Herman Grimm
Das Leben Michelangelos
Herman Grimm

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V

Auch Michelangelo arbeitete wieder als Maler in den drei Monaten seines römischen Aufenthaltes im Winter 1517 auf 18. Bei jenen Geldsendungen aus Florenz nach Rom wird Francesco Borgherini von ihm erwähnt, ein florentinischer in Rom ansässiger Bankier, durch den das Geld ausgezahlt werden könne. Michelangelo nennt ihn »einen in Wahrheit vortrefflichen Mann, dem kein anderer von den Florentinern in Rom gleich komme«. Für diesen hatte er damals ein Gemälde auszuführen. Er bezeichnet es in seinem Briefe nicht näher, allein da die Kapelle in San Pietro in Montorio, wo Sebastian die Geißelung Christi malte, den Borgherinis gehörte, da Michelangelo um jene Zeit nichts anderes gemalt hat und es bekannt ist, daß Sebastians Werk um diese Zeit etwa nach einem Karton Michelangelos entstand, so wird unzweifelhaft für mich, welches Werk in den Briefen gemeint war. Sebastian malte den gegeißelten Christus an die halbrunde Wand der Nische, welche die Kapelle bildet, er führte das Gemälde in Öl aus, die Farben haben stark nachgedunkelt, sonst aber hat es wenig gelitten und ist ein prachtvolles Denkmal der Malerei seiner Zeit.

Daß Michelangelo nicht nur die Skizze machte, sondern den Umriß der Figuren auf die Wand zeichnete, glaube ich zu erkennen. Mit geneigtem Haupte an eine Säule angebunden, krümmt sich der Erlöser unter den Schlägen seiner Peiniger, aber man gewahrt beinahe nur das Bemühen, sich winden zu wollen: die gebundenen Glieder sind nicht imstande, die Bewegung wirklich auszuführen. Das lebendige venezianische Kolorit aber hebt die Zeichnung so sehr, daß Sebastian das meiste an dem Bilde getan zu haben scheint. Oben darüber, in der Wölbung der Altarnische, eine Himmelfahrt Christi, ebenfalls von Michelangelo, unbedeutender in der Malerei, als Komposition jedoch ganz gewaltig und, wie mir scheinen will, ein Werk, das Raffael bewußt oder unbewußt in den Gedanken lag, als er die seinige malte.

Die Neuheit der Malerei, der Reiz des Helldunkels, die Tiefe und Glut der Farbe erregten Aufsehen in Rom und gaben Sebastian von nun an eine bedeutende Stellung, die durch andere Werke, zu denen Michelangelo öfter die Zeichnungen lieferte, noch gehoben wurde. Ich nenne aus ihrer Zahl den vom Kreuz genommenen Christus in den Armen Josephs von Arimathia mit Maria daneben, eine Komposition von kolossalen Formen, in prachtvoll kräftiger Pinselführung ausgeführt und zu den kostbarsten Besitztümern des Berliner Museums zählend. Hier gerade um so besser an der richtigen Stelle, als Sebastian durch eine Menge unbedeutender Werke, welche auf vielen Galerien ohne Grund mit seinem Namen bezeichnet worden sind, bei uns den Anschein eines mittelmäßigen Künstlers gewonnen hat, dem sich ohne weiteres dies oder jenes zuerteilen lasse. Man muß seine unzweifelhaften Werke allein vor Augen haben, um ihn richtig zu schätzen, etwa das Bildnis des Admiral Doria im Palaste Doria in Rom, die Darstellung eines Mannes wie sie Tizian nicht zu geben vermocht hätte, so gewaltig ist die Zeichnung und so männlich stark der heldenmäßige Ausdruck des Charakters in diesem Bilde.

Für Sebastian del Piombo fand sich durch Michelangelos Vermittlung jetzt ein neuer Auftrag. Der Kardinal Medici bestellte bei ihm eine Auferweckung des Lazarus. Michelangelo zeichnete den Karton. Wir finden nicht besonders bemerkt, wann er mit dieser Arbeit beschäftigt war, aber da wiederum die Zeit zutrifft und nichts anderes vorliegt, was ihn den Winter über in Rom beschäftigt haben könnte, so darf hier mit einiger Bestimmtheit gesprochen werden. Auch zeichnete er gewiß nicht bloß die Figur des Lazarus, von der zufällig eine einzelne Skizze erhalten blieb, sondern die ganze Komposition, die durchaus in seinem Geiste erdacht und zusammengeschlossen worden ist. In diesem Winter erst, am 19. Februar 1518 wurde der Kontrakt über die Fassade von San Lorenzo abgeschlossen, deren beabsichtigte Form sich im Schriftstücke genau beschrieben findet. Anfang Februar erhebt Michelangelo Geld dafür in Florenz und geht nach Carrara weiter, wo in seinem Auftrage die Arbeiten ihren Fortgang genommen hatten.

Michelangelo war in Carrara zu Hause. Er kannte das Gebirge genau, und die Carraresen kannten ihn. Topolino, Steinmetz und Bildhauer dazu, war sein guter Freund dort. Keiner hatte so große Massen Marmor von Carrara bezogen als Michelangelo, keiner sich so sehr selber darum bekümmert, daß die Sendungen der Bestellung entsprächen. Der Grund, weshalb er sich hier so wenig als möglich auf andere verließ, lag auch darin, daß er peinlich genau in seinen Ausgaben war und sich nicht betrügen lassen wollte. In einem Briefe aus dem Jahre 1515 beklagt er sich über einen solchen Handel: »Gib den anliegenden Brief an Michele«, schreibt er von Rom an Buonarroto, »ich weiß recht gut, daß er ein unverschämter Narr ist, aber ich muß mich an ihn wenden, weil ich Marmor brauche und nicht weiß, wie ich anders welchen bekommen soll. Nach Carrara gehen will ich nicht, weil es mir unmöglich ist, schicken kann ich niemand dahin, der Bescheid wüßte, denn entweder lassen sie sich betrügen oder betrügen selber, wie Bernardino, der Schuft, der mich zuletzt hier um 300 Dukaten betrog und hinterher noch in ganz Rom über mich herumlamentierte, wie ich erfahren habe. Nehmt euch wie vor dem Feuer vor ihm in acht und laßt ihn euch nicht ins Haus kommen.« Solche Geschichten mögen oft vorgefallen sein. Die Italiener lassen beim gewöhnlichen Handel und Wandel eine so große Summe von Täuschung, Geschrei und Leidenschaft mit einfließen, daß ein Nordländer sich erst langsam daran gewöhnen muß. Auch Michelangelo widerstrebte dies Verfahren. Er war die Redlichkeit selbst in allen seinen Verhältnissen, aber bestand darauf, daß die Bedingungen, unter denen er auf ein Geschäft eingegangen war, streng innegehalten würden. Deshalb ließ er sich auch ungern auf verwickelte Kontrakte ein; für eine bestimmte Summe am liebsten übernahm er seine Aufträge in Pausch und Bogen. Bei Zahlungen notierte er auf Heller und Pfennig seine Ausgaben. Wo er mit seinen Brüdern aneinanderkam, geschah es deshalb, weil diese, entweder direkt oder durch den Vater, ihn zu unklaren Spekulationen zu bewegen versuchten, und wo er sich mit den Auftraggebern entzweite, lag der Grund darin, daß man die Kontrakte anders auslegte, als sie gemeint gewesen waren. Michelangelo bestand überall auf seinem Rechte, und so groß die Summen gewesen sind die er verschenkt hat, und so unbekümmert er sie fortgab, ebenso hartnäckig leistete er Widerstand, wenn ihm das Geringste unrechtmäßigerweise vorenthalten wurde.

Und glaubte er bei solchen Gelegenheiten, daß ihm Unrecht geschehen sei, so war ihm dann allerdings der härteste Ausdruck der liebste. Es sind schon Proben dieser Offenherzigkeit mitgeteilt worden: Michelangelo schonte den Papst selber nicht. Im Jahre 1518 hatte er von einer geistlichen Körperschaft in Florenz ein Stück Terrain gekauft und war dabei seiner Meinung nach übervorteilt worden. Die Herren beriefen sich auf eine Bulle des Papstes, welche ihnen formelles Recht zu ihrem Verfahren gäbe. Jetzt schreibt Michelangelo an den Kardinal Medici. Wenn der Papst, heißt es in dem Briefe, Bullen erlasse, welche das Recht gäben, Raub und Diebstahl zu treiben, dann wolle er doch gleichfalls um einen solchen Freibrief für sich gebeten haben. Habe der Papst aber diese Gewohnheit nicht, dann verlange er, daß ihm zu seinem Rechte verholfen werde. Es begreift sich, daß mit jemand, der einen solchen Stil schrieb, nicht leicht zu verhandeln war.

Als Michelangelo Ende Februar 1518 in Carrara ankam, fand er die bedungenen Arbeiten nicht kontraktmäßig ausgeführt. Er geriet mit den Reedern in Streit, denen der Transport der Blöcke übertragen worden war. Rasch entschlossen geht er nach Genua und mietet dort eine Anzahl Barken. Sie langen an, ihre Mannschaft aber wird von den Carraresen bestochen, und es kommt so weit, daß Michelangelo in seiner Wohnung angegriffen und belagert gehalten wird. Sie wollen ihn nicht fortlassen, wenn er nicht nachgäbe. Jetzt wendet er sich nach Florenz, man möge aus Pisa Fahrzeuge senden, geht selbst dahin, um die Sache zu betreiben, und setzt endlich seinen Willen durch. Nun aber will er den Carraresen zeigen, daß sie entbehrlich seien: er wendet sich nach dem nahen, auf florentinischem Gebiete gelegenen Serravezza und Pietrasanta und beginnt dort Marmorbrüche zu eröffnen.

Dies Unternehmen wurde eine Lieblingsidee des Papstes. 1515 war durch einen Gemeindebeschluß der Serravezzaner dem florentinischen Volke alles Terrain geschenkt worden, dessen man für die anzulegenden Arbeiten bedurfte. 1517 hatte Michelangelo Untersuchungen über die Natur des Gesteins anstellen müssen und sich von dessen Brauchbarkeit überzeugt. Der Papst wollte, daß das Material für die Florentiner Kirche auf florentinischem Gebiet gewachsen wäre. Michelangelo aber, dem mehr darum zu tun war zu arbeiten, als die Ausbeutung zweifelhafter Steingruben zu leiten, hatte anfangs solchen Widerstand geleistet, daß es (im Februar 1517) zu einer Korrespondenz zwischen ihm und dem Kardinal Medici kam, in der scharfe Dinge ausgesprochen wurden. Er scheine, lesen wir da, den Marmor von Pietrasanta seines eigenen persönlichen Interesses wegen gegen den von Carrara herabzusetzen. Der Gonfalonier Salviati habe den Stein an Ort und Stelle untersucht und vortrefflich befunden. Der Papst sei rücksichtslos entschlossen, keinen anderen beim Bau von San Lorenzo zur Anwendung zu bringen, und man werde alle weiteren Einreden Michelangelos als offenes Aufsagen des Gehorsams betrachten.

Also eigennützige Absichten zugunsten Carraras! Michelangelo scheint sich dennoch an diese Drohungen nicht gekehrt zu haben, denn erst vom März 1518 ist ein anderes Schreiben des Kardinals, der nun in den gnädigsten Ausdrücken die Zufriedenheit des Papstes zu erkennen gibt, daß in Pietrasanta so ausgezeichneter Marmor entdeckt worden sei, und der zugleich die Zusage enthält, alle Schwierigkeiten, die Straße betreffend, würden rasch beseitigt werden. Es handelt sich nun nämlich, und zwar beinahe wie um die Hauptsache selber, um die Anlage eines fahrbaren Weges von den Bergen zum Meeresufer, ein kostspieliges Unternehmen, da nicht nur die Steilheit des Gebirges, sondern auch die sumpfige Beschaffenheit der Ebene zu überwinden war. Der Papst suchte die bedeutenden Kosten dadurch zu ermäßigen, daß er die Zunft der Wollenweber bewog, für ein neues in Santa Maria del Fiore nötiges Marmorpflaster sich an der Unternehmung zu beteiligen; alles aber in der Art, daß Michelangelo die gesamten Anlagen auf sein Risiko übernahm, und indem er mit dem Papste und der Zunft der Wollenweber kontrahierte, den Straßenbau und die Steinbrüche der Serravezza als sein eigenes Geschäft beginnen ließ.

Daß dem so sei, behauptete wenigstens Michelangelo. Vielleicht haben die verschiedenen, nicht näher bezeichneten Hindernisse, welche sich, wie seine Briefe lehren, der endlichen Ausfertigung der betreffenden Kontrakte entgegensetzen, in einer Verschiedenartigkeit der Auffassung bei den verhandelnden Parteien ihre Ursache gehabt. Monatelang dringt Michelangelo auf Abschluß, ohne seinen Zweck zu erreichen. Endlich wird es ihm zuviel. Er ist in Serravezza anwesend und will arbeiten lassen. Der Gonfalonier, schreibt er an Buonarroto, scheine nichts tun zu können und deshalb die Sache zu stocken, er für sein Teil werde sich jetzt entweder an den Papst oder an den Kardinal Medici wenden, alles liegen und stehen lassen und nach Carrara zurückkehren, wohin man ihn, als wäre er unser Herr Christus selber, mit tausend Bitten zurückverlange. Man war dort, scheint es, zur Besinnung gekommen. Der Marchese Malespina, der Besitzer von Carrara, der, wütend über das Unternehmen bei Pietrasanta, Michelangelo so viel Unannehmlichkeiten hatte bereiten lassen, zeigte sich nun, da er dessen Hartnäckigkeit sah, nachgiebiger. Von beiden Seiten also wurde der Verdacht gegen ihn erhoben, es sei der eigene Gewinn im Spiele.

Michelangelo selber sehnte sich nicht ohne Grund nach Carrara zurück: »Diese Handarbeiter«, heißt es in dem eben angeführten Briefe weiter, »wissen nichts anzupacken. Hundertdreißig Dukaten hat mich ihre Arbeit schon gekostet, und bis jetzt ist noch kein Fuß breit brauchbarer Marmor zutage gebracht worden. Sie laufen herum, tun als täten sie etwas, und bringen nichts vor sich. Dabei suchen sie heimlich für den Dombau und andere zu arbeiten, wofür ich sie mit meinem Geld bezahlen muß; ich weiß nicht, wer dahinter steckt, aber der Papst soll genau wissen, wie es hier zugeht; 300 Dukaten habe ich so fortgeworfen und sehe noch nichts, das für mich geschafft worden ist. Es wäre leichter, Tote wieder lebendig zu machen, als Leben in dies Gebirge und etwas Kunstverstand hier unter die Leute zu bringen. Wenn mir die Wollenweberzunft 300 Dukaten alle Monate gäbe, würde ich noch schlecht genug bezahlt sein für das, was ich leiste, und so kann ich nicht einmal durchsetzen, daß der Kontrakt zustande kommt. Empfiehl mich Salviati (dem Gonfalonier) und schreibe mir durch meinen Diener, wie die Dinge stehen. Ich muß einen Entschluß fassen, denn so in der Schwebe kann ich nicht länger bleiben.« Nachschrift: »Die Barken, die ich in Pisa gemietet habe, sind ausgeblieben. Also auch auf dieser Seite geht alles schief. Tausendmal vermaledeit Tag und Stunde, wo ich von Carrara fortging. Das allein ist an allem Unheil schuld. Aber ich kehre dahin zurück. Wer heutzutage eine Sache gut machen will, der hat nur Schaden davon.« So schreibt er am 18. April 1518. Tags zuvor erst war er in Carrara gewesen, wo er einen florentinischen Bildhauer damit beauftragt hatte, seine Blöcke fortschaffen zu lassen. Er scheint sich mit den Leuten dort wieder ausgesöhnt zu haben und teilt fortan seine Zeit zwischen Carrara und Pietrasanta, läßt an beiden Stellen arbeiten, geht dazwischen wieder nach Florenz, wo man den Grund der Fassade von San Lorenzo legt und wo er im August ein Grundstück kauft, auf dem ein Haus gebaut wird. In den neuen Brüchen dagegen nimmt die Plage kein Ende. Krankheiten seiner Leute, Betrug, Faulheit, Widerspenstigkeit, deren letztes Ende ist, daß sie ihn ganz im Stiche lassen. Im September schreibt er rein verzweifelnd darüber. Der Regen will nicht aufhören im Gebirge, es ist kalt, die Arbeit wird eingestellt. Dennoch hält er den Winter über dort aus, ganz allein, scheint es. Im Oktober war er selber krank geworden und nach Florenz gegangen, am letzten dieses Monats aber schon ist er zurück. Im Dezember geht er dann wieder nach Florenz, aber nur um Weihnachten dort zu feiern. Endlich, im Frühjahr 1519, hat er es so weit gebracht, daß eine Anzahl bis auf einen gewissen Punkt bearbeiteter Säulen und Blöcke an das Meeresufer herabgeschafft worden sind, um nach Florenz verschifft zu werden, wobei eine der Säulen in Stücke ging: da plötzlich aus Rom der Befehl, alles liegen zu lassen, weil der Bau bis auf weiteres aufgeschoben sei, und keine Bezahlung!

In seiner Denkschrift über den Fassadenbau von San Lorenzo spricht Michelangelo mit Entrüstung über die Art, wie man ihn schließlich behandelt habe. »Und nun«, schreibt er, »untersagt mir der Kardinal Medici, im Namen des Papstes, mit den Arbeiten fortzufahren. Vorgegeben wird, man wünsche mich der Beschwerde zu überheben, den Marmor unter so viel Anstrengungen aus dem Gebirge herunterzuschaffen, man werde mir in Florenz bessere Aufträge zuweisen und wolle einen neuen Kontrakt mit mir abschließen, – und dabei ist es geblieben bis zum heutigen Tag!« Und zu derselben Zeit werden von seiten der Florentiner Dombauverwaltung Arbeiter nach Serravezza geschickt, welche sich der von Michelangelo gebrochenen Blöcke bemächtigen und sie auf der von ihm gebauten Straße ans Meer und weiter nach Florenz bringen. Einesteils sollte Santa Maria del Fiore damit gepflastert, andererseits der Bau der Fassade ohne Michelangelos Mitwirkung dennoch weiter betrieben werden.

Er behauptet nun, man habe sich der Straße wegen vorher mit ihm auseinanderzusetzen. Die Dombauverwaltung will darauf nicht eingehen. Sie hätte 1000 Dukaten für die Steinbrüche hergeben müssen und glaubte sich in ihrem Rechte, während Michelangelo dies Verfahren als einen Eingriff ansah, den er nicht zu gestatten brauche. Er dringt auf Erfüllung der Verbindlichkeiten und betrachtet bis dahin alles als sein Eigentum. Denn er habe die Sache in Bausch und Bogen übernommen und somit für sich allein arbeiten lassen.

»Der Kardinal«, fährt er fort, »verlangt jetzt von mir eine Aufstellung der Kosten und Auslagen, damit er sich mit mir vergleichen und den Marmor und die Straße nach Serravezza benutzen könne. 2300 Dukaten habe ich empfangen. Wann und wo, belegen die angeschlossenen Rechnungen. Davon sind 1800 ausgegeben. 250 für den Transport meines Marmors von Rom nach Florenz. Außer Rechnung lasse ich dabei das nach Rom geschickte Holzmodell, außer Rechnung die drei Jahre Arbeit, die ich verloren habe, außer Rechnung, daß ich ruiniert bin durch diesen Bau, außer Rechnung, in welchem Lichte ich dastehe, daß man mir das Werk übertragen und dann, ohne einen triftigen Grund anzugeben, wieder genommen hat, außer Rechnung mein Haus in Rom, wo für mehr als 500 Dukaten Marmor, Gerät und fertige Arbeit zugrunde gegangen sind: für all das bleiben mir von dem Gelde gerade 500 Dukaten übrig.«

»Aber gut so: der Papst nehme die von mir gebaute Straße samt dem gebrochenen Marmor, und ich behalte, was ich von Geld noch in Händen habe, bin meiner Verpflichtungen quitt und ledig und setze über alles eine Schrift auf, die der Papst unterzeichnet.« So Michelangelos Vorschlag. Die Blätter, woraus ich diese Sätze zitiere, scheinen das von ihm für sich selbst oder für einen seiner Freunde aufgesetzte Brouillon, nach welchem die Schrift ausgearbeitet werden sollte, welche Leo zu unterzeichnen hätte. Alle Ausgabeposten sind bis auf das geringste ausgeführt. Es ist unbekannt, zu welchem Ende die Angelegenheit gediehen ist. Im Jahre 1521 kam die erste und einzige der in Pietrasanta zugehauenen Säulen in Florenz an. Jahre lang lag sie dort auf dem Platze vor San Lorenzo, bis sie, wahrscheinlich nur um beseitigt zu werden, an Ort und Stelle unter die Erde gegraben ward. Die anderen lagerten noch zu Vasaris Zeiten auf dem Meeresufer bei Pietrasanta. In späteren Jahren erst wurden diese Steinbrüche regelmäßiger ausgebeutet und die Transportmittel vervollkommnet. Michelangelo entdeckte im Gebirge einen bunten, sehr harten, aber schön zu behandelnden Marmor, um dessentwillen in späteren Zeiten der Herzog Cosimo eine vier Miglien lange Fahrstraße bauen ließ. Als in dessen Auftrage 1568 die Berge dort untersucht wurden, fand man alles, wie Michelangelo es verlassen und die mit M gezeichneten Steine, die wichtige Punkte bezeichnen sollten.


 << zurück weiter >>