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Indem wir den Boden Europas betreten und einen Himmel über uns sich wölben sehen, der auch der unsrige ist, treffen wir auch auf Gestalten sowohl der Einbildungskraft als der Wirklichkeit, die uns heimischer erscheinen, verständlicher zu uns sprechen und unseren Gefühlen näher stehen als diejenigen, denen wir jenseits des Mittelmeeres, geschweige denn als die, denen wir in transoceanischen Gebieten begegnet sind.
Die Grundlage der europäischen Civilisation in ethischer wie in geistiger Beziehung bietet das als Herd der Schönheit, Weisheit und Freiheit einzig in der Welt dastehende Hellas dar, und auch die europäische Frau hat ihre älteste und gewiß keine unwürdige Vertreterin in der Griechin des Alterthums. Eine weit erfreulichere Entwickelung war derselben vergönnt, als ihren Schwestern in Asien und Aegypten, selbst als in dem von arischer Kultur beeinflußten Indien. Hier schritt die Frau, wie wir gesehen haben, vom Genusse persönlicher Freiheit zur Stellung der Sklavin rückwärts, – Schritt vor Schritt, genau in dem Maße, als das arische Blut in der Vermischung mit dem dravidischen verschwand. Umgekehrt hat sich die hellenische Frau, in der Dichtung wie im Leben, aus einem an den Orient erinnernden, aber dennoch über ihm erhabenen, abgeschlossenen Dasein Schritt vor Schritt zu freierer Bewegung und maßgebenderem Einflusse erhoben.
Schon in der ältesten hellenischen Mythe ist dem weiblichen Element eine hervorragende Stellung eingeräumt. Bei Homer ist der die Welt nach damaligen geocentrischen Begriffen umkreisende Okeanos die Urquelle alles Seins. Er ist aber auch ein uralter Mann, dem als Ergänzung seines Wesens, als Urahnin aller Lebewesen seine Gattin Tethys zur Seite steht. Das greise Paar ist reich an Söhnen und Töchtern, unter welchen letzteren die düstere, aber in prachtvollem Silberpalaste wohnende Styx den dunkeln, unbekannten Quellort der Ströme unserer Erde personifizirt. Mit dieser Vorstellung verwandt ist die des Hesiodos, welcher Erebos, das Dunkel, und Nyx, die Nacht, als erste Kinder des Chaos nennt, aus ihnen aber den Aether, das Licht, und die Hemera, den Tag, hervorgehen läßt. Nach dem Chaos entsteht bei Hesiod die »breitbrüstige«, »riesige« Erde, welche aus sich selbst den Himmel, das Meer und die Berge erzeugt.
Eine spätere, mehr historisirende als philosophirende Richtung der Kosmogonie löst alle Vorstellungen vom Weltursprung in Götterpaare auf und bekennt sich damit zu einer gleichberechtigten Stellung der Geschlechter. Uranos, der Himmel, ist nicht mehr der Sohn, sondern der Gatte der Erdgöttin Gaia. Ihre Kinder sind die Titanen, sechs Söhne und sechs Töchter, die aber theilweise außerhalb ihres Kreises vermählt und gewiß späte Personifikationen von Begriffen sind. Die mythologische Dichtung hat aus ihnen den düstern Erntegott Kronos und die asiatische Göttermutter Reia oder Kybele zu Häuptern eines zweiten, und ihren Sohn Zeus, den wirklichen alten Nationalgott der Hellenen, Preller, griechische Mythologie, 3. Auflage, Berlin 1872, I S. 38, 47. zum Haupt eines dritten und letzten Göttergeschlechtes gemacht. Dieser Licht- und Donnergott, der bei allen arischen Völkern an der Spitze der Gottheiten steht, der auf dem heiligen Berge der Hellenen, dem Olympos thront, ist bei diesem Volke zu einer nahezu monotheistischen Würde emporgestiegen; alle Götter sind seine Brüder oder Söhne, alle Göttinnen seine Schwestern, Gattinnen oder Töchter. So sind die hellenischen Gottheiten eine Familie, ein himmlisches Abbild der irdischen; sie sind rein menschliche Gestalten, mit Tugenden geschmückt und mit Fehlern behaftet, unter deren Oberfläche man noch ihre alte Naturbedeutung erkennen oder errathen kann.
Nach dem Glauben der alten Griechen waren gleich den Göttern auch die Menschen Abkömmlinge der »Mutter Erde«, d. h. sie waren aus Bergen, Felsen, Wäldern, Flüssen u. s. w. ihrer Heimat geschaffen. Verschiedene Sagen beschäftigen sich mit dem Ursprunge der menschlichen Kultur. Nach einer derselben brachten die Götter dieselbe freiwillig den noch lebenden Menschen; aber dieses Geschenk muß keine wohltätigen Folgen gehabt haben; denn wie bei vielen anderen Völkern ließen auch in Hellas die Götter das erste Menschengeschlecht durch eine Fluth zu Grunde gehen. Die babylonische und die ihr nachgebildete hebräische Sintfluthsage nennen nur einen Mann als Erneuerer der Menschheit; es ist bezeichnend, daß die Hellenen Mann und Frau als gleichmäßig handelnd auftreten lassen. Deukalion und seine Gattin Pyrrha werfen einem Orakelspruche zufolge Steine hinter sich; aus denen eines jeden entsteht das entsprechende Geschlecht der neuen Menschheit. Das erste eigene Kind des Paares ist aber merkwürdigerweise eine Tochter, Protogeneia (die Erstgeborene).
Dieser Sage widerspricht in allen Theilen eine andere, welche auch zu gleicher Zeit der semitischen Auffassung sich ebenso nähert, wie jene von ihr verschieden ist. Nach dieser Sage schenken die Götter den Menschen nicht freiwillig die Kultur; vielmehr neidisch auf die Menschen, die aber unter den Söhnen der Titanen einen Freund, den Prometheus haben, verweigert ihnen Zeus das Feuer, diese Grundlage der Kultur. Prometheus entwendet es aber und bringt es den Menschen. Der darüber erzürnte Zeus, der in dieser Sagenform eine höchst unwürdige Rolle spielt, läßt durch den olympischen Künstler Hephästos aus Erde ein schönes Weib bilden, Pandora (die Gesamtgabe, der Götter nämlich, deren jeder ihr ein Geschenk mitgiebt). Diese griechische Eva erhält des Prometheus Bruder, der im Gegensatze zu ihm Epimetheus (der Nachherdenkende) heißt, zur Gattin, nimmt sie wider den Rath des »vordenkenden« Bruders an, und mit ihr kommt eine Vase in das Haus, die sie von den Göttern erhalten und nun vorwitzig öffnet, worauf sich daraus alle Uebel, Krankheiten und Sorgen auf die mit solchen bisher unbekannte Menschheit ergießen und dieser nur die zufällig damit verbundene Hoffnung übrig bleibt. Prometheus aber wird zur Strafe für den Feuerraub auf die bekannte Weise angeschmiedet, bis ihn Herakles befreit.
Die hellenischen Götter sind mit der Zeit in ein System gebracht worden, dessen bezeichnender Charakter darin liegt, daß die obersten Zwölf gleichmäßig nach beiden Geschlechtern vertheilt sind; doch ist die Hälfte der sechs Göttinnen jungfräulich gedacht. Mit ehrfurchterweckender Hoheit steht unter ihnen die Gattin des Göttervaters Hera an erster Stelle. Im Gegensatze zu den von Zeus hervorgerufenen Störungen des atmosphärischen Gleichgewichtes vertritt sie das weibliche, sanftere Element des Himmels, dessen liebliche Bläue, Heiterkeit, erhabene Ruhe. Moralisch genommen ist sie die Vertreterin der ehelichen Treue, daher auch eifersüchtig auf ihre zahlreichen Nebenbuhlerinnen und hart gegen sie, ferner die Beschützerin des Brautstandes, der Hochzeit und des Kindersegens, der Zucht und Sitte und des weiblichen Waltens am häuslichen Herde. Ihre Gestalt ist zugleich himmlisch schön und sittig, entzückend und hoheitsvoll, ernst und keusch. Ebenso streng, ernst und züchtig verhüllt wie Hera, aber jungfräulich, ist des Zeus Schwester Hestia, die Göttin des Herdfeuers und des häuslichen Friedens im Olymp sowohl als bei den Menschen. Ebenfalls ernst, aber in anderer Weise, ist eine dritte Schwester, die Erdgöttin Demeter (d. h. Γὴ μήτηϱ, Mutter Erde), eine Wiederholung der alten Gaia, die durch Vermengung mit orientalischen Kulten in Kleinasien zur Göttermutter Rea, der dortigen Holle oder Berchta an der Spitze orgastischer Umzüge geworden ist. Als Demeter stellt sie diesem wilden Treiben gegenüber das fruchtbare und nützliche Wesen der Erde dar, auf der sie den Olymp vertritt. Es wird ihr nur eine Liebe nachgesagt, die zu dem räthselhaften Heilgotte Jasios oder Jasion, einem Kulturbringer wie Prometheus, der gleich diesem von Zeus verfolgt und mit dem Blitze erschlagen wird. Dessenungeachtet wird sie von Zeus, weil er eben der befruchtende Himmelsgott ist, Mutter der Persephoneia oder Kore (Mädchen), d. h. der personifizirten Pflanzenwelt. Wie die letztere einen Theil des Jahres hindurch in der Erde verborgen ist und während eines andern Theiles auf deren Oberfläche erscheint, so muß die Tochter der Erdgöttin eine Hälfte des Jahres als Beherrscherin der Unterwelt neben dem furchtbaren Pluton weilen und kann nur den Sommer bei der nach ihr sich sehnenden Mutter zubringen.
Unter den jüngeren Göttinnen des Olymp kann die vornehmste, Artemis, nicht ohne ihren Zwillingsbruder Apollon genannt werden. Sie beide, Kinder des Zeus und der Latona d. h. des Himmelslichtes und der Nachtgöttin, sind die ausgebildetsten Gestalten, zu welchen sich mit der Zeit Sonne und Mond entwickelt haben, die aber stellenweise noch unter ihren ursprünglichen Namen: Helios und Selene, neben ihnen verehrt wurden, und zu denen noch als ergänzendes drittes Glied ihre Schwester Eos, die Morgen- und Abendröthe (in Indien Uschâs, s. oben S. 80 f.) kam. Artemis, die strenge, jungfräuliche, wird vorzugsweise als Jägerin (eigentlich auf der Himmelsflur, aber in der Mythe auf der Erde) gedacht; von Nymphen begleitet, jagt sie, hoch geschürzt, mit Pfeil und Bogen, im Mondenschein und badet in verborgenen Quellen; heilig sind ihr die Wald- und Wildthiere, – ihre Schützlinge sind die keuschen Jünglinge und Mädchen.
Ihr Gegenbild ist die aus dem Orient eingeführte (aus der Istar und Astarte gräcisirte) üppige Aphrodite, deren Abkunft manche Sagen widersprechend melden; sie beschützt die Liebe (besonders die sinnliche), den Frühling, die Blumen, die Gärten und hat eine Menge Götter, Heroen und Menschen zu Liebhabern.
Die räthselhafteste Olympierin ist des Zeus mutterlose Tochter Pallas Athene, wahrscheinlich eine nach griechischer Anschauung beliebte weibliche Ergänzung des Himmelsgottes, die Göttin des Himmelslichtes, im moralischen Reiche aber Beschützerin des Friedens, der Gesundheit, der Frauen und Kinder, der Erfindungsgabe, der Künste und Wissenschaften.
Unter den Gottheiten geringern Ranges finden wir eine weit größere Zahl von Göttinnen als von Göttern. Namentlich sind die Gruppen zusammengehöriger Begriffe beliebt, und zwar sowohl freundlicher als schreckenvoller. Zwei, drei oder vier Einzelwesen zählen die Chariten, Göttinnen der Anmuth, und die Horen, die leichtbeschwingten Stunden; ihrer neun sind die Musen, die Freuden des Gesanges und Tanzes darstellend, – alle Töchter des Zeus aus verschiedenen Abenteuern. Die spätere Kunst und Dichtung hat sie mannigfaltiger verwerthet als die alte Sage. Gleich ihnen bewohnen den Himmel oder Olymp die Siegesgöttin Nike, die Botin der Götter Iris (der Regenbogen), die Schenkin derselben, Hebe, Eileithyia, die Göttin der Entbindung, Hygieia, die der Gesundheit u. s. w., alle schön und lieblich. Düsterer erscheinen die drei Moiren, die Spinnerinnen des Schicksals, die der Süden Europas mit dem Norden gemein hat. Die Quellen, die Bäche, den Wald, die Berge beseelen die Nymphen, das Meer die Nereiden, deren Glücklichste, Amphitrite, die Gattin des Meeresgottes Poseidon wurde; auf einer Insel hausen die durch ihren Gesang die Schiffer verlockenden gefährlichen Sirenen.
Zu den Schrecken der Unterwelt endlich gehören die entsetzlichen drei Erinnyen, die Rache- und Fluchgöttinnen, und die Keren, die Todesgöttinnen. Gleich den Horen, Chariten, Moiren sind sie ursprünglich die drei Gestalten des Mondes.
Auch in der griechischen Heroensage sind die Frauengestalten stark vertreten, wenn sie auch den Männern an Bedeutung nachstehen. Wir finden unter ihnen Harmonia, Tochter des Ares und der Aphrodite, Gattin des Kadmos, und ihre Tochter Semele, von Zeus Mutter des weinseligen Herbstgottes Dionysos. Wie diese zu einer Gottesmutter, wurde Io, die Tochter des Inachos, des Stammvaters der argischen Könige, zur Mondgöttin erhoben, mußte aber die Verfolgungen der wegen des Zeus Liebe auf sie eifersüchtigen Hera erdulden und ruhelos umher irren, und zwar in Gestalt der Kuh, welche der Orient jener Göttin zu verleihen liebte. Zu ihren Nachkommen gehören die fünfzig Danaiden, welche, mit Ausnahme der weichherzigen Hypermnestra, die verhaßten Neuvermählten ermorden und dafür in der Unterwelt büßen. Danae, eine jüngere Tochter des sagenreichen Hauses, wird, von Zeus durch seinen Goldregen, d. h. durch das himmlische Licht, ausgezeichnet, die Mutter des Perseus, eines Sonnenhelden, der die Gorgone Medusa mit dem versteinernden Haupte, auch eine von den drei Mondgestalten, erlegt und als Drachentödter die gefangene Andromeda befreit und gewinnt. Noch weiter vermehrte Mondgestalten sind die Amazonen, kriegerische Frauen, die in mehreren hellenischen Mythen eine bald erschütternde, bald berückende Rolle spielen und zu Sagen von angeblicher Gynäkokratie (oben S. 6) Anlaß geboten haben. Ihre Heimat ist Asien, und dies ist auch diejenige der Stammsage von Kreta. Die Ahnfrau der Könige dieser Insel, Europa, die unserem Erdtheile den Namen gab, ist die phönikische Astarte, und wird von Zeus als Stier nach jenem Eilande entführt. Ihr ältester Sohn, Minos, ein Sonnengott, ist von der Sage zum dortigen Gesetzgeber gestempelt und hat zur Gattin Pasiphae (die Allscheinende), also eine Mondgöttin, deren Bild wieder die Kuh und deren Bastard, Minotauros, der stierköpfige Moloch Asiens ist, während sein Labyrinth den bahnenreichen Sternhimmel bedeutet.
Umfassender als die bisher genannten Mythen ist der Sagenkreis der Argonauten, welche, die zwölf Theile der Sonnenbahn, dem Drachen der Nacht das Tageslicht unter dem Bilde des goldenen Fließes entreißen. Der Sonnengott Jason (der Heilende) führt die düstere, zauberkundige und wilde Rache übende Mondgöttin Medeia, die Lenkerin des Drachenwagens der Nacht, heim, die ihm aber ihrer Natur gemäß wieder entflieht.
Im Sagenkreise von Theben muß Oedipus als Sonnengott des Frühlings seinen Vater, den des Winters, tödten und dessen Gattin, die als Ergänzung zu jedem Sonnengotte gehörende Mondgöttin Jokaste heirathen, die durch ihr tragisches Ende das Hängen des Mondes am Himmel darstellt.
In dem größten hellenischen Mythencyklus, dem vom troischen Kriege, handelt es sich ursprünglich um den Kampf zweier Sonnenhelden, eines östlichen und eines westlichen, um die von jenem geraubte Mondgöttin Selene oder Helena, der erst mit der Zeit zu einem vaterländischen Ruhmeskampfe geworden ist. In der ältesten Bearbeitung, die den Namen des Homeros trägt, ist diese Auffassung bereits die herrschende. An die Stelle der Mythe tritt das romanhaft ausgeschmückte Epos, und das Himmlische ist völlig in das Menschliche übersetzt. Die Liebe zwischen Mann und Weib im irdischen Sinne beseelt die Gemüther der Helden, gehört zu den tieferen Beweggründen heldenhafter Thaten und führt zu den folgenreichsten Verwickelungen. Der Streit zwischen dem herrschsüchtigen und ränkevollen Agamemnon und dem trotzigen, aber kampfesmuthigen Achilleus, mit dem die Ilias beginnt, entbrennt ob der Liebe zu den zwei »rosigen Töchtern« Chryseis und Briseis, und des »muthigen Renners« Nereidenmutter Thetis bewirkt bei Zeus, daß ihm Rache wird, was dem Göttervater Vorwürfe von seiner hohen Gemahlin zuzieht, die er sich aber ernstlich verbittet. Ein edles, im schönern Sinne weibliches Gegenbild zu der leichtfertigen Helena tritt uns in der herrlichen Andromache entgegen, deren sich beim letzten Anblicke des geliebten Hektor die Ahnung bemächtigt, daß sie ihn nicht mehr lebend sehen werde. Fühlen aber diese beiden echt weiblich, so nehmen dagegen die Göttinnen persönlich gleich den Göttern am Kampfe theil und ergreifen diese und jene Partei. Man darf vielleicht, da in dem Epos alles menschlich gedacht und gefühlt ist, annehmen, daß auch vornehme Frauen jener Zeit, in der die Dichtung entstand, wenn schon nicht mit Waffen, doch mit Reden und Ermahnungen an die Männer, ein Aehnliches gethan haben werden. In der schnellfüßigen Atalante erzählt die Sage ein Beispiel dieser Art.
Nach unserer Auffassung ist indessen dem weiblichen Wesen in der Odyssee eine weit höhere und zartere Würdigung zu Theil geworden als in der Ilias. Die Treue der Penelope ist ohnegleichen in der Weltlitteratur, annähernd so die stille Liebe der Phäakentochter Nausikaa. Selbst in den dämonischen Halbgöttinnen Kirke und Kalypso bricht das »Ewig Weibliche« mit elementarer Gewalt sich Bahn.
Tritt nun auch in diesen unsterblichen Dichtungen der mythisch-heroischen Zeit Griechenlands einerseits die Liebe, andererseits die eheliche Treue mit ergreifender Macht zu Tage, so fehlt doch der Nachweis damaliger Begründung der Ehe durch die Liebe. Vom Standpunkte des Staates wurde die Ehe als Rechtsgeschäft behandelt. Der Vater suchte die Gattin für den Sohn und bot einen Preis für dieselbe, meist in Vieh bestehend (bei Reichen oft in die hundert oder tausend Stück). Auch wurde wohl die Hand eines Mädchens von dessen Vater als Preis für eine bedeutende That ausgesetzt (wie in Indien, oben S. 84 f.) oder auch einem mächtigen Gegner als Pfand der Aussöhnung angeboten. Als Gegengabe für den Brautkauf war von Seite des Brautvaters eine Mitgift in Geld, Kleidern, Schmuck und Sklaven gebräuchlich. Infolgedessen wurden in der Regel Ehen nur zwischen Familien von annähernd gleichem Grade der Wohlhabenheit geschlossen, wenn nicht der ärmere Bewerber ein besonders tüchtiger Mann war. Vielweiberei finden wir wohl bei den Troern erwähnt, bei den Achäern oder Danaern (wie die Griechen der ältesten Zeit sich nannten) nicht. Reste des Weiberraubes finden sich noch in den Sagen von Zeus und Europa, Paris und Helena und anderen. Auch gehört hierher die in der Ueberlieferung vom troischen Kriege besonders hervorgehobene Mitnahme der edelsten Frauen Ilions nach dessen Eroberung durch die hellenischen Häuptlinge, wie z. B. der Kassandra durch Agamemnon, der Andromache durch Neoptolemos u. a., von denen sie wie Sklavinnen behandelt werden.
Mit diesen »Heimkehrsagen« steht auch eine Spur vom Kampfe des Mutter- und des Vaterrechts (s. oben S. 7), die wir bei dem ältesten griechischen Tragiker, bei Aeschylos finden, im Zusammenhange. Es handelt sich bei ihm um die vor dem Areiopagos, dem ehrwürdigen Gerichtshofe Athens, streitige Frage, ob der Gattenmord oder der Muttermord das größere Verbrechen sei, beziehungsweise ob Orestes, der den letztern an Klytämnestra begangen, zu verurtheilen, oder als Rächer des Mordes an seinem Vater Agamemnon zu entschuldigen sei. Die Erinnyen als Vertreterinnen einer altern, rohern Zeit, finden den Gattenmord nicht verwerflich, weil er nicht Bande der Blutsverwandtschaft brach, während der Sonnengott Apollon, als Vertheidiger einer höhern Anschauung, die Rechte des Vaters als die maßgebenden erklärt, und die mutterlose Athene stimmt bei und rettet den Angeklagten. Allerdings ist diese Anschauung, auf der die Blutrache beruht, nur diejenige eines Uebergangs und noch nicht die wahre und höchste, nach welcher Vater und Mutter gleiche Rechte auf die Kinder haben und der Frevel an beiden gleich strafbar ist. Mit einer angeblichen Weiberherrschaft aber hat jene Frage nichts zu thun, da von einer solchen in der troischen Heldensage, abgesehen von Erwähnung der fabelhaften Amazonen, nirgends die Rede ist.
Wir können diese mittlere Periode der Entwickelung des altgriechischen Geistes vom Beginne der Olympiaden bis zur Schlacht bei Chäroneia (776-338 v. Chr.) rechnen. Die Verhältnisse der Ehe und der Familie unterschieden sich in dieser Zeit nicht wesentlich von denen der mythisch-heroischen Periode. Wie in dieser, so war auch in jener die Verwandtschaft kein Hinderniß der Ehe; sogar zwischen Geschwistern war dieselbe nicht eigentlich verboten, ja kam zwischen Halbgeschwistern von demselben Vater, aber verschiedenen Müttern, öfter vor, wie das Beispiel von Archeptolis, dem Sohne des Themistokles zeigt, der seine Halbschwester Mnesiptolema heirathete. Dagegen scheint es, daß Kimon und seine Gattin Elpinike rechte Geschwister waren, deren Verbindung jedoch ebenso großen Anstoß erregte, als das sonstige lockere Leben beider, ja von Kimon selbst nicht als rechtmäßig betrachtet worden sein mag, da er Elpiniken mit ihrer Einwilligung dem Kallias abtrat, der die dem Vater beider, dem großen Miltiades, auferlegte Buße von 50 Talenten (225 000 Mark) dafür entrichtete. Plutarch Themistokles 32, Kimon 4 (wonach es übrigens zweifelhaft ist, ob Kimon und Elpinike wirklich vermählt waren oder nur zusammen lebten).
Die einzige Spur von Vielweiberei in der historischen Zeit von Hellas findet sich bei einigen spartischen Königen, denen die Ephoren eine zweite Gattin erlaubten, wenn die erste unfruchtbar war; dann wohnten aber beide Frauen in verschiedenen Häusern. In Sparta waren die Männer gesetzlich verpflichtet, spätestens im dreißigsten Lebensjahre zu heirathen; wer sich dieser Vorschrift nicht fügte, mußte sich einer entwürdigenden Ceremonie unterwerfen und blieb der bürgerlichen Ehren beraubt. Es war Sitte, daß die jungen Spartiaten ihre Auserwählten entführten und sie längere Zeit nur heimlich und bei Nacht sehen durften. Erinnert diese Sitte an den Weiberraub, so scheinen einige andere mindestens sehr naive Gebräuche an einstige Polyandrie anzuklingen. Ein Verheiratheter, heißt es, der seine jüngeren Brüder unterhielt, theilte auch seine Frau mit diesen. Ein bejahrter Ehemann konnte seiner jungen Frau, die von ihm kein Kind hatte, einen jüngern Freund zuführen und betrachtete dann ihr Kind von ihm wie das seinige. Noch merkwürdiger ist, daß der Liebhaber einer Frau von ihrem Manne den Mitgenuß derselben verlangen durfte! Plutarch, Lykurg 15. Schoemann, griechische Alterthumskunde I S. 221, 273 ff.
Strenge waren in Sparta die Ehen mit Fremden verboten. Milder war das Gesetz in Athen. Hier waren zwar nur die Ehen zwischen Bürgern und Bürgerinnen rechtsgültig, die mit Fremden wurden es aber, wenn diesen ausdrücklich das Recht der Epigamie, d. h. der Verheirathung mit bürgerlichen Personen ertheilt war. Zur staatlichen Anerkennung einer Ehe war ein förmlicher Ehevertrag erforderlich. Ausnahmsweise wurden auch Verträge über ein Zusammenleben ohne förmlichen Ehecharakter geschlossen; die Kinder eines solchen Verhältnisses (sie führten den gleichen Namen wie die einer Ehe mit Fremden; beide hießen νόϑοι) waren vom Erbrechte ausgeschlossen, behielten aber das Bürgerrecht, wenn es beide Eltern besessen hatten. Die Eltern wählten die Gatten der Kinder, wobei der Rang und das Vermögen der Brauteltern die maßgebenden Rücksichten bildeten; doch kam es vor, daß der Staat oder reiche Freunde die Töchter unbemittelter verdienter Bürger ausstatteten. Natürlich fehlte es nicht an Umgehungen all dieser Vorschriften.
Vor der Hochzeit wurden den Schutzgöttern der Ehe Opfer gebracht. Braut und Bräutigam mußten sich in Wasser von der Quelle Kallirroe baden, welches ein Kind oder eine Jungfrau geholt hatte. Die Wohnungen beider Brautleute waren mit Laubgewinden bekränzt. Am Hochzeitstage wurde vom Brautvater ein Festmahl gegeben, nach dessen Ende ein Festzug mit Fackeln, die am heimischen Herde angezündet waren und von der Brautmutter getragen wurden, die Braut, welche zu Wagen zwischen dem Bräutigam und dem Brautführer saß, nach der neuen Wohnung begleitete, wobei Jünglinge ein Brautlied (Hymenaios) sangen und dazu tanzten. Freundinnen und Verwandte trugen in Körben die Mitgift. Die Begegnenden warfen Früchte und Blumen in den Wagen und riefen dem Paare Glückwünsche zu. Im Hause des Gatten erwartete dessen Mutter mit Fackeln den Zug, und hier erst wurde bisweilen der Brautschmaus gehalten. Vor der Thüre des Thalamos, in welchen sich die Neuvermählten zurückgezogen, wurden die Brautlieder (Epithalamien) gesungen und am Morgen wiederholt. Die Braut war während der ganzen Feier verschleiert, bis sie mit dem Gatten allein war; vom Morgen an, an welchem das Paar die Brautgeschenke empfing, zeigte sie sich unverschleiert. In Sparta dagegen trugen umgekehrt die Frauen den Schleier, während die Jungfrauen freier lebten und unverhüllt einhergingen, ja sogar öffentlich wettliefen und rangen.
In Griechenland hatten Mann und Frau ihre bestimmte abgegrenzte Sphäre. Der Mann gehörte dem Staate, die Frau dem Hause und beide herrschten auch in ihren Domänen. Die Frau waltete im Frauenhause, welches schon in der heroischen Zeit einen abgesonderten (den hintersten) Theil der Wohnung bildete, als Gebieterin desselben mit ihren Töchtern und den Sklavinnen; außer dem Hausherrn hatte hier kein Mann Zutritt.
Außerhalb dieser Behausung aber war die freie Bewegung der Frau, namentlich in Athen, eine weit beschränktere als in der Heroenzeit. Nach den Gesetzen Solons durften die Frauen kein Geschäft abschließen und war selbst ihr Ausgehen an gewisse Bedingungen gebunden. Diese Beschränkung hing wohl vorzugsweise von dem Umstande ab, daß die Frau mit dem Staate nichts zu schaffen hatte und nur durch den Mann mit diesem zusammenhing. Ihre Welt war, wie gesagt, das Haus, und danach richtete sich auch ihre Beschäftigung.
In Sparta zwar überließen die Frauen alle Handarbeit den Sklavinnen und begnügten sich mit Beaufsichtigung dieser Arbeit und Handhabung der Hausordnung. Die Griechinnen anderer Staaten dagegen verfertigten schon seit ältester Zeit mit Hilfe der Dienerschaft alle Kleidungsstücke der Hausbewohner selbst, während die Aufgabe der Haussklaven in Zubereitung der Lebensmittel bestand. Die griechischen Frauen beflissen sich großer Reinlichkeit und badeten häufig im Hause, wozu das Salben und Oelen des Körpers und namentlich der Haare gehörte. Auch vergnügten sie sich mit Musik, Gesang, Tanz, Schaukeln und Ballspiel.
Bei dieser Abgeschlossenheit des weiblichen Theiles der Familie war eine eigentliche geistige Ausbildung der Mädchen nach Art unserer höheren Töchterschulen ausgeschlossen. In der Regel wurden dieselben nur in den weiblichen Handarbeiten unterrichtet, wozu in gebildeteren Orten und Zeiten wohl auch Lesen und Schreiben kam. Selbstverständlich waren höher gebildete Väter und Gatten auch in weiter gehenden Dingen die Lehrer ihrer Töchter und Frauen.
Im Hinblick auf diese Lebens- und Anschauungsweise ist es nicht zu verwundern, daß uns bei griechischen Dichtern und Philosophen der Blüthezeit häufig wegwerfende und verächtliche Ansichten über die Frauen begegnen. Diese beginnen mit der Rolle der Pandora bei Hesiod (oben S. 104). Simonides von Amorgos dichtete den Frauen Thierseelen an, je nach ihrem Charakter. Euripides war ein leidenschaftlicher Weiberfeind; doch hatte ihn erst weibliche Untreue aus einem warmen Verehrer der ehelichen Liebe dazu gemacht. Der Komiker Menander betrachtete die Frauen als ein notwendiges Uebel. Platon läßt die Männerseelen im künftigen Leben zur Strafe in Weiber- und Thierseelen verwandelt werden, und Aristoteles vergleicht Mann und Weib mit Seele und Körper. Xenophon endlich findet die Frauen zu nichts geschaffen als zur Hauswirthschaft und zum Kindergebären.
Die Griechen waren aber nicht die Leute, in ihrem vorzugsweise öffentlichen Leben auf bildenden Umgang mit dem weiblichen Geschlechte zu verzichten. Denjenigen, die keine gebildeten Frauen hatten, sowie den Unverheirateten reifern Alters ersetzten diesen Mangel die höheren Hetären. Wir verzichten auf eine Berücksichtigung der gemeineren Klassen dieses Kreises weiblicher Wesen und ziehen hier nur diejenigen Hetären in Betracht, bei denen der Geist das Entwürdigende ihres Lebens überwog oder wenigstens deckte. Deren gab es namentlich in Korinth und Athen, und zwar nicht wenige von Ruf, die sogar im öffentlichen Leben eine Rolle spielten. Der Geliebten des Harmodios, Leaina, welche diesen Tyrannenmörder nicht verrathen wollte und auf der Folter starb, wurde ein Denkmal in Gestalt einer Löwin ohne Zunge errichtet. Einige Hetären hörten die größten Philosophen als Schülerinnen an. Natürlich wurde dieses Verhältniß genährt durch die erwähnte Art der Eheschließung, bei welcher der Liebe keine Bedeutung zukam. Gerade in der Zeit der größten Blüthe von Hellas war die schwärmerische Liebe zwischen Jünglingen und Jungfrauen wenig bekannt und trat weit zurück hinter der begeisterten Freundschaft zwischen älteren und jüngeren Männern, die vielfach einen tiefen ethischen und geistigen Gehalt hatte, aber freilich, wie übrigens auch anderswo, von schlimmen Verirrungen nicht frei blieb.
Die Kulturgeschichte der Frauen ist es der Pflicht gegen die Wahrheit schuldig, von der Zugehörigkeit zum »Orden« der Hetären eine Frau frei zu sprechen, welche die schönste, edelste, geistreichste und liebenswürdigste ihrer Zeit war. Wir meinen Aspasia, die zweite Gattin des herrlichen Perikles. Die losen Mäuler der Komödienschreiber und der persönlichen Gegner des großen Staatsmannes haben jene ungerechte Verleumdung in die Welt gesetzt. Nicht eine einzige als wissenschaftliche Quelle zu betrachtende Angabe kann Aspasia im geringsten sittlich verdächtigen. Adolf Schmidt, Epochen und Katastrophen. Berlin 1874 S. 90 ff. Drängten sich ja sogar die in ihrem Gynaikeion so streng eingezogen lebenden athenischen Frauen, die Bekanntschaft der weisen Milesierin zu machen! Ihre fremde Herkunft, ihre Verbindung mit Perikles und ihr Einbruch in die orientalische Absperrung der Geschlechter waren ihre Verbrechen in den Augen des süßen Pöbels von Athen. Nur durch ungezwungene Bewegung in Männer- und Frauengesellschaft konnte sie die Lehrerin des Sokrates, die Beschützerin des Anaxagoras, die Freundin der größten Künstler ihrer Zeit werden, und die Proben, die wir von ihrer Dialektik besitzen, sind schlagende Beweise für eine würdige und edle Auffassung aller Lebensverhältnisse. Ihre Ehe mit dem geistig größten und sittlich reinsten Athener war ein Muster von Innigkeit und Glück und blieb auch ihre einzige, da ihre angebliche zweite Ehe mit dem schon ein Jahr nach Perikles gestorbenen Lysikles, der lediglich ihr Sachwalter war, ebenso schlecht begründet ist wie die erwähnte Verleumdung. In das hellste Licht aber werden die Charaktere des Perikles und der Aspasia gesetzt durch die von ihm bewirkte Aufhebung des von priesterlicher Seite betriebenen Verbotes der persönlichen Verspottung in der Komödie, unter welcher jenes edle Paar doch am meisten litt. Beide waren über jedes kleinliche Vorurtheil erhaben, und dies waren auch die Freunde, die mit ihnen einen schönen Kreis Gleichstrebender bildeten.
Die Verleumdung der Aspasia ist indessen einigermaßen zu einer Zeit erklärlich, in welcher Wüstlinge von des Alkibiades, dieses griechischen Don Juans Schlag die Jagd nach weiblicher Ehre als einen erlaubten Sport betrachteten. Schon in seiner ersten Ehezeit wollte sich sein treues Weib Hipparete seines Lebenswandels wegen von ihm scheiden lassen, als er sie auf dem Wege zum Gerichte ergriff und nach Hause trug, wo sie dann auch blieb. Verbannt, verführte er in Sparta, »dem Lande ohne Ehebruch«, die Königin Timäa, die Gattin des abwesenden Agis II. Den Sohn dieser verbotenen Liebe nannte die Mutter im geheimen Alkibiades; sonst hieß er Leotychides, und der unrechtmäßige Vater hoffte ihn auf dem Throne zu sehen. Allein die Sache wurde ruchbar, und der Einfluß des kräftigen Lysander bewirkte die Beseitigung des Bastards und die so verhängnißvolle Wahl des Agesilaos zum Nachfolger seines Stiefbruders. Plutarch, Alkibiades 8, 23.
Wie die Stellung der Göttinnen in der griechischen Religion, so war auch der Einfluß der Frauen in diesem Kreise nicht unbedeutend. Den Göttinnen dienten in der Regel Priesterinnen, welche in die angenommene Tracht ihrer Göttinnen gekleidet waren (doch wohl mit Ausnahme derjenigen der Aphrodite!). Merkwürdig ist, daß die Gattin desjenigen attischen Archon (Regierungsmitgliedes), welcher seit Abschaffung der Monarchie die priesterlichen Geschäfte des ehemaligen Königs besorgte und daher »Basileus« hieß, an seiner Würde theilnahm und daher den Titel »Königin« (Basilissa oder Basilinna) führte. Am Feste der Anthesterien, d. h. des Erwachens der Blumen im Frühling, wurde sie in dem wieder eröffneten Tempel des Dionysos symbolisch mit dem Gotte vermählt. Eine in jeder Hinsicht tiefere Stellung als die Priesterinnen nahmen die in Korinth nach orientalischem Muster (s. oben S. 57) angestellten Hierodulen ein. Höher an Einfluß aber standen die Priesterinnen der Orakel, unter denen die Seherin des Apollotempels in Delphi, die Pythia, weit hervorragte. Sie war eine Jungfrau, und zwar in späterer Zeit eine solche von vorgerücktem Alter. Angeblich durch die aus dem dortigen Erdschlunde aufsteigenden Dämpfe aufgeregt und durch das Trinken aus der kastalischen Quelle und Kauen von Lorbeerblättern berauscht, oft auch in Zuckungen gerathend, antwortete die Pythia auf die an sie gestellten Fragen – in Wahrheit so, wie die schlauen Priester es aus politischen Gründen haben wollten, d. h. meist zweideutig. Nicht selten waren die Priester und ihre Seherin bestochen. Zur Zeit des ersten Perserkriegs (490 v. Chr.) war die von Sparta angerufene Pythia Perialla durch König Kleomenes I. erkauft und bewirkte demzufolge die Absetzung und Vertreibung seines ihm unbequemen Kollegen Demaratos, der als unrechtmäßig verdächtigt war. Als die Bestechung entdeckt wurde, verlor Perialla ihre Würde und Kleomenes wurde gestürzt und ermordet. Hertzberg, Geschichte von Hellas und Rom. Berlin 1879 I S. 171, 177.
Auch ohne priesterlichen Rang zu besitzen, betheiligten sich die griechischen Frauen vielfach an religiösen Gebräuchen, namentlich an festlichen Umzügen und an Verfertigung und Darbringung von Opfergaben an die Götter. Ja ein Fest der Demeter in Athen, die Thesmophorien, welches jene Göttin als Erfinderin des Ackerbaues und Bringerin der Gesetze, namentlich aber als Vertreterin der Mütterlichkeit und Häuslichkeit feierte, wurde von den Frauen allein mit Ausschluß der Männer begangen. Das Fest dauerte fünf Tage und bestand in einem Festzuge, verbunden mit muthwilligen Scherzen und Neckereien, sowie täglichen und nächtlichen Feiern mit mystischen Gebräuchen und Fasten; den Schluß bildete ein Festmahl mit Tänzen und Spielen. Mommsen, Aug., Heortologie, antiquarische Untersuchungen über die städtischen Feste der Athener. Leipzig 1864 S. 296 ff.
Noch tiefer ging die Betheiligung der Frauen an den in mehreren Theilen von Hellas gefeierten Mysterien, jenen ursprünglich blos örtlich oder nach Stämmen abgeschlossenen, später aber geheimgehaltenen Götterdiensten, hinter deren Geheimniß allerlei Sonderbarkeiten gesucht worden sind. Dieselben waren lediglich eine Vertiefung der Religion, eine ausschließliche Beschäftigung mit derselben, losgelöst vom alltäglichen Leben, eine gründlichere Erforschung des Wesens der Götter, ein Streben nach Vereinigung mit denselben, wodurch sie aber allerdings mit der Zeit mystisch, also dem heitern und offenen Wesen des Griechenthums entgegengesetzt wurden und eine Zukunft vorbereiteten, in welcher es den Verkündern eines einzigen, bisher unbekannten Gottes leicht wurde, der Vielheit von Göttern ein Ende zu machen.
In den berühmtesten der zahlreichen, unter sich in keinem Zusammenhange stehenden hellenischen Mysterien, den attischen Eleusinien spielte das weibliche Element eine besonders wichtige Rolle. Sie waren nämlich der Erdgöttin Demeter und ihrer Tochter, der Unterweltfürstin Persephone (oben S. 105 f.) geweiht, wozu später auch ein sonst unbekannter Gott kam, der in den Mysterien selbst Jakchos hieß und mit dem Geliebten der Demeter, Jasios, identisch sein dürfte. An der Spitze der Priesterschaft des Heiligthums von Eleusis und eines jeden andern Ortes in Hellas, wohin diese Mysterien verpflanzt wurden, standen ein Hierophant und eine Hierophantin. Den Inhalt der Feiern, der kleinen Eleusinien im Frühling und der großen im Herbste, bildete die mystisch ausgeschmückte Legende von der Trennung und Wiedervereinigung jener beiden Göttinnen, welche vielleicht im Sinne der persönlichen Unsterblichkeit ausgelegt wurde, und es fanden dabei die Einweihungen der Teilnehmenden in zwei Graden (Mysten und Epopten) statt, wozu theatralische Vorstellungen, optische, akustische und mechanische Vorrichtungen gedient zu haben scheinen. Vor allem bezeichnend ist, daß dabei zwischen den beiden Geschlechtern kein Unterschied gemacht wurde, vielmehr beide gleichberechtigt waren und mithin hier die Ahnung einer Zeit hervorleuchtet, in welcher die Schranken der Frauenhäuser eingebrochen werden sollten. Näheres s. in des Verfassers »Buch der Mysterien«, 3. Aufl. Leipzig 1890 S. 51 ff.
Die nämliche Gleichberechtigung der Geschlechter finden wir in den Mysterien der »Kabeiren« auf der Insel Samothrake, deren ceremoniösen Riten sich neben ihrem Gatten Philipp II. von Makedonien auch die Königin Olympias, die Mutter Alexanders des Großen unterwarf.
Am tiefsten aber ging unter den hellenischen Mysterien die weibliche Theilnahme in den dem Weingotte gewidmeten Dionysien. Die Feier derselben wurde nämlich ausschließlich von Frauen begangen, die sich mit Wein berauschten und Mänaden oder Bakchen genannt wurden. Ihre Orgien, wie sie hießen, wurden auf Bergen und zwischen solchen bei Nacht unter Fackelschein gefeiert; die teilnehmenden Schönen waren in Hirschkalbfelle gekleidet, mit dem epheu- und weinlaubumrankten Thyrsosstabe bewaffnet und ließen die Haare fliegen. Das Fest begann am kürzesten Tage und dauerte mehrere Tage und Nächte, während welcher die Mänaden jeden Umgang mit Männern mieden, opferten, tranken, tanzten, jubelten, mit Doppelpfeifen und Erzpauken lärmten. Schon diese Schilderung ist bei dem häuslichen Leben der griechischen Frauen augenscheinlich übertrieben, wenn man nicht annehmen will, daß blos Hetären theilnahmen; vollends absurd ist aber die Angabe, daß die Mänaden Schlangen in den Haaren und Händen getragen und als Opfer einen Stier (!) eigenhändig zerrissen und roh verzehrt hätten!
Mit der Theilnahme der Frauen an der hellenischen Religion stimmt der Umstand überein, daß sie gerade an jenen Zweigen der Kunst sich betheiligt haben, welche mit dem Götterdienste im engsten Zusammenhange standen, nämlich an der in der ältern Zeit durchaus zusammenfallenden Ausübung der Tonkunst und lyrischen Dichtung. Das Melos, welches diese Verbindung der »musischen« Künste vorzugsweise vertrat, wurde besonders von den Aeoliern und Doriern gepflegt, doch mit dem Unterschiede, daß jene zum Gegenstande der Dichtung mehr Angelegenheiten des Einzelnen und allgemein menschliche Interessen, diese aber mehr solche der Politik und Religion wählten. Die Insel Lesbos war der Hauptsitz des äolischen Melos, und hier finden wir die einzige große Dichterin der Hellenen, die edle Sappho als Sängerin, wie als Lehrerin einer Schule von Dichterinnen. Den gegen ihren sittlichen Charakter geschleuderten Verleumdungen und dem ihr angedichteten Selbstmorde (Sprung in das Meer) widersprechen ihre Gesänge, welche zugleich glühende Liebe und hohen Edelsinn athmen, wie auch ihre die Ehe in keuscher Weise feiernden Epithalamien. Die »zehnte Muse«, wie man sie nannte, war die Gattin des Kerkylas aus Andros und ihr hochgeachtetes Haus ein Sammelplatz von Dichtern und Sängern beider Geschlechter. Unter ihren Schülerinnen werden genannt: Erinna, Atthis, Baukis u. a., die sie innig liebte. Von Sappho hat eine anmuthige Strophenform der Griechen ihren Namen. Andere hellenische Dichterinnen waren Myrtis aus Anthedon, auch eine Schülerin Sapphos, angeblich Lehrerin des Pindar und der Folgenden, Korinna aus Tanagra, Nebenbuhlerin des genannten Sängers der Wettkämpfe, Praxilla aus Sikyon, als Mänade wegen ihrer wilden Dithyramben viel getadelt, und Telesilla aus Argos, welche um 494 v. Chr. an der Spitze der von ihr begeisterten Argeierinnen den spartischen König Kleomenes I. von der völligen Unterjochung ihrer Vaterstadt abhielt.
In allen übrigen Dichtungsarten übten sich bei den Hellenen die Frauen nicht; wohl aber gab ihr Geschlecht in derjenigen Dichtform, welche die höchste Blüthe der hellenischen Poesie vertritt, in der dramatischen nämlich, Veranlassung zur Entfaltung hervorstechender Charaktere. Bei den Tragikern sind dieselben der heroischen Mythe entnommen, aber in die Zeit der Dichter übergetragen, d. h. sie erinnern in keiner Weise mehr an die ursprüngliche Bedeutung der Mythen, sondern sind völlig so aufgefaßt, als ob sie wirklich gelebt hätten, wirkliche Menschen von Fleisch und Blut gewesen wären, wenn auch ihr Charakter noch so dämonisch dargestellt ist. Beinahe über menschliches Maß hinaus ragt in der Oresteia des Aischylos die furchtbare Klytämnestra, welche sich einredet, ihre angeblich geopferte Tochter Iphigenia zu rächen, in Wahrheit aber, um ihre Buhlschaft zu decken und zu retten, den Gattenmord vollbringt, aber der ebenso entsetzlichen That des aus sittlicher Entrüstung zum Muttermörder gewordenen Orestes erliegt.
In herrlicher Weise schildert Sophokles in der unsterblichen Gestalt seiner Antigone die rührende Kindes- wie die sich aufopfernde Schwesterliebe, in seiner Elektra die Entwickelung des gerechten Rachegefühls zu männlicher, unbeugsamer Thatkraft.
Der von der erhabenen Kunst seiner Vorgänger zur philosophischen Reflexion herabsteigende, ihren göttlichen Idealismus mit menschlichem Realismus vertauschende, damit aber lediglich dem Zuge seiner Zeit folgende Euripides hat seinem Frauenhaß (oben S. 116) in den unweiblichen, schreckenerregenden Gestalten seiner Medea und Phädra Luft gemacht, aber auch hochedle Frauencharaktere in Alkeste und Iphigenia geschildert.
Ganz anders erscheinen die Frauen bei den Komikern. In des Aristophanes Stück »Lysistrate« ist die Ueberlegenheit der Weiberlist über das Gebahren der Männer derb gezeichnet, in den »die Thesmophorien feiernden Weibern« des Euripides Frauenhaß gegeißelt; in den »Weibern in der Volksversammlung« sind die Phantasien über den »besten Staat« durch das Luftgebilde des Kommunismus und einer Weiberherrschaft verspottet.
An die Frauengestalten der Komiker erinnert diejenige, welche die Klatschsucht der Zeit aus der trefflichen, aber wohl nicht fein gebildeten Gattin des großen Sokrates, aus Xanthippe gemacht hat, und solche Karikaturen leiten uns aus der Blüthenzeit des alten Hellas in dessen Verfallzeit hinüber, die mit dem Beginne der Obmacht des von hellenischer Bildung nur oberflächlich genährten fernen Makedonien anhebt.
Dem geistvollen Heldenjüngling, aber eiteln Despoten Alexander war es vorbehalten, die lange Reihe von Unbilden, welche Hellas von Seite Persiens erduldet, zu rächen und den zu seiner Zeit den Griechen bekannten Orient für ein freilich ärmliches Schattenbild hellenischer Kultur zu erobern, das in Wahrheit eine charakterlose Vermengung asiatisch-ägyptischer Phantastik mit übel verstandener griechischer Gestaltungskraft war. An die Stelle der Begeisterung für Glauben und Vaterland trat ein verblaßter und saftloser Kosmopolitismus, an die des ungebändigten Freiheitstolzes und Trotzes die im Orient einheimische Kriecherei und Schmeichelei, an die des Forschens nach Wahrheit ein Streben nach Nützlichkeit und Annehmlichkeit, an die des hohen Fluges der Phantasie eine nüchterne Uebung in grammatikalischer Korrektheit, an die der Verehrung des Schönen und Erhabenen ein Wohlgefallen an sinnlich-üppigen und frivolen Gedanken und Schilderungen. Die politisch zerrissenen, aber freien Hellenen waren Geistesriesen, – die in große Reiche vereinigten, aber unfreien »Hellenisten« Geisteszwerge.
Für unsern Zweck ist es besonders bemerkenswerth, daß mit der soeben geschilderten Veränderung des Schauplatzes und des Charakters der griechischen Kultur die Liebe zwischen Mann und Weib vor der Ehe zum ersten Male ihren Einzug in die Kunst und Dichtung eines europäischen Volkes feierte, womit wohl ohne Zweifel die vorzugsweise auf den Kampfspielen fußende eigenartig griechische Auffassung des Eros (s. oben S. 117) eine wesentliche Abnahme erfuhr. Unser heutiger Begriff der Liebe errang sich damals einen Platz in der Werkstatt des Bildhauers und Malers, wie in der Arbeitsstube des Dichters und auf der Bühne, welche die Welt bedeutet. Allein, und das ist die Schattenseite dieser Erscheinung, – es ist keine irgendwie bestimmte Grenze zwischen der reinen Liebe, d. h. der zur unberührten Jungfrau, und derjenigen zur Hetäre zu entdecken. Ja, das Hetärenwesen nimmt erst zu jener Zeit seine abstoßendsten Formen an. Der größte Held und der Gründer der neuen Periode ging hierin mit dem schlimmsten Beispiele voran. Alexander lebte in Bigamie mit den beiden Perserinnen Barsine und Roxane, und stand in engster Beziehung zur berüchtigten Tänzerin Thaïs, die ihn nach der Sage sogar zur Zerstörung von Persepolis bewogen hätte, angeblich um die Verbrennung Athens durch die Perser zu rächen. Sicherer ist, daß sie an den bereits vermählten größten seiner Nachfolger, den ersten Ptolemäer überging und diesem drei Kinder schenkte. Alexanders Zeitgenosse und Schützling, der berühmte Apelles (356-308 v. Chr.) kann als der Maler des Hetärenthums bezeichnet werden. Nicht nur stand er in naher Beziehung zu einer Laïs, wahrscheinlich der dritten des Namens; er malte auch die übelberufene Phryne als Aphrodite Anadyomene, in deren »Tracht« dieselbe bei Eleusis vor den Augen des festfeiernden Athen aus dem Meere stieg. Sie war es auch, welche, wegen Religionsentweihung angeklagt, als ihr Rechtsanwalt, der lockere Hypereides, vor den Richtern ihre Reize enthüllte, freigesprochen wurde. Dem Apelles vorangegangen waren in derselben Richtung des Naturalismus die Bildhauer Skopas aus Paros und Praxiteles aus Athen. Jener schuf seine Mänade »in voller Ekstase, mit zurückgeworfenem Haupte und flatternden Locken, alle Pulse des erhitzten Lebens in dem Marmor schlagend,« Curtius, griechische Geschichte III S. 536. dieser die erste unbekleidete Aphrodite, die von Knidos. Noch weiter ging, wenn auch mit berückender Kunst verbunden, die sinnliche Richtung in dem Ganymedes des Leochares und wurde zur Unnatur in dem Hermaphroditos des Polykles. Doch ist nicht zu vergessen, daß auch erhabene, reine Kunstwerke, wie die Gruppen der Niobe, des Laokoon und des farnesischen Stieres, welche von den Einzelfiguren zu dramatischer Festhaltung lebensvoller Scenen vorschritten, derselben Zeit angehören.
Auf der Komödienbühne (eine Tragödie gab es längst nicht mehr) fehlten diese erhebenden Momente. Prahlerische Soldaten aus den Kriegen Alexanders und seiner Nachfolger spielten die Hauptrolle; Hetären sekundirten ihnen. Als stehende Figuren folgten der betrogene Ehemann oder Vater, der lüderliche Sohn, der gewissenlose Sklave, der Weiberfeind, der Kuppler u. s. w. Als Verwicklungen dienten untergeschobene Kinder, Skandalprozesse u. dergl. Reiner entfaltet sich die Liebe in den Hirtengedichten des Theokritos aus Syrakus. Alle übrige Dichterei begab sich damals, das Wesen der Poesie beseitigend, in das Schlepptau pedantischer Gelehrsamkeit. Von Dichterinnen werden genannt Melino, welche das völkerbeherrschende Rom besang, Astyanassa, Elephantine und Philänis, die »ihre Namen durch unzüchtige Gedichte befleckten«. Hedyle, eine Athenerin, schrieb Elegien, Böo aus Delphi besang Tempel und Orakelsprüche ihrer Vaterstadt, Anyte aus Tegea aber begnügte sich, Orakelsprüche in Verse zu bringen. Borberg, Hellas und Rom I S. 872, 874, 879, 949.
Kein Zeitalter hat so viele Frauen auf Thronen in wechselnden Schicksalen gesehen, als das alexandrinische in den drei letzten Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung.
Im alten Hellas selbst trat hervor die schöne Agiatis, Königin von Sparta (241 v. Chr.), Gattin des kühnen Reformators Agis IV. und nach seinem schändlichen Justizmorde (durch den auch seine Großmutter Archidamia und seine Mutter Agesistrata betroffen wurden) mit dem Sohne seines Todfeindes, Kleomenes III. vermählt. Der zweite Gemahl war noch minderjährig; aber als er heranwuchs, pflanzte Agiatis liebevoll in ihm Anhänglichkeit an das Gedächtniß des Ermordeten und den Eifer, ihm nachzufolgen. Er that dies; Agiatis starb aber vor seinem Sturze, dem in Aegypten, wohin er floh, sein trauriger Untergang folgte, welchen seine Mutter Kratesikleia, sein Freund Panteus und dessen edle Gattin mit ihm theilten. Plutarch, Agis 20, Kleomenes I, 29, 38.
In Makedonien, dem Stammlande der neuen Periode, überlebte die dämonische Olympias den Tod ihres großen Sohnes und verübte 317 v. Chr. furchtbare Blutthaten an dem verhaßten Stiefsohne Arrhidäos, seiner energischen Gattin Eurydike und dem Anhange des Kassander, der sie aber im nächsten Jahre selbst dem Henkertode überlieferte. Ein gleiches Schicksal bereitete derselbe Blutmensch der schönen Baktrierin Roxane, welche als Gattin Alexanders dessen Ansprüche auf den Orient in ihrer Person dargestellt hatte, und ihrem Sohne Alexander (311 v. Chr.).
Theils dämonische Thaten, theils unverdiente tragische Schicksale knüpfen sich an die Namen mehrerer Königinnen, sowohl Makedoniens, als der makedonischen Theilreiche Syrien und Aegypten. Die einzelne Erwähnung dieser Frauen, einer Laodike, dreier Bereniken und nicht weniger als acht Kleopatren, würde uns zu weit führen; sie alle übrigens, namentlich die sieben ersten Kleopatren, sind verschollen bis auf ihre achte Namensschwester, die allein weltbekannte glänzende Kleopatra, die letzte Herrscherin des Nillandes, Tochter des schwächlichen als »Flötenspieler« bezeichneten elften Ptolemäers. Mit ihrem Bruder Dionysos, dem zwölften und letzten Ptolemäer, den sie ehelichen sollte, zur Nachfolge bestimmt, wurde sie von dem Vormunde Pothinos vertrieben, bis sie nach erbitterten Kämpfen, in denen Vormund und Bruder den Untergang fanden, durch Cäsars Gunst, dem sie ihre Liebe dafür schenkte, Aegyptens alleinige Königin wurde. Sie besuchte Rom, von wo des Geliebten Ermordung sie nach Hause trieb; aber gar bald tröstete sie der von ihr hingerissene Antonius, der sie endlich auf allgemein bekannte Weise in seinen Sturz mit hineinriß. Durch die Natter, die sie an ihren Busen setzte, ging der letzte weibliche Sproß längst entarteten griechischen Königthums unter, und die Welt gehörte seitdem unbestritten den Kindern der Wölfin.