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Das härteste, dessen man Savonarola beschuldigt hat, ist der Vorwurf, er habe seine Partei angestachelt, ihre Gegner mit Gewalt aus dem Wege zu räumen. Dies sagt Machiavelli. Es sei nur darum nichts daraus geworden, behauptet er, weil das Volk seine Andeutungen nicht scharf genug verstanden habe. Darauf ist zu antworten, daß die Piagnonen zu verschiedenen Malen im Begriff standen, mit den Waffen dreinzuschlagen, und daß Savonarola sie zurückhielt. Es ist ferner zu erwidern, daß Machiavelli, dessen Unbefangenheit in anderen Fällen so bewunderungswürdig erscheint, sich dennoch diesem Manne gegenüber vom Haß der Partei zu einseitigen Behauptungen verführen ließ. Er gehörte zu denen, die Savonarola für einen bewußten Lügner hielten und nach Rom über ihn in diesem Sinne berichteten. Das älteste Schriftstück, das wir von Machiavelli haben, ist ein Brief über Vorgänge aus jenen stürmischen Tagen. Gründlicher Haß atmet aus diesem Schreiben. Machiavelli war damals noch nicht dreißig Jahre alt und eben in den Staatsdienst eingetreten.
Wo liegt nun das, das über die Verehrung, die der Mann einflößt, dennoch einen trüben Schatten wirft? Ich will ihn mit einem anderen Mönche von San Marco vergleichen, der lange vor ihm lebte und der das Kloster nicht weniger berühmt gemacht hat als er. Die Wände seiner Gänge, seiner Kapellen, niedriger, dunkler Zellen sogar, sind bedeckt von den Malereien Fiesoles, eines von den Nachahmern Giottos, dessen Werke, erfüllt von reizender Reinheit der Empfindung und verklärt durch eine Art süßer, in sich selbst beschlossener Begeisterung, zu den merkwürdigsten und ergreifendsten Denkmalen einer Künstlerseele gehören.
Seine Arbeiten sind in der Tat beinahe nicht zu zählen; in gleichmäßiger sanfter Schwärmerei scheint er ohne Aufhören seine Träume dargestellt zu haben. Die Gestalten trugen etwas Ätherisches an sich. Er malt Mönche, die am Kreuze niedersinkend, mit zitternder Inbrunst seinen Stamm umarmen, er malt Scharen von Engeln, die aneinandergedrängt die Luft durchschweben, als wären sie alle ein langgestrecktes Gewölk, dessen Anblick uns mit Sehnsucht erfüllt. Es waltet ein so unmittelbares Verhältnis zwischen dem, was er darstellen wollte, und dem, was er zu malen vermochte, und zugleich war das, was er wollte, stets so einfach und verständlich, daß seine Bilder auf jeden einen unmittelbaren, unvergeßlichen Eindruck machen, und so manche Naturen in dieselbe Begeisterung zu versetzen fähig sind, in der sie selbst geschaffen zu sein scheinen.
Im Jahre 1387 geboren, also ein Zeitgenosse Ghibertis und Brunelleschis, legte Fiesole mit einundzwanzig Jahren sein Gelübde ab; achtundsechzigjährig starb er in Rom, wo sein Grabmal noch vorhanden ist. Eigentlich war er Miniaturmaler, man sieht das auch seinen Freskobildern an. Sein Leben nach Vasaris Beschreibung klingt wie eine Legende aus uralten frommen Zeiten. Er sollte Prior des Klosters werden, lehnte jedoch die Würde demütig ab, und all seine Schicksale und Werke spiegeln das Gefühl, das ihn so bescheiden zurücktreten ließ. Und dennoch war die Wirkung, die von ihm ausging, groß und dauert jetzt noch.
Vergleichen wir den Geist seiner Gemälde mit dem der Predigten Savonarolas, die dieser inmitten der Klosterhallen hielt, von deren Wänden die Werke Fiesoles niederschauten, so empfinden wir am schärfsten, was Fiesole besaß und was Savonarola fehlte, was ihn bei seinen Gegnern so furchtbar verhaßt machte. Ein heiliger Eifer für das Gute, Wahre, Sittliche, Große entflammte sein Herz, aber daß ohne die Schönheit das Gute nicht gut, das Wahre nicht wahr, das Heilige selbst nicht heilig sei, das entging ihm. So wurde er, das weichste Gemüt, unversöhnlich und zwang seine Gegner, es auch zu sein, und so vernichtete er sich. Er vergaß, daß das, was die Menschen am meisten zwingt und bildet, nicht der bewußte Gehorsam, der heftig unterdrückte Hang zum Bösen, das gewaltsam sich selbst leitende Beharren auf einer scharf gezogenen Linie ist, die zu Gott leiten soll, sondern daß das unbewußte Aufnehmen eines freundlichen Beispiels, das leise Nachgeben, wenn das Gute und Schöne mit lockender Stimme redet, und das schmetterlingsartige Fortflattern, dem Göttlichen dennoch immer zugewandt, die Mächte eigentlich sind, die die Menschheit geheimnisvoll, aber sicher weiterführen. Und so haben Fiesoles sanfte, stumme Bilder mehr getan als Savonarolas Donner, die beinahe spurlos verhallten. Kaum aber war Savonarola gestorben, so umgab ein Heiligenschein seine Gestalt, der Inhalt seiner letzten Tage wurde als das ruhmvolle Leiden eines Märtyrers von Mund zu Mund getragen und mit Erzählungen von Wundern untermischt. Wie sein Herz nicht mit verbrannt, aus den Tiefen des Arno wieder emporgewirbelt und von seinen Verehrern unversehrt aufgefischt worden sei. Dem Unterliegen in den Qualen der Tortur setzte man das Beispiel des Apostel Petrus entgegen, der unter weniger dringenden Umständen den Herrn verleugnet hätte. Dagegen der jämmerliche Tod des Königs von Frankreich, der hingerafft wurde, nachdem ihm sein Kind vorausgegangen war, erschien als die unmittelbare Strafe des Himmels, die Savonarola vorausverkündete. Savonarolas Bild mit einer Strahlenkrone ums Haupt wurde in Rom selber auf den Straßen feilgeboten.
Der Gedanke drängt sich uns auf, daß sein Leiden und sein Tod auf den schaffenden Künstlergeist Michelangelos nicht ohne Einwirkung geblieben sei. Im November 1498 ging er nach Carrara, um den Marmor für die Pietà selbst zu holen. An Ort und Stelle dort scheint er die erste Arbeit getan zu haben und im April mit dem Blocke nach Rom zurückgekommen zu sein. Nur ein Jahr war für die Ausführung bedungen worden, über zwei Jahre jedoch sehen wir Michelangelo vom Beginn der Arbeit an in Rom noch bleiben: ohne Zweifel, weil die Vollendung seines Werkes ihn dort festhielt.