Friedrich Hebbel
Gedichte
Friedrich Hebbel

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Das Venerabile in der Nacht

(Ein Bild aus Neapel)

              Auf benachbartem Balkone
    Sah ich, wenn die Nacht sich senkte,
        Oft zwei Schwestern traulich gehn;
Doch, wie nah ich ihnen wohne,
    Und wie drob mein Herz sich kränkte:
        Tags hab ich sie nie gesehn;
Nur mit seiner Flammenkrone,
    Die er, wie in Feuer, tränkte,
        Sah ich den Granatbaum stehn.

Heute auch sind sie erschienen,
    Ihre Kleider, ihre weißen,
        Schimmern durch die Nacht, wie Licht;
Und die Düfte ziehn von ihnen
    Her zu mir, die sich befleißen,
        Zu erfrischen ihr Gesicht;
Nur die süßen Mädchenmienen,
    Die den Himmel uns verheißen,
        Nur ihr Antlitz, seh ich nicht.

Horch! da zieht es durch die Gassen,
    Beten höre ich und singen,
        Fromm gebeugt steht jedermann;
Mit dem Christusbild, dem blassen,
    Kommen Knaben, Glocken klingen
        Und Gott selber naht heran;
Aber meine Nachbarn fassen
    Nach den Lampen rings und bringen
        Sie zum Fenster, knien dann.

An die junge Brust sich schlagend,
    Sinken zu des Ew'gen Preise
        Auch die Schwestern auf das Knie;
Und, die helle Lampe tragend,
    Kommt die Mutter still, die greise,
        Und sie stellt sie zwischen sie;
Doch der Baum, sie überragend,
    Streut auf sie die Blüten leise,
        Die der Sommer ihm verlieh.

 


 


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