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Bedeutend älter und daher auch reichhaltiger als die Nachrichten über das Land am Eufrat und Tigris sind für uns diejenigen über das Land am heiligen Nil. Weit wichtiger aber ist es für den Zweck des vorliegenden Buches, daß in keinem Lande von alter Kultur die Frauen so hoch standen und so sehr geehrt wurden wie in Aegypten. Eine Handschrift von Ptah-Hotep, einem Prinzen der 5. Dynastie, giebt Lehren über das Verhalten gegen die Freuen und sagt z. B.: »Wenn du weise bist, so schmücke dein Haus gut, liebe deine Frau ohne Streit, nähre sie, ziere sie, überstreue sie mit Wohlgerüchen, erfreue sie so lange du lebst; es ist ein Gut, das seines Besitzers würdig sein soll.«
Daß die ägyptischen Frauen größere Schonung als anderwärts erfuhren, zeigt schon die Farbe, in welcher sie auf den alten Abbildungen erscheinen. Diese zeigen die mehr der Sonne ausgesetzten Männer in rothbrauner, die Frauen aber in gelbbrauner Farbe. Nirgends auf den zahlreich erhaltenen Darstellungen des Lebens und Treibens der Nilanwohner sehen wir Frauen mit harter Arbeit belastet; alle solche wurde von Männern verrichtet; den Frauen lagen nur die Hausgeschäfte und die Kindererziehung ob, bei den niederen Ständen auch leichtere Beihilfe in der Landwirthschaft. Nur die einfache Ehe war anerkannt, doch war den Reichen die Haltung von Sklavinnen nicht verwehrt. Eine eigenthümliche Einrichtung waren die Probeehen, welche durch schriftlichen Vertrag auf ein Jahr und erst, wenn sie zu beiderseitiger Zufriedenheit ausfielen, rechtsgültig abgeschlossen wurden. Wurde die Probeehe wieder aufgelöst, so erhielt die Frau eine Entschädigung und nahm ihre Mitgift zurück, ebenso im Falle der Scheidung nach rechtmäßiger Ehe. Hieß die Frau in der Probeehe »Genossin«, so erhielt sie in der wirklichen Ehe den Titel »Herrin des Hauses«. Ebers glaubt, daß die Probeehen den Zweck hatten, dem Manne eine Nachkommenschaft zu sichern. Ploß, das Weib, II S. 467 f. Von weiblicher Erbfolge findet sich in Aegyptens historischer Zeit nichts, ausgenommen wenn männliche Erben fehlten. Das Land war mithin schon ungemein früh zu geordneten Familienzuständen gelangt. Dagegen war, was sonst auf weibliche Erbfolge deuten dürfte, in Aegypten die Ehe zwischen Bruder und Schwester, besonders bei den Pharaonen, gestattet, ja sogar bevorzugt.
In dem von ägyptischer Kultur genährten Aethiopien (Nubien) waren noch deutlichere Spuren der weiblichen Erbfolge zu finden. Dem Könige standen dort auf den Denkmälern in der Regel seine Mutter, die »Fürstin von Kusch«, und seine Gattin zur Seite; sie übten großen Einfluß auf ihn, ja zwangen ihn sogar, sich der über ihn von den Großen verhängten Absetzung und Todesstrafe (d. h. Verurtheilung zum Selbstmord) zu fügen. Zur Zeit der römischen Herrschaft über Aegypten war der äthiopische Thron gewöhnlich von Frauen besetzt, die bei den Griechen durchweg Kaudake hießen.
Am Hofe des Pharao (ägypt. par'a, d. h. großes Haus) hatten die väterlichen und mütterlichen Verwandten des Herrschers gleichen Rang. Meyer, Ed., Geschichte des alten Aegyptens, Berlin 1887 S. 60. Die Töchter des Königs wurden an Hofbeamte verheirathet, woraus beinahe nothwendig folgt, daß ihre Neigungen Berücksichtigung fanden.
In der ältesten Form der ägyptischen Religion ist der Himmel »eine lichte Göttin, welche die Sonne am Horizonte gebiert und den jungen Gott aufsäugt und großzieht«; erreicht aber der Gott die Höhe seiner Laufbahn, so wird er der Gemahl der Göttin und ihr Sohn der Sonnengott des nächsten Tages. Auf diese Weise vermehrten sich die Sonnengötter und Himmelsgöttinnen und erhielten verschiedene Namen, so Hathor »das Haus des Heros«, d. h. der Sonne, Isis »der Sitz« des Sonnengottes. Isis erhielt die Herrschaft über die Morgen-, Nephthys über die Abendseite des Himmels. Himmelsgöttinnen wurden unter dem Bilde der den Aegyptern heiligen Kuh gedacht. Meyer a. a. O. S. 73 ff. Die Frauen der höchsten Beamten, also oft Prinzessinnen, waren die Priesterinnen dieser Göttinnen. Den lokalen Göttern waren regelmäßig Göttinnen beigesellt; sehr oft waren sie Vater, Mutter und Sohn, so im mächtigen Theben Amon, Mut und Chunsu, die Hauptgötter des »mittleren Reiches«, dessen Metropole Theben war, wo (wie auch in anderen Städten) die Gattin des Oberpriesters auch als Gattin des Gottes galt und den Titel »Gottesweib« führte. In jener Periode wurde Amon als Gott der Hauptstadt mit dem Sonnengotte Re' (Ra) verschmolzen, und so auch die übrigen Hauptgötter, und alle Göttinnen wurden wieder Himmelsgöttinnen, so daß sich Aegypten offenbar einem Monotheismus näherte. Ja, Isis wurde später noch mehr, die Personifikation der alles ernährenden Mutter Natur. Auffallend aber ist gegenüber dieser Hochhaltung der Göttinnen und der hohen Achtung der Frauen, daß nur die verstorbenen Männer mit Osiris, dem Gotte des Todtenreiches (d. h. der untergegangenen Sonne) oder einem anderen Sonnengotte verschmolzen und mit dessen Namen benannt wurden, nicht aber die verstorbenen Frauen mit Göttinnen.
Erst im »neuen Reiche«, nach der Vertreibung der Hyksos begegnen uns hervorragende Königinnen des Nillandes, aber auch gleich eine sehr bedeutende, die ägyptische Semiramis, Makara (oder Ramaka) Hatschop, auch Hatschepsut Dümichen, Einleitung zur Geschichte Aegyptens S. 121 f. Meyer, Geschichte Aegyptens S. 232 ff. Letzterer glaubt, sie sei, als von ihrem Vater Thutmosis I. bestimmte Thronfolgerin, von Thutmosis II. gezwungen worden, ihn zu heirathen, und der Verdacht liege nahe, daß sie ihn, der sehr früh starb, beseitigt habe. (um 1500 bis 1480 v. Chr.), die Witwe und Nachfolgerin ihres Bruders, des Pharao Thutmosis II., der sie auch zum »Gottesweib« ernannt hatte. Sie herrschte vollständig im Reiche und überließ ihre Priesterwürde ihrer Tochter; nur zum Scheine anerkannte sie ihren jüngeren Stiefbruder, den späteren Thutmosis III., als Mitregenten. Merkwürdiger Weise vertauschte sie die kriegerische Politik ihres Vaters mit der Neigung zu Seefahrten. Nach langer Vernachlässigung des Seewesens von Seite Aegyptens sandte sie eine Flotte nach dem Lande Punt, d. h. den südlichen Uferländern des rothen Meeres (besonders dem jetzigen Jemen in Arabien), wo der Weihrauch für den Tempeldienst gewonnen wurde, den man durch Tausch von Ringen, Perlen, Waffen u. s. w. einhandelte. Die heimkehrenden Schiffe brachten außerdem Ebenholz, Elfenbein, Gold, Pantherfelle, Affen u. s. w. nebst einer Gesandtschaft jenes fernen Landes nach Aegypten. Aus demselben wurde auch sonderbarer Weise ein häßliches Fratzenbild, Besa mit Namen, nach dem Nil gebracht und hier theils als Zaubermittel, theils als Schutzgott des Frauenschmuckes, der Musik und des Tanzes verwerthet. Makara erhielt auch Tribute aus Nubien an edlen Metallen, Hölzern, Fellen, Bogen, Straußeneiern u. s. w. Im eigenen Lande ließ sie viele durch die Hyksos zerstörte Tempel herstellen, Bergwerke erneuern, Theben verschönern, Obelisken aufstellen, die dortige Todtenstadt aufbauen. Ihr einflußreicher Minister und Günstling, Senmut unterstützte sie bei diesen Unternehmungen. Ihr Ende ist nicht bekannt.
Bei dem beständigen Fortschreiten der Verschmelzung aller Götter zu einem einzigen wagten es die Pharaonen, auch sich selbst in diese Verschmelzung einzubeziehen und nicht nur ihre Verehrung durch das Volk zu verlangen, sondern auch – sich selbst als Götter zu verehren (eine Anschauung, die sich von Aegypten durch Alexander d. Gr. und seine Nachfolger auf die römischen Kaiser fortgepflanzt hat). Um dies besonders drastisch darzustellen, ließen sie sich auf den Tempelmauern als Säuglinge der Isis oder Hathor abbilden. Aber auch die Königinnen nahmen theil an dieser Entwickelung. Amenhotep III. ließ auch seiner Gattin Tii (die zur Seltenheit nicht seine Schwester war) göttliche Ehren erweisen und einen Tempel errichten. Der Sohn beider, Amenhotep IV. (um 1365-1352 v. Chr.), einer der merkwürdigsten Pharaonen, der nebst Gattin und Töchtern mit sonderbar fremdartigem Typus (mit vorstehendem Kinn und dünnem, langem Halse) abgebildet wird, ging noch einen Schritt weiter als der Vater; er fand, wenn alle Götter nur Einer seien, so werde ihre verschiedene Bezeichnung überflüssig. Er schaffte daher ihre verschiedenen Gestalten ab, brach damit die Macht der Priesterschaft von Theben und führte die alleinige Verehrung der Sonne als solcher, unter ihrem eigenen Bilde, der strahlenden Scheibe (ohne menschliche Abbildung) ein. Eine Veränderung seines Namens (in Chuenaten, d. h. Abglanz der Sonnenscheibe) und die Errichtung einer neuen Residenz (Chut'aten, d. h. Wohnsitz der Sonnenscheibe) gaben dieser Reform noch schärferen Ausdruck; seine Mutter, Gattin und Töchter nahmen eifrigen Antheil daran. Eigene Hymnen an die Sonne wurden für den König und die Königin verfaßt. Aber nach seinem Tode wurde der alte Kult und die Macht seiner Priester durch Chuenatens nächste Nachfolger, einen Günstling und einen Schwiegersohn, wieder hergestellt, der Name Chuenaten auf allen Inschriften ausgelöscht und die Sonnenstadt zerstört.
An die Stelle einzelner hervorragender Königinnen scheint seitdem in mächtigem Einflusse das Harem getreten zu sein. Gegen Ramses III. (um 1180-1150 v. Chr.) wurde von einer seiner Nebenfrauen und einem Haremsbeamten, in Verbindung mit einem Feldherrn und anderen Großen, eine Verschwörung zu Gunsten eines seiner Söhne gesponnen, aber entdeckt und mit dem Tode der Betheiligten bestraft.
Als die Aethiopen zeitweise Aegypten eroberten, ließen sie neben den übrigen Einrichtungen des Landes auch die Stellung der Frauen in demselben bestehen. Der König Sabako (728 bis 716 v. Chr.) ernannte seine Schwester Amenerdas, die Gattin seines Verwandten (und wahrscheinlich Mitregenten) Pianchi II. zum Gottesweib.
Die Tochter dieser Amenerdas, Schepenopet, folgte ihr als Gottesweib, und indem Psammetich, der Wiederhersteller der Unabhängigkeit Aegyptens (645 v. Chr.) sich mir ihr vermählte, sicherte er sich die Herrschaft über das damals zum Priesterstaate gewordene Theben. Meyer a. a. O. S. 362. Ebenso befestigte Amasis seine usurpirte Herrschaft (569 v. Chr.) durch die Ehe mit der Tochter Psammetichs II. die auch Gottesweib in Theben war.
In der letzten Zeit der alten Aegypter treten keine Frauen mehr bestimmend auf. Bezeichnend für ihre Stellung im Nillande ist aber ein Märchen, das zur Zeit der Ramessiden niedergeschrieben wurde. Es handelt von zwei Brüdern, von denen der ältere, Anpu, verheirathet ist und dessen Frau dem jüngeren, Batu, dieselben Vorschläge macht, wie in der israelitischen Ueberlieferung Potiphars Frau dem Joseph, und denselben Mißerfolg hat, daher sie aus Rache ihn bei seinem Bruder eines Angriffs auf ihre Ehre beschuldigt. Der von Anpu verfolgte Batu rechtfertigt sich bei ihm und verschließt sein Herz in einen Baum, worauf Anpu sein Weib tödtet. Batu aber findet eine schöne Frau, die ihn ebenfalls, und zwar an den König verräth, der die Ceder umhauen läßt, was Batus Tod herbeiführt. Anpu aber entdeckt Batus Herz und kann ihn, dem Glauben an die Seelenwanderung entsprechend, wieder beleben. Neue Verwandlungen Batus, die uns hier zu weit führen würden, endigen mit seiner Thronbesteigung und der Bestrafung der untreuen Königin. Diese Geschichte gehört zu den vielen, die offenbar von Männern erdichtet wurden, die in der Liebe unglücklich waren und ihren Zorn an dem schwächeren Geschlechte auslassen zu sollen glaubten.