Otto Erich Hartleben
Gedichte
Otto Erich Hartleben

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Liebe und Lyrik

                Der Liebe Lust in Liedern auszuklagen
scheint heutzutag dem Dichter fast verwehrt.
Was könnt er Neues auch den Leuten sagen:
so mancher hat uns schon sein Glück beschert.
Glaubt einer gar der Liebe Leid zu tragen,
läßt er uns sicherlich nicht unversehrt:
Herz reimt noch stets auf Schmerz, auf Liebe Triebe –
ich reimte mit Genuß auf beide – Hiebe!

So weiß denn selbst der traurigste Philister:
die Liebe sei so eine Himmelsmacht;
in illustrierten Wochenblättern liest er,
daß man sich oft sogar drum umgebracht.
Ein Kenner aller Leidenschaften ist er,
wer ihm nichts Neues bringt, wird ausgelacht:
kurz, was die Lieb angeht – er ist au fait:
es läßt sich nichts mehr machen drin. O weh!

Und ist man nun aus purem Pech ein Dichter,
dems schlecht behagt, den andern nachzutreten,
dems nicht genügt, nur manchmal neue Lichter
zu pflanzen vor ein Bild, zu dem sie beten –
so wird man fluchen auf das Reimgelichter,
das auch den schönsten Brei schon breitgetreten,
und wird, obwohl die Sache etwas schwierig,
die Liebe gänzlich streichen aus der Lyrik.

Wie haß ich jene, die naiv wie Tiere
ihr Lieben schmatzend beichten – ekelhaft!
Unreinem Ohre bei unechtem Biere!
Doch ist nicht schlimmer noch die Leidenschaft,
auf unverhülltem, feilem Druckpapiere
schamlos zu künden, was uns Freuden schafft?
Drum Heil dem Dichter, der mit sich gerungen
und als ein Held zum Schweigen sich bezwungen!

 


 


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