern von ihr weilte. Sie war es, welche das innerlich hohle Bündniß mit Mühe noch hielt, bis das Wiederverweilen des Gatten im üppigen Orient und das Wiederzusammensein mit der gefährlichen Kleopatra dem Frieden ein Ende machte, und der großherzigen Octavia, die den Untreuen durch Gold und Waffen unterstützte, mit Scheidung lohnte. Sie überlebte ihn, dessen Kinder sie gewissenhaft erzog, um 20 Jahre.
Der Sieg, der dem glücklichen Nebenbuhler des Antonius die Würde des Augustus eintrug, schuf dem ewigen Rom seine kurze Dichterblüthe keineswegs, wenn diese auch als das Zeitalter des Augustus bezeichnet wird. Ja sie hob dieselbe nicht einmal, sondern ließ sie nur ausklingen. Vor der Errichtung des Kaiserreichs war sie vielmehr urwüchsiger, reinerer Poesie voll; nach derselben wurde sie zur kriechenden Schmeichlerin des gewandten politischen Schauspielers und seiner Regisseure, der Mäcenas, Agrippa, Pollio u. s. w. und suchte sich einen »gelehrten« Anstrich zu geben. Der größte lyrische Dichter Roms, der reinste Musenjünger des italischen Alterthums, Catullus, lebte und starb geraume Zeit vor Actium. Hoch gefeiert, unsterblich gemacht hat er seine Geliebte Clodia unter dem Namen Lesbia. Daß sie verheirathet war und ihren Gatten durch verstelltes Schmähen des Geliebten sicher machte, zeigt die gesunkenen Sittenbegriffe der Zeit. Als Nachahmer griechischer Dichter schwach, hat Catullus in seinen original-römischen Hochzeitsgedichten (Hymenäen) die vaterländischen Ehegebräuche (oben S. 137 f.) trefflich aufbewahrt und hierdurch für uns besondere Bedeutung gewonnen.
Der fruchtbarste lyrische Dichter der Periode, Horatius Flaccus, gab sich nicht mit gebundenen Händen zum Lobredner der Gewalt her, durfte aber ihr gegenüber nicht so unbefangen sein, wie er gern gewesen wäre. Als ausgesprochener Epikuräer huldigte er den Frauen in sehr abwechselnder Weise, ohne für eine der vielen Gebieterinnen seines Herzens tief zu fühlen, was ihm die heiß begehrte Gemüthsruhe gestört hätte.
Sein Freund, der elegische Dichter Albius Tibullus, besang nach einander erst die Plania unter dem Namen Delia, und nach ihrem Tode die als »Nemesis« Gefeierte. Er war mithin eine treue und tiefe Natur, die ganz in der Liebe lebte. Seine Elegien sind als Episoden kleiner Liebesromane in Versen betrachtet worden. »Bei keinem erotischen Dichter der Römer ist die sinnliche Liebe so sehr veredelt und geadelt durch die Blüthe idealer und schöner Gemüthsverklärung, die aus ihrem Schoße hervorstrahlt. Bei ihm ist diese Liebe eine tief ins Herz dringende, und darum auch eine keusche, sittsame ...« Außer seiner eigenen feierte er auch fremde Liebe, so die seines Freundes Cerinthus und der an Stand über ihm stehenden Sulpicia, welche zur Ehe der Beiden führte. An sittlichem Gehalte ist mit Tibullus der Elegiker Aurelius Propertius nicht zu vergleichen. Er vergeudete seine Dichtung und Liebe an eine freilich geistreiche Hetäre Hostia, die er Cynthia nannte. »Bei ihm herrscht das Feuer der Leidenschaft vor; daher ist er nicht so innig, ... dagegen kräftiger und kühner, bis an die äußerste Grenze des Schönen mit einem gewissen genialen Uebermuthe vorrückend.« Er ist von seiner Liebe nicht abhängig; er verhüllt nichts; doch ist er frei von der Frivolität des in sittlicher Beziehung am tiefsten gesunkenen römischen Dichters, des Ovidius Naso, der auch unter seinen Genossen am tiefsten in die Abhängigkeit vom neuen Cäsar gefallen ist. Er war dreimal verheirathet, zum letzten Male und am glücklichsten mit Fabia, einer trefflichen und treuen Frau, die einen höchst wohlthätigen Einfluß auf ihn übte. Reich an Phantasie, ja völlig von ihr beherrscht, eines festen Charakters entbehrend und daher leichtsinnig, wenn auch gutherzig und ohne Falsch, war er unbeständig in seinen Neigungen und lebte völlig der Liebe, d. h. weder einer idealen noch tiefen, sondern der die Sinne reizenden. Gehört aber auch seine »Kunst zu lieben« zu dem Anstößigsten, was ein Dichter geschrieben, so war deren Verurtheilung zum Feuer nur ein Vorwand, um ihn wegen einer Verwickelung in Ränke, die ihm persönlich fremd waren, unschädlich zu machen und von Rom fortzubringen, so daß er die acht letzten Jahre seines Lebens fern von den Seinigen am Schwarzen Meere vertrauerte. Dieses sein Schicksal soll tief mit der Familie des Augustus verknüpft gewesen sein. Der erste römische Kaiser hatte in erster Ehe Clodia, die Stieftochter des Antonius und Tochter der Fulvia (der er sie einfach zurücksandte, als er mit Antonius gebrochen hatte) und in zweiter Ehe Scribonia zur Gattin, die er aber »abschüttelte«, obschon er von ihr sein einziges Kind Julia hatte, um die Livia Drusilla zu bekommen, von der sich zu scheiden er den Claudius Nero bewogen hatte und deren Sohn, seinen späteren Nachfolger Tiberius, er adoptirte. Livia war geistreich, klug, treu und nachsichtig, welcher Eigenschaft ihr flatterhafter Gatte besonders bedurfte. Ihrem Wunsche nach Anerkennung ihres Sohnes als Thronfolger war er anfangs nicht geneigt und setzte seine Hoffnungen auf seine Tochter Julia und deren Gatten Marcellus, den Sohn aus Octavias erster Ehe, der aber früh starb und – dem seinetwegen zurückgesetzten alten Agrippa Platz machte, nachdem dieser sich von Octavias Tochter Marcella getrennt hatte. Man sieht, im römischen Reiche war das Freien und Scheiden beinahe einem Kleiderwechsel gleich geworden. – Aber auch diese Kombination wurde zu Wasser. Livia, die ihrem Sohne zuliebe ihren Charakter verdunkelte, bewirkte dessen Vermählung mit Julia nach Agrippas Tode und seine Trennung von Vipsania, die er leidenschaftlich liebte, was vornehmlich den Grund zur Verdüsterung seines Wesens legte. Julia war leichtfertig, zügellos und treulos und haßte den Tiberius, während Augustus ihre Söhne von Agrippa, Gaius und Lucius Cäsar, bevorzugte, was deren Stiefvater noch mehr verbitterte. Die Schachzüge Livias aber wurden stets glücklicher. Julia mußte wegen ihres schamlosen Lebens in die Verbannung wandern, welche ihre Mutter Scribonia freiwillig mit ihr theilte, und ihre beiden Söhne starben in fernen Provinzen des Reiches. Eine Schuld Livias an diesen Trauerfällen ist nicht erwiesen; aber ihr Sohn wurde jetzt »Kronprinz«; ihr sehnlichster Wunsch war erreicht.
Julia hatte indessen von Agrippa auch zwei Töchter. Die ältere, Julia, der Mutter durchaus würdig, wurde ebenfalls verbannt, und dieser Fall ist es, in den Ovid verwickelt wurde. Die jüngere, Vipsania Agrippina (A. die ältere genannt), wurde die Gattin des Germanicus, jenes jugendlichen Bekämpfers (aber nicht Besiegers) der Germanen; er war der Sohn des Drusus, den Livia von ihrem ersten Gatten im Hause des zweiten geboren hatte.
Durchaus das Gegenbild ihrer Mutter und Schwester, war Agrippina die Aeltere durch hohe Reinheit und echt weiblichen Sinn ausgezeichnet; aber ihre Herrschbegierde machte dem nun regierenden Tiberius und seiner Mutter heiß genug. Ihr Gatte, eine reine Erscheinung in jener unreinen Zeit, erlag im fernen Osten den Rohheiten und, wie man glaubte, dem Gifte seines widerwilligen und gehässigen Legaten Calpurnius Piso und seines dämonisch-nichtswürdigen Weibes Munatia Plancina, einer Freundin der Livia, in deren Interesse sie in ihren Ränken gegen Germanicus zu handeln glaubte. Alles in Rom schob die Schuld auf Tiberius und seine Mutter. Piso, zur Rechenschaft gezogen, tödtete sich; Plancina, die sich feig von ihm losgesagt, folgte viele Jahre später seinem Beispiele. Agrippina, die mit ihrem Gatten die Wälder Germaniens und die Katarakten des Nils gesehen, kämpfte fortan mit dem allmächtigem Minister Sejanus um den Einfluß am Hofe des unseligen, dem Wahnsinn immer näher kommenden Kaisers. Der glänzende Staatsmann ging in seiner Verblendung, alles wagen zu dürfen, so weit, des Tiberius einzigem Sohn (von Vipsania), Drusus dem Jüngern, der ihn geohrfeigt hatte, die leichtfertige Gattin Livilla (die Schwester des Germanicus) zu verführen und dann den Kronprinzen selbst zu vergiften, in der Meinung, sich selbst den Thron zu sichern. Aber kaum hatte er die letzten Schritte hierzu durch die Verbannung der gegen den Kaiser allerdings schonungslosen Agrippina und den Sturz zweier ihrer Söhne zu wagen vermeint, so ereilte ihn selbst und seine Familie der jähe Untergang. Seine Mitschuldige, Livilla, wurde nachträglich dem Hungertode überliefert. Freiwillig that letzteres Agrippina, die nichts mehr zu hoffen hatte. Ihr früherer Ehrgeiz fand eine traurige Erfüllung in der Thronbesteigung ihres elenden Sohnes Gaius, genannt Caligula, und die einzige Tochter, welche diesen nach vier Jahren ermordeten Wütherich überlebte, schändete ihren bisher reinen Namen. Julia Agrippina (A. die Jüngere), von ihrem Bruder wegen Verdachtes der Verschwörung verbannt, aber vom Kaiser Claudius, dem Bruder des Germanicus, zurückgerufen, folgte als dessen vierte Gattin ihrer Todfeindin, der verworfenen Valeria Messalina, deren Unzucht selbst das damalige Rom schaudern machte Wir bemerken bei diesem Anlasse, in Uebereinstimmung mit Hertzberg (Geschichte des römischen Kaiserreichs, Berlin 1880), daß uns die modernen Schönfärbereien männlicher und weiblicher Scheusale der römischen Kaiserzeit, als nur auf Effekt berechnet und auf mangelhafte Quellen begründet, nicht zu imponiren vermögen. und deren Schamlosigkeit (»Heirath« mit einem Geliebten in Abwesenheit des Kaisers) sie auf das Schaffot gebracht hat. In ihrer ersten Ehe mit Domitius Ahenobarbus Mutter des berüchtigten Nero geworden, in zweiter mit dem Redner Passienus verbunden, gewann Agrippina II. den alten schwachen Oheim erst nach der durch den feilen Senat verfügten Aufhebung des Gesetzes, das Ehen zwischen Onkeln und Nichten verbot. Wenn sie auch ihre Vorgängerin an Zuchtlosigkeit nicht erreichte, indem sie diese nicht aus Sinnlichkeit, sondern nur aus Herrsch- und Habsucht übte, so fügte sie dafür derselben die wildeste Grausamkeit hinzu. Einen wohlthuenden Gegensatz zu diesen Megären bildete zu ihrer Zeit die edle Arria, deren Gemahl Cäcina Pätus wegen Theilnahme an einer Verschwörung gegen Claudius zum Tode verurtheilt wurde. Sie erdolchte sich selbst und reichte die blutige Waffe dem Gatten mit den Worten: » non dolet Paete«. Auch ihre gleichnamige Tochter, die Gattin des unter Nero zum Selbstmorde verurtheilten Thrasea Pätus, und deren Tochter Fannia, Frau des Helvidius Priscus, wurden unter Domitian Opfer der Despotie, wenn auch nicht blutige, sondern nur verbannte ( Plin. epist. III 16, VII 19.) Servilia, Tochter des zugleich mit Thrasea verurtheilten Soranus, wurde in dessen Prozeß verwickelt, weil sie über dessen Ausgang Wahrsager befragt hatte. So rührend ihr Auftreten vor Gericht mit dem Vater war, den zu umarmen die Liktoren ihr verwehrten, so fruchtlos war ihre das Gepräge der Unschuld tragende Rechtfertigung; auch ihr wurde blos die Todesart freigestellt Tacit. Annal. XVI. 30-33). Ihr ganzes Streben ging nun, ähnlich wie das ihrer Mutter und das ihrer Urgroßmutter Livia, dahin, ihrem Sohne den Weg zum Kaiserthron zu bahnen, und sie war in der Wahl ihrer Mittel zu diesem Zwecke nicht skrupulös, wußte sie ja einen Mann wie Seneca, dem freilich abging, was man Charakter nennt, zum Werkzeuge ihrer Plane zu stempeln. Aeußerlich gab sie dem Hofe einen höchst ehrbaren Anstrich im Gegensatze zu dem ausgelassenen Treiben unter Messalina; aber im geheimen arbeiteten Schamlosigkeit und Mord an ihrem Vorhaben, dem sie die Krone aufsetzte, indem sie den verhaßten Gatten durch die römische Hof-Giftmischerin Locusta aus dem Wege räumen ließ. Wie aber unter Claudius, so war sie anfangs auch unter Nero die eigentliche Herrscherin, nur daß ihr jetzt die Männer der Feder und des Schwertes, Seneca und Burrus, das Feld streitig machten. Es gelang ihnen nicht, sie zu stürzen, obschon sie den Kaiser gegen sie einnahmen; jenes Werk war einem Weibe vorbehalten, der ehebrecherischen Maitresse Neros, Poppäa Sabina, einer wahren Teufelin, die es dahin brachte, daß der Unmensch seine freilich schlechte Mutter ermorden ließ. Das nächste Ziel Poppäas war nun, Kaiserin zu werden, und sie wurde es, indem sie durch freche Verleumdungen der schuldlosen Gattin Neros, der Tochter des Claudius, Octavia, die Trennung von derselben und bald darauf unter falschen Anklagen ihre Ermordung bewirkte. Das scheußliche Weib, das gegen die schändlichsten Ausschweifungen des Kaiserlings nichts einzuwenden hatte, starb im J. 65, vielleicht in Folge einer Mißhandlung desselben, und wurde vom feilen Senate – zur Göttin erhoben! Sie war wohl auch nicht unbetheiligt an der im Jahre ihres Todes vollzogenen Verurtheilung Senecas, dessen Gattin Paulina sein Schicksal theilen wollte, aber am Leben erhalten wurde.
Die Reihe der Frauen schlimmen Schlages im kaiserlichen Rom wurde durch die trefflichen Kaiser vom Ende des ersten bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts der Cäsarokratie in erfreulicher Weise unterbrochen. Pompeia Plotina, Trajans vortreffliche Genossin, begünstigte die Adoption Hadrians, auf den sie große Hoffnungen setzte, die sich auch zum Theile verwirklichten. Weniger glücklich war die Ehe des letztern mit Julia Sabina, die zwar seine pompösen und interessanten Reisen mitmachte, aber mit ihm in Unfrieden gelebt haben soll. Von den beiden Faustinen, der Gattin des Antoninus, und ihrer Tochter, die den Marcus Aurelius ehelichte, wird kein nachtheiliger Einfluß auf die Regierung berichtet; wohl aber wird, obschon sie beide von ihren Gatten sehr geliebt wurden, ihre Treue bezweifelt. Doch sind beide nach dem Tode vergöttert worden und haben Tempel erhalten. Des Marcus Aurelius Tochter Lucilla, erst mit dem Mitregenten ihres Vaters, Lucius Verus, später mit einem ältern Senator verehelicht, versuchte durch ihren Schwiegersohn, einen Enkel ihres zweiten Gatten, den Mord ihres schlimmen Bruders Commodus, der aber mißlang und neben allen Mitschuldigen auch ihr das Leben kostete.
Nach dem Ende des zweiten kaiserlichen Jahrhunderts tritt mit bestimmendem Einfluß auf das Reich jene eigentümliche römisch-syrische Familie auf die Bühne der Geschichte, welcher Imperatoren der besten wie der schlimmsten Art entsprossen sind. Septimius Severus ehelichte im J. 187 zu Emesa die schöne und gebildete Julia Domna, die ihm, noch ehe er Kaiser war, den Caracalla und den Geta gebar. Als Kaiserin (seit 193) ermunterte sie den Schriftsteller Flavius Philostratos zur Abfassung seiner Lebensgeschichte des Pseudo-Heilandes und angeblichen Wunderthäters Apollonios von Tyana. Sie ließ ihre Familie an den Hof nach Rom kommen, wo ihre Schwester Julia Mäsa und deren beide schöne aber leichtsinnige Töchter Julia Soämias und Julia Mamäa Rollen zu spielen begierig waren. – Die beiden letzteren sollen ihrem Vetter, dem wüsten Caracalla, nahe gestanden haben, der seinen thierischen Charakter durch die Ermordung seines Bruders Geta in den Armen der Mutter an den Tag legte. Unerklärlich aber ist, wie diese nach solcher Frevelthat dem Tyrannen noch ihre Dienste an der Spitze seiner Kanzlei widmen konnte. Sie überlebte kurze Zeit den Brudermörder, den die Nemesis durch Mörderhand traf. Ihre Schwester Mäsa, die nach Emesa zurückgekehrt war, lebte dort mit ihren beiden, schon jung verwitweten Töchtern; beide hatten Söhne, die Soämias den Varius Avitus, die Mamäa den Alexianos. Avitus war mit 14 Jahren bereits Oberpriester des syrischen Sonnengottes Elagabal, nach dem er später benannt wurde. Seine Großmutter Mäsa gab, um den Tod Caracallas zu rächen, beide Enkel für dessen Söhne aus und bestach durch Geld und durch die Schönheit des jungen aber sittlich verdorbenen Priesters die Truppen, ihn an Stelle des Macrinus (der als Rebell gegen Caracalla diesem gefolgt war) zum Kaiser auszurufen. Und der Schandbube siegte und die ganze Sippschaft kam mit dem tollen Aberglauben und wüsten Unfug phönikischer Orgien nach Rom. Neben seinen schmählichen Handlungen hatte der elende Junge den mehr harmlosen und lächerlichen Plan, einen Senat aus Frauen zu Verhandlungen über weibliche Moden aufzustellen. Diese Thorheiten sah Mäsa mit Verdruß zu Untergrabungen der Herrschaft ihres Hauses werden und bewirkte die Wahl ihres zweiten Enkels zum Cäsar, d. h. Thronfolger. Es konnte nicht leicht einen schärfern Kontrast geben als zwischen diesen beiden Vettern. So schlecht Elagabal, so gut war Alexianos von der seit ihrer Verheirathung gebesserten Mutter erzogen. Der neue Cäsar erhielt den Namen Alexander, weil Caracalla und seine Familie für Alexander den Großen geschwärmt hatten. Elagabal suchte ihn zuerst für das Laster zu gewinnen und dann zu verderben, und der Kampf der beiden Mütter für ihre Söhne, von dem der Hof widerhallte, endete mit der schimpflichen Ermordung des schlimmern Gegners und seiner Mutter. Alexander, der sich als Kaiser nach seinem vorgeblichen Ahnen Severus nannte, wurde, so lange er noch minderjährig war, von Mutter und Großmutter geleitet. Herangewachsen, wurde er ein trefflicher Regent, auf den nur die Mutter einen etwas erschlaffenden Einfluß ausübte, – der orientalische Anstrich des Hofes wurde beseitigt und es herrschte sogar ein Streben nach altrömischer Einfachheit, neben zweckmäßigen Reformen und Begünstigung geistiger Bildung. Aber der Einfluß Mamäas und die Sparsamkeit Alexanders erbitterten die stets zur Meuterei geneigten Prätorianer, die den jungen Kaiser und seine Mutter 235 auf deutschem Boden erschlugen. Es war der Anfang der Auflösung des römischen Reiches in Domänen ephemerer Soldatenhäupter.
In dieser trostlosen, vom Getümmel der Bürger- oder vielmehr Soldatenkriege ehrgeiziger Emporkömmlinge erfüllten Zeit kam es in ernster Weise zu zeitweiligen Erhebungen einzelner Provinzen oder Reichstheile, deren Losreißung vom Weltreiche Roms nur noch eine Frage der Zeit schien. Im äußersten Westen und im äußersten Osten nahmen diese Versuche einen besorgnißerregenden Charakter an, und hier wie dort standen merkwürdige energische Frauen an der Spitze der Bewegung. Was in Gallien dem jungen, zwar tapfern, aber durch seine Gelüste nach Frauenverführung seine Offiziere zum Morde reizenden Victorinus nicht gelungen, das vollführte seine treffliche Mutter Victoria (auch Victorina). Sie beherrschte Gallien nebst Theilen von Spanien und Britannien als förmliches Reich (267) und bändigte die wilden Söldnerbanden mit kräftiger Hand. Sie trat jedoch zu Gunsten des Tetricus zurück, der sich nicht auf die Dauer behaupten konnte.
Glänzender gestaltete sich die gleichzeitige Herrschaft ihres östlichen Gegenbildes, der herrlichen Syrerin Barh-Sebina (gräzifirt Zenobia). Ihr Gatte Odenathus, glücklicher Feldherr gegen die Perser, wie gegen die Gothen, hatte auch als Kaiser des Orientes nicht an Trennung von Rom gedacht. Desto entschiedener faßte nach seiner (in häßlichem Familienstreite durch einen Stiefsohn bewirkten) Ermordung seine Witwe Zenobia, die Tochter eines Großkaufmanns (fürstlicher Abstammung) von Palmyra, den großen Plan, den semitischen Völkerkreis vom arischen Rom unabhängig zu machen. Die schöne, keusche, edle und hochbegabte »Königin des Orients«, die sich auf Semiramis und Dido berief und das Werk der letzten Kleopatra aufzunehmen beschloß, verband sich mit Persien gegen Rom und schlug die römischen Truppen, indem sie selbst, bald zu Roß, bald zu Fuß, mit ins Feld zog und großen Muth bewies, ihre Mannschaft aber durch Freigebigkeit und Leutseligkeit gewann. Ihre Heere eroberten zeitweise Aegypten und Kleinasien. Die Residenz Palmyra wurde unter ihrer Herrschaft zu einer Prachtstadt; Polizei und Finanzen ihres Reiches waren musterhaft geordnet; alle Religionen, Heiden, Juden und Christen, hatten Glaubensfreiheit unter ihr. Aber gerade dies war ihr in jener fanatischen Zeit verderblich. Die Juden ärgerte ihre Duldsamkeit gegen heidnische Kulte, die orthodoxen Christen diejenige gegen Ketzer, aus deren Kreisen der Bischof von Antiochia, Paul von Samosata, in ihrem Dienste stand, während sie zugleich den Platoniker Longinus aus Athen zum Rathgeber wählte. Ueberdies waren die Griechen und Lateiner ihres Reiches ihren semitischen Zielen und der Trennung von Rom nicht geneigt. Weit gefährlicher aber war ihrer Herrschaft die unter dem illyrischen Kaiser Aurelian neu erwachende Römermacht, vor der ihr Reich stückweise zerfiel. Von den Persern verlassen und auf ihrer Flucht zu ihnen von den Römern eingeholt, verlor sie den Mut, gab ihre Rathgeber preis, von denen Longinus das Schaffot besteigen mußte, und wurde vom siegreichen Kaiser im Triumphe (zugleich mit dem geschlagenen Gallier Tetricus) nach Rom geführt, wo sie den Rest ihres Lebens auf einer Villa bei Tibur angenehm zubrachte.
Aurelian hatte 274 das römische Reich endlich wieder vereinigt, und es erlebte noch einen glänzenden Abend; aber die Macht, die es – neben den heranstürmenden Germanen und der innerlichen Fäulniß – zertrümmern sollte, war bereits dem Siege nahe, – nämlich das Christenthum.
Ehe wir die zwei äußeren dieser Faktoren ins Auge fassen, werfen wir noch einen Rückblick auf den innern derselben und auf die damit zusammenhängende Stellung der Frauen im römischen Kaiserthum überhaupt. Dieselben waren seit dem Ende der Republik freier als früher (s. oben S. 135 ff.), wenn auch nicht zum Vortheile ihrer Ehre und Sitten. Sie nahmen an Gastmählern, Schauspielen und Festen aller Art theil und erhielten oft selbständige Rangerhöhungen. Die Frauen des Senatorenstandes bildeten eine eigene Korporation ( coventus matronarum), welche ein Versammlungshaus ( curia) auf dem Quirinal besaß, über den Eintritt Neuer in diese Klasse berieth und Verfügungen über Fragen des Luxus und der Etikette erließ. Die verheirathete Frau hieß von der Hochzeit an Domina und führte im Hause unbedingte Herrschaft nicht nur über die Sklaven, sondern auch über Freigelassene, Klienten und sonstige Angehörige oder Bewunderer und Verehrer. Wie die Frauen der Kaiser und ihrer Würdenträger oft im Staate eine große Rolle spielten, wie verderbt und zuchtlos Ueberfluß, Eitelkeit, Herrschsucht und Sinnlichkeit manche Frauen hoher Stände machten und wie leichtfertig Ehen geschlossen und getrennt, ja Frauen vertauscht oder gegen Vortheile verkauft wurden, haben wir an drastischen Beispielen gesehen. Die Bäder beförderten die Unkeuschheit, seitdem die früheren Verbote, nachts und in Gemeinschaft beider Geschlechter zu baden, aufgehoben waren, und die mannigfachen Arten der Prostitution nahmen in schauerlichem Maße zu. Zugleich gewann die Schlemmerei und Unfläthigkeit an Gastmählern eine immer bedenklichere Ausdehnung. Hand in Hand mit dieser Verderbniß ging eine wachsende Rohheit und Grausamkeit in der Behandlung der Sklaven, eine immer größere Gleichgültigkeit gegen Mord und Todtschlag, ja eine zunehmende Lust an den scheußlichen Thierhetzen und Gladiatorenkämpfen und an den schamlosesten theatralischen Vorstellungen und ein wachsender Geschmack an Aberglauben aller Art und angeblicher Zauberei. Es ist traurig, es zu sagen, aber wahr; an aller dieser Verderbniß nahmen die Frauen den eifrigsten Antheil, und das war Grund genug, die römische Gesellschaft des Kaiserthums als eine dem Untergange geweihte zu betrachten.