Herman Grimm
Das Leben Michelangelos
Herman Grimm

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Vittoria verließ Rom, wo Caraffa herrschte. Dem Kardinal Polo nach Viterbo folgend, sammelte sie dort einige wenige ihrer alten Freunde; nicht mehr aber im alten Sinne mit ihnen verkehrend, das war vorüber, sondern im Bemühen jetzt nur, sich gegen die Feindschaft derer zu sichern, deren Angriffe sich von selbst verstanden. Im folgenden Jahre starb Contarini in Bologna. Man könnte sagen, der Gram habe ihn getötet. Bis zuletzt verleugnete er seine Gesinnungen nicht. Als der Kardinal Morone, einer der treuesten Anhänger der Partei, von Modena zu ihm kam, um sich Rats zu erholen, weil seine Stadt ganz von den »neuen Meinungen« infiziert sei, empfahl er die größte Milde. Nur auf dem Wege der Belehrung dürften die Verirrten zurückgeführt werden. Das ahnten beide nicht, daß bald das bloße Besprechen der neuen Meinungen mit infamer Todesstrafe belegt werden würde. Contarini starb, ehe es soweit kam. Wir haben Vittorias Trostschreiben an seine Schwester. Sie selbst hatte kaum weniger als diese verloren. Polo, sagt sie darin, bleibe ihr nun allein noch übrig. Auch ein Sonett ihrer Hand haben wir auf Contarinis Tod. Er hätte Papst werden müssen, lautet dessen Schluß, um das Zeitalter zu einem glückseligen zu machen.

Contarinis Fortgang war traurig gewesen für seine Freunde, was diese aber völlig darniederwarf, war die Flucht Occhinos. Vorgefordert von der Inquisition, um sich zu verteidigen, war er schon auf dem Wege nach Rom, im Vertrauen auf seine Unschuld, als er plötzlich, nahe bei der Stadt, anderen Sinnes ward und flüchtete. Seine Freunde erschraken. Wir haben den Brief Tolomeis noch, der ihn dringend zur Rückkehr auffordert. Aber noch mehr: offen übergehend zur Sache der Lutheraner beginnt Occhino sich mit unerhörter Heftigkeit gegen den Papst zu wenden. Alle seine römischen Anhänger sagten sich jetzt los von ihm, trotzdem aber, was Occhino tat, fiel auf sie zurück und zumeist auf Vittoria, die ihn am wirksamsten verteidigte. Sie selber gehörte zu denen von nun an, die der Inquisition verdächtig wurden. In jeder Richtung mußten sie und Polo sich der neuen Gewalt unterwerfen. Als Occhino ihr seine Verteidigungsschrift, warum er entflohen sei, nach Viterbo übersandte wie einer alten Freundin, lieferte sie Brief und Broschüre nach Rom ab und erklärte, nur dann eine Antwort schreiben zu wollen, wenn man es ihr anbeföhle. Kein Zweifel, daß die Spione Caraffas sie in allem überwachten, was sie tat, schrieb und sagte. Wie gefährlich sie der Inquisition erschien, zeigt das allein, daß, als 20 Jahre nach ihrem Tode ein edler Florentiner in Rom zum Feuertode verdammt ward, eines seiner Hauptverbrechen war, einst Vittorias und Giulia Gonzagas Kreise angehöret zu haben.

In diese Zeiten fallen die meisten Briefe, die Vittoria mit Michelangelo gewechselt hat, und auch wohl die Entstehung der Gedichte, die sie von ihm empfing. Die erhalten gebliebenen Reste ihres Verkehrs gleichen sich darin, daß es sich fast immer um Sendung von Geschenken handelt, für die gedankt wird oder die erwidert werden. Historische Ordnung in diese Blätter zu bringen, könnte erst dann gelingen, wenn ihr geringer Vorrat sich durch mehr Veröffentlichungen vielleicht erweiterte. Guasti zuerst hat in seiner Ausgabe der Gedichte Michelangelos das folgende Sonett zum Abdrucke gebracht.

Die du mein Schicksal mir zuletzt versüßest,
Mein Herz, zum Tode alt, festhältst im Leben,
Und unter Tausenden, die dir ergeben,
Und die so hoch stehn, mich allein nur grüßest:

Glücksel'ger Geist! jetzt meinem Aug' entschwunden,
Nahst du dich tröstend dennoch meinem Herzen,
Und mit der Hoffnung linderst du die Schmerzen,
Die mit gewalt'ger Sehnsucht mich verwunden.

Dir schreib' ich, für die Gnade Dank zu senden,
Die in dir für mich redet, mich, den hier
Die Sorgen quälend im Gefängnis halten.

Welch ein Gewinn! Du nimmst von meinen Händen
So schlecht gemaltes Werk, und gibst dafür
Mir deines Geistes herrliche Gestalten.

Diese Verse deuten auf eine Arbeit, welche Michelangelo für Vittoria vollendet hatte, und darauf beziehen sich einige Briefe, welche von ihrer Hand an ihn erhalten sind. Michelangelo hatte ihr die Zeichnung zu einem Kruzifixe geschickt. Vittoria solle sie billigen und zurücksenden, worauf dann das Kruzifix ausgeführt werden würde. Ihr aber gefällt die Zeichnung so gut, daß sie dieselbe unter keinen Umständen wieder hergeben möchte, und darüber schreibt sie: »Einziger Meister Michelangelo und ganz besonderer Freund ( Unico maestro Michelagnolo e mio singularissimo amico), euren Brief habe ich empfangen und die Kreuzigung in Augenschein genommen, ein Werk, das wahrlich alle anderen Darstellungen, die ich kenne, mir im Gedächtnis ans Kreuz geschlagen hat. Denn nichts Lebendigeres, Vollendeteres ist möglich als dieses Bild Christi, mit so unbegreiflicher Zartheit und wunderbarer Kunst ist es gearbeitet. Nun aber: ist es aus anderer Hand hervorgegangen als aus der eurigen, so will ich nicht, daß jemand anders es ausführe. Laßt mich wissen, ob es wirklich ein anderer als ihr gezeichnet hat, vergebt mir die Bitte; ist es aber von euch, so müßt ihr es mir unter allen Umständen überlassen. Wäre es aber nicht von euch und ihr wolltet es von einem eurer Arbeiter ausführen lassen, so müßten wir vorher erst darüber reden, denn ich weiß, wie schwierig es sein wird, nach einer solchen Zeichnung zum zweiten Male so zu arbeiten. Lieber möchte ich, der, der sie gemacht hat, arbeite mir etwas neues anderes. Ist die Zeichnung aber von euch, dann verzeiht, wenn ich sie nicht wieder herausgebe. Ich habe sie bei Lichte und mit dem Glase und im Spiegel betrachtet: es ist mir niemals etwas Vollendeteres vorgekommen.

Eure ergebene Marchesa von Pescara.«
 

Wie fein sie sagt: am liebsten wäre mir, wenn der, der die Zeichnung gemacht hat, mir etwas anderes Neues arbeitete. Sie traute Michelangelo selbst nicht zu, daß Er sogar, wenn er das Kruzifix danach ausführen wollte, etwas gleich Vollkommenes zustande brächte, und fand eine Manier es auszusprechen, ohne ihn zu beleidigen.

Condivi erzählt von einem Kruzifix, das der gewöhnlichen Auffassung entgegen, Christus nicht mit gesenktem Haupte, als schon verschieden, sondern mit freudig zum Himmel erhobenen Antlitze zeigte, als wolle er seine letzten Atemzüge aushauchen. Eine wunderbare schöne Zeichnung im Besitz der Oxforder Sammlung ließe sich danach als das Blatt bestimmen, das Michelangelo nach Viterbo sandte.

Ich war früher der Meinung gewesen, diese Zeichnung sei in der Tat das Werk, um das es sich hier handelte. Nun jedoch hat Graf Campori einige Briefe Vittorias publiziert, aus denen hervorgeht, daß nicht nur eine Zeichnung Michelangelos für Vittoria, welche den Gekreuzigten darstellt, sondern auch ein Gemälde nach ihr vorhanden ist, und durch einen Zufall kam, kurz vor dem Briefe, das Gemälde selbst sogar mir unter die Augen.

Aus Ragusa ward ein auf eine mäßige Holztafel gemaltes Bild nach Berlin gesandt, das Michelangelo zum Urheber haben sollte. Stumpf und blind vor Alter, aber unberührt von der Hand eines jeden Restaurators, ein Anblick in dieser Beziehung, wie er mir kaum jemals zuteil geworden, durch eine geringe Anfeuchtung auf unschädliche Weise zur ersten Frische beinahe auferweckt, stand eine Arbeit vor mir, in der jeder, der mit Michelangelos Werken bekannt war, jenen Stich aus dem Jahre 1547 wiedererkennen mußte, der, wie Vasari sagt, nach einem von Michelangelo für Vittoria gezeichnete Blatte gefertigt worden war. Hier nun diese Composition in Farben! Hatte Michelangelo sie selbst gemalt? So schön und großartig erschien die Pinselführung, daß man gern dafür gewesen wäre. Allein würde Vasari das Gemälde dann nicht als Michelangelos Werk erwähnt haben? Nicht mehr wagte ich zu vermuten, als daß es von Marcello Venusti unter Michelangelos Aufsicht gemalt worden sei. Leider, daß kein entscheidender Blick damals den Wert dieses Werkes zu schätzen wußte. Nach vergeblichen Versuchen, ihm hier eine bleibende Stätte zu schaffen, wurde es nach Ragusa zurückgesandt, wo es sich heute nicht mehr befindet.

Wäre es wenige Monate nur länger geblieben, so würde dann Vittorias eigener Brief Zeugnis abgelegt haben, daß es von Michelangelos Hand für sie gemalt worden war.

Folgendermaßen schreibt sie, und es hindert uns nichts, diesen Brief mit dem vorhergehenden in Zusammenhang zu denken:

 

»Was ihr zu schaffen imstande seid, reizt zum Übermut beinahe, daß man mit Augen sehen möchte, ob es möglich sei, das Vollkommene dennoch zu überbieten. Und euch gelingt es! Omnia sunt possibilia credenti: nur zu glauben braucht man, und die Dinge geschehen! Mein Vertrauen stand fest, Gott werde euch übermenschliche Kraft verleihen, diesen Christus zu malen. Als ich ihn zuerst gesehen hatte, übertraf er alle meine Erwartung, dann, mutig gemacht durch das geschaute Wunder, wagte ich das zu begehren, was ich nun auch so wunderbarerweise erfüllt sehe, und was ihr jetzt geleistet habt, ist so vollendet, daß es unmöglich wäre, mit Wünschen darüber hinauszugehen.

Nur das noch: es entzückt mich, daß der Engel zur rechten Hand Christi so bei weitem das Schönste auf dem Bilde ist; und dieser Michael wird euch, Michelangelo, einst seinen Platz geben am Jüngsten Tage zur Rechten Gottes. Ich kann nichts tun, als Christus, dessen Abbild ihr so vollkommen gemalt habt, bitten, daß sich das erfüllen möge; und euch, mich ganz als etwas anzusehen, worüber ihr verfügen dürft.

Euch zu Diensten die Marchesa von Pescara.«
 

Und gerade die Schönheit dieses Engels zur Rechten Christi war es gewesen, die uns, d. h. die wenigen, welche in Berlin damals für dies Gemälde Sinn hatten, immer wieder zum Gedanken geleitet hatte, nur Michelangelo selbst könne es gemalt haben.

Es stellt eine Maria dar am Fuße des Kreuzes sitzend, Blicke und Arme zum Himmel erhoben, in ihrem Schoße den Leichnam ihres Sohnes zwischen den Knien vor ihr auf den Boden gesunken, so daß seine Arme über die Knie wie über Krücken gelegt sind. Zwei Engel zu beiden Seiten neben ihr greifen mit den Händen unter die Arme Christi, als erleichterten sie ihm die Stellung und ihr die Last. An das Kreuz aber, das von seltsamer Form ist, wie ein großes lateinisches Ypsilon nämlich, dessen beide Arme oben durch ein Querholz verbunden sind, so daß die Balken die mystische Form des die Dreieinigkeit bedeutenden Dreiecks annehmen, sind auf dem Stiche die Worte Dantes geschrieben:

Non vi si pensa quanto sangue costa.
Daran denkt keiner, wieviel Blut es kostet.

Ein Vers, der den ganzen Jammer der Zeit mit seinen wenigen Worten zusammenfaßt. Dante redet im 29. Gesange des Paradieses von der Heiligen Schrift: »Daran wird nicht gedacht, wie viel Blut es kostet, sie in der Welt zu verbreiten, und wieviel Gnade der vor Gott findet, der voll Demut in ihre Tiefen eindringt. Denn um des äußeren Scheines willen nur wird heute gelesen, und jeder trägt seine Empfindungen hinein, und darüber reden die Prediger, und das Evangelium selbst verschweigen sie.« Das war jetzt die heimliche Klage derer, die die fortschreitende Unterdrückung des freien Glaubens in Italien mit immer gewaltsameren Mitteln vor Augen sahen.

Auf dieses Gemälde auch, vielleicht als die Beantwortung einer Zwischenfrage Vittorias. die, weil Michelangelo zu lange arbeitete, gefürchtet hatte, das Werk sei in Vergessenheit geraten, scheint sich der folgende Brief Michelangelos an sie zu beziehen. »Signora Marchesa«, schreibt er, »da ich selbst in Rom anwesend war, brauchet ihr den Auftrag in betreff des Kruzifixus Messer Tommaso nicht zu hinterlassen und ihn zwischen Ew. Herrlichkeit und mich, euren Diener, zu stellen, um auf diesem Wege meine Dienste in Anspruch zu nehmen. Ich würde für Ew. Herrlichkeit mehr getan haben als für irgend jemand, den ich auf dieser Welt zu nennen wüßte, hätte mir nicht die Arbeit, die auf mir lastet, unmöglich gemacht, es Ew. Herrlichkeit durch die Tat zu erkennen zu geben. Ich weiß, Ew. Herrlichkeit kennen den Spruch, amore non vuol maestro, ein liebendes Herz braucht nicht getrieben zu werden, und auch, chi ama, non dorme, wer liebt, der schläft nicht. Es war unnötig, durch andere nachfragen zu lassen. Denn wenn es auch so schien, als hätte ich es vergessen, so ließ ich nur deshalb mir nichts verlauten, weil ich eine Überraschung im Sinne hatte. Um diese Freude bin ich nun gebracht worden.

Mal fa chi tanta fè si tosto obblia.
Der tut nicht wohl, der soviel Treue sobald vergißt.

Ew. Herrlichkeit Diener.«
 

Kein Name darunter, sondern dieser erst nach dem Gedichte, das auf dem zweiten Briefblatte steht:

Bald auf dem rechten Fuß, bald auf dem linken,
Bald steigend, bald ermüdet zum Versinken,
Hintaumelnd ratlos zwischen Gut und Böse
Such' ich, wer meiner Seele Zweifel löse,
Denn wem Gewölk verhüllt des Himmels Weiten,
Wie können den des Himmels Sterne leiten?

Drum sei mein Herz das unbeschriebne Blatt,
Und was das deine aus sich selbst gefunden.
O schreib es nieder! was in allen Stunden
Die Richtschnur sei, nach der es Sehnsucht hat.
Damit im Irrsaal dieser Lebenstage
Mir Antwort werde auf des Lebens Frage:

Ob die geringere Gnade einstmals finden,
Die demutsvoll sich nah'n mit tausend Sünden,
Als die, die stolz auf das, was sie getan,
Im Überfluß der guten Werke nahn.Ora in sul uno, ora in sul altro piede / Variando cerco della mia salute / Fra'l vitio e la virtute; / L'alma confusa mi travaglia e stanca, / Come, chi'l ciel non vede, / Chè per ogni sentier si perde, e manca.

Ond'io la carta bianca / Convien ch'e pietà mostri / Che, qual di me si voglia, tal ne scriva; / Ch'a ogni muover d'anca / Infra grandi error nostri / Mie picciol resto più quaggiù non via,

Michelangelo Buonarroti in Rom.
 

Wir sehen, wie die große Frage über die Rechtfertigung durch den Glauben auch zwischen ihnen beiden schwebte. Wer Messer Tommaso war, weiß ich nicht; vielleicht Tommaso da Prato, Michelangelos Geschäftsführer im Prozesse gegen den Herzog von Urbino, oder Tommaso Cavalieri, der junge Römer, der sein besonderer Liebling war. Die Arbeit, die ihn verhinderte, für Vittoria zu arbeiten, war die Ausmalung der von Paul dem Dritten neu gebauten Kapelle, zu der ihn der Papst nach Beendigung des Jüngsten Gerichts genötigt hatte. Was diese Arbeit anlangte, so bedurfte es nur einer Hindeutung auf sie, um Michelangelo zu entschuldigen, denn Vittoria hatte selbst ihn bei anderer Gelegenheit auf dieses Werk hingewiesen. Einer von ihren Briefen, wie es scheint der erste nach ihrer Abreise von Rom nach Viterbo, erwähnt es, und die Art, wie es geschieht, ist charakteristisch genug für ihre Gesinnung.

»Magnifico Messer Michelangelo«, schreibt sie, »ich habe euren Brief nicht gleich beantwortet, da er eigentlich eine Antwort auf den meinigen war. Mir kam so vor, wenn wir beide, ihr und ich, fortführen in dieser Weise uns zu schreiben (wie es mich wohl treiben würde, und wie ihr gewiß nicht unterlassen würdet zu tun), daß notwendigerweise zweierlei eintreten müßte: was mich betrifft, daß ich mich in der Kapelle der heiligen Katerina hier nicht zu den angewiesenen Stunden bei der Andacht der Nonnen einfände, und ihr, daß ihr in der Kapelle des heiligen Paul morgens vor Tage euch einzustellen unterließet, um lange Stunden dann im Zwiegespräch mit euren Werken zu verharren, deren Lippen euch gegenüber so wenig der Sprache entbehren werden, als mir gegenüber die, welche meine lebendige Umgebung bilden. Und so würde ich den Verlobten Christi und ihr seinem Stellvertreter untreu werden. Ich weiß, wie sicher die Freundschaft ist, die uns verbindet, es bedarf keiner Briefe, um sie zu befestigen. Worauf ich warte, ist die Gelegenheit, euch Dienste von wirklichem Inhalte zu leisten. Bis dahin bitte ich Christus, von dem ihr mir bei meiner Abreise von Rom so demütigen Herzens gesprochen habt, ich möge euch bei meiner Rückkehr mit Seinem von wahrer Treue belebten Bilde im Herzen wiederfinden, wie ihr ihn bei meiner Samariterin gemalt habt.

Und so empfehle ich mich euch und eurem Urbino.

Vom Kloster zu Viterbo den 20. Juli.

Euch zu Diensten

die Marchesa von Pescara.«
 

Wenn dies der erste Brief war, so läßt sich aus einem Vergleiche mit den übrigen leicht erkennen, wie anders die späteren geschrieben sind, und auch wohl, warum Michelangelo auf diesen hin eine Zeitlang vielleicht verstummte. Sie selbst war es dann, die ihm wieder die Lippen löste. Die Samariterin, von der sie spricht, war eine Darstellung Christi am Brunnen mit der Frau aus Samaria, ein Werk, von dem nur noch ein Stich erhalten ist. Vasari erwähnt diese Komposition als für Vittoria gearbeitet.

Zu jenen früher geschriebenen Briefen scheint der nachfolgende zu gehören, der von einem Sonette begleitet war.

Der Freundlichkeit, mit der ihr mich bedenkt,
Nicht allzu unwert, Herrin, mich zu zeigen,
Wollt' ich mit dem, was meinem Geiste eigen,
Erst das erwidern, was ihr mir geschenkt.

Bald aber fühlt' ich: da euch nachzusteigen,
Wohin der Genius euch empor gelenkt,
Gibt's keinen Weg für mich: verzeiht und denkt,
Wie sehr ich weiß, warum mir ziemt zu schweigen.

Denn Irrtum wär' mein Glaube, wenn ich dächte
Dem gleichzutun mit einem schwachen Werke,
Was von euch wie des Himmels Gnade regnet.

Das Feuer fehlt, die Kunst, die es vollbrächte,
Mir Sterblichem, dem kein Versuch die Stärke
Verleiht, mit der der Himmel euch gesegnet.Per esser manco almen, signora, indegno / Dell' immensa vostr' alta cortesia, / Prima, all' incontro a quella, usar la mia / Con tutto il cor volse 'l mie basso ingegno.

Ma visto poi ch'ascender a quel segno / Proprio valor non è ch'apra la via, / Perdon domanda la mia colpa ria, / E del fallir più saggio ognor divegno.

E veggio ben, com'erra s'alcun crede / La grazia che da voi divina piove / Pareggi l' opera mia caduca c frale.

»Ich wollte, Herrin, bevor ich das annähme, was Eure Herrlichkeit mir zu verschiedenen Malen schenken wollte, um mich dieses Geschenkes weniger unwürdig zu zeigen, mit eigener Hand etwas arbeiten: dann aber, da mir die Erkenntnis aufging, daß sich die himmlische Gnade nicht erkaufen lasse und daß, sie mit Undank aufzunehmen, eine große Sünde sei, gestehe ich mein Unrecht demütig ein und nehme Ihre Gabe gern an. Und wenn ich sie erst einmal im Hause haben werde, obgleich ich mich dann freilich kaum mehr als der eigene Herr im Hause, sondern nur bei mir selber zu Gaste fühlen darf, werde ich im Paradiese zu sein glauben. Und für alles das verbleibe ich Ew. Herrlichkeit nur noch um so mehr verpflichtet, wenn eine Steigerung dieses Gefühles überhaupt bei mir denkbar wäre.

Der Überbringer dieses wird mein Diener Urbino sein, dem Ew. Herrlichkeit mündlich sagen kann, wenn ich kommen soll, um den Kopf zu sehen, den Sie mir zu zeigen versprochen hatten.

Michelangelo Buonarroto.«
 

Er hatte ein Geschenk zuerst zurückgewiesen und endlich doch angenommen. Worin es bestanden habe, läßt sich nicht erraten. Auch von welchem Kopfe die Rede sei, wissen wir nicht, vielleicht war es eine antike Arbeit, die er beurteilen sollte. Milanesi hatte dem Briefe das Datum 1545 hinzugefügt, mir scheint es mehr in die Anfangszeiten zu gehören.

Das schönste Zeugnis für den Einfluß aber, den Vittoria auf Michelangelo ausübte, enthält ein anderes Gedicht, das ich hier noch mitteile. Hier spricht er am offensten. So philosophisch ruhig der Beginn des Sonettes ist, so feurig lautet der Schluß, freilich auch hier wieder nur in der Fassung, wie seine eigene Handschrift ihn gibt, denn gleich den meisten seiner Verse erschienen auch diese in der gedruckten Ausgabe der Gedichte bisher verdorben und abgeschwächt.

Von eines Menschen Form den Geist erfüllt,
Beginnt, was vor den innern Blick getreten,
Der Künstler als ein erst' Modell zu kneten
In schlechtem Ton, der kaum die Form enthüllt.

Doch dann in Marmor, langsam, Schlag auf Schlag,
Lockt die Gestalt der Meißel aus dem Steine,
Damit sie rein, wie er gewollt, erscheine,
Und neubeseelt erblickt sie so den Tag.

So ich, wie ich zuerst war: nur mein eigen
Modell, durch dich erst, Herrin, neugeartet,
In höherer Vollendung mich zu zeigen,

Bald gibst du zu, was fehlt; dann wieder waltest
Du scharf wie Feilen; – aber was erwartet
Mein wildes Herz, wenn du das umgestaltest?Da che concetto ha l' arte intera e diva / Le membra e gli atti d'alcun, poi di quello/ D'umil materia un semplice modello / È'l primo parto che da quel deriva.

Poi nel secondo in pietra alpestra e viva / S'arrogie le promesse del martello, / E si rinasce tal concetto bello / Ch'el suo eterno non è ch'il prescriva.

Tal di me stesso nacqui e venni prima / Umil model, per opra più perfetta / Rinascer poi di voi, donna alta e degna.

S'el manco adempie, e'l mio soperchio lima / Vostra pieta, qual penitenzia aspetta / Mie fiero ardor se mi gastiga e insegna?

Mie fiero ardor sagt er, was eher noch zu mild übersetzt worden. Wörtlicher genommen lautet der letzte Gedanke: Welche Qual aber hat mein wild glühendes Wesen zu erwarten, wenn du das zu zügeln und zahm zu machen beginnst? gleichsam das Letzte, an das sie sich wagen würde. Er sprach wohl nicht von seiner Leidenschaft zu ihr, sondern von dem, worauf Vittoria in San Silvestro damals anspielte, als sie die Befürchtung aussprach, daß er, gerade wenn sie ihn auf etwas zu bringen wünschte, plötzlich nicht wollen könnte. Er war stolz und aufbrausend. Er war empfindlich und argwöhnisch und alt geworden darin. Was für ein Mensch wäre Michelangelo geworden, hätte ihn in jüngeren Jahren das Schicksal mit Vittoria zusammengeführt, und wäre auch sie, weniger ermattet durch die Jahre und die Erlebnisse, ihm dann entgegengetreten! So freilich wie sie jetzt einander fanden, konnte sie ihm nichts gewähren als die freundliche Milde, mit der sie ihn besänftigte, und durfte er nichts begehren, als was sie geben konnte.

Es findet sich eines unter seinen Gedichten, ein Sonett, in dem er dies eingestellt und seine Empfindung so schön ausdrückt, daß ein freundlicheres Bild für den Gedanken nicht gedacht werden kann: »Damit auch künftig deine Schönheit auf Erden weile, aber im Besitze einer Frau, die gnädiger sei und weniger strenge als du bist, glaube ich, daß die Natur deine Reize zurückverlangt, und ihnen befiehlt, allmählich dich zu verlassen. Und sie nimmt sie; mit deinem himmlischen Antlitz schmückt sie im Himmel eine liebliche Gestalt, und der Gott der Liebe bemüht sich mit Sorgfalt, ein mitleidvolles Herz in sie zu senken. Und all meine Seufzer nimmt er auch, und meine Tränen sammelt er und gibt sie dem, der jene lieben wird, wie ich dich liebe. Und glücklicher als ich, rührt er vielleicht mit meinen Qualen ihr Herz, und sie gewährt ihm die Gunst, die mir versagt blieb.«

Wie werden Gegenwart und Zukunft hier einander entgegengestellt. Es ist die schönste Verherrlichung der Resignation, die mir in den Werken eines Dichters begegnet ist. Es ist reizend, wie er das Verzichten in Erwartung verwandelt und das Verschwinden der Jugend und Schönheit fast zu etwas Freudigem gestaltet.

Vielleicht daß Michelangelo, wie er überhaupt durch Vittoria zur Dichtkunst zurückgeführt ward, von ihr auch den Anstoß zu diesen Anschauungen erhielt, denn der Inhalt all ihrer Verse ist Verherrlichung des Verlorenen, Entsagung für die Gegenwart und Erwartung zukünftiger Ausgleichung aller Schmerzen. Die Sehnsucht nach ihrem Gemahl, der, immer im Felde, sie auf Ischia allein ließ, gab ihr die ersten Verse ein. Die Trauer um seinen Verlust, die natürliche Hinneigung zu geistlichen Gedanken, das gänzliche Versenken endlich, nachdem all ihre Hoffnung auf diese Welt gescheitert war, in religiöse Gefühle, bilden die natürliche Stufenleiter, auf der sie als Dichterin weiterging. Nichts Verschiedeneres aber als Michelangelos Gedichte und die ihrigen. Er immer mit einem fest greifbaren Gedanken im Sinne, den er so stark und einfach als möglich, oft hart in den Worten sogar, zu geben sucht, sie dagegen in sanften Wendungen ein Gefühl umschreibend, das in Bildern sich spiegelnd, nicht, wie Michelangelos Gedanken, in die Tiefe dringt. Der Wohlklang ihrer Verse aber ist so groß, daß ihn selbst der empfindet, der nicht Italiener ist, und in ihren Anschauungen zuweilen hinreißende Wahrheit.

Und wie das Licht die sanften Strahlen sendet,
Fällt meiner Sünden dunkler Mantel nieder,
Im weißen Kleid fühl' ich die Reinheit wieder
Der ersten Unschuld und der ersten Liebe.

So endet eins ihrer Sonette, in dem sie von der göttlichen Flamme redet, der sie Trost verdanke. Und diese Stimmung in den meisten Gedichten, Versöhnung suchend mit sich selbst, im Geiste Contarinis und seiner Freunde. Man verschlang ihre Gedichte in Italien. Ohne Vittorias Vorwissen war der erste Druck veranstaltet worden, fünf Ausgaben folgten in den nächsten zehn Jahren, und das Verlangen nach neuem Druck war auch damit nicht gestillt. Sie pflegte, was sie neu dichtete, Michelangelo zu senden. Vierzig Sonette empfing er so, die er zu den ersten, die er von ihr erhalten, in dasselbe Buch hinten anbinden ließ. In späteren Jahren schickt er es einmal einem Geistlichen nach Florenz, einem alten Bekannten, mit dem er in Briefwechsel stand und der ihn um die Mitteilung seiner Reliquien Vittorias gebeten hatte.

Wann aber wurde jenes Sonett, das ich in Prosa übersetzt habe, weil ich keine Verse dafür finden konnte, von Michelangelo gedichtet? Ich sprach nur eine Vermutung aus, wenn ich überhaupt annahm, daß es an Vittoria gerichtet sei, und gebe auch jetzt nicht mehr, wenn ich sage, daß es nach 1542 von ihm geschrieben zu sein scheint, nach Vittorias Rückkehr nach Rom im Herbste dieses Jahres, wo sie Viterbo wieder verließ, vielleicht weil der Kardinal Polo von da an im Dienste der Kirche von dort abwesend war.

Es muß ein trauriges Wiedersehen gewesen sein zwischen Vittoria und Michelangelo. Sie hatte in Viterbo eine heftige Krankheit durchgemacht (wir wissen das aus den besorgten Briefen Tolomeis), sie kam mit zerrütteter Gesundheit und, da nun auch das letzte noch, das sie treffen konnte, der Untergang ihrer Familie eingebrochen war über sie, mit völlig geknickter Lebenskraft. Mag die Demut Vittorias vor Gott und Kirche noch so groß und wahr gewesen sein, sie blieb immer eine Colonna, eine Fürstentochter der ersten und stolzesten Familie in Italien. Man braucht nur ihre Gedichte auf den Tod Pompeos, auf die Gefangenschaft ihres Gemahls nach der Schlacht von Ravenna und auf die Wunden zu lesen, mit denen er heim kam, um den Stolz zu fühlen, der ihr Herz erfüllte. Auf ihre Familie hielt sie und glaubte an die Größe der Colonna, wie heute Fürstengeschlechter auf den Vorzug vertrauen, den Natur und Vorsehung ihrem Hause zuteil werden ließen. Ein Glaube, der ihnen gerechtfertigt erscheinen darf, da Erfolg und allgemeine Zustimmung ihn oft für Jahrhunderte bestätigen.

Den Päpsten aus dem Hause der Medici waren die Colonnas zu stark gewesen; die Farneses aber beschlossen ihren Untergang. Und so geschah es. Um die Zeit traf ihre Familie der Schlag, als Vittoria nach Viterbo ging. All ihren Einfluß hatte sie aufgewandt, das zu verhindern, aber fruchtlos. Die Schlösser waren den Colonnas genommen, in Rom fand Vittoria keinen von den Ihrigen, als sie wiederkam. Sie zog sich in das Benediktinerinnen-Kloster von Santa Anna dei Funari (heute dei Falegnami) zurück und verbrachte kränkelnd dort die wenigen Jahre, die ihr noch übrig blieben.

Michelangelo besuchte sie oft. Unter Vittorias Dienern befand sich einer, der in späteren Jahren etwas von Michelangelo zu erbitten hatte und sich brieflich an ihn wandte. »Ich bin sicher«, schreibt der alte Mann viele Jahre nach dem Tode der Fürstin, »daß die Erinnerung der Frau Marchesa von Pescara, meiner Herrin und eurer größten Freundin, aus eurer Seele nicht hat verschwinden können. Ihr müßt euch erinnern, wie ich im Jahre 1546, in jenem Winter, der für die heilige Seele zum Frühling werden sollte, in ihrem Hause war, nicht als Diener von ihr behandelt, sondern wie ein Verwandter, und oft sah ich euch nach Santa Anna kommen, um mit ihr zu reden.«

Damals nun kann ihr Porträt entstanden sein, ein großes Ölgemälde, das Michelangelo zugeschrieben ward, bis man das Zeichen des Marcello Venusti darauf entdeckte. Von Michelangelo aber wissen wir, daß er sie gezeichnet hat, und nichts verhindert, anzunehmen, Venusti habe, wie er oft getan, auch hier seines Meisters Arbeit in Farben ausgeführt. Ich kenne das Werk, das in England ist, nur nach der Lithographie, welche der Arbeit Campanaris beigegeben ist, welcher Michelangelos Urheberschaft dafür beweisen wollte, aber auch aus diesem Blatte läßt sich der Geist dessen erkennen, von dem das Werk ursprünglich ausging. Ich glaube, kein anderer als Michelangelo konnte Vittoria so darstellen. Eine alte Frau haben wir vor uns. Nichts mehr ist zu sehen von dem blonden Haar, das ihr ehemals so hohen Reiz verlieh: ein weißer Witwenschleier, der tief in die Stirn herabreicht, umgibt ihr Haupt und fällt über Brust und Schultern. Eine hohe Gestalt, in schwarzem Sammetkleide, aufrecht und ohne sich anzulehnen in einem Sessel sitzend, an dessen halbrunde einfach gezimmerte Lehne vorn die Hand faßt, während die andere auf einem geöffneten Buche in ihrem Schoße liegt. Eine großartige Ruhe in ihren Zügen, ein leise schmerzlicher Druck über den Augen und um den Mund. Alt, aber nicht eingefallen erscheint sie, und die tiefen Linien sind energisch und edel, die das Schicksal hineinzog.

Möglich, daß während die Zeichnung zu diesem Bilde entstand, jenes Sonett von Michelangelo gedichtet wurde. Sie hatte davon gesprochen, denke ich, wie Gram und Krankheit plötzlich nun eingeholt, was die Jahre so lange verschonten, wie sie zur alten Frau geworden sei und stündlich fast das Abnehmen ihres Lebens fühle. Und um sie zu trösten, zeigte er sie sich selber als jung und unsterblich in ihrer eignen irdischen Schönheit.

Anfang 1547 löschten Vittorias letzte Kräfte aus. Todkrank wurde sie aus ihrem Kloster in den Palast des Giuliano Cesarini gebracht, des Gemahls der Giulia Colonna, die allein von der Familie in Rom anwesend war. Der Kardinal Polo war noch angekommen, er gehörte zu denen, die Vittoria mit der Ausführung ihres Testamentes betraute; Sadolet und Morone, die einzigen beinahe, die noch übrig geblieben von der Partei Occhinos, sind die beiden anderen. Michelangelo sah Vittoria bis zuletzt. So erschüttert war er durch ihren Tod, daß er, wie Condivi erzählt, fast von Sinnen kam darüber. Zu Condivi auch sagte er einmal in späteren Jahren, nichts reue ihn so sehr, als ihr nur die Hand und nicht auch Stirn und Wangen geküßt zu haben, als er in ihrer letzten Stunde zu ihr ging.

Wie groß der Verlust war, den er erlitt, kann nur der fühlen, der selbst die Lücke empfunden hat, die das Verschwinden einer überragenden geistigen Kraft unausfüllbar zurückläßt. »Morte mi tolse uno grande amico«, »Einen großen Freund hat der Tod mir fortgenommen«, schrieb Michelangelo an den alten Priester Fatucci nach Florenz, dem er eines seiner Gedichte an Vittoria sandte. Es muß ihm gewesen sein, als würde ein altgewohntes herrliches Buch, in dem er für jede Stimmung das passende Wort fand, mit einem Schlage geschlossen, um sich nie wieder aufzutun. Nichts kann den Verlust eines Freundes ersetzen, der mit geteilten Erfahrungen lange Jahre neben uns herging. Vittoria war die einzige gewesen, die ihm jemals die Seele ganz aufgeschlossen. Was konnte ihm die Verehrung der anderen bieten, die aufgehört hätten ihn zu verstehen, wenn er sich hätte zeigen wollen, wie er in Wahrheit war? Nur der Gedanke tröstete ihn noch, daß seine eigene Laufbahn ihrem Ende nahe sei. In dem Maße, als er das Stück Leben, das er noch vor sich zu haben glaubte, geringer werden sah, mußten die Gedanken darüber hinausschweifend sich in das versenken, was nach dem Tod ihn erwartete. Er war siebzig Jahre alt. An seiner festen Natur fing es an zu rütteln. Viele von den Gedichten mag er jetzt geschrieben haben, in denen er, die verflossenen Jahre seines Lebens überschlagend, nicht einen einzigen Tag entdeckt, an dem er glücklich war, und all die Gedanken für verloren erachtet, die er nicht der Betrachtung des Göttlichen zugewendet.

Vittoria starb in den letzten Tagen des Februar im siebenundfünfzigsten Jahre ihres Alters. Ich finde nirgends, wo sie begraben liegt. Eines von den Sonetten sei hier noch im Versuch einer Übersetzung gegeben, durch die Michelangelo seinem Schmerze Worte gab.

Als sie, zu der sich meine Wünsche sehnen,
Hinwegging, weil der Himmel so gewaltet,
Stand die Natur, die Schön'res nie gestaltet,
Beschämt, und wer sie sah, der weinte Tränen.

Wo weilst du nun? Ach! wie vernichtet sanken
Die hoffnungsvollen Träume plötzlich nieder,
Jetzt hat die Erde deine reinen Glieder,
Der Himmel deine heiligen Gedanken.

Der Tod war dein Los; denn sterblich nur vermag
Das Göttliche zu uns herabzusteigen;
Doch nur was sterblich hat der Tod vernichtet!

Du lebst, es glänzt dein Ruhm im lichten Tag
Und ewig unverhüllt wird er dich zeigen
In dem, was du gewirkt hast und gedichtet.


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