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Vier bedeutende Künstler treten auf in Florenz mit dem Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts: Ghiberti, Brunelleschi, Donatello, Masaccio. Märchenhaft ausgedrückt könnte man sagen, daß sie vier Brüder gewesen seien, die sich in ihres Vaters Giotto Erbschaft teilten und deren jeder die Grenzen seines Anteils zu einem großen Reiche ausdehnte. Diese vier sind die Gründer einer neuen Kunst, die nach vielen Jahren dann die Grundlage derjenigen ward, über deren Blüte keine folgende hinauswuchs.
Ghiberti begann als Goldschmiedslehrling. Zuerst arbeitete er in Giottos Manier. Den Übergang zu eigener Eigentümlichkeit lassen die Türen von San Giovanni am besten erkennen, welche heute noch, die bis auf wenige Spuren aufgezehrte Vergoldung ausgenommen, rein und unberührt an ihrer Stelle stehen.
Drei offene Tore hat die Kirche, das vierte nach Westen hin liegende ist zugemauert. Das östliche Haupttor war von Andrea Pisano mit erzenen Flügeln ausgefüllt, zu denen Giotto die Zeichnungen machte. Im Anfang des Jahrhunderts beschloß die Zunft der Kaufleute, eines der anderen beiden Tore ausführen zu lassen, und schrieb eine Konkurrenz der Künstler aus, welche auf die Ehre und den Gewinn ihre Ansprüche erheben wollten.
Ghiberti war damals 20 Jahre alt. Er hatte Florenz verlassen, wo die Pest herrschte, und malte in Rimini für Pandolfo Malatesta die Gemächer eines Palastes aus. Jetzt kehrte er in seine Vaterstadt zurück. Sechs Künstler beteiligten sich an dem Wettkampfe, unter ihnen Brunelleschi, der drei Jahre älter als Ghiberti, ihm hier zum ersten Male den Rang streitig machte.
Die Aufgabe war so gestellt, daß die eine vorhandene Tür als Muster dienen sollte. Jeder Flügel ist hier in eine Reihe übereinanderliegender Felder eingeteilt, jedes Feld enthält ein Bild in Basrelief. Die Herstellung eines einzigen solchen Bronzefeldes wurde gefordert und dafür die Zeit eines Jahres zugestanden. Vierunddreißig fremde und einheimische Meister hatte man als entscheidende Kommission hingestellt.
Ghiberti erfreute sich der Hilfe seines Vaters, bei dem er gelernt hatte und der ihn beim Guß des Erzes unterstützte. Es kam in dieser Konkurrenz nicht so sehr darauf an, sich durch eine geniale Erfindung etwa als den würdigsten Meister zu bewähren, sondern es sollte erprobt werden, wer, auf welche Weise immer, das vollendetste Stück Erzguß zu liefern imstande sei. Es handelte sich um Erfahrung und geschickte Behandlung des Materials. Ghibertis Arbeit wurde von tadelloser Ausführung befunden und ihm am 23. November 1403 das Werk übertragen. Eine Anzahl anderer Künstler gab man ihm zu Mitarbeitern. Wie viel jedes Jahr fertig werden mußte, war im Kontrakte genau festgestellt. Einundzwanzig Jahre dauerte die Arbeit. Am 19. April 1424 wurden die beiden Flügel in die Angeln gehoben, während Andreas Türe nach Norden hin an ihre heutige Stelle gebracht worden war. Ghibertis Ruhm verbreitete sich jetzt in ganz Italien, seine Tätigkeit ward von allen Seiten in Anspruch genommen, in Florenz aber faßte man den Entschluß, ihm auch die dritte Tür zu übertragen.
Er war an kein Vorbild mehr gebunden, die einzige Bedingung stand im Kontrakte, daß er, solange an der Tür gearbeitet würde, ohne Zustimmung der Zunft der Kaufleute keinen anderen Auftrag übernehmen dürfe; übrigens, was Zeit und Kosten anbeträfe, sei alles seinem Belieben anheimgestellt. Man erwarte jedoch von ihm, daß er, wie er mit der bereits vollendeten Tür alle anderen Meister besiegt habe, bei dieser neuen sich selbst übertreffen würde. Am 16. Juni 1452 ward auch dieses Werk, nun als Haupteingang, an Ort und Stelle geschafft. Am ersten hatte ihm noch sein Vater geholfen, diesmal konnte ihm sein Sohn Vittorio bei der Vergoldung zur Hand gehen, welche nachträglich vorgenommen wurde. Nicht lange danach starb Lorenzo Ghiberti; sein ganzes Leben, das er auf vierundsiebzig Jahre brachte, ist diesen beiden Hauptwerken geweiht gewesen.
Die zweite Tür übertrifft die erste in jeder Hinsicht. Wie ihm geboten war, folgte der Meister frei dem bildenden Genius. Seine Arbeit ist im höchsten Sinne geschmackvoll, das Erhabenste, was das künstlerische Handwerk zu leisten vermochte. Die Kompositionen der einzelnen Felder sind in einer Weise effektvoll zur Darstellung gebracht, die ohne eine so durchdringende Kenntnis und Ausbeutung aller der Vorteile, die das Material nur irgend gestattete, unmöglich gewesen wäre. Man könnte diese Tür eine kolossale Goldschmiedsarbeit nennen, man könnte aber auch sagen, die einzelnen Felder seien ins Relief übertragene Gemälde, wie sie nur der geschickteste Maler zu erfinden befähigt sei. Die Tür ist ein Werk für sich, das spätere Nachahmung niemals zu erreichen imstande war. Der die Fenster umschließende Rand, das eigentliche Gerippe der beiden Flügel, ist mit ungemeinem Reichtum an Figurenschmuck ausgestattet, mit liegenden und stehenden Statuetten, die beinahe frei gearbeitet und in Nischen postiert sind, mit vorspringenden Porträtköpfen und anderen Ornamenten, deren keines von geringerer Sorgfalt als das andere zeugt. Diese Tür ist die erste bedeutende Schöpfung florentinischer Kunst, deren Einfluß auf Michelangelo erkenntlich scheint. Die Erschaffung Adams an der Decke der Sixtinischen Kapelle, die Trunkenheit Noahs, die Tötung Goliaths ebendaselbst beruhen in ihren ersten Gedanken auf den kleinen Gestalten der Ghibertischen Kompositionen. Michelangelo übersetzte sie ins Riesenhafte. In einigen Figuren der Einfassung finden wir bereits Körperwendungen, die Michelangelo mit Vorliebe anwendet. So die gestreckte Lage, bei der sich die aufgerichtete Brust seitwärts auf den eingeknickten anliegenden Arm stützt, daß die Schulter ein wenig heraufgedrängt wird, eine Auffassung der menschlichen Gestalt, die bei Michelangelos Nachahmern zu einer beinahe stereotypen Erscheinung wird. Michelangelo sagte von diesen Türen, sie wären würdig, die Türen des Paradieses zu sein.
Was Ghiberti den Vortritt in einer neuen Richtung gegeben hat, war das Studium der Antike. Ein Gefühl für den Wert, welcher den Überresten der alten Kunst innewohnte, war nie ganz erloschen gewesen in Italien. Der Nation aber fehlte die Ehrfurcht und das Verständnis. Petrarca klagt, daß die aus der Art geschlagenen Römer mit den Trümmern ihrer alten Größe einen schmählichen, die Stadt beraubenden Handel trieben. Um das Jahr 1430 gab es in ganz Rom sechs antike Statuen, die genannt zu werden verdienten. Ghiberti hat Aufzeichnungen über die Kunst hinterlassen, er spricht von der Entdeckung antiker Marmorwerke wie von seltenen Ereignissen. Er beschreibt einen Hermaphrodit, den er 1440 in Rom sah, wo ihn ein Bildhauer, der das Grabmal eines Kardinals zu erarbeiten hatte und nach brauchbaren Marmorstücken suchte, acht Fuß unter der Erde auffand, eine liegende Figur, die mit der glatten Seite ihres Postaments über eine Kloake gestellt als Deckstein diente. In Padua sah er eine zweite Statue, die in Florenz entdeckt wurde, als man den Grund zu einem Hause ausgrub. Die dritte in Siena, von dieser aber habe er nur eine Zeichnung gesehen, die Ambrosio Lorenzetti (ein Schüler Giottos) von ihr angefertigt hätte und die ihm in Siena von ihrem Besitzer, einem alten Kartäuser Mönche, der ein Goldschmied war, gezeigt worden sei. Dieser habe ihm auch erzählt, wie beim Funde der Statue alle Gelehrten, Maler, Bildhauer und Goldschmiede der Stadt zusammengekommen wären, sie betrachtet und beratschlage hätten, wo sie aufzustellen sei. Dazu hätte man endlich den Marktbrunnen ausersehen. Die Statue sei ein wunderbar schönes Werk gewesen, mit einem Delphin an dem einen Beine, auf dem sie aufstand, an ihrem Fußgestell habe der Name Lysippos gestanden.
Kurze Zeit nach Aufstellung der Statue aber nimmt der Krieg, den Siena mit Florenz führte, eine böse Wendung. Es muß ums Jahr 1390 gewesen sein, wo Siena mit Visconti gegen die Florentiner verbündet war. Das Ratskollegium der Stadt überlegte hin und her, wodurch dies plötzliche Einbrechen des Unglücks verschuldet sein könnte, und gelangt zur Ansicht, durch Aufrichtung des Götzenbildes, das allem Christenglauben zuwider sei, habe man den Zorn des Himmels herabbeschworen. Das arme Werk des Lysippos wird heruntergestürzt und in tausend Trümmer zerschlagen, die man, um aus der bösen Sache sogar noch Vorteil zu ziehen, heimlicherweise auf florentinisches Gebiet schafft und da in die Erde gräbt. Hier haben wir das vielleicht letzte Opfer des erbitterten Kampfes, in welchem die Christen der römischen Kaiserzeit sich gegen die heidnischen Götterbilder gewandt hatten. Man sah sie als Wohnstätten der Dämonen selber an und befahl ihre Vernichtung als ein gottgefälliges Werk. Auch dann noch, als dieser erste Haß verschwunden war, weil längst keine Statuen mehr zu vernichten waren, wirkte der fest eingewurzelte Glaube fort. Die wenigen Bildwerke, welche an den römischen Säulen und Triumphbogen noch zutage standen, galten immer als Werke der Zauberei, und die an sie geknüpften Sagen lassen die Scheu erkennen, mit der das Volk sie betrachtete. Langsam trat hier ein Umschwung ein.
Ghiberti wußte die Vorzüge der antiken Arbeit wohl zu schätzen. Von einem in Florenz gefundenen Torso sagt er, er sei mit so großer Zartheit ausgeführt, daß man diese Feinheiten weder bei vollem noch bei gedämpftem Lichte mit dem Auge allein zu erkennen vermöge, man müsse sie mit den Fingerspitzen heraustasten, wenn man sie ganz und gar entdecken wolle.
Wenn er in dieser Richtung den alten Meistern ihre Geheimnisse ablernte und sie der Skulptur zu Nutzen anzuwenden bemüht war. so bestrebte sich Brunelleschi mit gleich glücklichem Erfolge, die Schönheit der antiken Architektur zu Ehren zu bringen. Als ihm, erzählt Vasari, in jener Konkurrenz der Preis nicht zuerkannt worden war, machte er sich mit Donatello, seinem jüngeren Freunde, nach Rom auf Auch dieser hatte als Goldschmied angefangen, sich aber bald dem Studium der Architektur ergeben. Indessen, so gut wie Ghiberti auch Architekt war, so gut war Brunelleschi Maler, Bildhauer und Erzarbeiter. Diese Studien bildeten ein Ganzes, das man Kunst nannte, wie alle geistige Arbeit nach jeder Richtung hin ein Ganzes bildete, das man Wissenschaft nannte. Diese Universalität finden wir schon bei Giotto, der zu dem Übrigen auch Gedichte zu machen verstand.
In Rom begannen die beiden Freunde die Überbleibsel der antiken Bauwerke auszumessen. Den Römern war diese Interesse an den Ruinen ihrer Stadt durchaus unverständlich, man glaubte von den jungen Florentinern, sie grüben nach Gold und Silber in dem Gemäuer der Tempel und Kaiserpaläste, und nannte sie die Schatzgräber. Damals stand noch manches, das heute in Trümmern liegt oder ganz und gar verschwunden ist. Erst lange nach jenen Zeiten, über fünfzig Jahre später, zerstörte der Kardinal von San Marco das Kolosseum, um aus den Werkstücken den venezianischen Palast zu bauen. Brunelleschi erwarb sich in Rom die Anschauungen, mit denen er später den gotischen Stil völlig besiegte. Seine Erkenntnis des antiken Kuppelbaues, die er sich durch die genaue Vermessung des Pantheons erwarb, setzte ihn in den Stand, die Kuppel des Domes in Florenz zu wölben, nach welcher dann endlich Michelangelo die von Sankt Peter auftürmte. So führen die Wege der florentinischen Kunst auf diesen einzigen Größten hin.
Nach Florenz zurückgekehrt, befand er sich zeitweise unter den Künstlern, deren Hilfe Ghiberti zu seinem großen Werke bedurfte. Auch Donatello arbeitete hier mit. Sie gingen zum zweiten Male nach Rom, wo erneute Studien des Altertums vorgenommen wurden; jetzt aber trat Brunelleschi zu Hause mit seinem Projekte für Santa Maria del Fiore auf. Ihm gegenüber stand wiederum Ghiberti, der den Ruhm auf seiner Seite hatte und gewohnt war, in Sachen der Kunst das große Wort zu führen.
Der Dom war längst fertig, nur seine Mitte stand frei und ohne Dach. Niemand wußte, wie die ungeheuere Öffnung zu schließen sei. Eine Konkurrenz ward ausgeschrieben. Die florentinischen Handlungshäuser in Deutschland, Burgund, Frankreich und England hatten die Weisung erhalten, den Abgang bedeutender Meister nach Florenz zu bewirken. 1420 wird die Versammlung eröffnet. Allerlei Meinungen kommen zutage. Der eine schlägt vor, freie Pfeiler aufzuführen, welche das Kuppelgewölbe tragen sollten. Ein anderer will die Wölbung aus Bimsstein aufmauern, der Leichtigkeit wegen. Ein einziger mächtiger Tragpfeiler in der Mitte des Gewölbes wird proponiert. Der tollste Vorschlag ging dahin, die ganze Kirche mit Erde zu füllen, um eine einstweilige feste Stütze für das Gewölbe zu gewinnen. Damit diese Erde nach Vollendung des Baues dann um so schneller wieder fortgeschafft würde, sollten kleine Silberstücke hineingemischt werden: was Hände hätte, würde dann auf das eifrigste davon fortschleppen.
Brunelleschis Projekt war ein freies Gewölbe. Er wolle es aufführen, ohne nur ein Gerüst zu brauchen. Die enormen Kosten der anderen reduzierte er auf eine geringe Summe. Doch je mehr er versprach, um so unglaublicher schienen seine Worte. Niemand hörte ihn, und schon war er auf dem Sprunge wieder nach Rom, hinweg aus seiner undankbaren Vaterstadt, als den Leuten zuletzt das Verständnis kam, es könne doch etwas hinter dem Manne stecken. Er hatte sein Modell den vereinigten Architekten nicht vorzeigen wollen, in der Stille ließ er es nun diejenigen sehen, von deren Stimme der Zuschlag abhing. Eine neue Versammlung wird berufen; abermaliger Streit, abermalige Weigerung, das Modell zu zeigen. endlicher Sieg Brunelleschis dennoch, der durch ein Gleichnis seinen überragenden Verstand dartut. Er verlangt von den Herren, sie sollten ein Ei auf die Spitze stellen, und es folgt die Geschichte vom Ei des Kolumbus, das alle vereinten Baumeister nicht aufzustellen vermögen und das Brunelleschi, lange Jahre ehe eine Seele an Kolumbus dachte, nach seiner Methode zum Stehen bringt.
Jetzt, nachdem er den Bau erhalten hat, erwacht die Eifersucht Ghibertis. Vasaris Erzählung wird bei dieser Gelegenheit offenbar mythisch. Es gab zwei Parteien in Florenz, deren jede im Interesse des einen oder anderen der beiden großen Architekten die Tatsachen entstellte, und Vasari folgte den Anhängern Brunelleschis. Indessen, wie dem nun sei, was er vorbringt, gewährt Einblick in das Leben und Treiben der florentinischen Künstlerschaft und zeigt, wie da nicht nur Kunst gegen Kunst, sondern auch List gegen List auftrat. Berichten wir also in Vasaris Sinne weiter. Ghiberti stand in der Blüte seines Ruhmes. Er bringt es dahin, daß ihm und Brunelleschi zusammen der Bau der Kuppel übertragen wird. Brunelleschi, wütend und außer sich über den Streich, will wiederum alles im Stich lassen. Donatello aber und Luca della Robbia, letzterer ebenfalls ein vortrefflicher Bildhauer, bewegen ihn, statt seine Zeichnungen zu zerreißen und ins Feuer zu werfen, wie er tun wollte, lieber mit den Vorstehern des Baues sich zu verständigen, kurz, er läßt sich zureden, und die Arbeiten nehmen ihren Anfang. Sein Modell jedoch, das er größer in Holz ausführen läßt, hält er vor Ghiberti sorgfältig verschlossen, der seinesteils nicht minder ein Modell anfertigt, für welches er dreihundert Lire in Anschlag bringt, während Brunelleschi nur fünfzig beansprucht. Sieben Jahre wird so in Gemeinsamkeit fortgebaut, bis man an den bedenklichen Punkt kommt, wo Ghibertis Weisheit zu Ende war. Die eigentliche Wölbung begann. Es kam darauf an, das richtige Prinzip zur Anwendung zu bringen, nach welchem die Steine ineinandergefügt wurden. Nun stellt sich Brunelleschi krank. Ghiberti, erst verlegen, dann ratlos. kann allein nicht weiter und muß zurücktreten. Anfänglich behält er seine drei Goldgulden monatlich, die er wie Brunelleschi bezog, dann wird diesem der Gehalt auf acht erhöht, während Ghibertis Anteil ganz fortfällt. Ebenso klug weiß Brunelleschi die Arbeiter zu behandeln, die ihm nicht immer zu Willen sind. Seine Stellung in der Stadt war eine bedeutende. Schon 1423 trat er in die Signorie ein. Neben dem großen Bau der Kuppel beschäftigten ihn zahlreiche andere Aufträge. Nicht minder jedoch Ghiberti und um sie her andere Meister, deren Werke und Namen aber nur für diejenigen Bedeutung haben, die ihnen an Ort und Stelle nachzugehen imstande sind.
Brunelleschi starb 1446; als Architekt nicht gerade Urheber der neuen Richtung, die das Gotische verdrängte, wohl aber der Meister, der mit den größten Mitteln ihre Übermacht zu einer Tatsache stempelte. Dennoch war auch er, wie Ghiberti, mehr Handwerker im großen Stile, wie denn überhaupt die Tage noch in der Zukunft lagen, in denen die Männer auftraten, deren eigenstes Wesen den erkennbaren Mittelpunkt ihrer Kunst bildet. Besonders für die Maler gilt diese Bemerkung, denen doch eine solche Freiheit am ehesten erreichbar ist.
Die Arbeiten der einzelnen Meister sind mehrenteils in Fülle vorhanden, wir vermögen deren Eigentümlichkeit, vielleicht sogar ihre Neigungen zu unterscheiden. Der eine ahmt hier, der andere dort nach, der ist um eine Spur zarter, der andere derber; es ist ein Genuß, die Reihen der Sammlungen und die Gemälde der Kirchen, Paläste und öffentlichen Gebäude mit geübterem Blicke anzusehen und die Meister fest zu erkennen oder annähernd zu bestimmen. Eine große Anzahl geschichtlicher Zeugnisse, an deren Vervollständigung noch unablässig gesammelt wird, Korrespondenzen, Kontrakte, Testamente bestätigen oder korrigieren das ästhetische Urteil und verleihen den Kunstwerken höheren Wert, die alle dadurch auch in historischer Weise nochmals in Zusammenhang geraten; trotzdem aber wäre im höchsten Sinne die florentinische Kunst bis in die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts der Betrachtung weniger wert, wenn nicht später die Erscheinungen einträten, die als ihre endliche Blüte sich entfalteten. Selbst Masaccios Arbeiten, der zu Ghiberti und Brunelleschi als der dritte große Wiedererwecker der Kunst gerechnet wird, berühren die höhere Kunst kaum, halten sie immer noch innerhalb der Grenzen des edelsten Handwerks. Diese Männer wirken für bestimmte Zwecke in ausgezeichneter Weise, aber dem so Entstandenen fehlt das, was einem Kunstwerke eigen sein muß, um seinen Meister ein Genie und seine Art zu arbeiten Stil nennen zu dürfen. Jedes Werk eines großen Künstlers muß bei aller Vollendung des Geleisteten geistig gleichsam die Aussicht auf ein noch größeres Werk eröffnen, das unsichtbar darüber schwebt und uns, ohne daß wir wissen, woher sie stamme, mit jener ewig unbefriedigten Neugier erfüllt, die, nachdem sie alles erschöpft zu haben glaubt, dennoch im Momente, wo sie sich abwendet, fühlt, sie habe erst das wenigste gesehen.
Als ein Mann, der es versucht, solche Werke hinzustellen, erscheint Donatello. Er lebt nicht mit sich im Frieden. Er will mit seinen Arbeiten nicht das bewirken, daß kein anderer ihn übertreffe, sondern er strebt danach, eine Idee auszudrücken, die zu verfolgen ihm mehr dünkt, als technische Vollkommenheit zu zeigen. Das heitere Genügen in der Ausübung hoher Geschicklichkeit, das aus Ghibertis Arbeiten herausblickt, geht den seinigen ab. Sie haben meist etwas Unfertiges, Rauhes, aber sie sind lebendig, und es ist der Geist ihres Meisters, der ihnen dies Leben eingehaucht hat.
Auch für Donatello war Ghiberti ein mächtiger Nebenbuhler, doch schlugen sie beide verschiedene Wege ein. Während Ghiberti seinen Figuren eine gewisse allgemeine Grazie, seinen Ornamenten gefällige Zierlichkeit zu geben weiß und ein Ineinandergreifen aller Teile zum günstigsten Totaleffekt durch gleichmäßige Vollendung der Einzelheiten erzielt, wirft sich Donatello kräftig auf die rücksichtslose Nachahmung der Natur, wie sie ihm vor die Augen trat.
Über dies Bestreben bringt Vasari wieder eine jener kleinen Geschichten vor, deren Glaubwürdigkeit auf schwachen Füßen steht, die aber wahrhaft in sich und wichtig erscheint, weil sie die Natur des Künstlers kennzeichnet. Noch in den Anfängen begriffen, soll er seinen Freund Brunelleschi einmal um ein offenes Urteil über ein von ihm gearbeitetes Kruzifix gebeten haben. »Was du da gemacht hast«, sagte dieser, »ist kein Christus, sondern ein ans Kreuz genagelter Bauer.« »Tadeln ist leichter als besser machen«, antwortete Donatello. Brunelleschi steckt das ruhig ein und arbeitet für sich in der Stille ein Kruzifix, das er eines Morgens in die Werkstätte mitnimmt. Donatello kommt gerade vom Markte und hat ihr beiderseitiges Frühstück, Früchte, Käse, Eier usw. in der Schürze. Brunelleschi hält ihm das Kruzifix hin, und Donatello ist so verblüfft bei diesem Anblick, daß er staunend die Hände erhebt und alles, was in der Schürze war, auf die Erde fallen läßt. »Wie sollen wir nun frühstücken?« ruft Brunelleschi. »Hebe du dir vom Boden auf, was du Lust hast«, antwortete Donatello, »ich für mein Teil habe heute mein Frühstück vorweg; ich sehe wohl, daß du für Christusse gemacht bist, und meine Kunst für nichts weiter, als Bauern taugt.« Vasari erzählt die Anekdote zweimal an verschiedenen Stellen und nicht ganz übereinstimmend.
Brunelleschi hatte nicht unrecht. Ein Zug derber Wirklichkeit geht durch die Gestalten seines Freundes, auch die zartesten nicht ausgenommen. Was für ein Mann ist der heilige Georg in der Nische der Kirche Or San Michele! In voller Rüstung steht er da, strack auf beiden Beinen, die etwas gespreizt sind, mit gleichmäßiger Wucht auf beiden ruhend, als wolle er so ausharren, und keine Gewalt sollte ihn von seinem Posten bringen; den hohen Schild hat er gerade vor sich hingestellt, beide Hände rühren seinen Rand an, halb um ihn zu halten, halb um daran zu ruhen; Stirn und Augen voll erwartender Kühnheit. Auch Ghiberti hat in die Nischen der äußeren Wände von Or San Michele Statuen geliefert, deren Vortrefflichkeit erfreut; kommt man aber an diesen Georg heran, so verwandelt sich das bloß ästhetische Interesse plötzlich in lebendigeren Anteil an der Person des Meisters. Die Technik wird Nebensache. Wer ist das gewesen, fragt man, der einen solchen Kerl so schlagfertig dahingestellt hat?
Ghiberti und Brunelleschi standen zu den Medici in engen Beziehungen. Donatello, scheint es, in höherem Maße als beide; er war der erste große Künstler, dessen Schicksal auf dem der Familie beruhte. Sie verehrten ihm ein kleines Landgut und verwandelten, als ihm dessen Bewirtschaftung zu viel Mühe machte, das Geschenk in eine jährliche Rente. Cosmo dei Medici empfahl ihn sterbend seinem Sohne Piero, der sich liebevoll seiner annahm und ihn in San Lorenzo ehrenvoll begraben ließ.
Donatello war ein einfacher Mann von wenig Bedürfnissen. Einen von Cosmo geschenkten Mantel wollte er nicht tragen, weil er zu prachtvoll sei. Sein Geld soll immer offen dagelegen haben in einem Korbe, der von der Decke herabhing. Seine Freunde durften jederzeit hineingreifen, wenn sie es brauchten. Uralt und gelähmt lag er die letzte Zeit seines Lebens in einem kleinen Häuschen, dessen Lage Vasari noch genau angibt, von dem aber heute keine Spur mehr vorhanden ist. Die ganze Stadt folgte der Leiche, als er begraben wurde.
Zehn Jahre nach Donatellos Tod erst wurde Michelangelo geboren. Zwischen beiden fand eine auffallende geistige Verwandtschaft statt. Äußerlichen Zusammenhanges eines früheren Meisters zu Michelangelo wurde bereits gedacht, hier aber war die Ähnlichkeit der Natur so stark, daß einer von den geistreichen Florentinern jener Zeit die Bemerkung machte: entweder buonarrotisiere Donatello oder es donatellisiere Buonarroti. Auch meißelte Donatello den Marmor kühn und mit Leichtigkeit wie Michelangelo, lieferte dabei aber, wie dieser gleichfalls, wenn es darauf ankam, die zarteste, glatteste Arbeit. Sein heiliger Georg ist kühn modelliert und auf kräftige Gesamtwirkung angelegt, dagegen befindet sich in der Kartause bei Florenz das Grabdenkmal eines Bischofs, das unübertrefflich fein vollendet ist. Mitten in einem Gemache liegt die auf dem Rücken ruhende, lang ausgestreckte Gestalt auf dem Steinboden, ohne andere Unterlage als nur ein Kissen unter dem Haupte. Geschützt durch die heilige Stille und Abgeschiedenheit des Klosters, unangetastet von Zerstörung, kaum vom Staube angeflogen, hat das Marmorbild Jahrhunderte lang seine erste Frische bewahrt.
Hier gewinnt man die Überzeugung, daß, wenn der Meister an anderen Stellen in größeren Zügen arbeitete, es sein Wille war und nicht weil die Hand ihm die feinere Arbeit versagte. Ebensogroß als seine Kunst beim Marmor war die Geschicklichkeit beim Erzguß. Die Kirche von San Lorenzo, die Brunelleschi für die Medici neu erbaute, ist in ihrer inneren Ausschmückung das Werk Donatellos und seiner Schüler. Michelangelo vollendete zuletzt, was noch fehlte. Und doch ist diese Kirche, angefüllt von einer Reihe von Werken beider Künstler, deren jedes einzelne seinem Urheber einen Namen gemacht hätte, nur ein Ort unter den vielen, die durch den Reichtum ihrer Phantasie verherrlicht wurden.
Florenz ist voll von Donatellos Werken, das übrige Toskana und Italien besitzen daneben ihren guten Anteil. Betrachtet man die Arbeiten hier und da vereinzelt, so erblickt man nur die Kunst eines einsamen Mannes; überschlägt man aber die gesamte Summe, die Mühe, den Umfang, die Kostbarkeit, so sieht man im Geiste den Meister inmitten einer großen Werkstatt und von ausgezeichneten, zahlreichen Schülern umgeben, die alle unter seinem Namen tätig sind. Man bringt nun die vortrefflichsten Werke allein auf Donatellos eigene Rechnung, während man das Gleichgültigere nur seiner Werkstatt zuerteilt. Eine solche Tätigkeit aber ist nicht zu denken ohne ein Volk, das nicht müde wird, seine Künstler zu erneuten Anstrengungen anzuspornen.