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Matriona, die Dulderin

Es war einmal eine Frau, sagen wir, Matriona. Sie arbeitete für einen fremden Onkel, sagen wir Nikita, und für seine Verwandten und seine zahlreichen Leute.

Es ging der Frau schlecht. Onkel Nikita beachtete sie überhaupt nicht, obwohl er vor den Nachbarn prahlte:

»Meine Matriona hat mich sehr lieb. Ich tue mit ihr, was ich will. Ein musterhaftes Arbeitstier ist sie, gehorsam wie ein Gaul.«

Aber Nikitas betrunkene Leute behandelten Matriona dauernd sehr schlecht. Sie bestahlen sie, prügelten sie oder beschimpften sie einfach, rein aus Langerweile. Unter sich aber sagten sie ebenfalls:

»Tüchtiges Weib, unsere Matriona! Sie kann einem manchmal beinahe leid tun.«

Aber obwohl sie es in Worten gut meinten mit ihr, fuhren sie in der Tat doch fort, sie zu mißhandeln und zu berauben.

Außer diesen bösen Leuten umgaben Matriona auch viele unnütze Menschen, die Mitgefühl hatten mit ihrer Langmut und Geduld. Sie beobachteten sie von der Seite und sagten gerührt:

»Oh, du Dulderin, du Arme!«

Einige waren geradezu verzückt und riefen:

»Dich kann man gar nicht mit der Elle abmessen, so groß bist du! Und mit dem Verstand kann man dich nicht erfassen, an dich kann man nur glauben!«

Matriona aber arbeitete Tag für Tag, Jahr für Jahr, wie eine Bärin, und ganz ohne Sinn und Zweck: soviel sie auch erarbeitete, die Leute des Onkels nahmen ihr alles wieder weg. Ringsum war Trunkenheit, Weiber, Unzucht und jegliche Gemeinheit, – man konnte kaum atmen.

So lebte sie, arbeitete und schlief. Aber in freien Minuten härmte sie sich im Stillen:

»Herrgott! Alle lieben mich, alle sind mir gut, aber ein wirklicher Mann kommt nicht! Wenn doch ein wirklicher Mann käme, mich in seine starken Arme nähme, mich lieb hätte mit aller Kraft, als Weib, – ich würde ihm ja solche Kinder gebären, Herrgott!«

Sie weinte, – weiter konnte sie nichts tun.

Der Schmied machte sich an sie heran. Aber er gefiel Matriona nicht: er sah so unzuverlässig aus, war so verräuchert, er hatte einen frechen Charakter und redete ganz unverständlich, so als prahle er:

»Nur, wenn sie sich meinen Ideen hingeben,« sagte er, »können Sie in das nächste Stadium der Kultur übergehen, Matriona …«

Sie antwortete ihm:

»Nun, was redest du, Väterchen, was soll das! Ich verstehe nicht einmal, was du sagst. Außerdem bin ich groß und stark, und dich sieht man ja kaum!«

So lebte sie. Allen tat sie leid, und sie tat sich selbst auch leid. Aber bei alledem kam nichts Vernünftiges heraus.

Da plötzlich – erschien ein Held. Er kam, verjagte Onkel Nikita und alle seine Leute, und erklärte Matriona:

»Von heute an bist du ganz frei, und ich bin dein Retter, so wie der Heilige Georg auf einem alten Kopekenstück.«

Matriona schaute sich um: – tatsächlich, sie war frei! Natürlich freute sie sich darüber.

Aber der Schmied erklärte gleichfalls:

»Ich bin auch dein Retter!«

»Das sagt er aus Eifersucht,« dachte sich Matriona. Laut aber sagte sie:

»Natürlich. Du auch, Väterchen!«

So lebten sie alle drei, lustig und zufrieden. Jeden Tag gab's eine Hochzeit oder ein Begräbnis. Jeden Tag wurde Hurra geschrien. Mokej, des Onkels Arbeiter, fühlte sich als Republikaner. Hurra! Jalitorowsk und Narym erklärten sich zu Vereinigten Staaten. Auch – Hurra!

So zwei Monate lebten sie wie ein Herz und eine Seele, sie ersoffen beinahe in der Freude, wie Fliegen in einem Topf mit Kwas. Aber plötzlich – im heiligen Rußland geschieht immer alles plötzlich –, plötzlich wurde der Held übellaunig.

Er saß bei Matriona und fragte:

»Wer hat dich befreit? Ich?«

»Nun, natürlich, du, mein Lieber!«

»Nun also?«

»Na und ich?« fragte der Schmied.

»Du auch …«

Ein Weilchen später fragte der Held wieder:

»Wer hat dich befreit. Ich oder nicht ich?«

»Herrgott,« sagte Matriona. »Gewiß doch, du, du selbst!«

»Nun also, vergiß das nicht!«

»Und ich?« fragte der Schmied.

»Nun, du auch … Ihr beide …«

»Beide?« sagte der Held, seinen Schnurrbart streichend. »Hm … Ich, – ich weiß nicht …«

Und er fragte Matriona andauernd:

»Habe ich dich gerettet, dummes Weib, oder nicht?«

Und immer strenger:

»Bin ich dein Retter? Oder wer?«

Matriona sah, der Schmied war finsteren Blickes beiseite gegangen und tat seine Arbeit, die Diebe stahlen, die Kaufleute handelten, – alles ging wieder auf die alte Weise, wie zur Zeit des Onkels. Aber der Held quält sie und fragt andauernd:

»Was bin ich für dich?«

Und schlägt sie hinter die Ohren und zaust sie am Zopfe.

Matriona küßt ihn, redet ihm gut zu, spricht freundliche Worte zu ihm:

»Ach, du mein lieber italienischer Garibaldi, o du mein englischer Cromwell, du mein französischer Bonaparte!«

Aber nachts weinte sie leise vor sich hin:

»Herrgott, Herrgott! Ich hatte gedacht, es würde wirklich etwas geschehen. Und das ist nun dabei herausgekommen!«

*

Ich gestatte mir daran zu erinnern, daß das ein Märchen ist.

 


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