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Vierter Abschnitt.
Die Frauen des Mittelalters

I. Das Urchristenthum

1. Der Stifter des Christenthums.

In so trostlosen Zeiten, wie diejenigen des römischen Kaiserreiches mit Ausnahme einer kurzen Periode trefflicher Kaiser (s. oben S. 150 f.) waren, konnte nur eine neue Religion den verkommenen Völkern Besserung und Rettung bringen. Die Annahme fremder üppiger Kulte, die Hingabe an den Aberglauben und an scheußliche Orgien und die Vergötterung der Kaiser waren lauter Beweise dafür, daß die Völker etwas suchten, was ihren Glaubensdrang befriedigen konnte, daß eine allgemeine Sehnsucht nach einer »guten Botschaft« brannte. Und diese war bereits zu Anfang des Bestehens der römischen Kaiserwürde erschienen, ja sie hatte bereits einen selbständigen Charakter gewonnen. Es war dies das Christenthum.

Jesus von Nazareth hatte noch nicht beabsichtigt durch Trennung vom Judenthum eine neue Kirche zu stiften; dieser Gedanke wurde erst von Paulus durchgeführt, der nach dem Tode Jesu aus dessen Gegner zum Verkündiger seiner Lehre in Ausdehnung derselben auf die gesammte Menschheit geworden ist. Die auf solche Weise sich allmählich zu einer durchaus neuen Erscheinung entwickelnde christliche Religion anerkannte zwar die Gleichberechtigung der Frauen mit den Männern als Glieder der Gemeinde, schloß sie aber von Leitung derselben aus. Jesus selbst wies seine Mutter Maria zurecht, als sie ihn an der Hochzeit zu Kana darauf aufmerksam machte, daß die Gäste keinen Wein hätten, – wenn auch nicht mit den lieblosen Worten, welche die Uebersetzer ihm in den Mund legen (»Was habe ich mit dir zu schaffen, Weib?«), – sondern mit der Frage Τί ἐμοὶ ϰαὶ σοὶ, γύναὶ, οὔπω ἥϰει ἠ ὥϱα μού Joh. II. 4. (was ist dies mir und dir, Frau? noch ist meine Stunde nicht gekommen), worauf sie zu den Dienern sagte: »Was er euch sagt, das thut!« Denn sie war und wollte nichts Anderes sein, als die Magd des Herrn (ἠ δούλη Κύϱίού), Luk. I. 38. nichts ahnend von der Himmelskönigin, zu der sie später erhoben wurde. Im übrigen ist bei dem herrlichen Tugendlehrer von einer Herabsetzung der Frauen keine Rede. War er ja das Kind einer an Söhnen und Töchtern reichen Ehe, Matth. XIII. 55, 56. welche ihm geradzu die ersten Keime allgemeiner Menschenliebe einpflanzte, wie die schönen Worte zeigen: »Dies (auf das ihn umdrängende Volk zeigend) sind meine Mutter und meine Brüder« (oder nach einer andern Stelle: »Meine Mutter und meine Brüder sind die, welche das Wort Gottes hören und es thun.«) Mark. III. 33. Luk. VIII. 21. So nahm er sich denn auch stets der hilfebedürftigen Frauen mit besonderer Sorge an. Die von ihm Geheilten folgten ihm dankbar, so Maria von Magdala, Maria, die Mutter Jakobs und Joses, Salome, Johanna, die Frau des Chuzas, Susanne und viele andere, welche an die Anhängerinnen Buddhas (oben S. 91) erinnern. Bekannt ist, wie er die arme Witwe lobte, welche ihre letzten zwei Lepta in den Tempelschatz legte. Er stieß auch die Sünderinnen nicht von sich, wie die, von der er zu den Pharisäern sagte: »Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den Stein auf sie,« und als ihre Ankläger sich beschämt davon schlichen, zu ihr sich wandte: »So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige nicht mehr.« Auf ähnliche Weise sagte er von jener Frau (nach einer Angabe einer Sünderin), die seine Füße mit Thränen benetzt, mit ihren Haaren abgetrocknet, geküßt und gesalbt hatte, und die er deshalb über seinen pharisäischen Gastgeber setzte: »Ihr sind ihre Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat.« Mark. XIV. 3. Luk. VII. 37. Zur Familie seiner Verehrerin Maria, die dasselbe that, aber keine Sünderin war, trat er in nähere Beziehungen, und als Maria seinen Reden zuhörte und ihrer Schwester Martha die Bewirthung überließ, gab er der erstern das Lob, daß sie den guten Theil erwählt habe. Luk, X. 41, 42. Joh, XI. 2. XII. 3. Ja, er erweckte Lazarus, den Bruder der beiden, zu neuem Leben. Noch lieblicher aber ist die Erzählung von der Auferweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jair, welche »nicht gestorben war«, sondern blos schlief. –

Da er keine Engherzigkeit kannte, ging er auch über den Kreis seiner engeren Stammesgenossen hinaus. Er belehrte eingehend die samaritische Frau am Brunnen Jakobs über den Unterschied zwischen dem irdischen und dem himmlischen Wasser und über die wahre Anbetung Gottes. Noch mehr, er heilte auch die Tochter einer Heidin auf dem Gebiete von Sidon und Tyros vom Wahnsinn, dessen Quelle damals in dem Besessensein von einem bösen Geiste gesucht wurde.

Wie sehr er die Tiefe des weiblichen Gemüthes im Gegensatze zu dessen Schwächen zu schätzen wußte, zeigt sein Gleichniß von den fünf klugen und den fünf thörichten Jungfrauen. Seine Ansicht über die Ehe erhellt aus dem Ausspruche, daß im Jenseits nicht gefreit werde (im Diesseits also ohne Einschränkung) und aus demjenigen, daß Mann und Weib ein Fleisch seien und daß, wer sein Weib entlasse oder eine Entlassene freie, die Ehe breche. Wie er über die Folgen der Ehe dachte, zeigt sein unsterbliches Wort: »Lasset die Kinder zu mir kommen; denn solcher ist das Reich des Himmels.« Seine letzten Worte am Kreuze galten seiner Mutter, die er dem Lieblingsjünger Johannes empfahl. Auch Marias Schwester und die von Magdala folgten ihm zur Stätte des Todes, und die letztere erscheint in der Erzählung von der Auferstehung als die erste Person, welche dieselbe verkündete.

2. Apostel und Kirchenväter.

Der Apostel Paulus nennt in seinen Briefen der Frauen nicht wenige, die ihn in seinem Werke unterstützten. Eine gewisse Phöbe war sogar Diakonin der Kirche zu Kenchreä. Römer XVl. 1. Dagegen sagt er: »Eure Weiber sollen in den Gemeinden schweigen; denn es ist ihnen nicht verstattet zu reden, sondern unterthan zu sein. Wenn sie aber Belehrung über etwas wollen, so mögen sie zu Hause ihre Männer fragen« u. s. w. 1. Kor. XIV. 34, 35. In der Werthschätzung der Ehe folgt er dem Meister nicht, sondern beschränkt sich darauf, das Freien nicht als Sünde zu erklären, während er die Ehelosigkeit der Ehe weit vorzieht. 1. Kor. VII. 27, 28, 37, 38.

Noch weiter in der Verkennung der menschlichen Natur gingen die Kirchenväter der folgenden Jahrhunderte. Als die übereinstimmende Quintessenz ihrer Lehren kann der Grundsatz betrachtet werden, daß die geschlechtliche Sinnlichkeit die »Ursünde« des Menschen sei. Die Zustände des römischen Reiches mögen dazu hinlänglichen Anlaß geboten haben, und frommer Eifer verfällt gern in Extreme. Daß die ersten Christen Vergehen gegen die Sittlichkeit besonders streng, in schweren Fällen mit Ausschluß vom Abendmahle bestraften, ist gewiß nicht zu tadeln; es war vielmehr nothwendig, um die junge Religion vor den Verirrungen der alten zu schützen. Die Märtyrer des christlichen Glaubens, die Männer sowohl, als ganz besonders die Frauen und Jungfrauen, ja sogar bekehrte Hetären, zeichneten sich durch Keuschheit ebensosehr aus, wie durch den Opfermuth auf der Folter, auf dem Schaffott und im Amphitheater, wo sie den wilden Thieren vorgeworfen wurden. Ganz besonders aber thaten sich Frauen in der Verbreitung und Förderung des christlichen Glaubens hervor. Die Kirchenväter Augustinus, Basilios, Chrysostomos, Gregor von Nazianz und Theodoret wurden von ihren Müttern für denselben gewonnen. Monica, Augustins Mutter, ist dafür besonders gefeiert worden. Kaiserinnen wirkten mehr für das Christenthum als Kaiser, ja sogar damals schon, als ihre Gatten demselben noch feindlich waren. Prisca, Diokletians Gattin, und ihre Tochter Valeria, Gattin des Galerius, waren entschieden christlich gesinnt, wenn auch nicht Gemeindeglieder. Nachdem sie in die Gefangenschaft des heidnischen Maximinus gefallen, ließ dessen Besieger Licinius, obschon den Christen günstig gesinnt, beide Frauen im Jahre 314 hinrichten. Seit dem Siege des Christenthums thaten sich als eifrige Bekennerinnen desselben hervor: Helena, die Mutter Constantins I., Flacilla, die Gattin Theodosios des Großen, Pulcheria, die Schwester Theodosios II., die ihn leitete und nach seinem frühen Tode über den Thron verfügte, Placidia, die Mutter Valentinians III. u. a. Noch vergrößert wurden diese weiblichen Verdienste durch die Aufopferung, mit welcher christliche Frauen, auch der höchsten Stände, die Kranken verpflegten und die Armen unterstützten.

Ob der Hochhaltung dieser Tugenden verkannten aber die Kirchenväter mit wenigen Ausnahmen vollständig den sittlichen Charakter der Ehe; sie gaben zwar deren unleugbare Eigenschaft als Bollwerk gegen die Unsittlichkeit und als nothwendige Einrichtung zur Fortpflanzung der Menschheit zu, betrachteten sie aber als etwas Erniedrigendes und Unvollkommenes gegenüber der Ehelosigkeit. Hieronymos sah in der Ehe nur eine gute Seite, nämlich daß sie Jungfrauen erzeuge.« Epist. XXII. Die Trennung von Ehen zum Zwecke der Ergebung des einen oder beider Gatten an die Askese wurde nicht nur gestattet, sondern sogar begünstigt. Nominelle Ehen mit geschwisterlichem Charakter waren nicht selten. Ja kirchliche Vorschriften verboten den ehelichen Umgang zu gewissen Zeiten (an Festen oder Fasttagen), und den Uebertretern derselben wurde die Hölle in Aussicht gestellt. Eine zweite Ehe nach Auflösung der ersten durch den Tod wurde in hohem Grade mißbilligt, von einigen Sekten sogar untersagt, – Ehen zwischen Christen und Heiden oder Juden, wie auch zwischen Rechtgläubigen und Ketzern, wurden als Ehebruch verpönt. Die Scheidung durfte gar nicht in Frage kommen, und die Ehelosigkeit der Geistlichen wurde schon früh empfohlen und immer mehr befördert, endlich aber (lange vor Gregor VII.) die Priesterehe als strafbar erklärt, was indessen noch Jahrhunderte lang umgangen wurde.

Hatten nun die Christen, so lange sie verfolgt und unterdrückt waren, sich vor den Heiden durch alle Tugenden ausgezeichnet, so wurde ihr sittlicher Zustand demjenigen der letzteren wieder sehr ähnlich, seitdem die zuletzt erwähnten Ansichten an Einfluß gewannen und seitdem das Christenthum zur herrschenden Religion im römischen Reiche wurde. Die Uebertreibung der Askese und die Mißachtung der Ehe beförderten die Unsittlichkeit, die Herrschaft im Reiche den Fanatismus. Der Glaube, die Lösung der Welträthsel vollständig erfaßt zu haben, beseitigte nicht nur jedes Gefühl der Demuth und Bescheidenheit, sondern machte die Menschen auch roh, gefühllos und grausam gegen jene, denen sie jenes Erfassen nicht zutrauten, d. h. gegen alle Andersgläubigen. Es war noch kein halbes Jahrtausend seit der Entstehung des Christenthums verflossen, als die Christen bereits nicht im mindesten mehr besser waren als die Heiden, ja sich theilweise durch Thaten schändeten, deren sich Heiden geschämt hätten. Mönche führten den sich christlich nennenden Pöbel von Alexandria in Aegypten, Antiochia in Syrien, Konstantinopel u. s. w. zu den blutigsten Aufständen an, und in der erstgenannten Stadt wurde 415 die philosophisch gebildete Jungfrau Hypatia, die an Tugend keiner christlichen Heiligen nachstand, nicht ohne Mitschuld des Patriarchen Kyrillos, von jenen blutgierigen Banden in einer Kirche ermordet, in Stücke zerrissen und verbrannt. Sokrates, Kirchengeschichte VII. 13-15. Das waren die würdigen Vorläufer der Inquisition, der Hexenprozesse und der Judenschlächtereien, welche alle beweisen, daß der Glaube keinen Werth hat, wenn er nicht mit Milde und Reinheit des Gemüthes, mit Menschlichkeit gegen Andersdenkende und mit der von Jesus gelehrten Liebe zum Nächsten verbunden ist.


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