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Völkerwanderungen hat es zu verschiedenen Zeiten gegeben; aber die Geschichte kennt nur eine Völkerwanderung, welche die Völker dermaßen unter einander warf, daß daraus eine völlig neue Gruppirung derselben und ein neues Staatensystem entstand. Daß diese Völkerwanderung solche Folgen hatte, dazu trugen verschiedene Umstände bei. Das römische Reich hatte sich auf die Dauer in ein östliches und westliches zertheilt. Das östliche war, als Sitz der Kaisermacht, noch jung und kräftig, das westliche aber greisenhaft und abgelebt. Daher konnte ersteres den gewaltigen Anprall der ebenfalls frischen und jungen Germanen abwehren, während das westliche ihm erlag. Die Folge war, daß das Ostreich vorläufig (bis es ebenfalls alt und schwach wurde) bestehen blieb, das Westreich aber in germanische Reiche zerfiel.
Ehe es so weit kam, erlitt das Westreich einen hundertjährigen Todeskampf um sein Dasein. Nicht daß es den Germanen gewachsen gewesen wäre, obschon dies drei seiner Feldherren: Stilicho (selbst ein Germane), Bonifacius und Aëtius nahezu waren; – aber die blonden Gäste vom Norden waren noch zu ungefüge, noch zu wenig ihrer Kraft bewußt, als daß sie von derselben sofort einen Gebrauch zu machen gewußt hätten, welcher eine höhere Civilisation und eine tiefere Erfahrung in politischen Dingen voraussetzte, als sie besaßen.
Im sterbenden Römerreiche finden wir nicht wenige Frauen von Bedeutung, jedoch von sehr verschiedenem ethischem Charakter. Stilicho, der allmächtige Minister der ersten Zeit nach der Reichstheilung, ein romanisirter Vandale, der kaum ein Bewußtsein germanischer Abkunft hatte, erhielt (388) Serena, die Nichte und Adoptivtochter des Kaisers Theodosios I. zur Gattin. Sie wurde durch ihre Tochter Thermantia die Schwiegermutter des elenden Kaiserlings Honorius, der ihren Gatten dessen neidischen Feinden zum feigen Morde überließ. Noch im Jahre dieser Schandthat (408) zog der prächtige Alarich, als unbewußter Bluträcher, vor Roms Thore. Da wurde Serena beschuldigt, die Gothen herbeigerufen zu haben und auf Beschluß des feilen Senates ermordet. Den Antrieb zu diesem neuen kaiserlichen Verbrechen hatte eine fromme Frau, Galla Placidia, die Tochter Theodosios I., also die Adoptivschwester des Opfers, gegeben. Sie kam aber als Geisel in gothische Gefangenschaft und wurde in dieser nicht nur ehrenvoll behandelt, sondern gewann die Liebe Ataulfs, der dem allzufrüh hingeschiedenen Schwager Alarich als König folgte und dem sie in Narbonne die Hand reichte. Nach dieser trachtete jedoch der römische Feldherr Constantius, ein Illyrier, dem es glückte, die Gothen zu schlagen, um nach Ataulfs Ermordung Placidias Zurückgabe zu bewirken, welche dann, nicht ohne Widerstreben, seine Gattin wurde. Schon nach wenig Jahren abermals Witwe des nunmehrigen Mitregenten, hatte sie die Genugthuung, ihren noch kindlichen Sohn Valentinian (III.) zum Thronfolger auserkoren und nach des Honorius Tod, wenn auch erst nach heftigen Kämpfen, zum Kaiser erhoben zu sehen, für den sie die Regierung führte. Sie bewährte sich jedoch weder als Regentin noch als Erzieherin. Nur im Eifer für die orthodoxe Richtung in der Kirche lebend, den sie auch ihrem elenden Sohne einimpfte, war sie ein Spielball der Hofparteien und dem Ansturme der ganz Europa zittern machenden Hunnen gegenüber machtlos. Aus unklaren Gründen zwang sie ihre zur Augusta erhobene Tochter Honoria zu einem Gelübde ewiger Jungfrauschaft. Honoria war indessen zu sinnlich, um dies zu halten und wurde wegen eines Liebeshandels nach Byzanz verbannt, von wo aus sie die Ungeheuerlichkeit beging, der Gottesgeisel Attila ihre Hand anzutragen. Wirklich forderte der furchtbare Hunne die Prinzeß heraus, die man dann aber in einem Kerker verschwinden ließ. Noch in demselben Jahre (450), während die Hunnenhorden sich westwärts wälzten, starb Placidia beinahe unbeachtet in Rom. Ihr schmählicher Sohn, der den Retter seines Reiches, den tapfern Aëtius durch Ermordung belohnt, aber schon ein Jahr darauf dasselbe Schicksal erlitten, hatte Eudoxia, eine byzantinische Prinzeß, als Witwe hinterlassen, die nun gezwungen wurde, den Urheber des Kaisermordes Allerdings hatte der fromme Valentinian des Maximus erste Gattin verführt. und nunmehrigen (bereits sechzigjährigen) Herrscher Maximus zu ehelichen. Was Wunder, daß ihr der Vorwurf gemacht wurde, den wilden Vandalen Geiserich zur Plünderung Roms herbeigerufen zu haben! Sie selbst und ihre beiden Töchter wurden als Gefangene nach Afrika geführt. Erst nach sieben Jahren wurden die Mutter und die eine Tochter, Placidia die Jüngere, freigegeben; die andere Tochter, Eudokia, war bereits mit Geiserichs Sohn, Hunerich, vermählt, entfloh aber aus Karthago und der »barbarischen« Ehe und lebte in Jerusalem frommen Uebungen, wo sie auch starb. Placidia bewirkte später bei dem Arianer Hunerich die Gestattung der Wahl eines katholischen Bischofs in Karthago, welche aber bei der danach ausbrechenden Verfolgung der Katholiken wieder rückgängig wurde.
Während der Völkerwanderung, wie schon zur Zeit des Tacitus, hielten sich die Germanen bei Verträgen durch nichts fester gebunden, als durch die Stellung edler Jungfrauen als Geiseln. Eine solche war die Gothin Hunila aus königlichem Geschlechte, welche Kaiser Aurelian dem Feldherrn Bonosus, späterem Gegenkaiser, vermählt hatte. Als ihr besiegter Gatte sich tödtete, wurde sie vom Kaiser in Ehren gehalten und erhielt eine lebenslängliche Rente. Ihre Mißachtung hätte die Germanen ungemein erbittert.
Unter den Machthabern der germanischen Völker finden wir damals nur eine Frau von Bedeutung, Gisa oder Giso, die Gattin des in der Nähe von Wien hausenden Rugierkönigs Feva. Sie wird als eine böse Frau geschildert, die nach den Berichten des heiligen Severin ihren Gatten von Milde gegen die Römer abhielt. Sie war eben Arianerin. Odovakar machte dem rugischen Reich ein Ende und führte beide Gatten gefangen nach Italien.
Unter den Reichen, welche, wenn auch von einer Mehrheit romanisch sprechender und der Abstammung nach vermischter Völker bewohnt, doch von der erobernden Minderheit eines germanischen Stammes die Gesetze, die Befehle und daher auch den Namen erhielten, war das der Ostgothen unter ihrem großen König Theoderich ohne Frage das glänzendste, nicht nur infolge dieser bedeutenden Persönlichkeit, sondern weil es Italien, die weitaus gebildetste und civilisirteste Gruppe von Provinzen des ehemaligen Römerreiches umfaßte. Theoderich übte einerseits die weitherzigste Duldsamkeit gegen alle Religionen und war andererseits bestrebt, die verschiedenen Germanenreiche durch Heirathen zwischen ihren Königshäusern zu verknüpfen. Er selbst nahm Audefleda, die Schwester des Franken Chlodowech I. zur zweiten Gattin. Seine Schwester Amalafrida, die schon einmal vermählt gewesen, gab er dem Vandalenkönig Thrasamund, einem Neffen Hunerichs zur Ehe. Sie war wegen ihrer Schönheit und Weisheit gefeiert und brachte dem Gatten das westliche Sicilien als Brautschatz. Tausend auserwählte und fünftausend weitere gothische Krieger begleiteten sie und blieben zum Theile in Afrika. Nachdem Thrasamund gestorben und Hilderich, des Hunerich und der Eudokia Sohn, König geworden, wurde Amalafrida, deren großer Bruder nicht mehr lebte, hochverräterischer Umtriebe beschuldigt. Sie wollte zu den Mauren fliehen, was nicht gelang; die sie schützend umgebenden Gothen wurden geschlagen, sie selbst gefangen, wahrscheinlich im Kerker ermordet, und die noch übrigen Gothen ihres Gefolges niedergemacht. Theoderichs Nachfolger begnügte sich zwar, dem Vandalen mit der Rache des Himmels zu drohen; aber der Bruch mit den Gothen war geschehen, und der edeln Amalerin Schicksal hat nicht nur den Sturz Hilderichs durch Gelimer befördert, sondern auch dazu beigetragen, die beiden entzweiten germanischen Völker an das Schwert der Byzantiner zu liefern, denen ihre Ueberwindung freilich nicht leicht wurde.
Theoderichs Nichte, Amalaberga, die sehr gebildete Tochter Amalafridas aus erster Ehe, erhielt gegen einen Brautkauf von weißen Rossen Hermanfrid, den König der Thüringer, zum Gatten, einen doppelten Brudermörder, den die Franken, um sein Land zu gewinnen, von der Stadtmauer in Zülpich herabstürzten. Ihr Sohn Amalafrid gelangte nicht zum Throne, – sein Land war von Franken und Sachsen erobert und getheilt. Er trat in byzantinische Dienste, zog mit einem Heere den Langobarden zu Hilfe und schlug die Gepiden.
Von den Töchtern Theoderichs wurde Theodegotho mit dem Westgothen Alarich II. vermählt, was zur Folge hatte, daß nach dieses Königs Heldentod auf den vokladischen Feldern (wo Chlodowech das gothische Gallien gewann), der ostgothische Großvater den westgothischen Enkel Amalarich schützen, ihm sein Land (Spanien) sichern und für den Knaben die Verwaltung des Reiches führen mußte. Seine zweite Tochter, Ostrogotho, wurde die Gattin des Burgunderkönigs Sigismund. Nach ihrem frühen Tode vertrug sich ihr Sohn Sigerich schlecht mit seiner burgundischen Stiefmutter, die er grollend im Schmucke der Mutter prangen sah. Sie verleumdete ihn dafür bei dem Vater, als trachte er ihm nach dem Leben, worauf der König den Prinzen im Schlafe erdrosseln ließ und dafür in einem Kloster Buße that! Die Rache des Großvaters für den Mord des Enkels traf den königlichen Verbrecher nicht mehr am Leben, kostete aber seinem Nachfolger Land. Sigismund war mit seiner Frau und zwei Söhnen – ein Jahr nach seiner Unthat, – von den Franken, mit denen er im Kriege lag, in einen Ziehbrunnen geworfen worden.
Die an Geistesgaben wie an Einfluß auf die Geschichte bedeutendste Tochter des großen Ostgothen war indessen Amalaswintha. Sie wurde mit Eutharich, dem Angehörigen einer Seitenlinie des Amalungenhauses, verheirathet, der jedoch vor dem Schwiegervater starb, so daß dessen Thron an den noch im kindlichen Alter stehenden Sohn jenes Paares, Athalarich fiel. Amalaswintha, welche für den Königsknaben die Regentschaft führte, war reich begabt, fein gebildet und energisch; aber es fehlte ihr an Herz für ihr Volk und an festen Grundsätzen. Sie hatte zwar die gute Absicht, im Geiste des Vaters zu regieren; aber sie konnte die mehrfache Schmach, welche ihre Verwandten bei den Vandalen und Franken erlitten, nicht hindern, geschweige denn rächen. Nicht nur dies aber, sondern das Bestehen einer Weiberherrschaft überhaupt erbitterte die gothischen Edeln, die ihr Schwierigkeiten genug in den Weg legten. In dieser Noth suchte sie Hilfe bei Kaiser Justinian, dem sie alle möglichen Vortheile in Italien einräumte, wodurch sie natürlich den Groll der Gothen nur steigerte. Die Männer ihrer Umgebung waren empört darüber, daß sie den jungen König züchtigte und statt mit gothischen Heldenjünglingen, mit griechischen und römischen Lehrern umgab. Die jungen Gothen aber, die dann an die Stelle der letzteren kamen, hetzten Athalarich gegen die Mutter auf, welche nun mit dem Gedanken umging, eine Zuflucht in Byzanz zu suchen, die ihr der Kaiser freudig anbot, von der sie aber keinen Gebrauch machte, da es ihr gelungen war, die drei Häupter ihrer Feinde zu trennen und einzeln ermorden zu lassen. Mit ihr wetteiferte aber im Landesverrathe ihr Feind und Vetter Theodahad, ein zum gelehrten Feigling entarteter Gothe, und beide suchten einander in Ergebenheit gegen Byzanz und in Wegwerfung von Ehre und Land zu überbieten. Unterdessen starb der junge König infolge von Ausschweifungen, zu denen ihn seine Kameraden angeleitet hatten, und Amalaswintha war gezwungen, dem Theodahad die Krone zu übertragen, – wie sie meinte und er versprach, zum Schein; aber bald riß er die Maske ab, ließ die Königin gefangen nehmen und in ein festes Schloß auf einer Insel des Bolsener Sees bringen und gab sie ihren Feinden Preis, die allerdings durch jenen dreifachen Mord gereizt waren und sie nun umbrachten. Dem Kaiser war dies willkommen; er spielte den Rächer der Regentin und begann den Krieg gegen die Gothen, der aber erst nach 21 Jahren, und nur für kurze Zeit, zum Ziele führte.
Wir sagen: »für kurze Zeit«, weil nur dreizehn Jahre nach der Eroberung Italiens durch die Byzantiner diesen der größte Theil des schönen Landes durch die eindringenden Langobarden verloren ging. Der Urheber dieser Eroberung, der tüchtige aber rohe Alboin, ging durch die dämonische Rache eines Weibes unter. In siegreicher Schlacht gegen die Gepiden hatte Alboin deren König Kunimund eigenhändig getödtet und dessen Tochter Rosimunda gefangen weggeführt und (da er Witwer war) zur zweiten Frau genommen. Vier Jahre nach der Eroberung Italiens (573) forderte er bei einem tollen Gelage in Verona die Gattin auf, aus dem zum Becher verarbeiteten Schädel ihres Vaters zu trinken. Sie schwur ihm ins Geheim Rache und verband sich mit Helmichis, dem Milchbruder und Schildträger des Königs, dem sie die Krone und ihre Hand versprach, Die Hereinziehung eines gewissen Peredeo in diese Unthat ist unsinnig, um berücksichtigt zu werden. zur Ermordung Alboins, die dann Helmichis ausführen konnte, weil das Schwert des Opfers vorher festgebunden war. Als aber die Langobarden den Mörder umzubringen trachteten, floh das verbrecherische Paar, den Schatz und die Königstochter Alpsuinda mitnehmend nach dem byzantinischen Ravenna, dessen Präfekt Longinus sie wohl aufnahm, aber Rosimunda bewog, ihren Genossen auf die Seite zu schaffen, um ihn selbst zu ehelichen. Sie reichte Helmichis einen Gifttrank, den er sie aber zwang, mit ihm zu theilen. Alpsuinda wurde nach Byzanz geschickt.
Es giebt nicht leicht einen schärfern Kontrast, als zwischen dieser ersten und der zweiten Frau, die für die Geschichte der Langobarden bedeutsam wurde, Theudelinda. Dieses herrliche, echt deutsche Weib war die Tochter des Baiernherzogs Garibald I. und wurde 588 von dem Langobardenkönig Authari zur Gattin begehrt, der, um sie unerkannt zu sehen, verkleidet als Mitglied der Gesandtschaft mit nach Baiern reiste und von dem Anblicke seiner Braut hochbegeistert war. Aber schon nach zwei Jahren starb er auf räthselhafte Weise, und die Langobarden luden nun Theudelinden ein, Königin zu bleiben und sich aus ihrer Mitte einen König zu wählen. Ihre Wahl fiel auf Agilulf, den verwitweten Herzog von Turin, dem sie sein Glück dadurch ankündigte, daß sie ihm einen Becher Wein reichte, und als er ihre Hand küßte, ihm sagte, daß er berechtigt sei, sie als seine Braut auf den Mund zu küssen. Sie bewirkte als Katholikin Frieden zwischen ihrem arianischen Gatten und dem Papste. Auch ließ der König seinen und ihren Sohn Adaloald katholisch taufen. Für diesen, der bei dem Tode des Vaters erst 12 Jahre zählte, führte Theudelinda die Regentschaft; der junge König wurde aber geisteskrank und nach zehn Jahren abgesetzt, worauf sich seine Mutter ohne Zweifel in das Privatleben zurückzog und sich frommen Werken widmete. Sie beschenkte die Kirche reich, baute aber auch in Monza einen Palast, den sie mit Darstellungen aus der langobardischen Geschichte schmückte.
Das Reich der Langobarden erlag schließlich dem der Franken, dem wir uns nun zuwenden. Die Stellung, welche die Frauen in demselben einnahmen und der Einfluß, den sie dort ausübten, ist höchst bedeutend. Er begann schon mit des ersten Gesammtkönigs der Franken, mit Chlodewechs burgundischer Gattin Chlothildis (auch Chlodechildis oder Hrotehildis). An den fränkischen Hof, an welchem der König und eine seiner Schwestern noch heidnisch, zwei andere Schwestern aber arianisch waren, brachte sie das katholische Christenthum und verband sich alsbald mit Remigius von Reims und anderen Bischöfen zu dessen Verbreitung und zur Herbeiführung seines Sieges. Bei Chlodowech war dies keineswegs leicht; er hing noch fest an seinen alten Göttern, wenn es sich auch bei ihm nur darum handelte, dem Gotte zu dienen, dem er Macht und Vortheil zu verdanken glaubte. Ließ er auch der Gattin zu lieb ihr erstes Kind taufen, so wurde er mißtrauisch, als es gleich darauf starb; auch die Kränklichkeit des zweiten gefiel ihm nicht; aber dessen Genesung, die man dem Gebet der Mutter zuschrieb, machte die christlichen Aktien steigen, die vollends den Gipfel erreichten, als er in der Alamannenschlacht, in der er dem christlichen Gotte zu dienen versprach, wenn ihm der Sieg würde, denselben erfocht. Gregor. Turon. II. 29, 30. So führte der fromme Glaube einer Frau eine Wendung herbei, die nicht nur für das Frankenreich, sondern für Europa von den tiefgreifendsten Folgen war, indem durch sie dem orthodoxen Katholizismus die erste feste und bleibende Stätte bereitet wurde. Was die fromme Königin bei den Greuelthaten fühlte, die ihr Gemahl nach seiner Bekehrung noch verübte, läßt sich denken. Noch tiefer mußte es sie schmerzen, als die beiden ihr besonders lieben älteren Söhnchen ihres ältesten Sohnes Chlodomer von ihren Oheimen Chlothachar (I.) und Childebert grausam abgeschlachtet wurden, um nicht zur Regierung gelangen zu können. Sie war »von allem Volke verehrt, unerschöpflich in Almosen, unermüdlich in Nachtwachen und Gebet, immerdar fleckenlos in Keuschheit und jeder Ehrbarkeit; reichlich, gern und willig gab sie Kirchen, Klöstern und anderen heiligen Stätten Land und was sie sonst brauchten, ...« Sie starb hochbetagt in Tours um 545 und wurde in Paris neben ihrem 34 Jahre früher hingeschiedenen Gatten von ihren verbrecherischen Söhnen bestattet. Ihre gleichnamige einzige Tochter war mit dem Westgothenkönig Amalarich, dem Enkel des großen Theoderich, also einem Arianer, verheirathet, der sie wegen ihres abweichenden Glaubens so mißhandelte, daß sie, in drastischer Weise, ihrem Bruder Childebert ein mit ihrem Blute beflecktes Tuch sandte, worauf derselbe (531) den Schwager bekriegte, der dabei den Tod fand, und mit der befreiten Schwester, die aber auf dem Wege starb, sowie mit reicher Beute heimkehrte. Greg. Tur. III. 10.
Die westgothischen Heirathen sollten aber auch dem fränkischen Reiche selbst zum Unheil gereichen. In den Jahren 566 und 567 nahmen die Söhne des königlichen Mörders Chlothachar I., Sigebert von Austrasien und Chilperich von Neustrien, zwei Töchter des Westgothenkönigs Athanagild zur Ehe, ersterer die Brunhilde (Brunichildis), letzterer die Galswintha (Gaileswintha).
Die letztere, die außer ihrer reichen Mitgift keine Vorzüge besaß, wurde auf Befehl des schändlichen Gatten erdrosselt und machte seiner Beihälterin Fredegunde, einem Weibe von gemeiner Herkunft und noch niedrigerem Charakter Platz. In der schönen und geistvollen Brunhilde sah diese die Rächerin der Schwester und widmete ihr daher den glühendsten Haß, einen Haß, der das Frankenreich ein halbes Jahrhundert hindurch mit Blut und Flammen überzog. Im Verlaufe dieses Kampfes fielen den gedungenen Mordknechten der Buhlerin Brunhildens Gemahl Sigibert, ihr zweiter, unklug gewählter, Gatte Merowech, der rebellische Sohn Chilperichs, dessen Bruder, Chlodowech, und der Bischof Prätextatus von Rouen, der die zweite Ehe Brunhildens geweiht hatte (dieser am Altare), zum Opfer. Ihnen folgten die Mordgesellen, die auf ihren Befehl Brunhilden selbst aus dem Leben schaffen sollten, denen es aber nicht gelang, sowie ein Vornehmer, der ihr ihre Schandthaten vorwarf. Ihre Tochter Rigunthis, welche der Westgothenkönig Rekared zur Ehe verlangte, die aber auf dem Wege nach Spanien von ihrem eigenen Gefolge ausgeplündert wurde und unverrichteter Dinge heimkehrte, suchte Fredegunde, die mit ihr in beständigem Streite lebte, durch den Deckel einer Schmucktruhe, die sie ihr zu schenken vorgab, zu erwürgen; die herbeieilenden Mägde retteten aber die Tochter. Rekareds älterer Bruder Hermenigild hatte Brunhildens Tochter Ingunthis zur Gattin, die ihn zum Katholizismus bekehrte. Obschon das Paar im Kampfe gegen den arianischen Vater Leovigild unterlag, theilte sich die Bekehrung dem Nachfolger Rekared und dem gesammten Reiche mit und verursachte dessen Schwäche, die es zur Beute der Araber machte. Unverdient war das Ende der beiden feindlichen Königinnen. Die verbrecherische Fredegunde starb ruhig im Bette; die reine Brunhilde wurde von dem sie und ihr Land niederwerfenden Chlothachar II. an den Schweif eines wilden Pferdes gebunden und (80 Jahre alt) zu Tode geschleift (613).
Eine reinere Erscheinung begegnet uns in Balthildis, der tugendhaften Gattin des lasterhaften Königsbuben Chlodowech II. Eine geborene Angelsächsin unfreien Standes, war sie, nach dem Frankenreiche verkauft, Magd des Hausmeiers Erchinoald, dem sie ihre Liebe versagte, aber sich nicht sträubte, als er sie dem König zuführte, um ihn durch sie zu bessern (was freilich mißlang) und zugleich durch sie zu beherrschen. Sie war der Kirche sehr ergeben und regierte nach dem frühen Tode des Gatten für ihre unmündigen Söhne; sie beschenkte die Klöster reich, verrichtete freiwillig niedrige Dienste in denselben, und kaufte, in Erinnerung an ihre eigene Vergangenheit, zahlreiche Unfreie los. Sie zog den heiligen Leodegar an den Hof; aber müde des aufreibenden Kampfes zwischen ihm und dem gewaltthätigen Hausmeier Ebroin, zog sie sich 664 in ein Kloster zurück, wo sie 680 starb.
Nicht nur aber auf den Königsthronen thaten sich in den fränkischen Reichen Frauen hervor, sondern auch in anderen Verhältnissen. Skandale, die wohl einzig in der Geschichte dastehen, lieferten die Nonnenklöster von Tours und Poitiers. Im letztern (gestiftet von der heiligen Radegundis, der Tochter Berthachars von Thüringen, des Opfers Hermanfrids (s. oben S. 192.), war König Chariberts Tochter Chrodieldis die Rädelsführerin eines Komplottes zur Vertreibung der Aebtin Leubovera und zu ihrer eigenen Erhebung an deren Stelle. Die über vierzig Verschworenen, darunter auch Basina, die Tochter des furchtbaren Chilperich, verließen das Kloster; einige verheiratheten sich; die Königstöchter aber, die vergebens bei König Guntchram und den Bischöfen ihr »Recht« gesucht, verschanzten sich in der Kathedrale zu Poitiers, versammelten Diebe, Mörder und andere Verbrecher um sich und erklärten, nicht zu weichen, bis die Aebtin »hinausgeworfen« wäre, – und als Bischöfe und andere Geistliche den Verirrten zusprechen wollten, wurden sie von jenem Gesindel blutig mißhandelt. Weder des Staates noch der Kirche Gewalt vermochte etwas gegen die unsinnigen Nonnen; erst der Winter und die Kälte ihres Asyls zerstreuten sie. Die Königstöchter aber blieben, ließen durch ihre Bande einen Einbruch in das Kloster ausführen, dieses ausplündern und in Brand stecken und die Aebtin in ein Gefängniß schleppen. Sie wurden dann von einem bischöflichen Gerichte exkommunizirt, worauf sich Basina unterwarf, Chrodieldis aber sich weigerte in das Kloster zurückzukehren und einen Hof bezog, den ihr der König geschenkt hatte.
Ob es wohl solche und ähnliche Fälle waren, welche 585 das Concil zu Macon bewogen, ernstlich über die Frage zu verhandeln, ob die Weiber auch Menschen seien? Schwerlich; denn die Männer jener Zeit und jenes Landes waren, wie die Greulthaten der meisten Merowinger zeigen, doch weit verworfener, grausamer und gewissenloser als ihre Frauen, die nur durch ihr Beispiel verdorben waren. Das zeigt schon die Vielweiberei, in der viele von ihnen ungeachtet ihres Christenthums lebten. Chlothachar I. hatte zugleich zwei Schwestern zu Frauen. Charibert verstieß seine Frau, weil sie seine beiden Buhlerinnen nicht dulden mochte, heirathete eine der letzteren und nahm noch eine weitere Frau dazu. Chilperich hatte bereits mehrere Weiber, als er um Gaileswintha warb. Ja noch in späterer Zeit hatte Dagobert I. drei Ehefrauen neben einander, Nantechildis, Wulfgundis und Berchildis, welche alle den Titel von Königinnen trugen (!) und daneben noch eine ungezählte Menge von Kebsweibern.
In den kleinen Reichen der Angelsachsen trat an die Stelle der Vielweiberei ein anderer Skandal, die Verehelichung der Könige nach des Vaters Tode mit der Stiefmutter, welche wiederholt vorkam. Das Gesetz der Langobarden dagegen verbot die Ehe mit Stiefmutter, Stieftochter und Bruderswitwe.
Die Rechtsverhältnisse der Frauen in den germanischen Reichen waren sehr abweichende, was besonders aus der Verschiedenheit des Wergeldes hervorgeht. Die Angelsachsen, Frisen und Westgothen sprachen beiden Geschlechtern dasselbe Wergeld zu; die Alamannen und Burgunder setzten das der Frauen auf die Hälfte, die Baiern dagegen auf das Doppelte derjenigen der Männer an, während die Sachsen die Jungfrau höher, die Frau jedoch gleich dem Manne taxirten, die Thüringer und Salier aber die Verletzung einer erwachsenen Frau dreimal so hoch büßten als diejenige einer unerwachsenen. Baiern und Langobarden sprachen einem bewaffneten Weibe das höhere Wergeld ab, und letztere bestraften eine tumultuirende Frau mit Ruthen. Bei Entführungen wurde die einwilligende weibliche Person von den salischen Franken an Vermögen und Freiheit, von den Westgothen aber sammt dem Entführer am Leben gestraft. Der nicht einwilligenden Frau sprachen die Westgothen den Entführer als Sklaven zu und verabreichten ihm öffentlich 200 Hiebe. Die untreue Braut und ihr Mitschuldiger erlitten bei den Burgundern Unfreiheit oder Tod. Bei den Angelsachsen dagegen konnte die gewaltsame Entführung einer Jungfrau mit der Erlegung des Kaufpreises nebst 50 Schillingen an den Vater und 20 an den etwaigen Bräutigam, und die Entführung einer Frau damit gesühnt werden, daß der Entführer dem Gatten ihr Wergeld zahlte und ihm eine andere Frau kaufte! Dagegen wurde in Baiern, wer einer Jungfrau nur die Flechte des Haares löste, ebenso hart gestraft, wie der, welcher einen freien Mann vergiftete. Der untreue Bräutigam mußte daselbst 24 Schillinge zahlen und mit 12 Eidhelfern schwören, daß er seine Braut nur aus Liebe zu einer andern verlassen habe! Ehen zwischen Freien und Unfreien wurden in ältester Zeit mit dem Tode, später mit der Knechtschaft des freien Theils bestraft.
Das Weiberregiment und die Adelsanarchie hatten die fränkischen Reiche, die ohnehin, was Ordnung und Sicherheit betrifft, hinter dem ost- und westgothischen und dem langobardischen Staate weit zurück standen, tief zerrüttet, und als vollends seit dem Ende Dagoberts I. an die Stelle der Wütheriche im Hause der Merowinger die Schwachköpfe traten, war es die höchste Zeit, daß ein neues System zur Rettung des Reiches an die Tagesordnung kam. Dies geschah durch die Erhebung der kräftigen karolingischen Hausmeier auf den Königsthron mit Pippin dem Jüngern.
Die Stellung der Frauen war freilich im Anfange unter den Karolingern keine würdigere als unter den Merowingern und besserte sich nur langsam. Pippin der Mittlere nahm, während seine Ehe mit der adeligen und klugen Plektrudis noch bestand, eine zweite Frau, Uxor, wie Fredegar und die Gesta Francorum ausdrücklich sagen. Alpheid, die Mutter des glorreichen Karl Martell, – woraus blutiger Haus- und Bürgerkrieg entstand. Plektrudis hatte von dem 80jährig sterbenden Gatten die Ernennung zur Regentin für ihren sechsjährigen Enkel Theudoald erwirkt, während Alpheids Sohn Karl gewiß der zweckmäßigere Hausmeier war. Ein Kind sollte statt des knabenhaften Königs und für beide ein Weib herrschen! Karl wurde verhaftet, entkam aber, sammelte Anhänger, siegte und zwang die Stiefmutter und den Vater zur Abdankung, – zum Glücke nicht nur des Frankenreichs, sondern der gesammten Christenheit, die er vor dem Vordringen des Islam über die Pyrenäen rettete. Die Fortdauer eines Weiber- und Kinderregiments würde Mitteleuropa unfehlbar das Schicksal Spaniens bereitet, d. h. das Aufkommen einer christlich-europäischen Kultur auf Jahrhunderte hinaus verhindert habend. Für die Sitten der Zeit ist es bezeichnend, daß Karl Martell aus einem Feldzuge in Baiern (724) des dortigen Herzogs Odilo Nichte Swanahild als Geisel mitnahm, und obschon er Witwer war, nicht zur Gattin erhob, sondern als Geliebte behielt. Wir wissen nicht, ob es diese Zurücksetzung oder ihres Sohnes Grifo Ausschluß vom Erbrecht war, was sie 741 zur Empörung trieb, die auch gegen Karls Sohn Pippin fortdauerte, aber mit der Niederlage von Mutter und Sohn und der Einsperrung jener in ein Kloster endete, wo sie indessen Aebtin wurde. Der Sieg Karls des Hammers über die Araber (732) machte es allein seinem Enkel, dem großen Karl, möglich, jene Kultur zu begründen. Ehe wir aber unsere Blicke der letztern zuwenden, müssen wir die ihrer Begründung drohende Gefahr in deren Heimat aufsuchen und den Islam da betrachten, wo er eine gewisse Berechtigung hatte. Das Auftreten der Karolinger ist schon deshalb dazu passend, weil die noch bestehenden germanischen Stammesreiche durch dieses Ereigniß auf den Aussterbeetat gesetzt waren. Die Westgothen waren bereits ein Menschenalter vorher den Arabern unterlegen; die Langobarden behielten ihr Reich nur noch kurze Zeit und verloren es durch Karl den Großen, und diesem hat schon sein Vater Pippin in dem Unternehmen vorgearbeitet, aus dem Frankenreiche ein Weltreich zu schmieden. Die zerrissenen, unbedeutenden und abgelegenen Reichlein der Angelsachsen endlich vereinigten sich ein Jahrhundert später zu dem einen England.