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Fiebergedichte

I.

Ich finde mich zerfallen
und außer Zusammenhang
mit ihr, mit Gott und allen.
Sie fand alle Tore offen,
ihr Abschiedswort erklang, –
mir blieb kein Hoffen.

II.

Der Herbst zieht ein durch Tür und Tor,
Tage, so sonnenlos, nachtgeboren,
Leben, gewonnen und wieder verloren,
empor und hinab im Vergänglichkeits-Chor.
      Der Mensch nur lebt so lange.

Man sichtet und sammelt in Truhe und Haus,
Gras wird geschnitten und Korn wird gemäht,
Blätter, sie fallen und alles vergeht,
sinkt und versinkt im Todesgraus.
      Der Mensch nur lebt so lange.

III.

Gott strafe Dich, Alwilde,
      Du raubtest mir mein Glück
      und führtest mich so irre
      und nahmst Dein Wort zurück.
      Ein weiter Weg noch wartet mein,
      Und keine Sonne leuchtet drein.
Gott strafe Dich, Alwilde!

Gott segne Dich, Alwilde,
      für jeden Augenblick.
      Du gabst mir viele Namen
      und nanntest mich Dein Glück.
      Du ließest in Dein Herz mich ein
      und eine Weile warst Du mein.
Gott segne Dich, Alwilde!

IV.

Ich sitze und grüble und kann's nicht verstehn:
   Es fällt das Korn und es fault das Laub,
   es wird alles Sommerleben zu Staub,
   es grünte das Gras, nur um zu vergehn!
   Ich kann's nicht verstehn.

Das Gras wurde grün, um als Heu zu enden,
   das Korn sollte stillen der Hungrigen Not,
   das Laub mußte kühlenden Schatten spenden.
   Doch ich – warum blühten mir Freuden so rot
   und sind nun tot?

Ich rief und fragte zum Meeresschaum,
   zum Meeresrauschen und Waldesweben,
   zum Stein und Sturm und himmlischen Raum,
   zu allem sonst, dem Ohren gegeben
   Warum erhielt ich mein Leben?

Doch Himmel und Sturm und Stein blieben stumm.

V.

Alwilde, Du riefst in der letzten Nacht:
      Knie mir zu Füßen!
      Ich trank aus Deinem Schuh,
      alle lachten dazu.
Ich wollt' Dir ja nur Deine Laune versüßen.

Alwilde, du reichtest nicht mir, der ich bat,
      Deinen Blumenstrauß.
      Dein Blick war ein Stich,
      er tötete mich.
Ich taumelte fort – in mein düsteres Haus.

VI.

Nun heult wie ein nasser Hund
      der herbstliche Sturm an die Scheiben,
doch in mir der Frost ist kälter
      als draußen das höllische Treiben.
Es wuchert in meinem Innern
      ein dunstiger Giftblumenflor,
aufquillt ein weißlicher Brodem
      aus meinen Nüstern hervor.
   Es sprießt im Garten des Hasses.

Es brennt und es brodelt und brüht
      als wäre der Teufel im Bund,
ich höre das ewige Klappern
      des Flaggenseils an die Stange,
es schreitet und huscht an der Tür,
      es schleicht auf Zehen im Gange.
Mein jagender Puls bellt wild
      wie ein kläffender Höllenhund.
   Es brennt und es brodelt und brüht.

VII.

Alwilde, bring' mir Mantel und Hut mit Federbusch,
   ich habe vor, in Eile auszureiten.
   Halt, Sklavin, mir den Bügel und dann aufs Pferd im Husch
   und lauf zu Fuß Du selber mir zur Seiten.

Und fragt man dann verwundert: Was ist das für ein Wind,
   der über Berg und Täler saust ins Weite,
   dann komme ich daher, ich selber pfeilgeschwind
   und Du – Du läufst als Hund mir zum Geleite.

Hei, greif' nun aus, mein Traber, greif' aus zum Sturmeslauf,
   ich reite eine Tour in meinem Reiche.
   Und sinkst du hin, Alwilde, dann binde ich Dich drauf, –
   Bei Gott, ich reite, Mädchen, Dich zur Leiche.

VIII.

Verschwunden ist schon viele Zeit im Sauseschritt der Tage.
      Mein Herz ist frisch und kalt und hart,
      durch Sturm sein Lenz zerstöret ward.
Ich lächle bloß und nicke stumm, wozu die eitle Klage!

Wie dürfte wohl ein Leid die Luft mit Lärm zu füllen wagen?
      Mit meinem Hacken kampfbereit
      zerstampf ich grimmig alles Leid,
das ich mit meiner guten alten Schulter nicht kann tragen.

Ich wandre in den Wald und bin ein Herrscher ohne Krieger,
      den Geist beschwingt, den Leib bezähmt,
      die Faust geballt, den Fuß gelähmt,
und grüße mit dem Degen mich als meiner selbst ein Sieger.

Doch späte Nächte hör' ich Sensen schmieden in der Esse,
      und leis ein Schritt auf Erden geht,
      ein Antlitz über Wolken steht.
Der Öde Orgelbrausen tönt zur letzten langen Messe.

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